[Inhalt]

Peter Torstein Schwanke
 
APOKRYPHEN DER JUNGFRAU JISRAEL
 
„Muß über Gott gesprochen werden? Es ist für den Liebhaber Seines Namens fast eine Qual, das Nichtmitteilbare, diesen Teil an Unsagbarem weiterzugeben, den Er Seinen Freunden zuteil werden läßt und der die Sicht der Welt verändert. So als sähen wir das Unsichtbare! Wie sollte es uns nicht danach verlangen, dieses unsagbare Glück weiterzugeben? Doch zugleich ergreift uns die Furcht, nicht verstanden zu werden oder vielmehr, daß Er, von unseren Worten verraten, nicht verstanden wird.“
(Bruder Ephraim, Weiß ist das Korn zur Ernte)
 
 
ERSTER GESANG: ADAM UND EVA
 
I
 
Wohlan denn! Lasset uns nach unserm Bild,
Zu unserm Gleichnis, einen Menschen bilden!
Sprach Elohim in himmlischen Gefilden,
Der Vater durch den Geist zum Sohne mild.
 
Die Engel sahen, wie Gott selber kam,
Ein Staubkorn von der Erde in der Hand,
Das er am heiligen Berg Moria fand,
Vom Staub der Erde war der Bräutigam.
 
Die Engel sahen, wie Gott selber kam,
Ein Tropfen Wassertau in seiner Hand,
Den er im heiligen Strome Jordan fand,
Aus Dunst des Wassers war der Bräutigam.
 
Die Engel sahen, wie Gott selber kam,
Ein leichtes Windeslüftchen in der Hand,
Das er am See von Galiläa fand,
Aus Luft und Windhauch ist der Bräutigam.
 
Die Engel sahen, wie Gott selber kam,
Ein kleines Flämmchen Feuers in der Hand,
Das er im Bergland von Judäa fand,
Aus Brunst des Feuers ist der Bräutigam.
 
Gott bildete den Menschen mit den Händen
Und alle Schöpfung war ihm untertan,
Auch alle Engel, die den Menschen sahn
Und heilige Verehrung Adam spenden.
 
Die Engel schauten an sein Angesicht,
Das leuchtend war wie eine lichte Sonne,
Darin sich spiegelte des Ewigen Wonne,
Denn Adam war ein Spiegel Gottes licht.
 
Und seines Körpers liebliche Gebärde
War heiliges Gewoge und Gewall,
Sein lichter Leib war lauter wie Kristall,
So stand er als ein König auf der Erde.
 
Er setzte seine Füße in den Lehm,
Aus dem die leibliche Gestalt geschaffen.
Er stand im Kreise seiner Brüder Affen
Als wie ein König von Jerusalem.
 
Ihn hüllte ein die königliche Würde,
Er war ein Hoherpriester und Prophet.
Des Geistes inspirierter Erzpoet
Gab jedem Wesen Namen voller Zierde.
 
Und Gottes Wort erging an Adam so:
Als Stellvertreter Gottes sollst du walten
Im Kreise der lebendigen Gestalten,
In deinem Fleisch wird Fleisch das A und O!
 
 
II
 
Und Gott gebot die heilige Verehrung,
Daß alle Himmlischen, wie sie es sollten,
Dem Menschensohn Verehrung zollten
Zu allen Gotteslobes großer Mehrung.
 
Mit allen Engeln nahte Raphael,
Mit Raphael kam Salem an und Majim,
Orion nahte auch und Mahanajim,
Und Gabriel kam an und Michael.
 
Und Michael sprach so zu Lucifer:
Du strahlender Gefährt der Morgenröte,
Du Lobpreislieter mit der Jadeflöte,
Verehrung Adams fordert Gott der Herr!
 
Gott hat den Lebensodem eingehaucht
Vom Heiligen Geist in Adams Angesicht,
In Weisheit hat das ewige Lebenslicht
Gott in den ebenbildlichen Geist getaucht.
 
Und dies Geschöpf ist Gottes Ebenbild,
Und ich, Sankt Michael, ich will dich lehren,
Die Kreatur des Ewigen zu verehren,
Weil dies als Lob und Preis Jehowahs gilt!
 
Denn dieser Adam ist aus Gott geborn,
Inkarnation ist er von Gottes Wort,
Doch wendest du dich, Lobpreisengel, fort
Vom göttlichen Befehl, grimmt Gott im Zorn!
 
Sprach Lucifer: Wenn Gott in Zorn gerät,
Dann werde ich, der Morgenstern, nicht beben,
Werd über alle Sterne mich erheben
Bis zu dem Ort, wo Gottes Thronstuhl steht!
 
Und werden Vater dort und Geist und Sohn
Sich vor dem Aufstand Lucifers entsetzen,
So werd ich triumphieren, werd mich setzen
Als Gott der Götter auf Jehowahs Thron!
 
Das hörte in der Himmel Himmel Gott,
Verdammte Lucifer zu einem Drachen
Und nennt ihn Satanas, ihn auszulachen,
Ja, schrecklich war Jehowahs Zorn und Spott!
 
Und Lucifers Gefährten fielen alle,
So Iblis, Daiwa, Scheda, Beelzebul,
Sie stürzten alle in den Feuerpfuhl,
Fürwahr, da saß die Ratte in der Falle!
 
 
III
 
Die Engel sangen nun vor Adam Preis,
Geheiligt ward er von den Seraphim,
Gesegnet ward er von den Cherubim,
So ging er mit Gesang zum Paradeis.
 
Da trat er ein, da ward ihm vorgeschrieben,
Zu speisen nicht vom Baume der Erkenntnis,
Gott habe eine andere Verwendtnis,
Er solle nur den Baum des Lebens lieben.
 
Am Freitag in der dritten Stunde schlief
Nun Adam unterm Baum des Lebens ein.
Er schlief allein, er war ja ganz allein,
Und seine Seele die Gehilfin rief.
 
Da nahte Elohim sich seiner Seite,
Da Gott dem Menschen öffnete das Fleisch,
Entnahm ihm eine Braut, die rein und keusch,
Daß sie als Braut und Hilfe ihn begleite.
 
Als Adam aufgewacht von seinem Schlafe
Und ihn umgab der Glanz der schönen Sonne,
Da schaute er im schönen Hain der Wonne
Die Frau, die allen Lebens Mutter - Ave!
 
So grüßte Adam sie in Eden: Ave,
Geliebte Ischa, Gott dich zu mir leitet,
Die Frau, mit nichts als Sonnenlicht bekleidet,
Du Königin des Gartens, meine Eva!
 
Und Isch und Ischa schön in Glorie glänzen
Im Paradiese, welches hoch erhoben,
Des Morgenlandes Gipfel alle loben
Die Aue, da die ersten Menschen lenzen.
 
Das ist die heilige Ecclesia,
Da Gottes Gnade wohnt, der Wonnen Aue,
Da aus dem Menschensohn erstand die Fraue,
Die Gott in eigentümlicher Blöße sah.
 
Du ließest uns in deiner Gnade wohnen,
In deinem Hag der Ruhe, unserm Erbe!
Wenn meine Muse stirbt und wenn ich sterbe,
O Gott, laß uns im Paradiese thronen!
 
 
IV
 
Da Adam König, Priester und Prophet
Im Paradiese war, der Gottheit nah,
In Edens heiliger Ecclesia
Und mitten in der Wonnen Fruchtland steht,
 
Da Ischa Eva eine Königin
Und all in ihrem Reiche war der Frieden
Und da sie Gottes Jungfrau war hienieden
Und Seherin und Hohepriesterin,
 
Da sie in Lobpreis lebten und in Wonne
Und laute Liebe lebten, Mann und Fraue,
In Edens Fruchtland, Paradieses Aue,
Er Morgenstern und sie im Haar der Sonne,
 
Da fasste Satan an der blanke Neid,
Wie sie gewürdigt waren solcher Ehren,
War eifrig er, des Ruhmes zu begehren
Und auch auf Erden solche Herrlichkeit,
 
Die Engelsglorie übersteigt im Flug
Und ist nur wenig niedriger als Gott -
War doch nur Hauch der Hauche im Schamott!
Und Satan sah die Schlange, die war klug,
 
Ja, sicher war es eine Brillenschlange,
Gelehrtestes von allen tausend Tieren,
Gespaltner Zunge gut im Disputieren,
Der Sprachen kundig und mit einem Hange
 
Zum Humanismus, sprach sie griechisch auch
Und wusste gar, wie Gott die Welt erschaffen,
Daß Gott die Schlange schuf noch vor dem Affen
Und Adam knetete und blies den Hauch
 
Dem Mann in die charaktervolle Nase
Und aus der Rippe schnitze makellose
Gehilfin, die da war die rote Rose
In Adams lehmgewundner Blumenvase,
 
So sprach die Schlange listig und galant
Und die gespaltne Zunge zischte lange,
Gelehrte Monologe sprach die Schlange
Und blickte blinzelnd, schillerte charmant,
 
Da fuhr in ihre bunte Eitelkeit
Der Satan ein, da hilft auch kein Pentakel,
Die Schlange ward satanisches Orakel
Und reizte Ischa Eva an zum Neid.
 
O welche Wollust! suefzte ihr Geständnis,
Sind diese Früchte! doch sie sind verboten,
Verlockend locken sie zum Weg der Toten.
Nein, sprach die Schlange, vielmehr die Erkenntnis
 
Macht dich wie Gottes Weisheit klug und weise
Und dur wirst alles wissen und erkennen,
Drum ist nichts Widerheiliges dein Brennen,
Erlaubt ist alles, diese Feige speise!
 
Die Tiefen Gottes werde ich erschauen
Und Gott gleich sein an Weisheit und Verständnis,
Ja, ich bin Gott in Gnosis, in Erkenntnis!
So stands mit der Gelehrtheit schöner Frauen.
 
Da biß sie in der Feige süße Scheibe
Und von den Lippen troff der süße Saft,
Da rief sie Adam: O du meine Kraft,
O Mann der Männer, komm zu deinem Weibe,
 
Die Feige speise, du wirst Gottes Größe
Erkennen, Gott gleich sein wird deine Seele!
Dem Adam blieb sie stecken in der Kehle
Und beide Menschen schämten sich der Blöße.
 
 
V
 
Und Isch und Ischa wanden Feigenblätter
Zu Lendenschurzen sich und huschten - husch! -
Und bargen sich in einem feuchten Busch
Und hielten sich versteckt vorm Gott der Götter.
 
Aus seinem Himmel aber nahte Jahwe
Und ging als Menschensohn zur Abendzeit
Im Garten Eden: O wo bist du, Maid?
O Eva, sieh ich ruf dich, Ave!
 
Wie groß zu dir ist, Adam, meine Liebe,
Ja, wiedergeben will ich dir dein Erbe.
Ich zeig dir eine Höhle, darin sterbe,
Dann sende ich ein Licht in deine Trübe.
 
Ihr habt gespeist von der verbotnen Frucht,
Darum befällt euch Ödnis nun und Trauern,
Den Freudenhain verschließe ich mit Mauern,
Ist euer Teil nun Disziplin und Zucht.
 
Du, armer Adam, schultere den Spaten,
Arbeitend wirst du doch nur Mühsal mehren,
Du, Eva, unter Wehen wirst gebären,
Ein Bruderkrieg ersprießt aus euren Saaten.
 
Geschrieben aber steht im Lebensbuch
Und in den Schicksalstafeln die Verheißung,
Das hinterlaß ich euch als Unterweisung,
Ein Segen wird ersprießen aus dem Fluch.
 
Die ihr Erkenntnis wolltet, tut nun Buße
Und fleht herab die Weisheit auf die Erde.
Die neue Eva ich erwählen werde,
Die sie zertreten wird mit ihrem Fuße
 
Der alten Schlange Satan ihren Nacken,
Ich geb der Welt der neuen Eva Samen,
Gerettet wird die Welt in Seinem Namen
Und Satan wird nach seiner Ferse packen.
 
Und Adam sprach zu Eva: Mutter werde
Der Lebenden, daß uns ersprieß der Sproß,
Erlösung schlüpfe uns aus deinem Schoß,
Gerechtigkeit ersteh aus Mutter Erde!
 
Um dieses eine bittet meine Seele
Dich, liebe Frau, du Fleisch von meinem Fleische,
Von dir, des Lebens Mutter, ich erheische,
Begrabe mich gesalbt in jener Höhle.
 
Auf dieser Höhe ruhen wird mein Schädel,
Gesalbt mit Myrrhe, Aloe und Stakte,
Heimgehend lege dich zu mir, du Nackte,
Daß Gott zusammen uns erweckt, mein Mädel!
 
 
VI
 
Und Adam, aus dem Paradies vertrieben,
Und Eva, mit der Trübsal in der Seele,
Sie traten ein in eine dunkle Höhle,
Um dort sich zu erkennen, sich zu lieben.
 
Und Adam war der schönen Eva hold
Und wollte sie in frommer Liebe freien
Und nahm, die Höhle priesterlich zu weihen,
Von Edens Grenze Weihrauch, Myrrhe, Gold.
 
Schatzhöhle nannte er und Brautgemach
Und Bethaus ihrer Andacht fromme Höhle,
Da sanft erkannten Seele sich und Seele,
Ein Heiligtum in allem Ungemach.
 
Dann stiegen sie vom heiligen Gebirge
In tiefe Täler, da Platanen standen,
Da Isch und Ischa leiblich sich erkannten
Und liebten sich im zärtlichsten Bezirke.
 
Und siehe, schwanger wurde Eva da,
Der Segen war im Angesicht zu sehen.
In Übelkeit und Schmerzen ihrer Wehen
Gebar sie Kain und Schwester Lebuda.
 
Und wieder säte Adam seine Saat
Und von dem Segen wölbt sich Evas Bauch,
Oh, schwanger bin ich wie von einem Hauch!
Und Havel kam zur Welt und Kesimat.
 
Und ihre Söhne wurden mannbar, da
Den Mädchen ihre erste Blutung naht.
Kain nahm zur Anvertrauten Kesimat
Und Havel sich zur Gattin Lebuda.
 
Doch Kajin sprach zu seiner Mutter so:
O liebe Mutter! Lebuda, die holde,
Sie ist die Einzige, die ich je wollte,
Mit meiner Schwester einzig werd ich froh!
 
Denn Lebuda in brauner Haare Flut
Ist mir der Inbegriff der Schönheit noch,
Ich lieb ihr schöngewölbtes Wangenjoch
Und auf den Wangen von dem Wein die Glut!
 
Als Adam dieses hörte, da befiel
Den Mann, der von der Arbeit kam, der Zorn:
Ich beide seid an Einem Tag geborn
Und wollt ergötzen euch am Liebesspiel?!
 
Und Kajin rannte schreiend, zorngerötet,
Davon: Soll ich die Schöne nimmer haben,
Soll sich kein Anderer an ihr erlaben!
Darum auch Havel ward von Kain getötet.
 
 
VII
 
Bevor er aus dem Leibe gehen sollte,
Spricht seine Frau zu ihm: Was soll ich leben,
Wirst du den Geist zurück dem Vater geben,
Dann wird zum Klageweibe deine Holde!
 
Da sagte Adam: Frau, du wirst nicht säumen,
Dich bald in meinem Totenbett zu betten!
An Einem Tage wird der Herr uns retten,
Zusammen werden wir im Jenseits träumen.
 
Und Eva meditierte voller Muße
Allein in einem einsamen Gefilde,
Des Lebens Mutter weinte da, die milde
Gemahlin Adams, Tränen ihrer Buße.
 
Ein Engel trat zu ihr und sprach: Erhebe
Dich aus dem Staube, Frau, denn heimgegangen
Ist Adam, hat zu leben angefangen,
Dem Menschensohne nachzufolgen strebe!
 
Da legte sie die Hände vors Gesicht
Mit leidbereiter, tragischer Gebärde.
Der Engel sprach: Erheb dich von der Erde
Und folge deinem Bräutigam ins Licht!
 
Da schaute Eva auf zum Himmelreich,
Wie Adler zogen einen lichten Wagen,
Der Glanz der Glorie nicht auszusagen,
Die Engel rings umher den Sternen gleich.
 
Die traten nun zu Vater Adams Bett,
Und Rauch von Weihrauch stieg aus goldnen Schalen,
Zum himmlischen Altar die Wolken wallen,
Ob Gott Erbarmen mit den Menschen hätt.
 
Die Engel fielen auf ihr Angesicht
Und beteten zum Ewigen der Scharen:
Die deine ersten Ebenbilder waren,
Die führe du zusammen in das Licht!
 
Und Eva rief zu ihrem Sohne Seth:
Erhebe dich von Adams Totenlager,
Denn Freude ist bereit dem frommen Klager,
Denn Gott erbarmt sich Menschen im Gebet!
 
Des Himmels sieben Sphären seh ich offen
Und alle Engel beten um Erbarmen
Für Gottes kleines Kind, für Gottes Armen,
Ich darf für ihn auf die Erlösung hoffen!
 
Sechs Flügel schwang da einer der Seraphen
Und brachte Adam an den Acheron
Und wusch ihn in der Lethe Wassern von
Der Bangnis los, Jehowah würd ihn strafen.
 
Jehowah streckte seine Rechte aus
Und sprach zu Michael: Du träuffle Mohn
Von Eden auf die Lider meinem Sohn,
Ausruhen soll er in des Todes Haus,
 
Bis Ich am vorbestimmten Tage ihm
Um seine Seele neue Glieder gebe,
Weil ich in meinem Menschensohne lebe,
In Weisheit, die besingen Seraphim.
 
Nun bettet in des Paradieses Mitte
Den Körper Adams in der Erde Bette,
Den Leib legt nieder an der Schädelstätte,
Da will erhören ich auch Evas Bitte.
 
Sprach Eva: Die ich deine Sklavin bin,
O Gott, hör mich um eine Gnade werben:
Ich will mit meinem Bräutigame sterben!
Und Eva ging zum Menschensohne hin.
 
Ihr letztes Wort zu ihrem Sohne Seth
War dies: Du bist so lieb, mein lieber Sohn!
Gott geb der Mutter einen Gnadenthron,
Wo sie dem Sohne betet Fürgebet.
 
Da ward die Mutter der Lebendigen
Von Gottes Geist geläutert und verschönt
Und mit des Lebens Glorie gekrönt.
- O Mutter, bitt für mich Elendigen!
 
 
 
ZWEITER GESANG: ISRAEL
 
 
I
 
Und Abraham nahm seinem Segenssohn
Rebekka, Milkas Enkelin, zur Frau,
Und sie gebar den Esau, der war rauh,
Und Jakob, der war milde wie der Mohn.
 
Und Ebraham, er liebte Jakob sehr,
Denn Jakob war schon hold in frühster Jugend
Und lernte beten, lebte sanfte Tugend.
Doch Jizak liebte Jakobs Bruder mehr.
 
Großvater Abraham rief an sein Bette
Rebekka, gab der holden Mutterseele
Großväterlich für ihren Sohn Befehle,
Daß sie ihn vor dem Zorne Esaus rette.
 
Ich sehe, daß du Jakob wahrhaft liebst,
Mein Enkel ist der Liebling seiner Mutter.
Einst wohnt er in dem Land von Seim und Butter,
Wenn du ihm mütterlichen Segen gibst.
 
Es freue deine Seele sich am Sohne
Und jubele dein Geist vor Israel.
Bring meinen Enkel, das ist mein Befehl,
Zu mir, daß ich ihn weih dem Himmelsthrone.
 
Und vor Rebekkas Augen küsste er
Den Enkel: Jahwe schenke dir Gelingen,
Du wirst an meinem Totenlager singen,
Nachkommenschaft wird dir der Sterne Heer.
 
Geliebter Sohn, den meine Seele liebt,
Dich segne Gott, wie Adam er gesegnet.
Gott ist dein Hüter, was dir auch begegnet,
Gott ist der Hirte, der dir Weide gibt.
 
Ein Vater ist dir Gott, du bist sein Sohn,
So ziehe nun, Rebekkas Sohn, in Frieden.
Mein letzter Tag gekommen ist hienieden,
Bald flehe ich für dich vor Gottes Thron.
 
Rebekka aber backte Honigkuchen
Und Jakob opferte die Erstlingsfrucht
Für Vater Abraham in frommer Zucht,
Den Segen eines Scheidenden zu suchen.
 
Den Gott der Liebe preiste Abraham:
Für alle Gnade Dank, die Gott hienieden
Gegeben seinem Knecht und allen Frieden.
Bei meinem Tode opfert Gott ein Lamm!
 
Tritt an mein Bett, mein Enkel, mich zu küssen,
Oh bist du da, mein Jakob? Engelsschwingen
Umwandeln mich, Seraphen hör ich singen.
Gott lieben ist doch alles was wir müssen!
 
Laß Segen küssen dir auf deinen Scheitel,
Der Lebensfaden rollt mir ab vom Rädchen.
Vermähl dich nicht, mein Sohn, mit Heidenmädchen,
Sohn, Götzendienst und Ehebruch ist eitel!
 
Und Abraham und Jakob lagen da
In einem Bette unter einer Decke,
Daß Abraham den Glauben Jakobs wecke,
Weil Abraham schon Gott Jehowah sah.
 
Mein Enkel, der in meinem ganzen Herzen
Und meiner ganzen Liebe heimisch, diesen
Gesegne Gott! Jehowah sei gepriesen!
Anbetet Gott den Herrn bei Seelenkerzen!
 
Die Gürte sei und die Barmherzigkeit
Allzeit mit dir des Ewigen der Scharen.
Nun spiele einmal noch mit meinen Haaren,
Ich bin zu treten vor den Herrn bereit.
 
Gott schaue allezeit auf meinen Erben
Und voll Barmherzigkeit auf Jakobs Samen.
Jehowah ist mein Hirt! In Gottes Namen
Will ich als Zeugnis seiner Liebe sterben!
 
Und Abraham gab Jahwe seine Seele
Und gab der Erde seiner Glieder Bau.
Man legte ihn zum Leibe seiner Frau,
Mit Sara ruht er in der Doppelhöhle.
 
 
II
 
Rebekka sprach den jungen Jakob an:
Du wähle dir kein Mädchen aus den Heiden
Und sind sie noch so südlich, sinnlich, seiden,
Du wähle dir kein Weib aus Kanaan!
 
Dein Bruder Esau nahm sich zwar zwei Weiber
Der Kananäer, hat vor Lust gezittert,
Doch meinen mütterlichen Geist verbittert,
Er weiß nur um die Herrlichkeit der Leiber!
 
Ausschweifung ist ihr Tun und Ehebruch
Und ihre Kinder weihen sie den Sternen.
Enthaltsamkeit sollst du, mein Liebling, lernen,
Bis Gott dir Hochzeit schreibt ins Lebensbuch.
 
Ich lieb dich sehr! Mein Herz und meine Liebe
Zur Tageszeit dich segnen und zur Nacht.
Nachts hab ich als Fürbitterin gewacht,
Daß Satan deine Seele nicht betrübe!
 
Aus meines Vaters Töchter wähle Eine,
Mein Sohn, so wird der Ewige dich segnen,
Wird lassen seine Gnade niederregnen,
Dein Same wird zur heiligen Gemeine.
 
Und Jakob sprach: Ich nehme mir kein Weib
Aus Kanaan, ist auch die Brust wie Butter
Und ihre Scham wie eine Feige. Mutter,
Den Schwur in meines Schicksals Tafel schreib!
 
Die Töcter deines Bruders Laban sind
In meiner Seele Sehnsucht eingeschrieben,
Ich möchte eine Milka-Erbin lieben
Und mir zur Hochzeit frein ein Gotteskind!
 
Hab keine Angst, o Mutter, und vertraue,
Ich will nur eine Frau, die dir gefällt
Und keine Tochter aus der Heidenwelt,
Denn Gott gefällig sein soll meine Fraue!
 
Rebekka hob zum Himmel ihr Gesicht
Und faltete die Finger ihrer Hände:
Gepriesen, Jahwe, seist du ohne Ende,
Gerechtigkeit und Huld ist dein Gericht!
 
Gepriesen seiest du in Ewigkeit,
Ich freue mich in dir, o Herr, dein Name
Ist heilig, Herr! Gesegnet sei der Same
Ja’akobs und die auserwählte Maid!
 
Jehowah, lege du in meinen Mund
Wahrhaftige Lobpreisung, wahren Segen!
Die Liebe sei auf allen deinen Wegen
Dir deines Wandels Anfang, Ziel und Grund!
 
Der Geist der Wahrheit floß von ihren Lippen,
Sie legte Jakob auf das Haupt die Hände:
Ersprießen soll dir, Sohn, aus deiner Lende
Ein Heiligtum mit sternengleichen Sippen!
 
Gepriesen sei der Geist in seiner Klarheit,
Dein Weib besinge Gottes großen Namen,
Es möge der Messias deinem Samen
Aufschließen weisheitsvollen Weg der Wahrheit!
 
Sohn, deiner Mutter Geist erquicktest du
Als Frucht des Leibes schon im Mutterschoße,
So segnet meine Liebe dich, die große,
Aus meinen Brüsten strömt dir Segen zu!
 
Am Tag des großen Friedens habe Frieden,
Wenn wir vor unsern Richter treten müssen!
Nun laß du dich von deiner Mutter küssen
Und freue dich in Gottes Geist hienieden!
 
 
III
 
Und Jakob wanderte ins Morgenland,
Da sah er Rahel mit den Lämmern kommen.
Die Seelen ihm vor süßer Sehnsucht glommen,
Da er berührte ihre feine Hand.
 
Urenkel Milkas sind wir alle beide,
Gott segne beide uns, der Gnadenvolle.
Viel schöner bist du in des Lammes Wolle
Als Töchter Kanaans in leichter Seide.
 
Zum Friedensgruß laß küssen deine Wangen
Und, Lammesmutter, deinen Leib anschauen.
O Rahel, Rahel, Schönste aller Frauen,
So viel im ganzen Morgenland gegangen!
 
Sie sagte: Komm in meines Vaters Haus
Und in die Kammer meiner Mutter komm!
Wir leben arm, einfältig, still und fromm,
Es gehen Engel bei uns ein und aus.
 
Da sah er ihres Vaters herbe Mienen,
Den harten Schädel und die grauen Haare.
O Vater Rahels, laß mich sieben Jahre
Als Brautpreis für die Vielgeliebte dienen!
 
Da diente Jakob fleißig sieben Jahre
Bis zur verheißnen Stunde der Vermählung.
O Gnadenmacht der liebenden Erwählung,
Die schöne Jungfrau mit dem Hirten paare!
 
Da war es Nacht und still wars nach der Feier,
Er spielte nachts auf eines Leibes Flöte,
Bis glüh heraufgejauchzt die Morgenröte
Und jene Frau entschleierte den Schleier:
 
Die Ältere mit stumpfen Augen war
Entblößt vor ihm in ihrer Häßlichkeit,
Unschön, doch voll des Weibes Fruchtbarkeit,
Um die er nicht gedient das Siebenjahr.
 
Wo war die Grazie und Anmut und
Die sanfte Seele voll von frommer Stille?
Wo war die holde Gottheit in der Hülle
Des Lilienleibes mit dem Rosenmund?
 
Wo war die sanfte Süße von Gebeten,
Die mit der Vögel Chor zur Abendzeit
Tief meditiert der Hirte und die Maid,
Da Gott am Abend wandelte in Eden?
 
War darum Jakob kräftig bei der Schur,
Um diese Schielerin, dies dumpfe Weib,
Die Fruchtbarkeit im anmutarmen Leib
Sich zu verdienen, nichts als nur Natur?
 
Und wenn ich wieder mich versklaven muß,
Will keine andere als Rahel wählen,
Dem Inbegriff der Seeligkeit der Seelen
In der Erinnrung an den ersten Kuß!
 
Und wenn ich zweimal sieben Jahre diene
Und bleib mein ganzes Leben lang ein Sklave,
Ich bin ein Bettler nur und flehe: Jahwe!
Der Stachel steckt in mir der Honigbiene,
 
Ich bin ein Bettler nur und flehe: Jahwe!
In meinem Herzen steckt der Rose Dorn!
Gib mir die Lammesmutter von dem Born
Und ich bin dankbar deiner Gnade Sklave!
 
 
IV
 
Am Morgen sagte Jakob seinen Schwur:
Jehowah! ewig schwör ich dir die Treue!
Er baute, daß der Ewige sich freue,
Einen Altar inmitten der Natur.
 
Und Jizak sagte: Sohn, ich bin schon alt,
Laß deine liebe Mutter mit dir reisen.
Die Weisheit Gottes segne alle Weisen
Und mache vor den Toren auch nicht Halt.
 
Allschöpferische Allmacht hab Gefallen
An allen deines Pilgerpfades Schritten.
Deborah nimm mit dir, will ich dich bitten,
Der Mutter Amme möge mit dir wallen.
 
Rebekka, Liebste, geh mit deinem Sohne,
Mit Jakob und Deborah geh nach Lus,
Und baut Beth-El und sprecht den Friedensgruß
Und weiht Jehowah euch vor seinem Throne.
 
So wanderte die Schar die Pilgerpfade,
Da sprach Deborah: O Rebekkas Lieber,
Ich schwanke hin und her als wie im Fieber,
Du anempfehle mich Jehowahs Gnade.
 
Und zu Deborah sprach Rebekkas Sohn:
Du Amme meiner Mutter, recht von Herzen
Betrüben mich, Deborah, deine Schmerzen,
Ich geb dir weiße Milch vom roten Mohn.
 
Deborah lächelte und sagte: Gib
Mir Balsam, mich in meinem Weh zu trösten.
Sie schloß die Lider. Und wie die Erlösten
Sie lächelte: Ihr alle seid so lieb...
 
Laßt mich allein, ihr Lieben, daß ich schlafe,
Werd ich geschnitten von des Lebens Stamm,
Dann, Jakob, weihe du ein Opferlamm
Am Fuße deiner Himmelsleiter Jahwe.
 
So ist Deborah sanft und mild verschieden.
Die in die Erde ihren Leib versenken,
Die singen ihr ein Totenangedenken
Und preisen Gottes grenzenlosen Frieden.
 
Und Jakob pflanzte einen Ulmenbaum,
Umwand die Ulme auch mit einer Rebe:
Deborah, in dem Schoß der Erde lebe,
Bis du erwacht von deines Schlafes Traum!
 
 
V
 
Daß Bilha in das Zelt gefolgt ist Ruben,
Mag ich nicht singen. Genius, du frommer,
Ist schon vorüber meines Lebens Sommer
Und wandern langsam fromm wir zu den Gruben?
 
Uns ist so ernst, o Muse du der Klage,
Uns ist so ernst, wenn wir an Rahel denken.
O welcher Zeiten sollen wir gedenken,
Wann waren golden unsre Lebenstage?
 
Von Jakobs Liebe wissen wir zu raunen
Und von der schönen Rahel Kontemplation
Und auch von Leas blinderer Aktion
Und von den Liebesäpfeln der Alraunen.
 
Geliebte Rahel, Schöne du, beschaulich
Ging mit dem Patriarchen deine Minne,
Da wurdest du des Geistes Gottes inne
Und liebtetest Jehowah fromm und fraulich.
 
Der mir der Liebling in der Brüder Schar,
Der Liebste mir von frühsten Kindertagen,
Den mußtest du gebären unter Klagen,
Der Freude Sohn dir Todesweh gebar.
 
O Frau, Gebärerin von Efrata,
Den du geboren hast in deinem Scheiden,
Den nanntest du vor Jakob Sohn der Leiden,
Doch Jakob in dem Sohn den Segen sah.
 
Dein Leid, Gebärerin, ist unsre Freude,
Ja, deine Trauer macht dich angenehm,
O Schmerzensmutter du von Bethlehem,
Du bist ein Segen uns in deinem Leide.
 
O Scheidende, o rede trunken wahr:
Er wird ein Bild der Unschuld sein, der Kleine,
Der Josef nicht verraten wird, alleine
Des Vaters Glück ist, dem ich ihn gebar.
 
Ich scheide zur Versammlung unsrer Ahnen,
Benoni aber werde Benjamin.
Ich lieb dich, Sohn! O Vater, liebe ihn!
Doch muß ich an die Liebe dich nicht mahnen.
 
Denn Leas Söhne waren lieb dir nimmer
Wie Josef und der jüngere Benoni.
Gesegnet sei das Früchtchen meiner Yoni,
Und Israel errette Josefs Schimmer.
 
Vergiß, wie Bilha sündigte mit Ruben,
Wie Simeon und Levi rächten Dina.
Am Schopfe zieht die göttliche Schechinah
Uns alle einst wie Josef aus den Gruben.
 
 
VI
 
Rebekka sprach zu ihm: Mein lieber Sohn,
Nur Gutes sah ich allezeit in dir,
Sah froh auf deiner frommen Werke Zier
Und bring sie alle dar dem Himmelsthron.
 
Nun, Lieber, werd ich dir die Wahrheit sagen:
In diesem Jahr werd ich von Erden scheiden
Und enden meines Greisenalters Leiden,
Du aber sollst getrost sein und nicht klagen.
 
Im Traume sah ich meines Todes Stunde
Und sah am Lebensbaume meinen Ast
Und einen Vogel in der Blüten Glast,
Die Taube sah so sanft aus Herzensgrunde.
 
Ich habe meine Lebenszeit vollendet,
Die mir im Lebensbuch geschrieben stand.
Vom Himmel halt ich über dich die Hand,
Wenn Jahwe mich als deinen Engel sendet...
 
Und Jakob, in der Leidenschaften Haft,
Da Lea ihm mit Feigenblättern fächelt,
Hat bei dem Wort Rebekkas leis gelächelt:
Ach wär ich doch wie du so reich an Kraft!
 
Wo seid ihr Mütter, die mit neunzig Jahren
Noch schwarze Erde in dem Acker graben
Und Bohne voller Fleiß geschnitten haben,
Da noch die Hände nicht verkrüppelt waren.
 
O glücklich bin ich, Mutter Israels,
Wenn ich einst komm zu solchem hohen Alter
Und flattere noch flinker als die Falter
Und bin ausdauernd wie im Meer der Fels.
 
Rebekka aber ging zu Isaak
Und sprach zu ihm: Laß du den Esau schwören,
Er soll den Jakobssegen nicht begehren
Und ihn nicht quälen mit dem Heidenpack.
 
Seit Jakob einst von Haran wiederkam,
Ließ Jakob pietätvoll unsern Seelen
An keinem wahren Gut es irgend fehlen,
Ein treuer Sohn war Rahels Bräutigam.
 
Sei Friede unter Abrahams Geschlechtern,
Rebekka will nichts anderes als Frieden!
Und still ist Milkas Enkelin verschieden.
Den Morgen grüßten Lerchen mit den Wächtern.
 
 
VII
 
Ach Gott, mein Gott, ein Büffel war ich dir
Und stampfte und eroberte die Erde
Und schnaubte aus den Nüstern vor der Herde
Und meine Kraft war mächtig wie ein Stier.
 
Nun ist es, guter Gott, zu tiefer Nacht,
Ein zauberischer Duft steigt aus dem herben
Nillotus. Muß ich in Ägypten sterben,
Ach werd ich in die Heimat dann gebracht?
 
Mein Gott, gedenk, wie Josef angefochten,
Suleika wollte ihm ihr Bett bereiten
Und war so lässig in den leichten Seiden
Und war ihr Haar verführerisch geflochten.
 
Ach Gott, gedenk, wie Juda eingegangen
Zu Tamar, die am Wege saß im Schleier,
Wie soll ich segnen diesen losen Freier,
Der so verliebt zu schmeicheln angefangen?
 
Mein Gott, und weiß ich auch zu segnen nicht,
Aus deiner Wolke, Herrlicher, wirds regnen
Und deine Mutter Erde wird sie segnen
Und Wüste wird und Nacht zu Hain und Licht.
 
Zu sterben, Vater, will ich mich bereiten,
O nimm mich auf in deinem Mutterschoße
Und hülle mich in die unendlich große
Barmherzigkeit als Lohn für meine Leiden.
 
Mein Leben wird zur mystischen Revue
Und ich erinnre mich der schönsten Wonnen,
Als ich allein gestanden an dem Bronnen
Und Rahel trat zu mir in frischer Früh,
 
Wie da die Hirsche auf den Auen röhrten
Und wie die Tauben gurrten in den Buchen
Und wie die Nachtigallen Rosen suchen
Und Falter psalmodierten in den Gärten,
 
Gedenk ich des, o Ewiger, im Beten,
So quillt mir Frieden aus der Todeswunde
Und scheint mir: dieses Sterben ist im Grunde
Hinüberdämmern in den Garten Eden.
 
 
 
DRITTER GESANG: PSALMEN SALOMONIS
 
 
I
 
Gott ist ein allerseits gerechter Richter
Und huldigt keiner menschlichen Person.
Die lästerlichen Heiden sprechen Hohn
Jerusalem, der Lieblingsstadt der Dichter!
 
Nun muß Jerusalem im Staube sitzen!
Wo ist die Schönheit hin, da sie hienieden
Umstritten krümmt sich ohne innern Frieden?
Der Frevler Zungen scharf wie Schwerter blitzen!
 
Wie sank die Schönheit von dem stolzen Thron,
Da Zion saß in Goldigkeit und Weißheit
Und war verklärt von Gottes schöner Weisheit!
Nun schmäht die Welt sie voller Spott und Hohn!
 
Statt schillerschöner Seide trägt sie Sack
Und wälzt sich in der Asche und dem Staube
Und klagt als eine gottverlassne Taube
Und wird verspottet von dem Heidenpack!
 
Statt ihres goldnen Zaubergürtels trägt
Sie nun der Buße Kordel um die Lenden
Und schwingt der Reue Geißel mit den Händen
Und peinigt sich im Fleische unentwegt!
 
In schwarzen Haaren trägt Jerusalem
Nun Stacheln, Disteln, Dornen rings als Kranz
Und nicht mehr der Plejaden goldnen Glanz
Und nicht den Morgenstern im Diadem!
 
Geschändet wurde ihrer Zierrat Zier,
Die Jungfrau wurde vergewaltigt gar,
Man riß ihr aus der Scham das Schleierhaar,
Zertrat es wie ein wutentbranntes Tier!
 
Da sah ich der geliebten Jungfrau Schande
Und schrie Jehowah an, den Herrn der Heere:
Stell her der gottgeliebten Jungfrau Ehre
Und gürt sie wieder mit Orions Bande
 
Und schleiere die Maid erneut mit Seiden
Und stelle her im Wunder wundersam
Das Heiligtum der Maid, die keusche Scham,
Und treibe fort die gottvergessnen Heiden!
 
 
II
 
Was schläfst und schlummerst du, o meine Seele?
Willst nicht mit deiner Leidenschaften Toben
Jehowah in den hohen Himmeln loben
Und preisen seine göttlichen Befehle?
 
Preiswürdigem singt jubelnd neue Psalmen,
Er segne seine Heiligen, die Beter,
Er lächelt lieb und lind aus lichtem Äther
Und ruft die Seelen in den Hain der Palmen!
 
Ach nichts vermag ein Menschelein zu sagen
Und ist nur wie im Winde schwankt ein Halm.
Gott aber liebet seiner Beter Psalm
Und liebt ihr Liebeloben, Liebeklagen!
 
O Beter! Züchtigt Gott mit seiner Rute
Dein Wandeln in dem sündigen Betriebe,
Erziehung ist es, Gottes Vaterliebe,
Er ist doch der Barmherzige und Gute!
 
Sieht Gott dich straucheln wo in deinem Wallen,
Erstehe wieder! wird der Herr dir winken,
Wenn Tausende dir fallen auch zur Linken,
Zur Rechten dir zehntausend Streiter fallen!
 
Gerechtigkeit ist Gott und deine Hilfe
Und deine Freiheit, bist du wo gefangen,
Und winden fesselnd sich um dich die Schlangen,
Ja, Gott treibt fort die Ratten aus dem Schilfe!
 
Von Gott allein kommt seiner Beter Klarheit,
Gott wird die Beter in der Trübsal trösten,
Ja, wahre Freude schenkt er den Erlösten,
Denn er ist Auferstehung, Leben, Wahrheit!
 
 
III
 
Jehowah! jubelnd preis ich deinen Namen
Mit allen, die da kennen dein Erbarmen,
Du hast ein reiches Herz für alle Armen
Und für der Mutter Erde Hunger Samen!
 
Ich dürst nach dem lebendiger Ernährer,
Erhöre mich, o Jahwe, wenn ich schreie,
Mich aus des Todes Hungersnot befreie
Und sei des Lebens schöpferischer Mehrer!
 
Die Vögel hungern und die Fische dürsten,
Die Erde lechzt nach göttlichem Erbarmen!
O Gott, gib du des Lebens Brot den Armen
Und schenke ein der Freude Wein den Fürsten!
 
Damit die Gräser sprießen, lasse tauen
Und daß erblühen kann die rote Rose!
Die Toten rufe aus der Erde Schoße
Und selige Geschlechter aus den Frauen!
 
Die Hirsche röhren nach der frischen Quelle,
Das Reh hebt auf zu dir sein Angesicht,
Die Lerche schmachtet nach dem Sonnenlicht,
Die Nachtigall verlangt des Mondes Helle.
 
Wer ist der Armen Hoffnung, wenn nicht du,
Jehowah, Flamme du im Dornenbusch,
Ernähr die Kinder du im Lande Kusch,
Gib Juden Frieden und den Griechen Ruh!
 
Denn du allein bist freundlich, Gott, und gütig,
Barmherzig du in jeglichem Jahrhundert!
Seh Menschen ich barmherzig, Vater, wundert
Es wie ein Wunder mein Gemüt schwermütig.-
 
Doch voller Freundlichkeit ist deine Gabe,
Nicht nur an mich, du denkst an alle Leute,
Doch auch an mich, und schenkest Wein der Freude
Auf Hochzeitsfesten gern zur Herzenslabe!
 
Nein, nicht begehre ich den Überfluß,
Doch gebe mir nach deiner Weisheit Maß,
Vergiß die Rose nicht und nicht das Gras
Und nicht die schönen Frauen an dem Fluß,
 
Wir alle dürfen uns des Segens freuen,
Gott ist nicht gütig nur, er ist auch weise,
Er gibt den Herzen allerbeste Speise
Und wird der Erde Angesicht erneuern!
 
 
IV
 
Posaunt in Zion mit der Lärmposaqune
Den Heiligen und Gottes Siegesboten,
Im Tale Joschaphat erstehn die Toten,
Wie der Prophet verkündigt im Geraune.
 
Denn Gott hat sich Jerusalems erbarmt
Und hat die Tochter Zion heimgesucht!
O Baum des Lebens, bringe deine Frucht,
Denn ohne sie ist Israel verarmt.
 
Tritt, Zion, auf die Zinnen und die Warten
Und siehe deiner Kinder Pilgergang,
Vom Morgenlande und vom Niedergang
Der Sonne eilen sie in Gottes Garten!
 
Vom Norden kommen sie und von dem Meere
Und von dem Süden und des Meeres Inseln!
Die Kinder kommen, die Dämonen winseln,
Es kommt die Heeresschar des Herrn der Heere!
 
Die hohen Gipfel werden Täler werden
Und Ebenen erheben sich zu Hügeln,
Jehowah nahet auf des Windes Flügeln
Und wird die Toten rufen aus der Erden!
 
Die Wälder leihen Zions Kindern Schatten,
Die Sonne wird sie nicht verglühn und brennen.
Der goldne Weizen lacht auf weiten Tennen
Und Lämmer weiden auf den Blumenmatten.
 
Es duftet Sandelholz und Aloe
Und die Gewürze von Arabia
Und edle Narden auch aus India
Und weise Serer weihen ihren Tee.
 
Die hohen Zedern auf dem Libanon
Stehn wie Spaliere, grünen allerorten,
Die Wälder öffnen ihre grünen Pforten,
Wenn Israel heimzieht zu Davids Thron.
 
Von Inseln ziehen übers Westmeer Scharen
Und Wege freigibt auch der wilde Slawe,
Ganz Asia wird jubeln laut zu Jahwe
Und Gott wird sich den Römern offenbaren.
 
Und alle sehen Gottes Herrlichkeit,
Wenn Friedensbotinnen mit bloßen Füßen
Auf Friedensbergen Zions Kinder grüßen
Und Zion leuchtet in der Sonne Kleid!
 
 
V
 
Gerufen hab ich Jahwe unter Tränen,
Gehofft auf die Erlösung meines Herrn.
Aus Jakob auferstanden ist der Stern,
Am Himmel strahlen sehen wir den Schönen.
 
Der Armen Vater, Zuflucht der Betrübten
Bist du, der Witwen Vater und der Waisen.
Was soll man anders tun, als dich zu preisen,
Jehowah preisen seine Vielgeliebten!
 
Gib neue Lippen uns und neue Zungen,
Auf daß wir neue Psalmen dir ersinnen!
Gott gebe, daß das Lob, das wir beginnen,
Vollendet sei und durch den Geist gelungen!
 
Mit Freude wollen wir in unsern Herzen
Lobopfer weihen Gott und Lippenfrucht.
Gott führ uns zu der ewigen Wonnen Bucht,
Wo wir vergessen alle unsre Schmerzen.
 
Die Zunge spiele lieblich auf der Flöte
Und in den Armen liege gut die Leier
Und durch die Saiten wie durch einen Schleier
Der Geisthauch wehe in der Morgenröte.
 
Der Lippen Erstling sei geopfert Gott
Und dargebracht des Sanges Ruhmesgabe.
Weil ich mich Jahwe ganz gewidmet habe,
Drum wird der Lobgesang mir nicht zu Spott.
 
Wer Jahwe lobt mit seinen Sangesweisen
Und bringt ihm dar die Opferung vom Lamme,
Des Lobpreis wird vernichten nicht die Flamme
Und Seraphinen stimmen in sein Preisen.
 
Vernichtet wird sein Sang nicht im Gericht,
Vernichtet werden die Poeten Baals!
Doch, bei der Heiligkeit des Liebesmahls,
Jehowahs Dichter, die vergißt Gott nicht!
 
Und wenn ihr Menschen mich vergessen hättet,
Die Seraphinen singen mein Poem
Und all mein Liebeslied Jerusalem,
Weil ich das Zeichen trage, das mich rettet!...
 
 
VI
 
Da meine Seele schlief, uneingedenk
Der Gottheit Heiligkeit, war ich beinah
Zu Fall gekommen, war dem Tode nah
Und ausgeliefert teuflischem Gezänk.
 
Doch Gott der Ewige hat mich gerettet
Und mir aus lauter Huld und Gunst gegeben
Erneuerung der Seele, neues Leben,
Der an des Geistes Freiheit mich gekettet.
 
Die Spornen jagt er mir in meine Flanke,
Ich jagte wie ein Roß des Pharao,
Der Retter ritt auf mir, mein A und O,
War schnell wie ein erleuchteter Gedanke!
 
Ich preise dich, o Gott, daß du mich heiltest
Und mich zu deiner Heiligkeit bekehrtest
Und mich Mysterien der Weisheit lehrtest
Und nachts in meinem Brautgemache weiltest....
 
Laß deine Gnade nimmer von mir weichen,
Sei dein Gedächtnis allzeit gegenwärtig!
Bewahr mich, sehne ich mich zart und zärtig
Nach einem Weibe, einem warmen weichen!
 
Ungläubiger Buhldrinen Reiz und Schöne
Soll nimmer deiner Weisheit mich entfernen,
Ich will die Heiligkeit der Weisheit lernen
Wie vor mir taten fromme Gottessöhne.
 
Vor Philosophen oder Pharisäern
Bewahre mich und vor den eitlen Narren
Und spanne mich nicht vor der Torheit Karren,
Vielmehr gib Unterweisung mir von Sehern!
 
Mein Schaffen leit der Weisheit Anbeginn,
Die ehrfurchtsvolle Gottesreverenz!
Im Herzen schaff mir blumenreichen Lenz,
Daß ich dir weihe freudenreichen Sinn!
 
Gib, daß die Zunge kündet reine Wahrheit,
Ach Abba, höre deines Kindes Stammeln,
Bevor ich singe, Gott, will ich mich sammeln
Im Anschaun deiner grenzenlosen Klarheit!
 
Den Kleinmut in der Trübsal halte fern
Und laß mich nicht verzweifeln in der Schwermut,
Verpflanz mein Herz nicht auf das Sternbild Wermut,
Vielmehr in Gärten auf dem Morgenstern!
 
 
VII
 
Gott, spende deinem heiligen Volke Reinheit,
Daß wir empfangen von der Bundeslade
Realpräsenz der gottesgleichen Gnade
Und sind mit deiner Heiligkeit in Einheit!
 
Bereite uns für jenen jüngsten Tag,
Wenn dein Messias auf die Erde kommt!
Gib, daß ihm unser kleiner Glaube frommt,
Wir dürfen in der Liebe Rosenhag!
 
O tausend Jahre Frieden den Gerechten
Und Friedeliebenden für Myriaden
Äonen! Jahwe möge uns begnaden
Und Zion, benedeit von den Geschlechten!
 
Wenn der Messias richtet im Gericht,
Gedenke, Gott, wir waren Hauch im Lehm,
Doch voller Liebe für Jerusalem
Und ließen von der Tochter Zion nicht!
 
Die geistgewirkte Weisheit ward gesucht
Von deinem Volk, Gerechtigkeit und Stärke,
Der Schöpfer selbst in jedem seiner Werke
Und der Messias, Tochter Zions Frucht!
 
Es leite unsre Gottesreverenz
Zu unserm Ziele, der Vollkommenheit!
Sei dem Messias unser Herz geweiht,
Daß er mit goldnen Rosen es bekränz!
 
Gott, laß du des Gesalbten Angesicht
Ehrfürchtig uns erschauen in der Ferne,
Jerusalem im Diadem der Sterne,
Und laß uns leben, Licht in deinem Licht!
[Inhalt]


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