[Inhalt]

DIE JUNGFRAUEN CHRISTI

Von Peter Torstein Schwanke


MARIA MAGDALENA


O Frau, an deinem Namenstage
Nahm heut ich an der Messe teil.
Süß Sulamith sang ihre Klage:
Wo bist du, Bräutigam, mein Heil?
Ach, in der dunklen Nacht der Seele
Such ich den Liebsten ohne Fehle,
Doch nur Soldaten auf der Wacht
Mich fanden in der dunklen Nacht.
Kaum war ich an der Wacht vorüber,
Da fand ich, den mein Seelchen liebt,
Wie’s keinen andern für mich gibt,
Mir keiner ist als Gatte lieber
Als der, dem ich mich anvertraut,
Der Bräutigam der Schwester-Braut.

Maria trat zum Christusgrabe
Und fand die Grabeshöhle leer.
Ein Engel stand an seinem Stabe
Und sagte: Auferweckt ist Er!
Maria stand im grünen Garten,
Auf den Geliebten treu zu warten.
Da sah sie einen schönen Mann
Und sah ihn als den Gärtner an:
Wo ruht der Fürst der Totengeister,
Mein Jesus, wo? Und Jesus sprach:
Maria, ach Maria, ach!
Maria rief: Rabbuni, lieber Meister!
Maria ihn nicht von sich lässt,
Sprach Jesus: Halte mich nicht fest!

So Salomo und so Johannes
Maria Magdalena Lob
Gesungen haben, besser kann es
Kein Dichter. Aber süß, nicht grob,
Aus Schlesien ein Kirchendichter
Sang Lob dem schönen Licht der Lichter,
Sang Angelus Silesius
Vom wunderschönen Minnekuß
Der schönen Sünderin in Buße:
Ich seufz mit schmachtendem Gestöhn,
Mein Herr und Gott, du bist so schön,
Laß nur den Kuß auf deinem Fuße
Als Lobpreis gelten und Gebet,
Warum liebt ich dich erst so spät?

Ich selber auch, o Magdalena,
Ich reih mich ein zu deinem Preis.
O Magdalena, gratia plena,
Die Freundin meines Herrn, ich weiß,
Dich sang ich früher schon, du Schöne,
Die Aphrodite-Magdalene,
Sang dann ein Lied von Sündenschuld
Und Buße und des Minners Huld
Und sang die mystische Gemahlin
Und sang, wie du zum Herrn geneigt,
Die Auferstehung uns bezeugt
Und sang auch von der Provencalin,
Vom Provencalen der Provinz,
Du rettetest den kleinen Prinz.

Doch nun, Maria Magdalene,
Der Herr ein neues Lied mir gab.
Ich sehe dich im Geist, du Schöne,
Erheb vor dir den Thyrsosstab
Und sing wie christliche Leviten,
Wie Beter, Büßer, Eremiten,
Ich sing von deiner Einsamkeit,
Die du dem Herrn und Gott geweiht.
Einöde! Hab ich deine Mitte
Noch immer nicht erreicht? O Nacht
Der Leiden, ob die Welt auch lacht,
Was fragt die Welt auch, ob ich litte?
Maria, gib den Musenkuß,
Genialen Geistes Überfluß!

Maria Magdalena lebte
In der Betrachtung Kontemplation,
Mit Flügeln ihres Geistes schwebte
Um Jesus in der Meditation,
Betrachtend allezeit den Psalter,
Wie um die Rose schwebt ein Falter,
Sie schwebte um den Menschensohn,
Den Herrn im himmlischen Äon,
Sie grüßte mit dem Gruß der Engel
Maria und den Sohn im Tanz
Und murmelte den Rosenkranz
Und pries die Jungfrau sonder Mängel
Und glühte voller keuscher Scham
Für Jesus, ihren Bräutigam.

Sie lebte hoch auf einem Berge
Allein in der Einsiedelei
Verlassner Hirtenhütte. Werke
Tat keine sie, von Werken frei,
Sie nichts als nur die Liebe übte,
Tat nichts als dass sie Jesus liebte!
Drei Stunden betend morgens früh,
Drei Stunden betend abends sie,
Die Engel oftmals sie entrückten,
Die Throne und die Seraphim,
Die Fürstentümer, Cherubim,
Sie in dem Paradies beglückten,
Des dritten Himmels Venus sie
Nie unterließ zu lieben, nie!

Wenn sie die Cherubim entrückten
Hinan zu Gottes weißem Thron
Und Seraphim wie Schlangen zückten
Um Jesus, Gottes Menschensohn,
Sang Magdalena Hosianna!
Und Jesus reichte ihr das Manna,
Das Himmelsbrot im Paradies,
Noch süßer als der Honig süß,
Als die Idee des Honigs süßer
Das Koriandersamenbrot,
Das Jesus Christus selbst ihr bot.
So hungrig speiste nie ein Büßer
Wie Magdalena mit dem Mund,
Die Seele wurde ihr gesund.

Es war derzeit ein frommer Priester,
Der wollte einsam leben auch
Und betend treiben fort die Biester
Durch seiner Sühne Glut und Hauch
Und tun viel fromme Liebeswerke.
Der schaute droben auf dem Berge
Die Himmlischen so wunderschön
Hinauf- und auch herniedergehn,
Er schaute Jakobs Himmelsleiter
Und fragte sich in seinem Geist,
Wer auf dem Berg wohl Jesus preist
In seinen Leiden selig-heiter?
So stieg der fromme Gottesmann
Neugierig diesen Berg hinan.

Beim Steigen ihn verließ der Odem,
Das Herz im Busen wurde schwach,
Umwoben wie von Nebel-Brodem
Die Seele seufzt sehnsüchtig Ach,
Er schlich mit seinem Leib, dem kranken,
Die müden Glieder wanken, schwanken,
Da rief er unterm Abendstern
Zu seinem Retter, Gott dem Herrn:
Bei Jesus, meinem Herrn und Meister,
Lebt etwa gar ein Engel hier,
Vielleicht ein Mensch als kluges Tier,
Sind hier Gespenster, Unhold-Geister?
In Christus ich bekreuze mich,
In Jesus ich beschwöre dich!

Und lächelnd trat aus ihrer Höhle
Maria Magdalena still
Und sprach mit Sanftmut in der Seele:
Hör, was ich dich nun fragen will!
Du weißt vom Neuen Testamente
Und weißt vom Anfang und vom Ende,
Kennst du die schöne Sünderin,
So weißt du sicher, wer ich bin,
Die mit den Tränen ihrer Buße
Für Wollust Reue üben muß
Und mit Gebet und Liebeskuß
Dem Meister lag zu seinem Fuße
Und als sein Fuß voll Tränen war,
Ihn trocknete mit meinem Haar.

Ich aber weiß, es kommt mein Ende,
Der Tod der schönen Sünderin,
Ich bitte um die Sakramente
Den frommen Priester Maximin.
So geh zu Maximin und sage,
Ich komme morgen früh am Tage
Zu ihm ins Oratorium,
Er soll mir das Mysterium
Des letzten Abendmahles spenden,
Der Vater meiner Beichte sein,
Mich mit der letzten Ölung weihn,
Gesegnet mich gen Himmel senden.
Geh, morgen früh erwart ich ihn,
Den vielgeliebten Maximin.

Nun frisch voran, geliebte Strophe,
Ich diene noch am Minnehof,
Erheb zur Herrin noch die Zofe
Als der betrunkne Philosoph
Und stimme heute meinen Psalter
Zu einer Hymne auf das Alter:
Wie schwarz das Haar der Schönsten war,
Voll Leid trägt sie heut graues Haar,
Ich hör sie übers Alter stöhnen,
Mein Geist jedoch die Liebste schont,
Im grauen Haar noch Eros wohnt,
Bist noch die Schönste aller Schönen,
Und altern möchte ich mit dir,
Gemeinsam auferstehen wir!

Maria Magdalena nahte
Des Morgens früh am Ostertag
Dem Priester Maximin. Der Pate
Und Pater sah die Schöne zag,
Voll Ehrfurcht vor der Frau zu stehen,
Die Freundin Jesu anzusehen.
Die Engel brachten sie herab
Zum Gottesmann am Hirtenstab.
Maria Magdalena schwebte
Zwei Meter überm Erdengrund,
Verzücktes Lächeln um den Mund,
Glanz Gottes ihr das Haupt umwebte,
Voll Ehrfurcht zitternd Maximin,
Sie aber grüßte lächelnd ihn:

Hab keine Angst vor mir, o Pater,
Die Tochter Gottes kommt zu dir,
Die Tochter heimkehrt zu dem Vater
Im Himmel, doch sie bittet hier
Dich, Pater, um die Sakramente,
Damit gesegnet sei ihr Ende.
Den Becher reiche und das Brot,
So geh getrost ich in den Tod,
Vertröstet lebte ich auf Erden,
Vertröstet kehr ich heim zu Gott,
Vertröstung war mir nie ein Spott,
Vertröstet will ich selig werden,
Vertröstung spende allzumal
Du mir im letzten Abendmahl.

Der Priester Maximin beschaute
Maria Magdalena, sah
Die Gottgeweihte, Gottvertraute,
Umglänzt von Gottes Gloria.
Sie, Jesu Süßigkeit und Wonne,
Ihr Antlitz strahlend wie die Sonne,
Voll Herrlichkeit und Gnadenlicht
Ihr feminines Angesicht.
Da rief der Priester voller Buße:
Die Sonne man nicht schauen kann,
Viel weniger der Gottesmann
Hier knieend fromm vor deinem Fuße
Maria Magdalena kann
Mit offnen Augen schauen an!

Maria Magdalenas Tränen
Bewegten aber Maximin.
Sie sprach: Ich muß mich seufzend sehnen,
Mir ward die Sehnsucht nur verliehn,
Man sagt, zuletzt verstirbt das Hoffen,
Der Sehnsucht steht der Himmel offen,
Die Sehnsucht selig-schmerzlich liebt,
Die Sehnsucht mir die Liebe gibt,
Die Sehnsucht nach dem Fleisch und Blute
Der fleischgewordnen Liebe! Gott,
Ich sehne sehr mich, ohne Spott,
Zur Liebe, zu dem Höchsten Gute.
Die fleischgewordne Liebe nennt
Mein schmachtend Herz das Sakrament!

Und Maximin, der Priester, reichte
Maria Magdalena nun
Den Gott, der sich dem Brot vergleichte,
Und Magdalena wollte ruhn,
Das Sakrament in ihrem Herzen,
Ausruhen von des Lebens Schmerzen,
Ausruhen in des Himmels Lust
Mit all dem Jubel in der Brust!
Ein Krümel von dem Sakramente
Zur Erde fiel vor Maximin,
Sankt Magdalena kniete hin,
Den Krümel aß vor ihrem Ende,
Gott speisend so verschieden war
Sankt Magdalena vorm Altar.

Noch siebzig Tage die Kapelle
Erfüllt war von dem Wohlgeruch
Maria Magdalenas, helle
Wars nachts auch in der Kirchenluft
Und seltsam es im Balken knackte.
Ihr Leichnam ward gesalbt mit Stakte,
Mit Myrrhe, Onych, Tragakant,
Zimt, Aloe. Ein Duft im Land
Ging aus von dieser schönen Leiche.
Der Priester krumm am Hirtenstab
Zum Volk sprach: Neben ihrem Grab
Begrabt auch mich. Die Christusgleiche
Zur Auferstehung von dem Tod
Will schauen ich im Morgenrot!

Madonna! Jung und frisch und blühend,
Der keuschen Pflaumenblüte gleich,
Dein Haar vor heißer Liebe glühend,
Dein Mädchenantlitz mild und weich,
Du Göttin ewiglicher Jugend,
Du reiner Spiegel aller Tugend,
Ganz makellos und unbefleckt,
Du Schönheit Gottes, ganz perfekt,
Du Schönheitsgöttin ohne Mängel,
Du bist die Himmelskönigin,
Maria Magdalena in
Das Paradies nimm auf, die Engel
Die Engelsschwester grüßen froh
Mit Lobgesang in Jubilo!

Zur Zeit von Kaiser Karl dem Großen
Bat einst der Herzog von Burgund
Sankt Magdalena mit den Rosen
Des Bittgebets aus frommem Mund
Um einen Sohn, des Thrones Erben,
Der Herzog wird, muß er versterben,
Denn seine Frau war unfruchtbar
Und schon im reifen Alter war.
Der Herzog von Burgund den Armen
Viel Spenden gab von seinem Gut,
Blieb allezeit von frohem Mut,
Sein Herz erfüllt war von Erbarmen,
Auch baute er aus Trümmerhauf
Gott Kirchen auf und Klöster auf.

Nachdem der Mann gebaut das Kloster
Von Vezelay des Himmels Rex,
Daß man dort betet Paternoster,
Gesendet ward ein Mönch gen Aix,
Aix-en-Provence, um die Gebeine
Maria Magdalenas reine
Nach Vezelay zu holen in
Das Kloster. Die Apostelin
In den Reliquien verehrten
Die Mönche mit geweihtem Mund
Und auch der Herzog von Burgund,
Den weisheitsvoll die Mönche lehrten
Die Weisheit der Apostelin,
Der gottvermählten Sünderin.

Als nun der Mönch nach Aix gekommen,
Von Heiden ruiniert war Aix.
Nur wenig Heiligen und Frommen
War unter wucherndem Gewächs
Bekannt das Grab noch ganz von Marmor,
Der Lieblingin von Gottes Amor
Geweihtes Grab, verehrtes Grab,
Das man Sankt Magdalena gab,
Der Jesus-Freundin Aphrodite
Maria Magdalena schön,
Wo Sünder stöhnten Bittgestöhn,
Daß Magdalena Gnade biete
Und gnädig tilge voller Huld
Mit Liebe deckend alle Schuld!

Der Mönch nahm aber nun die Glieder
Des Leibes aus dem Grab von Aix,
Die Pilger sangen Oden, Lieder
Mit theologischem Reflex
Und brachten Glieder dann und Schädel
Maria Magdalenas edel
In eine Kammer über Nacht,
Wo sie um ihren Leib gewacht,
Als Magdalena strahlend ihnen
Aus paradiesisch-schönen Höhn
Als dritten Himmels Venus schön
In Liebreiz-Lichtgestalt erschienen
Und Huld gewährte mit dem Haupt
Dem Mönch, der ihrer Gunst geglaubt.

Maria Magdalena sagte:
Mein Mönch, zuende führ dein Werk,
Dem Herzog sag, der betend klagte,
Daß sein Gebet versetzt den Berg,
Er tat sich durchs Gebet erwerben
Durch meine Huld den Sohn und Erben.
Ich sag dir eine Weisheit, schau:
Begehrt ein Christ ein Weib zur Frau,
Sie soll Maria Magdalene
In allem gleich sein, Christi Braut,
Die Sünderin, die Gott vertraut,
So selig macht den Mann die Schöne
Und durch des Glaubens Fruchtbarkeit
Wird sie mit Frucht gebenedeit.

Nun wurden der Verehrten Glieder
Und gottgeweihtes Frauenhaupt
In einer Prozession der Lieder
Nach Vezelay gebracht, man glaubt,
Daß diese Reste eines Leibes
Vom Meister meistgeliebten Weibes
Der Frau des Herzogs von Burgund
Geöffnet ihren Muttermund
Und machte diese Christin fruchtbar.
Maria Magdalena süß
Im Fürstentum im Paradies
Anbetete den Herrn: Wie furchtbar
Bist du in der Gerechtigkeit,
Wie süß in der Barmherzigkeit!

Es gibt auch manche, welche sagen,
Maria Magdalena sei
Johannes’ Braut in alten Tagen,
Johannes aber ist dann frei
Durch Jesus von dem Joch der Ehe
Geworden, Magdalenas Nähe
Johannes sei entflohen gern
Und schloß sich eng an Gott den Herrn,
Maria Magdalena, wehe,
Wie weh tat doch Johannes ihr,
Ergab sich ganz der Lustbegier,
Als Hure siebenfacher Ehe
Sie wahllos gab der Kraft des Manns
Des nackten Fleisches süßen Glanz.

Weil aber Jesus den Johannes
Rief einst von Magdalena fort,
Rief Jesus, Inbegriff des Mannes,
Auch Magdalena in den Hort
Der tief intimen Jesusnähe
Zur Mystik einer Gottes-Ehe.
Und weil Maria so voll Lust,
Rief Jesus sie an seine Brust,
Weil sie voll glühendem Verlangen
Und absoluter Lustbegier,
Gab er den Ruhmestitel ihr
Der Schwester der Seraphen-Schlangen,
Der Schwester-Braut der Seraphim,
Im Paradies mit Gott intim.

Doch diese törichte Legende
Ist wie die Sünde abgeschmackt.
Was preist man Magdalenas Lende
Und Wonnebusen prall und nackt!
Als Jesus zu sich rief Johannes,
Gab er die keusche Braut des Mannes
Zur keuschen Freundin Unsrer Frau,
Keusch war sie wie Maria, schau,
War wie die seligste Madonne
Als Weggefährtin angetraut
Dem Ewigen, dem Herrn als Braut,
Des Neuen Testamentes Nonne.
Doch singen Dichter unbewusst
Zu gerne Magdalenas Lust!

Es lebte Stephanus in Flandern
Ein Leben im Verbrechertum
Und wanderte zusamt mit andern
Dem eignen Selbst allein zum Ruhm.
Doch ehrte er die Magdalene
Und nannte sie die Wunderschöne
Und fastete verzagend zag
Stets an der Fürstin Namenstag.
So ist sie ihm dereinst erschienen
In liebreizvoller Lichtgestalt,
Ihr hoher Busen glanzumwallt,
Sprach sie mit Lächeln in den Mienen:
Du kniest zu meinem bloßen Fuß,
Dein Leben sei fortan die Buß!

Daß ich mich stets an dir erfreue
Und deinem minnereichen Gruß,
Erweck im Herzen du die Reue
Und tu dem Himmelreiche Buß.
Aus Liebe zu der Wunderschönen
Sollst du dich mit dem Herrn versöhnen
Und sollst bekennen deine Schuld,
Denn so erlangst du meine Huld.
Geh, Gott zu leben, in ein Kloster
Und knie vor der Madonna Fuß
Und bete stets den Engelsgruß
Und Psalter stets und Paternoster,
Dann leg ich dich an meine Brust
Und schenk dir Paradieseslust!

So Stephanus ist fromm verstorben.
Bei seinem gnadenreichen Tod
Sankt Magdalena, heiß umworben,
Erschien vor ihm im Abendrot
Und gab ihm den Apostelsegen,
Sie tat die Hände auf ihn legen
Und weihte ihn mit Bittgebet
Der Liebe in der Trinität!
Gerecht sprach ihn allein der Glaube
Maria Magdalenas schön.
Er schied mit schmachtendem Gestöhn
Und flog zu Gott als weiße Taube.
Maria Magdalenas Arm
Umfing in Eden ihn voll Charme!



MARIE ÄGYPTIACA


Marie Ägyptiaca nannte
Man allezeit die Sünderin.
Der Abt Sosima Gott bekannte
Und ging einmal als Pilger in
Die Wüste, Väter dort zu finden,
In Sonnenglut und heißen Winden
Und in der Sonnenstrahlen Glanz
Sah er dort tanzen ihren Tanz
Marie Ägyptiaca weiblich,
Die Sündigste der schönen Fraun,
Ganz nackt ihr Leib, von Sonne braun,
Ganz nackt und braun und weiblich-leiblich
Sie tanzte in der Sonnenglut,
Trug nichts als schwarzer Haare Flut.

Als Abt Sosima so ihr nahte,
Da rief die nackte Sünderin:
Beim König in dem Gottesstaate,
Schau mich nicht an, wie nackt ich bin,
Bedecke meinen Sündenwandel
Mit deiner Gottesliebe Mantel.
Nun, gottgeweihter Gottesmann,
Schau mich voll Allerbarmen an
Und gib mir deinen Priestersegen.
Und Abt Sosima sah das Weib,
Es schwebte ihr der nackte Leib
Hoch über dürren Wüstenwegen,
Der nackte Leib, voll Schweißes Duft,
Er schwebte in der Wüstenluft.

Der Abt Sosima sah sie thronen
In Wüstenluft, von Schweiße naß,
Und dachte: Narren mich Dämonen,
Gar Lilith, Braut des Satanas?
Die Sünderin in ihrem Schweben
Sprach: Jesus möge dir vergeben,
Denkst du, dass ich ein Teufel bin,
Ich bin nur eine Sünderin
Und bin gerecht nur durch den Glauben.
Der Abt Sosima sprach zu ihr:
Erzähl aus deinem Leben mir,
Mein Lauschen mögest du erlauben.
Sie sprach: Hörst du von meiner Lust,
Dann bebt das Herz in deiner Brust.

Geboren bin ich in Ägypten,
Der Katzengöttin Isis’ Land,
Da Pharaonen in den Krypten,
Von ihnen keiner auferstand.
Ich zählte eben fünfzehn Jahre
Und hennarot die schwarzen Haare
Und straff gewölbt die junge Brust,
Da ich ergab mich ganz der Lust.
Und in den Jahren, die dann kamen,
Ergab ich wahllos der Begier
Der Männer meiner Zierrat Zier,
Und alle Männer, die mich nahmen,
Die liebte ich von Herzen nicht,
Ich tat nur, was der Hure Pflicht.

Dann wollte aber aus Ägypten
Ein Haufen nach Jerusalem,
Sie wollten weihen mit Gelübden
Sich dort dem Kind aus Bethlehem,
Das starb für sie den Tod am Kreuze.
Ich zog mit ihnen. Meine Reize
Gab den Matrosen ich zum Lohn,
Es nahm mich jeder Meeressohn,
Vom Schiffskoch bis zum Kapitäne.
Sie alle wohnten lustvoll bei
Des Weibes Leib in Liebe frei,
Verstrickt in meine Hennamähne.
So kam ich nach Jerusalem,
Darob ich heute mich noch schäm.

Doch als ich stand vorm Gotteshause
In Gottes Stadt Jerusalem,
Da wehrte wie mit Sturmgebrause
Gott selber mich Geschöpf von Lehm,
Zu beten in dem Heiligtume,
Dem Christus an dem Kreuz zum Ruhme.
Ich sah, dass ich nicht würdig sei
Aufgrund der wüsten Hurerei,
Zu treten in den Kreuzes-Tempel.
Da weinte ich der Buße Tau
Und betete zu Unsrer Frau,
Die aller Heiligkeit Exempel.
Sie sprach für mich bei ihrem Sohn
Und führte mich zu Christi Thron.

Da weihte ich mich Unsrer Herrin
Und betete vor ihrem Fuß
Und sprach: Ich Hure, ach ich Närrin,
Ich weih mein Leben jetzt der Buß.
Nicht mehr mit frecher Hurenstirne
Will unbußfertig ich als Dirne
Und Götzendienerin dem Herz
Des Herrn am Kreuz bereiten Schmerz,
Ich zieh zurück mich in die Wüste.
Und als ich in der Wüste war,
Ich betete die vierzig Jahr
Und fastete, und da ich büßte,
Mein Jesus tilgte meine Schuld
Und gab mir seines Herzens Huld.

Die Jahre alle, die ich büßte
Mein schönes Kleid in Nichts zerfiel,
Nun bet ich nackend in der Wüste,
Die Liebe Gottes nur mein Ziel.
Schau mich nicht an, dass ich so braun bin,
Daß ich die Dunkelste der Fraun bin,
Denn ich bin braun und bin auch schön,
Dem Bräutigam gilt mein Gestöhn.
Es sagten meiner Mutter Söhne:
Den Weinberg hüten sei mir Pflicht,
Doch meinen Weinberg hab ich nicht
Gehütet. Seufzend sprach die Schöne:
Den Weinberg meiner Liebe geb
Ich Jesus, dass ich ewig leb!

Und Abt Sosima wollte knieen
Und huldigen der hohen Frau,
Der Jesus alle Schuld verziehen,
Die sah der Abt in trunkner Schau
Hoch überm Sand der Wüste schweben
Und schon wie einen Engel leben
Von Luft und Liebe und dem Tau
Der Sterne, engelgleiche Frau.
Die Heilige sprach so zum Priester:
Knie nieder nicht vor mir, dem Weib,
Laß knieen mich vor Christi Leib,
Nach meinem beichtenden Geflüster,
Du spende mir das Sakrament,
Was man den Corpus Christi nennt.

Und als der Abt Sosima reichte
Mit Segnung der Absolution
Nach dem Bekenntnis ihrer Beichte
Den Körper ihr vom Gottessohn,
Der Abt Sosima da erblickte,
Wie Christi Leib das Weib verzückte,
Wie tief erfüllt von Christi Leib
Befriedigt war das Herz im Weib,
Sie schwebte auf zum Lobpreistanze,
Die Füße nicht mehr auf dem Grund,
Sie nicht mehr auf dem Erdenrund,
Sie tanzte nackt im Sonnenglanze,
Nackt auf dem Gotteslöwen sie,
Im Sonnenlicht ritt nackt Marie!

Gen Himmel war sie aufgefahren,
Zu Jesus Christus flog das Weib,
Gekleidet nur mit langen Haaren
Lag in der Wüste nackt der Leib,
Die Nackte tot im Wüstensande,
Die Nackte tot im Lebenslande.
Und Abt Sosima dachte: Gab
Der Herr die Kraft mir, ihr ein Grab
Zu graben hier im Wüstenboden?
Der Seele schenk ich mein Gebet
Als ein liturgischer Poet
Von Requiem und Jubel-Oden,
Doch wie bestatte ich den Leib
Von diesem nackten braunen Weib?

Da kam ein Löwe durch die Wüste,
Demütig nahte er dem Leib
Der Toten, die er brüllend grüßte
Und lecke zärtlich an dem Weib
Mit einer sammetweichen Zunge,
Dann sprang er auf mit starkem Sprunge
Und grub mit seiner Tatzen Kraft
Und wilden Löwen-Leidenschaft
Das Grab des Weibes in der Erde.
Und Abt Sosima setzte bei
Marie Ägyptiaca frei,
Daß einst ihr Geist vereinigt werde
Dem auferstandnen Leib, dem Leib,
Dem Wollust-Leib vom Wonne-Weib!



AGNES


Sankt Agnes, dieser liebe Name
Heißt Agna, das bedeutet Lamm,
So säte dies des Wortes Same,
Das Lamm war ja ihr Bräutigam,
Sie war auch wie ein Lamm voll Demut,
War voller Sanftmut, voller Wehmut.
Sankt Agnes (o Geliebte, komm!)
Heißt Hagnos auch und das heißt fromm,
Die Frömmigkeit war ihre Ehre.
Sankt Agnes, das bedeutet auch
In der Hellenen Sprache Hauch
Das schöne Wörtlein agnoscere,
Erkenntnis heißt es, Kenntnis keusch,
Weil sie erkannt das Wort im Fleisch.

Sankt Agnes war ein kluges Mädchen,
Das jugendlich den Tod besiegt.
Sie glich den Kindern in dem Städtchen
Und hat sich doch an Gott geschmiegt.
Ihr Geist war reicher als ihr Alter.
Sie Rose war und Jesus Falter.
Ein junges Mädchen war ihr Leib,
Die Seele war schon Gottes Weib,
Ihr Geist war eine weise Alte,
Großmütterchen im Gottesreich,
An Gottes alter Weisheit reich,
Daß sie die Weisheit still entfalte,
Die Weisheit in des Glaubens Licht.
Und Liebreiz war ihr Angesicht.

Sie weihte sich der Unbefleckten,
Der Jungfrau der Jungfrauen ganz.
Der Sohn des römischen Präfekten
Verliebte sich in ihren Glanz.
Er sagte: Werde du die Meine,
Ich geb dir Gold und Edelsteine
Und allen Reichtum dieser Welt
Und Ehre, Ruhm und Gold und Geld.
Die Jungfrau aber ohne Zweifel
Verwahrte sich dem Sohn der Welt
Und sprach: Dein Götze ist das Geld,
Dein Vater aber ist der Teufel!
Und reichst du mir dein Geld statt Brot:
Wer Mammon speist, der speist den Tod!

Ich habe einen andern Gatten,
Sein Adel ist von Ewigkeit,
Noch edler als der Fürst der Schatten,
Er ist der Herr der Herrlichkeit,
Er ist der Ursprung alles Schönen,
Der Schönste von den Menschensöhnen,
Sein Reichtum reicher ist als Geld,
Er ist der Herr der ganzen Welt,
Er ist ein Gottheld voller Stärke,
Er selbst besiegt noch selbst den Tod,
Der Liebe Kraft, die in ihm loht,
Ist stärker noch als Liebeswerke,
Die Liebe, die er ewig gibt,
Sie ist ein Gott, der ewig liebt!

Du Sohn des römischen Präfekten,
Nur Schall und Schatten ist dein Leib,
Ich lieb den Sohn der Unbefleckten,
Sein Vater aber nahm kein Weib,
Dem Manne aber ohne Mängel,
Ihm dienen allerreinste Engel,
Sein Reichtum maßlos, seinen Schatz
Kann sagen keines Menschen Satz.
Die Toten steigen aus den Grüften
Und leben wieder auf erneut,
Aus Hades’ Fesselung befreit
Durch meines Gatten süßes Düften.
Des Gatten Liebe, sie ist keusch,
Jungfräulich seine Braut im Fleisch.

Wer ist wie er bereit zu geben,
Wer ist wie er so wunderschön?
Nur Liebe ist sein ganzes Leben,
Ich schau mit schmachtendem Gestöhn
Ihn an, den Ursprung alles Schönen,
Den Schönsten von den Menschensöhnen,
Ich richt mich auf an seinem Stab,
Mein Trost die Liebe, die er gab.
Er kam, mein Haupt mit Ruhm zu krönen,
Ich lebe nur zu seinem Ruhm,
Er, meines Herzens Heiligtum,
Der Wunderschönste aller Schönen,
Der mich zu lieben nur gewollt,
Sein Denken reiner ist als Gold.

Er gab mir schon den Ring der Ehe,
Er schmückt mich mit der Tugend Glanz,
Sein Leiden ich auch an mir sehe,
Ich trag den roten Rosenkranz,
Ich will mich niemals von ihm scheiden,
Vereint mit ihm in Lust und Leiden,
Ich lebe mit dem Menschensohn
Die leidenschaftlichste Passion,
Er fesselt mich mit seiner Liebe
Und schenkt mir seine Herrlichkeit,
Den Schatz der Gnaden allezeit,
Beseligt meine Lebenstriebe,
Verheißt mir Wollust wonnesüß
Im wunderschönen Paradies!

Er gab den Ring mir an die Rechte,
Er schmückte meinen Schwanenhals
Mit seinem Medaillon, die Nächte
Besucht der König mich des Alls,
Er gab mir seinen Purpurmantel,
Daß ich wie er so fürstlich wandel,
Kleinodien vermacht er mir
Und viele Perlen mir zur Zier,
Sein Zeichen drückte auf die Stirne
Der König mir, des Kreuzes Mal,
Daß ich erwählt vom Brautgemahl
Zur Ehefrau, nicht wüste Dirne,
Und schaue keinen andern an
Als meinen Herrn und Ehemann!

Daß ich mit keinem andern Buhlen
Vergnüge mich im Liebesspiel,
Kommt oft er, liebevoll zu buhlen
Und spielt mich als sein Saitenspiel,
Der Schöpferische er, der Freier,
Ich sein Geschöpf und seine Leier,
Ich bin sein Werk und sein Poem,
Und er umfängt mich angenehm,
Ich liege still in seinen Armen,
Daß er mir seine Liebe gibt,
Spricht lächelnd er: Ich hab dich lieb
Mit mütterlichem Allerbarmen.
Er ist der Gott, ich bin sein Grab,
Der mir sein Liebesleben gab!

Er gab die Fülle seiner Liebe
Vollkommen hin und sagte: Gib
Mir alle deine Lebenstriebe
Und hab mich auch von Herzen lieb,
Ob manchmal dich das Leben peinigt,
In Liebe sind wir doch vereinigt,
In leidenschaftlicher Passion,
In liebevoller Kommunion.
Du gleichst dem Meer, ich gleich dem Felsen,
Wir gehen in einander ein
Wie klares Wasser, dunkler Wein,
In Liebe werden wir verschmelzen,
Im Paradies wird dein Genuß
Süß sein wie meines Mundes Kuß!

Als dies der Sprössling des Präfekten
Vernahm, auf seiner Ruhebank
Ums Töchterchen der Unbefleckten
Er weinte laut, vor Liebe krank.
Sankt Agnes mit der Lilie Schlankheit
War Ursach seiner Liebeskrankheit,
Und als die Ärzte sahen ihn,
Sie sagten: Keine Medizin
Gibt’s gegen solche Liebeskrankheit,
Geht über unsern Horizont
Des Mädchens Haarflut rötlichblond
Und weißen Leibes Lilienschlankheit,
Da bleibt nur Elend und Gestöhn,
Des Mädchens Macht ist: Sie ist schön!

Vom Leid des Söhnchens des Präfekten
Vernahm der römische Präfekt
Und sprach zum Kind der Unbefleckten:
Ist deine Schönheit auch perfekt
Und deines Leibes Lilienschlankheit
Ist Ursach auch der Liebeskrankheit
Und deine Haarflut rötlichblond
Hat meinen Sprössling nicht verschont,
So nimm du ihn nun auch zur Ehe
Und wähle ihn zum Liebesspiel,
Dein Herz ist seines Herzens Ziel,
Er sehnt sich sehr nach deiner Nähe,
Und alles was er will, verweint,
Ist nur mit Agnes sein vereint.

Sankt Agnes aber, ach, sie lachte
Und sprach: Präfekt, was auch dein Sohn
So über Liebeskünste dachte
Und von der Minne süßem Lohn,
Daß bleibt der Keuschheit nur abscheulich.
Ich bleibe ehelos jungfräulich,
Jungfräulich für das Himmelreich,
Kommt keiner meinem Gatten gleich!
Sprach der Präfekt: Bei deinen Brüsten
Beschwör ich dich, du sanftes Lamm,
Sag an, wer ist dein Bräutigam?
Sprach Agnes: Gott, der Herr der Christen,
Gott selbst mein Ehegatte ist,
Mein Bräutigam ist Jesus Christ!

Da sprach die Stimme des Präfekten:
Willst feiern du der Jungfraun Kult,
So diene du der Unbefleckten,
Der Göttin Vesta voller Huld,
Wirst du nicht meines Sohns Gemahlin,
So diene Vesta als Vestalin,
Als Vestas Jungfrau in dem Dom
Das Feuer hüte du von Rom,
So nur kannst leben du jungfräulich,
Indem du betest Vesta an,
Nimmst du dir anders keinen Mann,
Die Götter finden dich abscheulich,
Vor allem Göttin Venus nackt,
Die sehr geliebt den Liebesakt!

Doch dienst du Vesta nicht, der Göttin,
Dienst Vesta als Vestalin nicht,
Dienst Venus nicht als Ehegattin
Und tüchtig in der Ehe Pflicht,
So straf ich deine stolze Stirne:
Bei Dirnen lebe du als Dirne,
Dann schick ich dich ins Hurenhaus
Und da kommst du nicht mehr heraus,
Da soll kein Schleier dich verschleiern,
Du dienst als Hure im Bordell
Und Junggesell an Junggesell
Soll dort die Unzucht mit dir feiern,
Erhebend seinen Thyrsosstab
In heitrer Unzucht des Priap!

Und der Präfekt in großem Grimme
Als ein jähzorniger Gesell
Sankt Agnes schickte fort, der Schlimme,
Und brachte sie in ein Bordell.
Als Agnes aber im Bordelle
Zu Gott gefleht, kam eine helle
Lichtaura, Gottes Glorienschein,
Und hüllte völlig Agnes ein.
Die Huren in gehauchter Seide
Da standen wie ein Marmor-Akt,
Sankt Agnes aber splitternackt
Als Jesu Christi Augenweide
War keusch bekleidet mit dem Kleid
Der himmlisch-reinen Herrlichkeit.

Und im Bordelle all die Freier
Sich wandten ab von dem Gebuhl,
Sankt Agnes zu im lichten Schleier,
Der Jungfrau in dem Sündenpfuhl.
Die sich zuvor in Lust gebettet,
Durch Lichtglanz wurden sie gerettet,
Der Ort der Sexualität
Ward Gottes Tempel voll Gebet,
Der Lasterort der Luxus-Sünde,
Der Pfuhl der Unzucht und der Schuld
Zu einem Orte ward der Huld
Der Jungfrau mit dem Gotteskinde,
Da Gott verklärte Agnes’ Fleisch
Zu einer Himmelsjungfrau keusch.

Als nun der Sohn kam des Präfekten
Mit Kameraden ins Bordell,
Da schauten zu der Unbefleckten,
Die nackt stand in der Glorie hell,
Bekehrt und fromm die Kameraden,
Sie flehten Agnes an um Gnaden,
Nicht aber des Präfekten Sohn,
Er fand hier seiner Sünde Lohn,
Er, Jünger in der Unzucht Orden,
Er war vom Tau der Wollust naß,
Mit Teufeln kam der Satanas,
Den Luxus-Jünger zu ermorden.
Sankt Agnes in dem Kleid aus Licht
Sah Gottes zorniges Gericht.

So sprach die Stimme des Präfekten
Zu Agnes, zu der Jungfrau, die
Sich ganz geweiht der Unbefleckten:
Dienst du satanischer Magie
Und tötetest mit Zaubereien
Mein Söhnchen, dass dich wollte freien,
Der sich verzehrt in heißer Brunst,
Übst du Magie und schwarze Kunst?
Doch dienst du einem guten Gotte,
Mein Söhnchen wecke auf vom Tod,
Gib ihm ein neues Morgenrot,
Dann laß auch ich ab von dem Spotte
Und lalle wie ein Idiot:
Gelobt sei Gott Herr Zebaoth!

Und Agnes rief zur Unbefleckten,
In Jesu Namen auferweckt
Ward nun der Sprössling des Präfekten!
Nun gläubig staunte der Präfekt,
Als sprach der Sohn: Bei Agnes’ Brüsten,
Ich schaute Gott, den Gott der Christen,
Den Gott, der Mensch geworden ist,
Ich sah im Tode Jesus Christ,
Er saß in einem goldnen Saale
Vor mir an einem langen Tisch
Und lud zu Wein und Brot und Fisch
Mich lächelnd ein zum Abendmahle,
Er trug nur um die Lenden kurz
Gegürtet einen Lendenschurz.

Nun fromm der Sohn war des Präfekten,
Nun war auch gläubig der Präfekt,
Sie weihten sich der Unbefleckten,
Ihr, deren Schönheit ist perfekt,
Ihr und Herrn Jesus Nazarenus!
Im Hain der Großen Göttin Venus
Der Venus Priester dies vernahm
Und zornig dies zum Anlaß nahm,
Den Tod zu fordern für die Spötter:
Sie dienen nicht der Cypria,
Der göttlichen Urania,
Sie ehren nicht mehr Romas Götter,
Die ehrten doch Ovid servil,
Horaz, Tibull, Properz, Virgil!

Der Stellvertreter des Präfekten
Sankt Agnes sprach das Urteil: Tod!
Sie Agnes in das Feuer steckten,
Die Feuerflammen goldenrot
Entwichen keusch vor Agnes’ Brüsten,
Verschonten Agnes und die Christen,
Jedoch die heiße Feuersglut
Und Feuersbrunst in wilder Wut
Verzehrte im Gericht die Heiden:
So straft im Zorn der große Gott
Der Frevler Blasphemie und Spott,
Sie fluchend in die Hölle scheiden
Und sterben dort den zweiten Tod
Nach dem Gericht durch Zebaoth.

Der Stellvertreter des Präfekten
Erneut sprach aus das Urteil: Tod!
Des Schwertes Schärfe sie nun steckten
In Agnes’ Busen! Blut floß rot
Aus Agnes’ schwanenweißen Brüsten!
Doch freudig lächelnd sterben Christen,
Sankt Agnes leise lächelnd sprach:
Mein Bräutigam im Brautgemach,
Ich sehe dich, ich seh dich warten,
Dich ewig schön und ewig jung,
Bereit zu der Vereinigung
In Paradieses Eden-Garten!
Dem Leben ich und Tod vertraut,
Zur Ehefrau macht er die Braut!

Am achten Tag des Martertodes
Die Mutter Agnes’ stand am Grab,
Da kam ein Morgenlicht, ein rotes,
Die Mutter stand am Greisenstab,
Da sah sie himmlische Jungfrauen,
Die Mädchen Gottes durft sie schauen,
Sah Agnes und ein weißes Lamm,
Sah Agnes und den Bräutigam.
Und Agnes sprach zu ihrer Mutter:
Beweine du nicht meinen Tod,
Ich lebe nun im Morgenrot,
Das Himmelsbrot mein Seelenfutter,
Ich darf des Lammes Nymphe sein,
Der Herr lud mich zur Hochzeit ein!

Es war ein Mann, der hieß Paulinus,
Im Dom Sankt Agnes Gottesmann,
Er war kein Narr und Harlekinus,
Sah immer nur die Jungfrau an,
Doch schmachtend gierig voll Begierde
Nach schöner Frauen Zierrats-Zierde,
So sehr er bat, er ward nicht keusch,
Verging sich an dem eignen Fleisch,
Da bat er Christi Stellvertreter,
Zu lösen ihn vom Zölibat,
Die Ehe in dem Gottesstaat
Erbat er vom Apostel Peter.
Der Vater in dem Gottesstaat
Gab voller Weisheit guten Rat:

O frommer Gottesmann Paulinus,
Nimm du ein Ringlein mit Smaragd,
Nicht Zofen such als Harlekinus,
Verlobe dich der Gottesmagd,
Verlobe dich der Braut Sankt Agnes,
So weihst du Jesus all dein Nacktes,
Laß ab von Wollust wüst und wild,
Tritt vor der keuschen Jungfrau Bild,
Sei deiner Lüsternheit Bezwinger,
Die wilde Leidenschaft bezwing,
Steck den smaragdnen Ehering
Sankt Agnes an den Ehe-Finger
Und weihe dein versuchtes Fleisch
Der makellosen Jungfrau keusch.

Als nun Paulinus trat zum Bilde
Der Heiligen mit seinem Ring,
Die makellose Jungfrau milde
Mit femininer Güte fing
Zu lächeln an vor dem Bezwinger
Der Wollust, streckte ihren Finger
Entgegen gern dem Gottesmann,
Nahm das smaragdne Ringlein an
Und zog zurück das schlanke Händchen.
Paulinus ward nicht mehr versucht,
So sehr der Satanas auch flucht,
Der Gottesmann mit Liebesbändchen
Sankt Agnes war verbunden keusch,
Der Jungfrau weihte er sein Fleisch.





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