[Inhalt]

JUDITH

Von Peter Torstein Schwanke

„...wusch sich und salbte sich mit kostbarem Balsam, flocht ihr Haar und setzte sich einen Kopfputz auf, zog ihre schönen Kleider an und tat Schuhe an ihre Füße, schmückte sich mit Armbändern und Spangen, Ohrringen und Fingerringen und legte all ihren Schmuck an. Dazu gab ihr der Herr noch besondere Anmut; denn sie schmückte sich nicht aus böser Lust, sondern aus Gottesfurcht. Und der Herr machte ihre Schönheit so groß, dass sie allen unsagbar lieblich erschien.“
(Buch Judith 10,3-5)




ERSTER TEIL



ERSTER GESANG


O gewaltiger Eloah,
Adonai, du König Salems!
Dich bekennen, Gott und Herrscher,
Alle ewigen Äone!

Höhe, Tiefe, Länge, Breite,
Morgensterne, Abendsterne
Preisen all das Wesen Gottes:
Einig Gott in drei Personen!

Komm zu mir, gelinder Herrscher,
Komm nach deiner Liebe Willen,
Lehre du mich deine Liebe,
Laß uns ewig eins sein, Gottheit!

Mein Bekenntnis ist das selbe
Wie einst Abraham bekannte,
Der vor drei Personen einen
Gott und Herrn hat angebetet.

Also bete ich zu einem
Gott und Herrn in drei Personen,
Lade dich, mein Gott, mein König,
Ein zu mir in drei Personen.

Komm, o Vater voller Liebe,
Gottheit aller reinen Minne,
Komm, o Vater, und bewahre
Mich vor allem Trug und Irrtum!

Dich auch lad ich ein, o Jesus,
Gottes eingebornen Liebling,
Gottes eingeborne Weisheit,
Dich auch lad ich ein, Frau Weisheit,

Daß die Gnade ich erfahre,
Daß du selbst, o Weisheit Gottes,
Inspirierst des Dichters Dichten
Zu dem Ruhm der Weisheit Gottes!

Dich auch lad ich ein, o Heilig
Geist, gib du mir siebenfältig
Alle deine Tugendgaben,
Daß ich werde voll der Tugend,

Gib mir Gottesfurcht und Künste,
Milde, Rat und Kraft und Weisheit,
Gib Vernunft, dass ich vollbringe
Dieses Werk im Geist der Tugend!

Heilig Geist und Sohn und Vater!
Wo dein Lobpreis nicht gesungen
Dir zu Ruhm und Ehre, Gottheit,
Da sind fehlerhaft die Künste.

Doch mit deiner Gnade, Gottheit,
Will ich dieses Werk vollbringen,
Singen auf dem Berg der Tugend
Einen Stein von reinstem Wesen.

Unter deinen Schwingen, Jahwe,
Unter deinen Adlerschwingen
Berg ich mich als Adlerjunges
Wie einst tat der Dichter David.

Unterm Schatten deiner Schwingen
Ich beginne meine Dichtkunst,
Ich vollbringe meine Dichtkunst,
Ich vollende meine Dichtkunst.

Weise mir den Weg, Frau Weisheit,
O mein Friedefürst, o Jesus,
Führ im Geist der Gottesminne
Mich in Ewigkeit. Hosanna!

Was so süß ist deinem Herzen,
O mein Freund und wahrer Bruder,
Der du grüßest Sankt Maria,
Das will ich im Lied dich lehren.

Denn ich hörte deine Klage,
Hab vernommen über Maßen
Deine Klage, du begehrtest
Gottes Weisheit zu erkennen!

Du begehrtest voll des Durstes
Und du batest mich als Schenken,
Einzuschenken dir der Weisheit
Edlen Wein, der in der Schrift strömt.

Ach, ich bin ein armer Sünder!
Kann ich denn das Licht erkennen,
Das da leuchtet in der Bibel,
Den geheimen Kern des Wortes?

Also reich kann ich nicht schöpfen,
Daß ich deinen Durst dir stille,
Deiner Liebe voll Begierde
Stille völlig das Verlangen.

Aber einen Teil der Quelle
Komm ich, über deinem Haupte
Auszugießen, von der Weisheit
Ursprung möchte ich berichten,

Daß du schöpfest aus der Quelle,
Welche ist der Weisheit Ursprung,
Schöpfe mit kristallnem Kelche
Und benetze deine Lippen.

Wer da aber sucht die Weisheit,
Suche Weisheit in der Bibel,
Dann wird ihn die Weisheit führen
In das Land von Milch und Honig.

Stille also die Begierde
Nach dem edlen Wein der Weisheit,
Lies du nur in diesem Liede,
Das ich deutscher Dichter dichte,

Der ich kann so gut nur dichten,
Wie die Liebe mich gelehrt hat,
Singe nach dem Wort der Bibel
Dieses Lied der schönen Judith.

Dichter will ich sein der Judith
Und mit Gottes Hilfe singen
Achior und Holofernes,
Will die schöne Judith singen,

Will in diesem Buche wandern
In dem fernen Morgenlande
Und will kehren heim am Abend
Zu dir in dem Abendlande

Und dir kurz und bündig sagen,
Welchen Honig ich gefunden,
Will den Honigseim dir schenken,
Dir den süßen Seim der Judith.

Alles ruht in Gottes Händen!
Möge sich der Bibel Samen
Strömen aus in Gottes Namen:
Allmacht, Weisheit, Liebe! Amen.



ZWEITER GESANG


Arfaxat war Mediens König,
War ein König vieler Länder,
Weithin war berühmt sein Name
Unter vielen Länderfürsten.

Arfaxat war voll des Durstes
Nach dem Ruhm und nach der Ehre
Und er baute eine Stadt nach
Höhe, Tiefe, Länge, Breite.

Darin wollt vor Feinden sicher
Sein der König und in Frieden
Leben alle Lebenstage,
Und die Stadt hieß Ekbatana.

Diese Stadt von Edelsteinen
Und von himmelblauen Ziegeln
War sehr schön und hohe Türme
Dort von Elfenbein zu schauen.

Arfaxat in Ekbatana
Lebte, Stolz in dem Gemüte,
Und er tat was er nur wollte
In dem Eigentum des Königs.

Und er hatte viele Helden,
Große Ritter, starke Krieger,
Untertanen voller Demut,
Stets sich fürchtend vor dem König.

Nahe war das Reich des Königs
Von Assyrien gelegen,
Dessen König hatte mächtig
Manchen Edelmann bezwungen.

Seinem Machtgebote waren
Untertan viel Ländereien.
Dieser König tat gewaltig
Nur nach seinem eignen Willen.

Und Assyriens Gebieter
Hatte Krieger, hatte Knechte,
Die da fochten, die da stritten
Zu der Ehre ihres Königs.

Weil sie seine Knechte waren
Und zu ihm in Treue hielten,
Trug er hoch die stolze Nase,
War hochmütigen Gemütes.

Nebukadnezar hieß der König.
In dem zwölften Jahr der Herrschaft
Wollt er Arfaxat besiegen
Und sein Königreich erobern.

Aufeinander stießen beide
In dem offnen Schlachtgefilde
Und da gab es viele Tote,
Gehend ein zum Totenreiche.

Dieses Feld genannt war Ragan,
Bei dem breiten Strome Euphrat,
Da ward Arfaxad bezwungen,
Nebukadnezar triumphierte.

Nebukadnezar triumphierte,
Wollte König sein der Erde
Und die Königskrone tragen
Als der ganzen Welt Beherrscher.

Niemand sollte widerstehen,
Alle einen Gott ihn nennen,
Dieses Machtgebot des Königs
Ward gesandt in alle Länder,

Nach Zilizien und Damaskus,
Zu dem Libanon und Karmel,
Galiläa, Samaria,
Nach Jerusalem, zum Jordan,

In das schwarze Land der Neger,
Diesen allen ward geboten,
Nebukadnezar anzubeten
Nach dem Machtgebot des Königs.

Doch die Leute in den Ländern
Hörten nicht auf die Gebote.
Nebukadnezar wurde zornig
Im hochmütigen Gemüte.

Ihm entschwand die letzte Güte
Und er schwor bei seiner Krone
Und er schwore bei seinem Throne,
Daß er sie besiegen wollte.

Rief er alle seine Räte,
Sprach zu allen seinen Räten:
Ich will sein der Weltenherrscher
Und der Gott der ganzen Erde!

Dieses Wort gefiel den Räten
Und sie huldigten dem König,
Ihrem Herrn und ihrem Abgott,
Fielen vor dem König nieder.

Einer von den Königsräten
War der Herzog Holofernes.
Nebukadnezar sprach als König
Zu dem Herzog Holofernes:

Fahre in das Land des Westens,
Unterwirf das Land des Westens,
Wer mir nicht wird untertänig,
Den bestrafe mit dem Schwerte!

Schone Burgen nicht noch Städte,
Alle Seelen sollst du würgen,
Bis auch noch die letzte Seele
Mich bekennt als ihren Gottherrn!



DRITTER GESANG


Als der König so gesprochen
Zu dem Herzog Holofernes,
Tat der Herzog Holofernes,
Was der König ihm geboten.

In Assyrien gesammelt
Wurden ritterliche Heere,
Starke Ritter, junge Knappen,
Und sie zogen in dem Heerzug.

Als der Herzog Holofernes
Sah den ritterlichen Heerzug,
Zählte Ritter er und Knappen,
Wie der König ihm geboten.

Krieger gingen da zu Fuße,
Hundertzwanzigtausend Krieger,
Ritter ritten hoch zu Rosse,
Wohl zwölftausend stolze Reiter.

Holofernes rief die Ritter
Auf zur ritterlichen Treue
Und beschwor sie, in dem Kriege
Selbst ihr Leben einzusetzen.

Als der Heerzug war gesammelt
Und bereit war für den Kriegszug,
Holofernes erst besorgte
Eine Mahlzeit für die Krieger.

Mit den Rittern zogen nämlich
Viele Schafe, viele Kühe,
Viele Esel und Kamele,
Alles leckres Fleisch zur Speise.

Und die Ritter und die Knappen
Und die Krieger und die Knechte
Zogen nun im Heereszuge
Mit dem Herzog in die Schlachten.

Von Assyriens Gefilden
Zu Ziliziens Gefilden
Zogen sie und zum Gebirge
Ange kam das Heer der Ritter.

Dort der Herzog Holofernes
Überwand die Burgen alle
Und die Leute sich ergaben
Sklavisch Herzog Holofernes.

Und die Hauptstadt hieß Melothi,
Herzog Holofernes nahm sie,
Raubte alles Gut der Hauptstadt,
Nahm sich alles ohne Umschweif.

Weiter zog der Herzogs Truppe,
Mesopotamien erobernd
An dem breiten Strome Euphrat,
Da er mehrte die Gewinne.

Nach Zilizien und Japhet
Ritt er und nach Mediens Auen.
Alle Leute mussten dulden
Ihren Tod von seinen Händen.

Nach Damaskus ritt der Herzog,
Wo er ließ die goldnen Felder
In der Erntezeit verbrennen,
Hieb die Früchte von den Bäumen.

Dann gebot er seinen Kriegern,
Alle Reben abzuschneiden,
Jeden Weinberg zu verderben
Und in rotem Blut zu waten.

Als die Völker alles dieses
Sahen, die Gewalt und Machttat,
Wurden sie verzagt und ängstlich,
Keinen Widerstand mehr leistend.

Da vereinten sich die Fürsten
Zur Beratung mit den Räten,
Mesopotamiens, Syriens Fürsten,
Die von Libanon und Sobal.

Und die Fürsten und die Räte
Sandten Holofernes Botschaft:
Laß uns werden untertänig,
Komme du zu uns in Frieden!

Sklaven wollen wir dir werden,
Willst du nur uns nicht verderben,
Gnädig sei den Untertanen
Und bring Frieden deinen Sklaven.

Lieber dienen wir der Gottheit
Nebukadnezar untertänig,
Als das deiner Gottheit Sklaven
Nur den Tod von ihm empfangen.

Nimm uns an als deine Sklaven,
Aber komm zu uns mit Frieden,
Unsre Burgen, unsre Städte
Legen wir in deine Hände.

Unsre Pferde und Kamele,
Unsre Kinder, Kindeskinder,
Unsre Weiber, unsre Sklaven
Legen wir in deine Hände.

Sei dein Herrscher unser Herrscher,
Wir sind deines Herrschers Sklaven,
Du komm zu uns nur mit Frieden,
Wir tun ganz nach deinen Wünschen.

Herzog Holofernes hörte
Diese Rede und so nahm er
Alle Burgen, alle Städte,
Herrschte mit Gewalt und Stärke.

Von den Sklavenvölkern nahm er
Viele Krieger, junge Knaben,
Nahm sie an als seine Krieger,
Dienten Sklaven ihm als Ritter.

Und die Sklavenvölker, singend
Sklavenlieder, sie empfingen
Ihren Herzog Holofernes
Als der Herrn in ihren Burgen.

Doch die Demut nicht vermochte
Ihm das Herze zu erweichen,
Trotz der Sklaven Hundedemut
Blieb des Herzogs Herz versteinert.

Er zerstörte ihre Burgen,
Er zerstörte ihre Türme,
Er zerstörte ihre Ähren,
Er zerstörte ihre Reben.

So gebot ihm ja der König
Nebukadnezar grausam grimmig,
Daß die ganze Welt erkenne,
Nebukadnezar sei der Gottherr.

Mit Gewalt zog Holofernes
Durch die Länder, die Gebirge,
Zog durch Syrien, zog durch Sobal,
Mesopotamien, Appamia,

Bis er kam zum Lande Gaba,
Wo er unterwarf die Städte,
Dreißig Tage seine Krieger
Ließ er ruhen dann vom Kriege.



VIERTER GESANG


Da war aber eine Landschaft
Mit dem Namen Tochter Juda,
Israels Bewohner wohnten
In dem Land der Tochter Juda.

Die entsetzten sich, vernehmend
Wie der Herzog Holofernes
Alle Burgen, alle Städte
Schändete und alle Leute.

Da begannen sie zu fürchten,
Daß Jerusalem erobert
Werde und der Tempel Gottes
Werde ruiniert zu Trümmern.

Also sandten sie Gesandte
Gegen Jericho, Samarien,
Daß in Jericho, Samarien
Man sich schütze vor dem Feinde.

Sie begannen, hohe Mauern
Zu errichten um die Städte
Und die Burgen zu versorgen
Drinnen reich mit Korn und Wasser.

Unter ihnen war ein Pfaffe,
Groß sein Name und gewaltig,
Eliachim war sein Name,
Der war Oberster der Pfaffen.

Esdralon gebot der Pfaffe
Und Dotaim riet der Pfaffe,
Daß die Berge sie besetzten,
Daß sie sicherten die Wege.

Nun hob sich ein großes Weinen
Von der ganzen Volksgemeinde,
In Jerusalem und andern
Orten alle Leute weinten.

Jammernd klagten sie Jehowah,
Daß man gegen Gottes Ehre
Wollt Jerusalem erobern
Und vernichten Gottes Tempel.

Und sie trugen Sack und Asche
Und beweinten ihre Sünden,
Ihre Frauen klagten leise,
Ihre Kinder schrieen jammernd.

Und sie schrieen zu dem Höchsten,
Daß er ihnen in der Schwermut
Ihrer Trübsal Beistand sende,
Hilfe von dem Heiligtume.

Gott, beschütz uns vor dem Feinde,
Der uns will vertreiben alle,
Alle Männer, alle Frauen,
Alle Großen, alle Kleinen.

Und der Pfaffe Eliachim
Wallte durch die Tochter Juda,
Sagte Israels Bewohnern:
Betet allzeit, fastet, opfert!

Dann wird Gott euch bald erhören,
Wenn ihr betet, betet, betet,
Gott wird seinen Beistand senden,
Gott wird euern Feind vernichten.

Gott stand so dereinst bei Mose,
Der nur durch die Bittgebete
Seiner Reue, seiner Buße
Amalek den Feind besiegte.

Amalek war groß und zahlreich,
Zahlreich war des Feindes Mannschaft,
Mose überwand den Gegner
Durch die Macht der Bittgebete.

Also werden alle siegen,
Die geduldig leiden, opfern,
Buße tun und fasten, beten,
Das ist die gewisse Wahrheit.

Nach dem Trostwort dieses Pfaffen
Mann und Weib und kleine Kinder
Schrieen laut zu Gott dem Höchsten,
Daß er seinen Beistand sende.

Allzeit beten, fasten, opfern,
Buße tun und sich bekehren
War ihr Werk und ihre Arbeit
In der Innigkeit der Demut.



FÜNFTER GESANG


Bruder mein in Jesus Christus,
Kannst du dich wohl noch erinnern,
Daß ich sprach zu Anbeginn von
Achior und Holofernes?

Nun ist es soweit gekommen,
Daß ich Achior besinge.
O mein Freund, du bist ein Garten,
Drin ich mich zum Trost ergötze.

Ich gelobte bei der Freundschaft,
Daß ich Judith will besingen,
Dies soll meinem Bruder nützen,
Der da sucht die Weisheit Gottes.

Ja, schon sehe ich die Straße,
Die ich laufen will zum Ziele.
Gott behüte meine Seele,
Daß ich guten Lobpreis singe.

Gott behüte meine Seele,
Gott erquicke meinen Körper,
Daß mich nicht der Bär verjage,
Braun der Bär, den ich besungen.

Denn an diesem Donnerstage
Höre ich die Klage Davids:
Meinen Weinberg hat vernichtet
Braun der Bär aus finsterm Walde!

Braun der Bär, das ist der Teufel,
Ist Herr Uriel mit seinen
Weggenossen, den Satanen
Und mit dem Konvent der Hexen.

Solche irren auf dem Wege,
Die den wahren Gott vergessen,
Die den wahren Gott verlästern,
Unsern Schöpfer, Retter, Tröster!

Und ich fleh zu Gottes Gnade,
Daß die Gnade mich bewahre
Vor dem Löwen, König Frevel,
Der da umgeht, zu verschlingen.

Wäre ich doch stark wie Simson,
König Frevel zu erschlagen!
Speise kommt vom starken Fresser,
Was ist süßer als der Honig?

Siehe, süßer als der Honig,
Das ist die Idee des Honigs,
Das ist die Idee des Süßen,
Ist die Süßigkeit der Weisheit!

Freund, ich sage dir die Wahrheit:
An die Straße will ich treten,
An den Kreuzweg, an die Pforte,
Mit Frau Weisheit dort zu reden.

Führen will als guter Hirte
Ich mein Volk auf grüne Auen,
Weiden will ich meine Lämmer
Auf dem grünen Feld der Bibel.

Willst du in der Spur der Weisheit
Wandeln, jagen nach der Weisheit,
Höre mich getreu dir sagen,
Wer da Ohren hat, der höre:

Denkst du, dass ich Fabeln dichte,
Dichte nur Altweibermärchen?
Wehe, wehe, meine Schwermut
Muß das klagen und beweinen,

Das gereichte mir zum Zorne,
Wenn ich Eitelkeiten dichte,
Nein, mein Wort soll vorm Gerichte
Gottes nichts als Weisheit singen!

Nicht vergebens meine Arbeit
Als Poet der Weisheit Gottes,
Sondern der posthumen Sendung
Würdig will ich Weisheit künden.

Ich bin jung, bin wie ein Kindlein,
Stammle wie ein Kindlein Lobpreis,
Singe immer Jesus, Jesus!
Auf, zum frischen Quell der Weisheit!



SECHSTER GESANG


Achior war Ammons Herzog
Und er sprach zu Holofernes:
Herr, ich weiß von diesem Volke
Israel und wills dir sagen.

Dieses Volk stammt aus Chaldäa,
Stammt aus Ur in Mesopotamien,
Lehnte ab die falschen Götter,
Ehrten nur die Eine Gottheit,

Dienten nur dem Gott des Himmels,
Der ließ sie vondannen ziehen.
Aber als sie hungern mussten,
Zogen sie ins Land Ägypten.

Viermal hundert Jahre waren
Sklaven sie im Land Ägypten.
Israel ward aber zahlreich,
Zahllos wurden Jakobs Kinder.

Aber Pharao, der König
Von Ägypten, ließ die Sklaven
Stampfen Lehm und Ziegel brennen
In der Knechtschaft hartem Frondienst.

Doch das Volk schrie zu Jehowah
Und Jehowah hörte seine
Kinder zu dem Vater schreien
Und er sandte die Befreiung.

Übers Land Ägypten schickte
Gott gewaltig schlimme Plagen,
Bis der Pharao Ägyptens
Ließ die Kinder in die Freiheit.

Aber als die schlimmen Plagen
An ihr Ende kamen, jagte
Pharao den Kindern Jakobs
Nach bis an Ägyptens Schilfmeer.

Gott die Wellen aber trennte,
Wellen standen hoch wie Mauern,
Und die Kinder Jakobs zogen
Durch das Schilfmeer trocknen Fußes.

Die Ägypter aber jagten
Grimmig nach den Kindern Jakobs,
Aber Jakobs Gott ersäufte
Die Ägypter in dem Schilfmeer.

Israel zog durch die Wüste
Zu dem Sinai-Gebirge,
Niemand lebte in der Wüste,
Dort die Kinder Jakobs lebten.

Aus den bittern Quellen aber
Flossen süße Wasserströme
Und der Gott im Himmel nährte
Seine Schar mit Brot vom Himmel.

Ohne Pfeil und Bogen zogen,
Ohne Schilde, ohne Schwerter
Zogen Jakobs fromme Söhne
Durch die Wüste, Gott vertrauend.

Gott vertrieb die Feinde alle,
Alle gegnerischen Völker
Gott vertrieb vor seinen Kindern,
Gott selbst stritt für seine Söhne.

Keiner konnte sie besiegen,
Wenn sie treu Jehowah blieben.
Als sie aber abgefallen,
Da gerieten sie in Schande.

Als sie wieder sich bekehrten,
Gott besiegte alle Feinde,
Jebusiter, Perisiter,
Amoriter und Heviter,

Alle wurden überwunden
Und die Länder dieser Heiden
Waren nun in Jakobs Händen,
Jakobs Söhnen voller Stärke.

Und so lang sie nicht gesündigt,
Stand es gut mit Jakobs Söhnen
Und Jehowah strafte alle
Feinde Jakobs mit der Rute.

Aber wenn sie abgekommen
Von dem Wege Gottes waren,
Kamen sie in die Verbannung,
Die Zerstreuung in der Fremde.

Aber dann in der Zerstreuung
Sie bekehrten sich zur Gottheit
Und Jehowah ließ sie wohnen
Hier auf diesen festen Bergen.

Darum, Herzog Holofernes,
Sollst du zu erfahren suchen,
Ob sie gegen Gott gesündigt,
Dann besiegen wir sie sicher.

Wenn sie Gott in deine Hände
Gibt, dann werden untertänig
Sie dir dienen als die Sklaven
Nebukadnezars, deines Herrschers.

Aber haben Jakobs Söhne
Nicht den Bund mit Gott gebrochen,
Können wir sie nicht besiegen,
Denn Jehowah streitet für sie!

Dann wird Gott dein Heer besiegen
Und dein Heer wird unterliegen,
Jakobs Söhne in den Kriegen
Werden sicher triumphieren!



SIEBENTER GESANG


Als so Achior gesprochen,
Herzog Holofernes’ Knechte
Wollten Achior ermorden
Und sie sprachen miteinander:

Wer ist der, der hier gesprochen
Gegen Nebukadnezars Heere,
Die geleitet ohne Weisheit
Seien, ohne Kraft und Stärke?

Daß nun Achior bekenne,
Wie er sich in uns getäuscht hat,
Wollen wir gewaltig kommen
Aufs Gebirg der Tochter Juda.

Wenn wir dann das Volk von Juda
Eingefangen und erschlagen,
Soll auch Achior erschlagen
Werden mit des Schwertes Schärfe.

Dann soll jedes Volk auf Erden
Dies bekennen, dass der Herrscher
Nebukadnezar wahrer Gott sei,
Außer Gott kein andrer Gott sei!

Also sprachen sie. Die Rede
Achiors erregte zornig
Holofernes. Holofernes
Sprach zu Achior die Worte:

Da du uns nun prophezeitest,
Daß der Juden Volk beschützt wird
Von Jehowah, ihrem Gotte,
Darum sollst du nun bekennen,

Daß kein Gott vor unserm Gotte
Nebukadnezar war auf Erden.
Wenn wir alle Juden töten
Und erschlagen Mann und Weiber,

Kinder morden, Kindeskinder,
Sollst du mit ermordet werden
Und von der Assyrer Schwertern
Mit den Juden in den Tod gehn.

Dann sollst du im Tod erkennen,
Daß nur Nebukadnezar Gott ist,
Herrscher über Tod und Leben
Und der Gott der ganzen Erde.

Von dem Schwerte der Assyrer
Wird durchbohrt dann deine Seite
Und erliegen deinen Wunden
Wirst du, sterben mit den Juden.

Denkst du aber, deine Rede
Sei prophetisch und wahrhaftig,
Hebe ohne Furcht dein Antlitz
Und bleib treu dem Gott der Juden.

Geh du nur zum Volk der Juden
Und gesell dich zu den Juden,
Wird ergehen meine Rache,
Wird dich meine Rache treffen.

Also Herzog Holofernes
Seinen Knechten hat geboten,
Daß sie Achior gefangen
Führen in das Land von Juda.

In dem jüdischen Gebirge
Lag Bethulia, das Städtchen,
Achior ward ausgeliefert
In Bethulia den Juden.

Herzog Holofernes’ Knechte
Brachten Achior gefesselt
Auf das jüdische Gebirge,
Banden ihn an einen Baum an.

Achior stand da gefesselt
An den Baumstamm angebunden.
Und die Knechte Holofernes’
Ihn verhöhnend ihn verließen.



ACHTER GESANG


Und es kamen nun die Juden
Rasch zu Achior am Baume
Und sie führten den Befreiten
Nach Bethulia, dem Städtchen,

Nahmen ihn in ihre Mitte
Und befragten ihn neugierig,
Wie es sei ihm so ergangen,
Daß er dort gefesselt wurde.

Osias war Fürst der Juden
Und mit Osias war Karim,
Der war auch ein Fürst der Juden,
Die nun Achior vernahmen.

Achior bekannte offen,
Was ihn Holofernes fragte,
Was er Holofernes sagte,
Wie ihn Knechte schlagen wollten,

Wie ihn Holofernes schließlich
Übergab dem Volk von Juda,
Daß er mit den Juden sterbe,
Wenn der Herzog kommt zur Rache.

Dieses alles ist geschehen,
Sagte Achior zu Karim
Und Osias, weil ich sagte:
Gott Jehowah hilft den Juden.

Als dies Achior geredet,
Fiel die jüdische Gemeinde
Auf ihr Antlitz vor Jehowah,
Betend: Heilig, heilig, heilig!

Und die jüdische Gemeinde
Mit der Auserwählten Eintracht
Betete in tiefer Demut
Gott den Schöpfer an, den Vater.

Gott des Himmels und der Erde,
Schau uns an, in Demut betend,
Wie die Feinde uns verfolgen,
Sei dein Antlitz unsre Hilfe!

Laß uns sehen, unser Heiland,
Wie die Stolzen du erniedrigst
Und wie du erhöhst die Kleinen.
Wer sich Gott dünkt, mach dem Vieh gleich!

Da die jüdische Gemeinde
Alle Tage, alle Nächte
Betete in großer Trübsal
Und in Drangsal ihrer Leiden,

Sprachen Achior sie Trost zu:
Unser Gott, den du bekannt hast,
Wird dich schützen wie ein Adler
Und der Feind sein deiner Feinde!

Wenn uns unser Heiland rettet
Nur aus Gnade seiner Liebe,
Mögest du auch gläubig werden
Ans Gesetz des großen Gottes.

So sprach die Gemeinde. Abends
Osias nahm ihn ins Haus auf,
Lud ihn ein zum Abendmahle,
Nach dem Fasten aßen Fleisch sie.

Und die gläubige Gemeinde,
Sich versammelnd in der Kirche,
Betete die ganze Nacht durch
Vor der Gegenwart des Höchsten.

Und sie flehten in der Kirche
Vor dem Schrein des Wortes Gottes:
Gott des Himmels und der Erde,
Uns erlös aus allen Qualen!



NEUNTER GESANG


Holofernes seine Krieger
Ließ Bethulien bekriegen,
Hundertzwanzigtausend Läufer,
Zweiundzwanzigtausend Reiter.

Nach Bethulien sie zogen
Und gen Belnia sie kamen
Und bis an die Ortschaft Celmo,
Die bei Esdralon gelegen.

Und die jüdische Gemeinde,
Da sie Holofernes sahen,
Fielen nieder vor Jehowah,
Vor dem Gotte, der sie liebte!

Asche auf das Haupt sich streuend,
Reuevoll die Buße übend,
Beteten sie an in Eintracht
Ihren Gottherrn, der sie liebte!

Und sie baten ihre Gottheit
Um das herzliche Erbarmen
Und dann nahmen sie die Waffen
Zur Verteidigung des Landes.

Holofernes durchs Gebirge
Wandernd, fand dort eine Quelle,
Da die Juden Wasser schöpften,
Nah den Mauern ihrer Ortschaft.

Heimlich schöpften Juden Wasser,
Sich zu laben an dem Wasser
Und sie tranken zur Erquickung
Von der keuschen Schwester Wasser.

Diese Quelle nun gewahrten
Die von Moab und von Ammon,
Denn die Moabiter stritten
Mit dem Herzog gegen Juda.

Und die Moabiter sprachen,
Moab sprach zu Holofernes:
Du besetze diese Quelle,
Daß sie nicht mehr fließt den Juden.

Wenn die Juden nicht mehr trinken
Von der keuschen Schwester Wasser,
Werden sie ermattet, müde,
Und wir können sie besiegen.

Holofernes glaubte Moab
Und dem Ratschlag Moabs folgend
Er besetzte jene Quelle
Mit Soldaten, vielen hundert.

Es vergingen vierzig Tage,
In Bethulia das Wasser
In dem großen Wasserbecken
Wurde knapp, die Menschen durstig.

Und sie hatten nichts zu trinken
Und sie dürstete nach Wasser:
Ach mich dürstet, ach mich dürstet,
Schmachtend schrie die Tochter Juda!



ZEHNTER GESANG


In der Zeit zusammenkamen
Alle Juden der Gemeinde
Und zu Osias dem Fürsten
Sprachen Männer, Weiber, Kinder:

Gott sei unser aller Richter!
Übel haben wir gehandelt,
Übel ist an uns ergangen
Zu der Strafe unsrer Sünden.

Osias, du Fürst der Juden,
Warum hast du deine Juden
Nicht Assyrien ergeben,
Uns ergeben Holofernes?

Gott hat uns in seine Hände
Doch in dieser Frist gegeben,
Die wir ganz vergehn vor Dürsten
Und verschmachten in der Dürre!

Sammle nun das Volk der Juden
Und ergib die Tochter Juda
In die Hand des Holofernes,
In die Hände der Assyrer.

Lieber leben und Gott loben
In der Hand des Holofernes
Als ein freies Volk der Juden
Und doch alle hingeschlachtet!

Wir und unsre Väter alle
Sind die Zeugen unsres Gottes,
Unsres einen, einzig wahren
Gottes Zebaoth Jehowah!

Wir beschwören dich mit Tränen,
Gib uns Männer, Weiber, Kinder
In des Holofernes Hände,
Eilig, noch bevor wir sterben!

Lieber sterben kurz und schmerzlos
Durch das Schwert des Holofernes
Als in langem Elendschmachten
Hinzusiechen und verdursten!

Da sie also alle sprachen,
Klang ein Heulen in der Kirche,
Männer weinten, Weiber heulten,
Alle Kinder schrien vor Jammer!

In der Kirche alle Juden
Flehten an den Allerhöchsten:
Gott, wir sind nur arme Sünder,
Hab Erbarmen, hab Erbarmen,

Sei barmherzig, Vater unser,
Die wir deine Kinder heißen,
Sei uns gnädig, unser Vater,
Und erlöse uns vom Bösen!

O Gerechtigkeit und Gnade,
Gottes Zorn und Gottes Milde,
Mögst du deine Zucht und Rute
Gnädig mild an uns erweisen.

Gib uns nicht den wilden Heiden
In die Hände, wüsten Sündern,
Gottesleugnern, Ehebrechern,
Daß sie nicht den Herrn verlästern

Und von deinem Namen sprechen:
Wo ist denn der Juden König,
Wo ist denn ihr Herr und Heiland,
Konnte sie ihr Gott nicht retten?

So sie beteten in Jammer,
Da erhob sich voller Trauer
Osias, der Fürst der Juden,
Und er sagte in der Kirche:

Bei den heißen Tränenströmen,
Die sich vor dem Herrn ergossen,
Bei dem reichen Schwall der Tränen,
Die ich weinte vor dem Vater,

Noch fünf Tage will ich warten,
Ob uns Gott der Tröster tröste
Und uns Gott der Retter rette,
Sonst ergeben sich die Juden.

Noch fünf Tage beten, fasten,
Buße tun und Opfer bringen,
Noch fünf Tage sich bekehren,
Bis uns rettet unser Vater!




ZWEITER TEIL


ERSTER GESANG

Unsre Liebe Frau von Sion,
Meine Muse, meine Dame,
Singe mir das Lied von Judith,
Der Erlöserin der Juden!

In Bethulien, der Ortschaft,
Hörte alle diese Worte
Osias’ und aller Juden
Eine Witwe namens Judith.

Einem Ehemann vermählt war
Judith, der da hieß Manasse,
Der stand in dem Erntemonat
Auf dem Feld und band die Garben,

Da kam eine solche Hitze,
Von der Hitze starb Manasse,
In Bethulien begraben
Ward Manasse von der Witwe.

Und drei Jahre und sechs Monde
Lebte Judith schon als Witwe.
In der Kammer ihres Hauses
Sie bewohnte eine Klause,

Eine heimelige Klause,
Eine Zelle des Gebetes,
Die bewohnte sie mit ihren
Mädchen, ihren Dienerinnen.

Und sie trug die Bußgewänder
Und sie fastete zur Buße
Alle Tage, nur am Sabbath
Und am Festtag aß sie festlich.

Schön und strahlend war das Antlitz
Judiths, eine Antlitz-Schönheit
War sie, Liebreiz voller Leuchtglanz
War auf ihrem Angesichte!

Ihr Gemahl ließ ihr als Erbe
Großes Gut und dies ihr Erbteil
War sehr reich und ihre Herde
Zählte überreichlich Kleinvieh.

Einen guten Namen Judith
Hatte bei dem Volk von Juda,
Ihre Gottesfurcht berühmt war
Bei den Kindern Gottes allen.

Von den frommen Juden keiner
Jemals sagte böse Worte
Oder Lästerungen über
Judith, diese keusche Witwe.

Als nun Judtih hat vernommen,
Daß es Osias gefallen,
In fünf Tagen alle Juden
Holofernes zu ergeben,

Schickte Judith zu den Priestern.
Priester Karmim, Priester Kabri
Kamen zu der Witwe Judith
Und sie sagte zu den Priestern:

Was ist das, was ich vernommen,
Osias, der Fürst der Juden,
Will die Juden übergeben
Holofernes in fünf Tagen,

Wenn uns Gott der Herr nicht rettet
Nach fünf Tagen Bittgebeten?
Wollt ihr Gott den Herrn versuchen,
Gott befehlen, dass er helfe?

Solche Worte helfen nimmer,
Sondern sind allein geeignet,
Statt Barmherzigkeit die Rage
Unsres Gottes zu empfangen.

Wollt ihr Gott den Tag bestimmen,
Da uns rettet sein Erbarmen,
Wollt Jehowah Fristen setzen,
Da uns Gott erretten müsse?

Gott ist voll Geduld und Sanftmut,
Voll Barmherzigkeit und Langmut,
Drum mit Tränen unsrer Reue
Lasst uns suchen Sünden-Ablaß!

Gott ist nicht erzürnt wie Väter,
Die sich nicht versöhnen lassen.
Darum lasst uns voller Demut
Uns erniedrigen im Geiste

Und uns neigen vor Jehowah
Voller Demut als die Diener
Und anflehen Gott mit Tränen
Und ihn bitten um Erbarmen.

Lasst uns preisen unsre Trübsal,
Denn entmachtet wird der Hochmut
Und erhoben wird die Demut
Von dem Gott, der liebt die Kleinen!

Wir sind nicht wie unsre Väter,
Die den wahren Gott verlassen
Und in ihrer Sünde gottlos
Beteten zu goldnen Götzen.

Und weil unsre Väter Sünder
Waren, folgten goldnen Götzen,
Wurden sie vom wahren Gotte
Auch gestraft mit Zornes Rage.

Wir jedoch, wir lieben einzig
Gott, den Vater in dem Himmel,
Unsern Heiland, unsern Retter,
Dessen Geist ist unsre Tröstung.

Wir erflehen unter Tränen
Stets den Trost des Geistes Gottes,
Darum wird er uns erretten
Und erlösen von dem Bösen.

Wird sich gegen uns erheben
Einer von den Feinden Gottes,
Wird der Herr ihn niederschmettern
In der Allmacht seiner Rettung.

O ihr gottgeweihten Priester,
Ihr sollt unser Volk erinnern,
Wie auch selbst die Patriarchen
Mussten leiden manche Trübsal,

Gott erprobte durch die Trübsal
Auch die großen Patriarchen,
Vater Abraham, der fromme,
Ward geprüft in schwerer Drangsal,

Der die Prüfung treu bestanden,
Wurde gar zum Freund Jehowahs!
Isaak geschah das selbe
Und auch Jakob, unserm Vater

Israel, dem Kämpfer Gottes,
Der ward auch versucht durch Trübsal
Und ist treu erfunden worden
Und von Gott gesegnet reichlich.

In der heiligen Geschichte
Wissen wir doch auch von Leuten,
Die die Prüfungen der Trübsal
Nicht mit Gottesfurcht ertragen,

Sondern widerspenstig murrend
Gingen sie zugrunde, wehe,
Durch der Feuerschlangen Giftbiß
Sind zugrunde sie gegangen!



ZWEITER GESANG


Also sprach die Witwe Judith:
Wenn uns nun betroffen Trübsal,
Sollen wir in Demut denken,
Dies ist Strafe unsrer Sünden

Und doch milde ist die Rute
Gottes in den Züchtigungen,
Nicht zum Schaden ist die Trübsal,
Nein, zum ewigen Gewinne.

Osias, der Fürst der Juden,
Und die beiden Priester sprachen:
Voller Wahrheit deine Worte,
Nichts an deinem Wort ist sträflich.

Du bist heilig, Witwe Judith,
Weil du heilig, fromme Witwe,
Bitt für uns in diesen Stunden
In der Frist der großen Trübsal.

Darauf sprach die Witwe Judith:
Haltet ihr für wahr mein Reden,
So betrachtet, ob auch wahrhaft
Meine Handlungen vor Gott sind.

Bittet doch, dass Gott aus Gnade
Meiner Handlung Ratschlag beisteh
Und mir hilft mit seiner Hilfe,
Kraft mit gibt mit seinem Geiste.

Nachts sollt stehn ihr an der Pforte,
Wenn mit meinem Mädchen Abra
Ich heraustret aus dem Tore,
Sollt fünf Tage lang ihr beten.

Betet allzeit zu Jehowah,
Daß er Tochter Juda rette.
Aber was ich tu und wirke,
Soll euch bleiben ein Geheimnis.

Gebt mir nichts als euer Beten.
Also sprach die Witwe Judith.
Osias sprach zu der Witwe:
Geh mit Gott, in Gottes Frieden!

Küsse du die Liebe Gottes,
Küsse du den Frieden Gottes,
Geh mit Gott in Gottes Frieden,
Räche uns an unsern Feinden!

Da ging Judith in ihr Bethaus,
Zog sich an die Bußgewänder,
Streute auf das Haupt die Asche,
Schrie zum Tröster in dem Himmel.

Herr, du Gottheit meines Vaters
Simeon, der ihm ein Schwert gab
Gegen die empörten Heiden,
Die geschändet eine Jungfrau,

Der du gabst der Heiden Weiber,
Der du gabst der Heiden Söhne
In Gefängnis und in Schande,
Gabst ihr Gut den Kindern Gottes,

Dich anflehe ich, Jehowah,
Hilf du einer armen Witwe,
Der du bist von Anbeginne,
Der du bist in Ewigkeiten,

O du Schöpfer aller Dinge,
Der du uns den Weg bereitest,
O du Richter des Gerichtes,
Weiser Gott in deiner Vorsicht!

Schau herab auf die Assyrer,
Die uns heute schwer bedrängen,
Wie einst taten die Ägypter,
Die du siegreich überwunden,

Pharao und die Ägypter
Waren stolz auf ihre Wagen,
Waren stolz auf ihre Pferde,
Waren stolz auf ihre Krieger,

Du bedecktest doch Ägypten
Mit der Finsternis der Plage
Und ertränktest sie im Meere,
Schicktest sie in den Abyssus.

Dieses auch geschehe heute
An den Scharen der Assyrer,
Die so stolz auf ihre Menge,
Die so stolz auf ihre Stärke,

Aber dies weiß nicht Assyrien,
Daß du bist der Ewig-Eine,
Du bist Schöpfer, Retter, Tröster,
Gott in allen Ewigkeiten!

Hebe deines Armes Rechte
Über alle Macht des Feindes,
Stürz den Feind durch deine Rage,
Stürz des stolzen Feindes Hochmut,

Der da deines Namens Tempel
Niederreißen will im Zorne,
Deines heiligen Altares
Hörner will zu Boden werfen.

Darum bitt ich dich, Jehowah,
Laß den Feind gefangen werden
Durchs Verlangen seiner Augen
Vor der Schönheit meines Leibes.

Meines Mundes Minne schlage
Nieder unsern Widersacher,
Die Begierde seiner Augen
Fange ihn in meinen Fesseln.

Gib mir, Zebaoth Jehowah,
Kraft, zu zeigen keinen Ekel,
Keinen Ekel vor dem Feinde,
Vor dem widerlichen Feinde!

Gib mir Kraft in meine Seele,
Daß ich meinen Feind verschmähe,
Werde er zum Ruhme Gottes
Überwunden durch ein Weibchen!

Nicht die Stolzen und die Starken,
Nicht die Hohen und die Reichen
Finden dein Gefallen, Gottheit,
Sondern die in Demut klein sind.

Lob der Demut, Lob der Sanftmut,
Lob des Betens, Lob des Fastens!
Das gefällt die, Gott des Himmels,
O du Schöpfer aller Meere,

König aller Kreaturen,
Höre eine arme Witwe,
Die vertraut auf dein Erbarmen,
Mütterliches Allerbarmen!

Dein Wort sei auf meinen Lippen,
Deine Kraft in meinen Händen,
Daß die ganze Welt erkenne,
Gott ist Gott und sonst ists keiner!



DRITTER GESANG


Judith hatte so gebetet,
So geschrieen zu dem Vater,
Dann erhob sie sich vom Boden,
Rief zu sich ihr Mädchen Abra.

Sie tat ab die Bußgewänder,
Legte ab die Witwenkleider,
Badete den Leib und salbte
Ihren schönen Leib mit Myrrhe,

Sie frisierte ihre Haare,
Zog sich an die Duftgewänder,
Sie verschönerte ihr Aussehn
Sehr geschickt mit Schmuck und Schminke,

Tat an ihren Arm ein Armband,
An die Ohren Mondsteinringe,
Eine weiße Perlenkette
Hing im Tale ihrer Brüste.

O wie schön war die geschmückte
Judith, nicht geschmückt aus Wollust,
Sondern zu der Ehre Gottes;
Schön geschmückte Braut Jehowahs!

Nicht aus Eitelkeit und Weltsinn
Sie verschönte sich mit Schminke
Und mit Schmuck, vielmehr aus Tugend
Zu dem Ruhm der Schönheit Gottes!

Nicht wie liederliche Dirnen
War der große Liebreiz Judiths,
Diente nicht der Lust der Augen,
Diente nicht der Lust des Fleisches.

Dann nahm Judith einen Weinschlauch,
Füllte ihn mit dunklem Rotwein,
Öl und Brot und Käse Abra
Trug für ihre Dame Judith.

Und sie traten an die Pforte
Vor den Fürsten und die Priester
Und die staunten voll Erstaunen
Und voll Wundern an die Schönheit!

Und die frommen Männer sprachen:
Geh du in der Gnade Gottes,
Deines Herzens weisen Ratschlag
Stärke Gott durch seine Tugend.

Sei Jerusalem gepriesen,
Weil du lebst im Volke Gottes.
Alle frommen Leute sprachen:
Fiat, Fiat! Amen, Amen!

Betend ging nun ihres Weges
Judith mit dem Mädchen Abra.
In der Morgenröte sahen
Sie die Wächter der Assyrer.

Und die Wächter der Assyrer
Sprachen so: Woher, wer bist du?
Judith sprach: Ich bin hebräisch,
Eine Tochter der Hebräer.

Die Hebräer werden aber
Bald vernichtet von Assyrern,
Weil sie sich euch nicht ergeben,
Ihr seid ihnen nicht barmherzig.

Darum dachte ich, ich gehe
Zu dem Herzog Holofernes
Und ich sag dem Herzog heimlich,
Wie er Juda überwindet.

Da die Wächter dies vernahmen,
Rauschten ihnen ihre Ohren,
Denn das Blut stieg in die Ohren
Vor der Schönheit dieser Judith!

Großes Wunder ihre Schönheit
Und ihr makelloses Antlitz!
Und sie sprachen: Das ist weise,
Daß du aufsuchst Holofernes.

Und die Wächter der Assyrer
Brachten sie zu Holofernes.
Holofernes, Judith sehend,
Ward gefesselt von dem Liebreiz!

Holofernes und die Fürsten
Sprachen alle: Wer verschmähte
Die Hebräer, da sie solche
Wunderschönen Weiber haben?

Gegen die Hebräer sollten
Wir allein um ihre Weiber
Streiten in den Männerkriegen,
Ihre Weiber zu erobern!

Solcher Weiberschönheit Wonne
Sollte nicht vorüberwandeln,
Ohne dass wir sie genießen
In der Lust der Frauenliebe!



VIERTER GESANG


Herzog Holofernes ruhte
Schlummernd unterm Mückennetze,
Goldgesticktem Seidenschleier,
Eingewobner Perlenschnüre.

Judith sah ihn auf dem Bette
Ruhen auf dem samtnen Kissen,
Kniete sie zu seinen Füßen
An dem Ende seines Bettes.

Holofernes schaute Judith
Knieen da zu seinen Füßen,
Holofernes sprach zu Judith:
Frau, erhebe dich, du Schöne!

Fürcht dich nicht vor Holofernes,
Keinen Mann hab ich getötet,
Der sich völlig unterworfen
Nebukadnezar, meinem Herrscher.

Hätte nicht das Volk der Juden
Meinen Herrn verschmäht so trotzig,
Hätt ich nimmer meine Hände
Gegen dieses Volk erhoben.

Warum nun bist du gekommen,
Sage mir das an, du Schöne,
Was ist dein Begehr, du Schöne,
Daß du heut zu mir gekommen?

Judith sprach zu Holofernes:
Höre deine Magd an, Herzog,
Gott will große Tat verrichten
Und sein Werk durch dich vollbringen.

Nebukadnezar ist der König
Aller Erden, seiner Herrschaft
Dienen nicht nur Menschenkinder,
Sondern alle Kreaturen.

In dem Reiche Nebukadnezars
Bist du Herzog machtgewaltig,
Deine Zucht erzieht die Menschen
Durch die Rute deiner Krieger.

Achior hat dir berichtet,
Daß verloren Tochter Juda,
Wenn die Juden gottvergessen
Widerstehen ihrem Heiland.

Achior hat recht gesprochen
Und so will ich dir verkünden,
Wie auch künden die Propheten:
Juda widersteht dem Heiland.

Durch die Sünde unsres Zweifels
An des Ewigen Gesalbten
Sind dem Feind wir übergeben
Zur Bestrafung unsrer Sünde.

Darum plagt uns auch der Hunger
Und der Durst in großer Dürre,
Auch wir schlachteten die Tiere,
Tranken auch das Blut des Fleisches.

Auch wir rührten an im Frevel
Die geweihten Brote Gottes
Und dem Wein des Heilands gaben
Wir nicht gottesfürchtig Ehre.

Durch der Sünden Missetaten
Wird die Tochter Juda heute
Ihrem Feinde übergeben
Und Verluste leiden schrecklich.

Darum bin ich auch entflohen,
Daß ich dieses dir verkünde,
Gott den Herrn will ich anbeten,
Gottes Sklavin, deine Sklavin!

Ist das ganze Volk der Juden
Doch wie eine große Herde
Widder, Mutterschafe, Lämmer,
Welche keinen Hirten haben.

Sie sind alle nun so stille,
Werden sie nicht meckern, brüllen,
Das hat Gott mir kund gegeben,
Daß ich dieses dir verkünde.

Als der Herzog Holofernes
Und die Großen seines Tisches
Dieser Rede Wort vernommen,
Sprachen sie zu Judith also:

Ist kein Weib auf dieser Erde
Dir vergleichbar in der Schönheit
Deines schönsten Angesichtes
Und der Weisheit deines Wortes!

Holofernes sprach zu Judith:
Gott hat gut getan, zu senden
Seine Magd zu mir, dem Herzog,
Um die Juden auszuliefern.

Wird mir Gott die Macht verleihen,
Daß ich Juda überwinde,
Wirst du groß sein, schöne Judith,
In dem Hause Nebukadnezars.

Dann wird hochgerühmt dein Name,
Deine Schönheit, deine Weisheit,
Du wirst benedeit von Kindern,
Benedeit von Kindeskindern!

Sprachs und ließ die schöne Judith
Wohnen in geschmückter Kammer,
Ließ ihr geben gute Gaben
Aus des Herzogs reicher Wirtschaft.

Aber Judith sprach zum Herzog:
Deine Speisen nicht begehr ich,
Meine Speise ist die Speise,
Die uns unser Gott geboten.

Sprach der Herzog Holofernes:
Was, wenn alles aufgegessen,
Was du von der Speise Gottes
Bei dir hast in dem Gefäße?

Judith sprach zu Holofernes:
Eh ich Gottes Brot verzehrt hab,
Wird der Herr in seiner Allmacht
Sicherlich sein Werk vollenden.

Dann begab sie sich in ihre
Schöngeschmückte saubre Kammer.
Sprach sie: In der Nacht, der finstern,
Will ich zu Jehowah beten.

Laß mich in der Nacht, der finstern,
Treten einsam in das Freie
Und den Herrn anbeten einsam,
Meinen Schöpfer, meinen Gatten!

Holofernes seinen Knechten
Sagte: Will die schöne Judith
In des Dunkels Finsternissen
Gott anbeten, lasst sie beten.

Also in der Nacht, der finstern,
Judith sich erhob vom Bette,
Ging ins Dunkle, ging ins Freie,
Betete zu ihrem Schöpfer.

Badete im Wasserbade,
Taufte sich mit Gottes Gnade
Und empfing von Gott den Segen
Seiner Allmacht, Weisheit, Liebe!

Judith betete zum Heiland:
Gott, erlöse deine Kinder!
Dann begab sie sich zu Bette,
Reinlich blieb sie vor dem Schöpfer.



FÜNFTER GESANG


An des dritten Tages Abend
Machte Herzog Holofernes
Seinen Knechten an dem Tische
Guter Kost ein Abendessen.

Einer von den Knechten aber,
Vagio mit Namen heißend,
Hörte den Befehl des Herzogs:
Ruf du mir die schöne Judith,

Die Hebräerin, die Schöne,
Wohne sie dem Abendmahl bei.
Also Vagio, der Diener,
Ging und rief die schöne Judith:

Soll ein gutes Weib sich schämen
Etwa vor des Fürsten Augen?
Sollt sie nicht mit ihrem Fürsten
Speisen Weißbrot, trinken Schaumwein?

Judith sprach zum Knechte also:
Wer bin ich, dass ich mich weigre?
Ich will ganz ihm sein zu Diensten
Und ihm ganz ein Wohlgefallen.

Judith nahm die schönsten Kleider
Und die schönsten Perlenschnüre
Und erneuerte die Schminke,
So kam sie zu Holofernes.

Als der Herzog Holofernes
Judith treten sah zum Tische,
War er ganz verzückt vor Wonne
Und Begier nach ihrem Leibe.

Iß vom Weißbrot, trink vom Schaumwein,
Sprach zu Judith Holofernes,
Weil du Gnade hast gefunden
In den Augen deines Fürsten.

Judith sprach zu Holofernes:
Edler Herzog, deine Sklavin
Trinkt nur Gottes Blut der Traube,
Ißt nur Gottes Fleisch des Brotes.

Holofernes aber zechte
So viel von dem süßen Weine,
Wie er noch sein ganzes Leben
Nicht gesoffen von dem Schaumwein.

Aber in der Nacht, der späten,
Gingen heimwärts alle Knechte
Und auch Vagio der Diener
Schloß die Pforte seines Herzogs.

Holofernes schlief im Bette,
Lag im Tiefschlaf voll betrunken.
Judith aber sprach zu Abra:
Mädchen, hüte du die Pforte!

Judith aber trat ans Lager
Und sie betete vorm Bette:
Herr, lass heute wohlgelingen
Und vollbringe deine Werke!

Heiland Israels und König,
Heut vollbringe deine Rettung,
Und Jerusalem, die Jungfrau,
Rette vor dem Widersacher!

Judith nahm des Holofernes
Scharfes Schwert von seinem Pfosten,
Griff den Herzog bei den Haaren,
Schlug dem Herzog ab den Schädel!

Dann rief sie das Mädchen Abra.
Judith und das Mädchen Abra
Wickelten des Herzogs Schädel
In das Mückennetz von Seide.

Judith und das Mädchen Abra
Gingen eilends aus dem Lager.
Alle Knechte lagen schlafend,
Keiner hielt sie auf, die Frauen.

Und sie wandten sich vom Lager
Der Assyrer durch die Berge
Zu Bethuliens Talgefilde
Und sie kamen zu den Ihren.



SECHSTER GESANG


Judith und das Mädchen Abra
Kamen nach Bethuliens Pforte:
Tut die Pforten auf, die alten,
Siehe, Zebaoth ist mit uns!

Zebaoth in diesen Zeiten
Jungfrau Israel erlöste
Durch den Ratschlag seiner Allmacht
Und die Hände eines Weibes!

Alle hörten ihre Stimme,
Alle kamen da zusammen
Mit den Priestern und den Vätern
Und den Müttern und den Kindern.

Alle die verzweifelt waren,
Alle schöpften wieder Hoffnung.
Kerzen brannten auf den Leuchtern,
Kerzen des Gebetes rauchten.

Unter die Gemeinde Judith
Trat und bat um fromme Stille,
Alle Kleinen, alle Großen
Schwiegen voller frommer Ehrfurcht.

Judith sprach: Jehowah Lobpreis,
Zebaoth Anbetung! Sela.
Gott verlässt nicht seine Kinder,
Gott erlöst uns aus dem Elend!

Gott ist voller Allerbarmen!
Durch die Hände seiner Tochter,
Seiner Magd und seiner Sklavin,
Hat er unser Heil vollendet.

Durch die Hände seiner Sklavin
Hat er unsern Feind erschlagen!
Seht den Schädel Holofernes’,
Seht den König der Assyrer,

Seht den Hauptmann der Assyrer,
Seht sein Haupt im Mückennetze,
Darin er betrunken schlummernd
Lag besoffen in dem Vollrausch!

Schlug das Haupt von seinem Rumpfe
Gottes Magd mit einem Schwerte,
Lobpreis Zebaoth Jehowah,
Angebetet sei Eloah!

Gottes Engel als mein Schutzgeist
Mich beschützte vor dem Bösen,
Gottes Engel Mahanajim
Ging umher mit goldnem Schwerte!

Gottes Name, Gottes Engel
Hat begleitet Gottes Sklavin,
Daß ich Gottes Allerbarmen
Euch beweise zur Erlösung.

Also nun bekenne Juda,
Tochter Juda, Gottes Güte,
Gott ist gut, Gott ist die Liebe,
Voll des herzlichen Erbarmens.

Alle Juden also sangen:
Gott hat dich sehr reich gesegnet,
Gott der Herr in seiner Tugend
Überwand durch dich den Bösen.

Osias, der Fürst der Juden,
Sprach zur schönen Witwe Judith:
Hochgebenedeite Tochter
Gottes, Hochgebenedeite!

Mehr gesegnet als die Frauen
Auf der ganzen Erde bist du,
Hochgebenedeite Tochter
Gottes, Hochgebenedeite!

Gott sei angebetet einzig,
Der durch deine Hände, Judith,
Uns erlöst von unserm Feinde,
Gott sei Lobpreis und Anbetung!

Alle frommen Juden sprachen:
Hochgebenedeite Tochter
Gottes, Hochgebenedeite!
Fiat, Fiat! Amen, Amen!



SIEBENTER GESANG


Herzog Achior gerufen
Ward zur schönen Witwe Judith.
Judith sprach: Nun siehst du selber,
Wie der Gott von Juda siegte!

Du warst Zeuge dieses Gottes,
Als du sagtest, dass er rette,
Daß er helfe seinen Kindern,
So sie ihm den Glauben halten.

Nun hat Gott der Herr geschlagen
Unsern Feind und Widersacher
Durch die Hände eines Weibes,
So erkennst du unsern Retter.

Sieh das Haupt des Holofernes,
Der dir drohte mit dem Tode,
Wollte er mit seinem Schwerte
Dir durchbohren deine Seite,

Wenn er Israel ermordet,
Dich ermorden mit den Juden.
Aber hier siehst du sein Haupt nun,
Den Verspotter unsres Gottes.

Als nun Achior betrachtend
Stand vorm Haupt des Holofernes,
Fiel er gottesfürchtig nieder
Vor der schönen Judith Füßen.

Achior zu Judith sagte:
Mehr gesegnet als die Frauen
Bist du, Hochgebenedeite,
Auserwählte deines Gottes!

Die in allen Zelten Jakobs
Selig wird gepriesen werden,
Kinder dich und Kindeskinder
Dich lobpreisen, Benedeite!

Und dein Name wird berühmt sein
Bei den Kindern aller Zeiten,
Weil der Herr an dir gewirkt hat
Kraft zum Zeichen seiner Allmacht!

Judith sprach zum Volk der Juden:
Meine Brüder, hört auf Judith,
Hängt das Haupt des Holofernes
Auf die Mauer unsres Tores.

Wird die Sonne sich erheben,
Nehme jeder seine Waffen,
Denn wir ziehen in die Kriegsschlacht
Zu der Ehre unsres Gottes.

Sehen der Assyrer Heere
Unser Heer bewaffnet nahen,
Wollen wecken sie den Hauptmann,
Sehen sie ihn blutbesudelt

Tot in seinem Bette liegen,
Wird sie das Entsetzen packen
Und sie fliehen ängstlich schreiend,
Angsterfüllt wie bange Weiber.

Dann wird unser Gott uns rächen
Und die Widersacher töten
Und die Heere der Assyrer
Schlagen wird das Heer Jehowahs!

Als nun Achior betrachtend
Sah das fromme Heer Jehowahs,
Ließ er von den Heidengöttern,
Glaubte einzig an Jehowah,

Glaubte Zebaoth Eloah,
Glaubte Adonai El Shaddai,
Eingepfropft in Judas Ölbaum
Wurde er zum Kinde Gottes.



ACHTER GESANG


Als die Sonne aufgegangen,
Nahm man Holofernes’ Schädel,
Hing ihn oben auf die Mauer,
Alle nahmen ihre Waffen.

Dann die Judenkrieger zogen
Zu den Zelten der Assyrer.
Als die Krieger der Assyrer
Kommen sahn das Heer Jehowahs,

Eilten sie zum Zelt des Hauptmanns,
Wollten Holofernes rufen,
Doch wie wagten nicht zu klopfen
An die Tür des Holofernes.

Und sie riefen zu den Dienern:
Eilend geht und weckt den Hauptmann,
Denn die Feinde sind gekommen
Und begehren uns zu töten.

Da ging Vagio, der Diener,
In das Zelt des Holofernes,
Schlug die Hände laut zusammen
Voller Schrecken überm Haupte,

Dacht er doch, es läge Judith
Mit dem Herzog in dem Bette,
Doch als er die Pforte auftat,
Schau, der Herzog lag alleine

In dem Bette, blutbesudelt,
Nur der Körper, ohne Schädel.
Schreiend Vagio, der Diener,
Rief zu der Assyrer Kriegern:

Die Hebräerin, die Schöne,
Machte unsern Herrn zuschanden,
Schande hat gebracht die Jüdin
Über Nebukadnezars Zelte!

Schaut den Herzog Holofernes
Liegen hier in seinem Bette,
Doch allein mit seinem Körper,
Ohne seines Hauptes Schädel!

Als die Diener und die Krieger
Dieses hörten, dieses sahen,
Rissen sie in großen Ängsten
Schreiend sich entzwei die Kleider.

Schrecken großer Furcht befiel sie
Und ein jammervolles Klagen,
Ihre Freude war gewichen
Und sie schrien vor lauter Schrecken,

Die Gemeinde der Assyrer,
Hörend, was da war geschehen,
Als sie schauten an die Wahrheit,
Flohen sie in großen Ängsten,

Da sie hofften nicht auf Tröstung,
Keine Zuversicht sie hatten,
Eilten sie in Todesängsten
Bang vondannen, jammernd schreiend.

Also eilig sie entflohen
In der Todesangst voll Jammer,
Daß nicht einer mit dem andern
Auf der Flucht ein Wort gesprochen.

Und zurück sie ließen alles,
Was sie mitgebracht, sie ließen
Da zurück die Waffen alle
Und zurück die Schätze blieben.



NEUNTER GESANG


Also hat das Heer Jehowahs
Der Assyrer Heer vertrieben
Und gewonnen in dem Kriege
Sieg und Ruhm und neuen Frieden.

Von Jerusalem der Bischof
War Joachim der Gerechte,
Der nahm alle seine Priester
Und zog nach Bethuliens Kirche,

Denn er wollte Judith sehen.
Judith trat vor ihren Bischof
Und der gute Hirt Joachim
Lobte sehr die schöne Judith.

Ehre du der Tochter Juda
Und des Judenvolkes Freude,
Du des Gottesvolkes Würde,
Rettend uns zur rechten Stunde!

Du bist stärker als die Männer,
Judith, Retterin der Juden,
Du bist stark durch deine Keuschheit,
Die als Witwe Gott sich weihte!

Weil du nach dem Tod des Gatten
Keinen andern Mann genommen,
Sondern dich Jehowah weihtest,
Hat gestärkt dich Gott dein Gatte!

Darum soll dir werden Lobpreis
Von den Kindern, Kindeskindern,
Hochgebenedeite! Alle
Juden singen: Fiat, Fiat!

Und das fromme Volk der Juden
Lebte nun in großer Freude,
Lobten Gott, der sie gerettet,
Sie erlöste aus der Drangsal.

Judith auch lobpries Jehowah,
Daß der Vater in dem Himmel
Rettete die Kinder Gottes
Durch die Hände eines Weibes.

Als der Friede war gewonnen,
Sammelten sich alle Juden
In Jerusalem im Tempel,
Sangen: Sanctus, Sanctus, Sanctus!

Und die Juden brachten Opfer,
Lammesopfer vor dem Vater,
Judith opferte dem Retter
Die Trophäen ihres Sieges,

Gab das Schwert des Holofernes
Und das Mückennetz des Herzogs
Gott als eine Weihegabe
In dem Frauenhof des Tempels.

Und der Monde drei gefeiert
Ward von Großen, ward von Kleinen
Mit der großen Heldin Judith
Die Erlösung und der Friede.

Dann ging jeder Jude wieder
In sein Haus. Und in Bethulien
Judiths Name ward gepriesen
Von den Kindern, Kindeskindern.

Sie lobpriesen ihre Keuschheit,
Denn zum Lobe ihrer Keuschheit
Hat der Herr ihr Macht verliehen,
Sah sie an als reine Jungfrau.

Judith lebte hundert Jahre
Lang in diesem Erdentale.
Frei ließ sie ihr Mädchen Abra,
Die so treu gewesen Judith.

Und die Juden feiern heute
Noch die schöne Witwe Judith,
So besingt sie Gottes Bibel,
So besingen sie die Dichter.



ZEHNTER GESANG


Nun will ich zum Ende kommen,
O mein lieber Freund in Christus,
Alle die dies Epos lesen
Geistlich, wie es ward gedichtet,

Sollen Gottes Weisheit finden,
Worte voller Sinn gesungen
Habe ich in diesem Liede,
Wie mich Weisheit inspirierte.

Wer die Weisheit recht verstanden,
Den wird bringen Gottes Weisheit
Zu der süßen Gottesminne,
Übersüßen Minne Gottes!

Toren sollen dies nicht lesen,
Die sich weihen niedrer Minne,
Töricht dieser Erde Trieben,
Wissen nicht von Gottes Minne.

Und nun bitt ich dich, mein Bruder,
Und die Seelen, die mich lesen,
Ob ich lebe oder tot bin,
Betet doch für meine Seele,

Daß sich über mich erbarme
Die Barmherzigkeit des Vaters
Und mich Gott nach seinem Ratschlag
Überschütte mit der Gnade,

Nach dem Willen seiner Weisheit
Gott sich selbst in mir verkläre!
Druckt je einer dies mein Epos,
Lasse er es unverändert,

Wer veröffentlicht dies Epos,
Möge Gottes Gunst erlangen.
Jesus tilge alle seine Sünden
Durch das Opfer seines Blutes.

Wer veröffentlicht dies Epos,
Soll erlöst sein von dem Fluche,
Gott schreib ihn ins Buch des Lebens,
Schenke ihm des Lebens Krone.

Dieses Lied mit Namen Judith
Schrieb ich in dem Jahr Zweitausend
Acht nach der Geburt des Christus
Aus dem keuschen Schoß der Jungfrau.

Vater, Sohn und Geist! O Gottheit!
Allmacht, Weisheit, Schöne Liebe!
Meines Herzens Kniee beug ich
Untertänigst meiner Gottheit!

Herr, die Stärke deiner Weisheit
Ist auch mir vertraut geworden
Bei dem Schreiben dieses Buches,
Da mich deine Weisheit führte.

Heilig, Heilig, Heilig Jahwe!
Gottheit Abrams, Isaks, Jakobs!
Ich bin dein geringster Sklave
Alle Zeit und Ewigkeiten!

O mein liebster Jesus Christus,
Der für mich am Kreuz gestorben,
Rette mich aus meinem Tode,
Schließ mir auf die Himmelspforte!

Heilig Geist, o Schöne Liebe,
Ich lobpreise deine Minne,
Deine übersüße Minne
In dem Herzen Unsrer Frauen!

Halleluja.


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