[Inhalt]

HYMNE AN DIE EWIGE WEISHEIT

Von Peter Torstein Schwanke


(Winter 2004/2005)

„Ich muß immer nur um Ihretwillen leben – für Sie bin ich nur – für mich und keinen andern nicht. Sie ist das Höchste, das Einzige. Wenn ich nur in jedem Augenblick ihrer wert sein könnte. – Meine Hauptaufgabe sollte sein, alles in Beziehung auf ihre Idee zu bringen.“
(Novalis)


I

Ich sehne mich nach Gott dem Herrn
In ewger Huld und Treue,
Ersehne die lebendige,
Die einzig wahre Gottheit!

Ich sehn mich nach Lebendigkeit
Von Gott, des Lebens Quelle,
Nach der ich schmachtete und schmacht
Wie einer Einöd Wüste!

Gott quill Erquickungen herab
Und meiner Seele Labsal,
Erkräftige die Seele neu
Durch Kraft der Seelenruhe.

In deinen Armen, Ewiger,
Will ruhend Kraft ich schlürfen,
Umarmt an deinem Herzen ruhn,
Du meine Mutter, Jahwe!


II

Du bist schwarz und schön, o Psyche,
Schwarz bist du wie Leidensnächte,
Aber schön, weil dich des Heilands
Ewge Schönheit angeschaut!

Komm, o Psyche, von den Hügeln,
Wo du Pantherweibchen lagerst,
Komm, du Raubtier, schöne Katze,
Zu dem Bräutigam herbei!

Nachts hab ich den Vielgeliebten
In der Einsamkeit gesuchet,
Aber hab ihn nicht gefunden
Nachts in meiner Einsamkeit.

Menschen nahmen mir den Schleier,
Die verwundeten und schlugen
Meine Brust, wie reife Trauben
Spritzten meine Brüste Blut!

Aber unter lauter Liljen
Lag mein Liebling wie ein Lämmlein,
Daß ich mich als Schäfchen legte
Zum Geliebten in das Gras.

Herzlich hab ich ihn umfangen,
Er gestand mir seine Liebe,
Hieß mich Liebe voller Wonnen,
Sprach, daß er vor Liebe glüht!


III

Du, Seele, lebst zwar in der Welt,
Doch rühre dich kein Schade,
Es bringe dich kein armer Narr
Um deine Seelenruhe.

Die Nacht besuche, Mutter Nacht,
Die tief vertraute Freundin,
Die da in ihrem Schweigen ruht
Voll inneren Verstehens.

Enteil der Welt mit bloßem Fuß
Und in dem Minnetranke
Enteile deinem eignen Ich
Und lausch dem Wort der Stille.

Aus Nichts gemacht, ein Etwas du,
Ins Nichts dich wieder wandle,
Und alle Fülle führe ein
In Gottes große Leere.

Die Welt ist nur ein Schattenspiel,
Im Lichte der Ideen
Siehst du des wahren Lebens Sinn:
Aus Gottheit in die Gottheit!

Und aller Worte Widersinn
Gleicht nicht der Weisheit Schweigen.
Im Herz des Nichts, da wohnt Ich-bin –
In nackter, nackter Gottheit!


IV

Grolle nimmer deinem Schicksal,
Nenne nimmer giftigböse
Den Geburtsstern deines Lebens,
Kommt er doch aus Gottes Hand.

Ist der Herr der Herr des Schicksals,
Willst du jammernd Antwort geben
Der Vorsehung ewger Weisheit
Und nicht opfern Lob und Dank?

Viele Freuden sich verkleiden
In dem schwarzen Kleid der Leiden,
Gehn sie auch wie Witwentrauer,
Sind doch eine edle Frau.

Schaust du Unheil allerwege,
Tauchst du in der Trauer Brunnen,
Wird der Schoß der Nacht gebären
Glück dir wie im Paradies!


V

Zwar, die Weisheit aufzusuchen,
Ging ich zu gelehrten Männern
Und zu Greisinnen desgleichen
Und befragte Gott den Herrn,

Doch je mehr ich forsch und suche
Und erkenne mehr des Wissens,
Desto mehr erkenn ich geistlich
Menschliche Unwissenheit!

Unergründbar ist die Gottheit,
Des Geheimnisses Entfaltung
Wird gepriesen von dem Schweigen
Vor dem namenlosen Gott.

Ehrfurcht vorm Geheimnis Gottes
Ist der Anbeginn der Weisheit
Und das Staunen vor den Wundern
Und Mysterien des Herrn.

Wer gelehrt ist, ist nicht weise,
Weise gleichen wieder Kindern,
Machen keine stolzen Worte,
Sondern lieben schweigend Gott!


VI

Arme Seele, reich an Leiden,
Denkst du an den Fluch des Schicksals,
Deines Daseins Todessterne,
Denkst du dies in Weisheit nicht.

Sagte doch die weise Jungfrau,
Daß das Sterben in den Leiden
Gottes Lieblingin, die Seele,
Heilig von der Erde löst.

Sagte doch der weise Alte,
Daß der Trübsal Feuerofen
Dir das Herz zum Golde läutert,
Welches Licht vom Lichte ist.

Scheidet Schlacken von Metallen
Nicht der Schicksalsleiden Drangsal?
Schleift der Schicksalsleiden Drangsal
Diamanten rein und klar,

Wirst du im Gewand der Leiden
Deine Seligkeit erkennen,
Ist im Bettelkleid der Armut
Reine Himmelskönigin!

Darum auf der Seele Gipfel
In dem Schleier deiner Tränen
Sag dem Herrn, der dreimal heilig,
Du für deine Leiden Lob!


VII

Hat mich doch der Wein von Shiraz
Epikurs Bequemlichkeiten
Und die stoische Entsagung
Gleicherweise mich gelehrt.

Auch der Wein auf Liebchens Wangen
Lehrte mich den Geist der Liebe
Als den mystischen Seraphen
Kennen durch den Feuerkuß.

Auch im Roten Meer ertrunken
Wie vor Pharaos Gespannen
Bin ich auf der Jagd ertrunken
Nach der Jungfrau Israel.

Hab den Wein, der Götter Ichtor,
Durch die Adern fließen lassen
Und hinschmachten durch die Finger
In der Muse Schreiberohr.

Habe auch in der Kapelle
Meiner Menschheit Wasserseele
Gottes Blut im Kelch verbunden
Und getrunken Gottes Geist.

So entgrenzt vom Blut des Bundes,
Mit ekstatischer Madonna
Tanzte ich um Edens Weinstock
Selig in dem Paradies!


VIII

Gottesfurcht, so sagen Weise,
Ist der Anbeginn der Weisheit,
Gottesfurcht in der Vollendung
Ist die reine Liebe nur!

Liebe zu der Einen Gottheit
Und zu Nebenmenschen Liebe
Ist Erfüllung des Gesetzes,
Wie es unser Meister lehrt.

Also liebe ich den Knaben,
Wenn begeistert von dem Weine
Ich der Seelensehnsucht lausche,
Liebe rein sein reines Herz!

Also liebe ich Madonna,
Jungfrau, Königin und Mutter,
Welche ist aus Gnade Göttin,
Meine Frau Gemahlin ist!

Keine Weisheit ich erkenne
Als die Torheit meiner Liebe!
Nicht in dieser Welt ein Weiser,
Nur aus Gottes Liebe Narr!


XI

Meine Seele, Sulamithin,
Steige auf zum Myrrhenberge,
Ohne Schuhe, zur Vermählung
Mit dem Herrn, dem Bräutigam,

Auf dem Sinai der Dornbusch
Brennt von reiner Gottesliebe,
Die Einsiedelei des Karmel
Ist erfüllt von Gottes Glut!

Sulamithin, meine Seele,
Walle auf zum Weihrauchhügel
Mittelbarer Gottesliebe
Durch der Menschenliebe Gunst,

Herze wie dein Herzvertrauter
Gottes Kinder, alle Kleinen,
Geht das Herz dir auf, begegnet
Dir der Herr, dein Bräutigam!


X

Als die Gottheit mir im Leibe
Einging in dem Sakramente,
Da mein Blut Messias‘ Blut war
Und mein Fleisch Messias‘ Fleisch,

War ich trunken von dem Feuer
Der lebendigen Madonna,
Welche heißt des Lebens Mutter
Und der Wonnen Paradies!

Ja, ich saugte an den Brüsten
Der Natur, der lebensvollen,
Saugte an der Gnade Busen
Und der Gloria als Sohn

Und als Mann der Lieben Fraue,
Männlich durch die Kraft des Eros,
Da der Sinn in mir vereinigt
Mit der süßen Sinnlichkeit.

Also fühlte ich katholisch,
Also lebte ich lebendig,
Also lebt ich schon auf Erden
In des Lebens Paradies!


XI

Des Ungeliebtseins Wunde ist
Der Seele immer schmerzlich,
Sie wendet sich voll Bitterkeit
Zur Nacht des Seeleninnern.

Marien schönes schwarzes Haar
Im goldnen Sternenschleier
Umschmeichelt meine Seele sanft
Mit zärtlicher Liebkosung.

O Einsamkeit, o Mitternacht!
Des Nachts schau ich zum Monde:
Dem Mond gleich in der Nacht mein Gott,
Der Einsamkeit Gefährte!

(In tiefer Nacht als lichter Geist
Erscheint des Knaben Seele,
Sie ist der Liebe Sakrament,
Realsymbol der Liebe!)


XII

Schlachtopfer des Altares ich,
Gezückt das Messer schwebte - -
Ein Widder in dem Dorngestrüpp
Verstrickt ist meine Seele!

Doch eines Tages kämpfe ich
Den letzten Kampf des Lebens,
Bewußt löst meine Seele sich
Aus ihrem Leibverließe!

Und vor die Schöne Liebe schweb
Ich, die ich immer suchte!
Und Jesus spricht: Geh ein, mein Knecht,
Zu deines Meisters Wonnen!

Dann bin ich wie ein liebes Lamm,
Das in den Lilien weidet,
Wenn sich wie Bräutigam und Braut
Der Mensch vereint der Gottheit!


XIII

O Geliebter, komm, wir laufen
Um die Wette durch den Abend,
Ohne Bangnis durch das Dunkel,
Bis an unsrer Ruhe Ziel.

Hinter uns die Abendröte,
Glühend in Orange und Rosa,
Wie der Saum des Pupurmantels,
Diese Sonne ist der Herr!

Vor uns mit dem runden Antlitz
In der makellosen Fülle
Lächelt leis die weiße Mondin,
Das ist Unsre Liebe Frau!

Und der Weg wird uns zum Äther
Und die Schatten uns zu Wolken
Und die Wolken uns zu Engeln,
Die uns säumen unsern Weg!

Freudig rufst du, Vielgeliebter,
Meinem Herzen zu: Mein Liebling,
Siehe doch, wir sind im Himmel,
Glücklich wir beim lieben Gott! - -

Deine Seele, o Geliebter,
War empfänglich der Verzückung,
Wurde Mittlerin der Gottheit,
Die des Himmels Liebe ist!


XIV

Eine wundervolle Seele
Lieb ich, eine Kinderseele,
Einen goldgelockten Knaben
Mit dem Herzen rein und fein.

Also, Weisheit Diotimas,
Heb ich mich zu Kinderseelen,
Um an sich der Seele Schönheit
Zu verehren, Höchstes Gut?

Aber anders führt die Weisheit
Meine Seele, denn sie selber
In Unsterblichkeit der Seele
Ist das reine Höchste Gut.

Sonnen sinken – Weisheit leuchtet,
Reiner als das Gold ist Weisheit,
Schöner als die Fraun, die welken,
Ist der Schönheit Ideal.

Sie, die Menschheit in der Gottheit,
Selbst ist eine Kinderseele,
Die in dunkler Nacht und Armut
Liebe brachte in die Welt!

Diese Weisheit, dieses Kindlein,
Ist auch heute mir begegnet
Und verwandelte die Erde
In ein Himmelsparadies!


XV

Geliebtes Kind, du schautest an
In meinem Haus Ikonen
Der holden Himmelskönigin,
Die deines Paten Braut ist.

Du fragtest, ob ein schönes Kleid
Gestickter Blumen trage
Die Braut, die Himmelskönigin,
Die Schönste aller Frauen?

Du sahst im Innern die Idee,
Das Ideal der Schönheit,
In einer geistigen Vision
Die Liebe Frau Maria!

Du sagtest Blumenkönigin
Zur inneren Prinzessin
Und nanntest sie, dein Ideal,
Die Schönste aller Frauen!

Da war sie wie der Frühling schön,
So schön wie Primavera,
Des Lenzes Nymphe aus Florenz,
Gemalt von Botticelli.

Du nahmest an dich dieses Bild
Und nanntest sie Prinzessin,
Weil du in deinem reinen Herz
Die Liebe Frau gesehen!


XVI

Aus Kindleins Augen Liebe blickt,
Die Liebe schöner Seele,
So geht mir auf mein traurig Herz,
Ich ahne Gottes Liebe!

Soll auch von meinem Angesicht
Ihm glänzen Christi Antlitz
Und Gottes Liebe leuchten ihm
Aus meiner Seele Spiegeln.

O Jesuskind im Himmelreich,
Nimm an das liebe Kindlein
Zu deinem Spielgefährten dir
In Zeit und Ewigkeiten!


XVII

Ich sehe eine Jungfrau, rein
Wie Eis an einem Gletscher,
Rein wie Kristall die Königin
In transparenter Keuschheit.

Sie liebt, und wenn sie liebt, fürwahr,
So gleicht sie dem Kometen,
Im Feuer schmilzt sie Stahl und Stein,
Im Brennen ihrer Inbrunst.

Sie tritt für die Gerechtigkeit
Mit Kraft ein und dem Schwerte,
Ist stärker als die Könige
Und bringt den Tod dem Drachen.

Nur was sie haßt, ist der Verrat
Und Lästerung der Reinheit,
Dann lodert sie in Grimm und Zorn
Und ihre Blicke blitzen!

Sie hat die Macht von Gott erlangt,
Die wohnt im Keuschheitsgürtel,
Unüberwindlich je und je
Ist sie die starke Jungfrau.

Wohl dem, der dieser Jungfrau treu
Sich widmet als ihr Diener,
Die heilige Beschützerin
Ist treu auf Tod und Leben!


XVIII

Mein Liebchen war nur eine Magd,
Nur eine arme Jüdin,
Die einen Sohn im Stall gebar
In winterlicher Armut.

So nenn ich Mutter sie des Herrn,
Und weil der Herr ist göttlich,
Nenn ich sie Gottgebärerin
Und nenn sie Gottes Mutter.

Und weil als Jungfrau sie gebar,
Nenn ich sie semper virgo,
Vor, in und nach der Gottgeburt
Blieb sie intakte Jungfrau.

Und weil der Herr erhoben sie,
Drum preise ich sie Herrin,
Die Herrin aller Herrlichkeit,
Madonna mein in Schönheit!

Und weil sie schön und liebend ist
Und Mittlerin der Minne,
Nenn ich sie Dame, nenn sie Braut,
Jungfräuliche Geliebte!

Und weil die Gnade Gottes sie
In der Natur des Menschen
Vergöttlicht in der Gloria,
Nenn ich Maria Göttin!


XIX

Sohn, nimm an des Lebens Leiden
Und das Bittere des Schicksals,
Christi wegen, Er ist Liebe,
Die für dich gelitten hat!

Kommen dir die bittern Leiden,
Sag ergeben: Herr, dein Wille!
Leidest du, wird Leid dir Gnade,
Kommt auch Heilung dir und Glück!

Ja, Geliebter, weih dein Leben
Ganz der Liebe, Liebling, aber
Nicht der menschlich armen Liebe,
Nein, der Liebe deines Herrn!

Also werden Zärtlichkeiten
Meines kleinen Sohnes Jesus
Als des Lieblings deiner Seele
Dich begleiten immerdar!

Bleibe dicht in meinen Armen,
Bleib an meinem Herzen ruhen!
Liebend öffnet dir Liebfraue,
O Geliebter mein, den Schoß!


XX

Da in meiner Seele steckten
Des Allmächtigen Geschosse
Und in Schrecklichkeit und Schwere
Lag auf mir die Hand des Herrn,

Da ich unterm Kreuze stürzte,
Wurde doch ans Kreuz genagelt,
Schrie ich in der Qual der Seele:
Was verläßt du mich, mein Gott!

Oh mein Gott, der Allgeliebte,
War mir wie ein Feind geworden,
War geworden wie ein Panther,
Der zerrissen mir das Herz!

Also schrie ich zu Madonna:
Tritt für mich zum Thron der Allmacht,
Bitte für die arme Seele,
Advocata nostra, Gott!

Schütze mich mit deinem Mantel
Vor den Pfeilen Gottes, Mutter,
Schütze mich vor Gott, o Jungfrau,
Und erhebe mich vom Tod!

Und der Gottesmutter Gnade
Sprach für mich zum Herzen Gottes,
Welches neue Liebe schenkte,
Meines Lebens Heil und Glück!


XXI

O die Seeligkeit der Seele,
Als die Liebe Frau Madonna
Im Realsymbol der Schönheit
Voller Minne zu mir kam!

O Verzückung meiner Seele,
Da ich in der Glut der Minne
Auf dem Fundament der Dogmen
Tanzte mit der Lieben Frau!

Da die Charismen der Charis
Mir des Geistes Braut gewiesen
Als die Königin des Herzens
In dem innern Brautgemach!

Da ich in Maria wurde
Sulamith des Bräutigames,
Bräutigam der Sulamithin
Wurde, Unsrer Lieben Frau!

Da ich nach der Quelle lechzte
Und den Brüsten der Madonna,
Tat das Täubchen mir den Ring an
Mit dem hochzeitlichen Ja!


XXII

Sind Frauen wie metallene
Geheimnisvolle Spiegel,
Darin verborgen dunkler Glanz
Der Gottheit ewgen Schönheit.

(In alter Welt Kleopatra
Mit schönen Weibes Eros
Frau Isis stellte dar der Welt,
Die Wahrheit, tief verschleiert.)

Maria aber makellos
Ist reiner Ausfluß Gottes
Und klaren Spiegels lichter Glanz
Als Abbild schöner Gottheit.

Das Antlitz Unsrer Lieben Frau
Ist ähnlich Gottes Antlitz,
Drum preis ich Gottes Schönheit sie,
Aus Gottes Gnade Göttin!


XXIII

Vom Äther nahte schwebend sie
Zur Mitternacht dem Dichter,
In einen Hauch von Licht gehüllt
Die wunderschönen Brüste,

Als wie ein Schleier ganz aus Licht
Umgab den Himmelskörper,
Als sie die Reichsinsignien,
Kleinode, abgenommen,

Und wie von Eros‘ weißer Glut
Erleuchtet, sich gelagert
Des Nachts zu meiner Einsamkeit,
Mich mystisch karessierend.

Am Morgen hob sie ihren Leib,
Verbarg im weißen Linnen
Der Glorie den Pneumaleib
Und schwand hinan, Madonna!


XXIV

Du bist die Allerschönste, Frau,
In Heiligkeit der Reinheit,
Von ganzem Herzen lieb und gut,
Du Königin des Herzens!

Ich nenn dich Seelenfrieden mein
Und Leben, Hoffnung, Wonne,
Des Paradieses Süßigkeit
Und Quelle ewger Liebe!

Im himmlischen Jerusalem
Erbaut aus Tränenperlen
Sind schön des Ewgen Wohnungen:
Marien Wohnung meine!

Madonna, deine Minne sing
Ich einsam auf der Erde,
Entzünden will ich als Psalmist
Zu dir die ewge Liebe!


XXV

Ich bin wahrlich mein Geliebter,
Er ist wahrlich der Geliebte,
Er ist ich in meinem Innern,
Ich in meinem Innern Er.

Wie die Geister in den Leibern
(Wie der Herr im Tempel) wohnen –
Sieht man mich, so sieht man Christus,
Sieht man Christus, sieht man uns.

So vereinten sich die Geister
Des Geliebten und des Lieblings,
Wie sich Wein gemischt mit Wasser,
Wasser sich im Weine löst.

Sah ich den Geliebten, Christus,
Mit den Augen meines Herzens,
Frug ich ihn: Wer bist du, Meister?
Sprach der Meister: Ich bin du!


XXVI

Ewges Sein in Ewigkeiten,
Urgrund aller Kreaturen,
Du Erlösung aller Schöpfung,
Grenzenloser Liebe Gott!

Alles liebst du, was da lebet,
Alles Seiende bejahst du,
Alles ist gewollt vom Herzen
Gottes, der die Menschen liebt,

Christi, der die Menschen liebet,
Jesu, der die Kinder liebet,
Der den Frommen gab zum Vorbild
Kinder, welche ganz vertraun.

Also komm, o Heiland Jesus,
Lege segnend deine Hände
Auf die Häupter aller Kinder,
Herze und liebkose sie!

Also sprach im Morgenlande
So die Weisheit Herzensworte:
Der gleicht einem edlen Menschen,
Der sein Kinderherz bewahrt.


XXVII

Von der Leidenschaften Torheit
Und der Liebe, die nur menschlich,
Fleisch und Blut von dieser Erde
Und voll Egoismus ist,

Wende dich zur Weisheit Gottes,
Welche spendet Seelenruhe,
Apathie der Leidenschaften
Und Erleuchtung für den Geist!

Von der Weisheit dieses Kosmos,
Von den blinden Blindenführern,
Die da irdisch von der Erde
Nicht erkennt des Himmels Gott,

Wende dich zu Gottes Torheit
Und der Predigt von dem Kreuze,
Der Passion der Christusliebe:
Narr aus Liebe zu dem Herrn!


XXVIII

An der Gottheit Quelle will ich
Schwester keusches Wasser küssen,
Lauschen auf der Gottheit Lispeln
Will ich in dem heilgen Hain,

Gottheit ahnen will ich auf den
Bergen, die den Himmel küssen,
Gegenwart der Gottheit ahnen
Vor dem Gottesbild von Stein.

Allgewärtige Geliebte,
O geliebte Gottheit, Ewge,
Große Mutter meiner Seele,
Alle meine Sehnsucht du,

Lehre mich das Wort der Weisheit
Für die wahre Seelenruhe
Und das Spiel der wahren Liebe
Für der Seele Seligkeit!


XXIX

Sehe ich den Mond geflügelt
Fliegen durch die Nacht des Weltalls
Und darauf in süßem Lichte
Meine Himmelskönigin –

O Sophia, einig Wesen,
Mutter der zehntausend Dinge,
Deine Sprache ist der Logos,
Weisheit deine Allvernunft!

Einig Ein, du Schöpferische,
Bist die immanente Gottheit,
Darum ist dein Geist der Weltgeist,
Die Weltseele dein Gemüt!

Transzendente, Unbefleckte,
Gottes Antlitz, Licht vom Lichte,
Menschenfreundin, Menschenliebe,
Alles liebst du, was da ist!

Urbeginn und Weltvollendung
Sind in dir, Idee der Schöpfung,
In die Schöpfung ausgegossen,
Führst du alle Schöpfung heim!

Dank, Sophia, für die Gnade,
Deine Huld und deine Neigung,
Lächelst uns in Sankt Maria
Und dem lieben Jesuskind!


XXX

Sophia, Gotteskönigin,
Schau, meines Lieblings Spielen
Schafft Erde um zum Himmelreich
Durch Liebe seiner Seele!

Sonst lieb ich es, allein zu sein
Und ungestört zu schauen
Und zu empfangen deine Huld
Im minnenden Alleinsein.

So stört uns kaum der kühle Kult
In unsrer Minne Mystik,
Du meine Gottheit, meine Braut
Wirst mir zur Seelenspeise.

Mein Ideal der Weiblichkeit
Scheint in des Hofes Minne
Und in der Klassik Göttin auf
Und ist nur schöne Liebe.

Du bist mein höchstes Ideal,
Dem Frauen nie genügen,
Du Göttliche, du Schöpferin,
Erlöserin der Seele!

Nun send mir Unsre Liebe Frau!
Denn du bist meine Göttin,
O Christ-Sophia, aber sie
Ist meine Menschengattin!


XXXI

Nicht wie Weise dieses Kosmos
Des vergänglichen Äones,
Die da grübeln über Gottheit
Und doch kennen nicht den Weg,

Nicht wie die, die von der Erde
Irdisches alleine reden
Und in aller ihrer Weisheit
Vor der Gottheit Toren sind;

Sondern wie die Gottesweisheit
Redet Weisheit Jesus Christus,
Als Sophia wahrer Gottheit
Menschlicher Gestalt,

Ausgestattet mit der Vollmacht
Der Sophia wahrer Gottheit,
Lehrt er, der da kam vom Himmel,
Himmlisches allein von Gott.

Ihn zu feiern, diese Weisheit,
Du Begabter, dichte Sprüche,
Stein auf Stein zum Bau des Tempels
Der Sophia deines Herrn!

(Willst du weiser, spricht ein Weiser,
Sein als Salomo, so weihe
Die Sophia in dem Fleische,
Christus, Unsrer Lieben Frau!)


XXXII

Nicht der Mensch ist nackte Seele,
Er ist Leib-und-Seelen-Einheit,
Nicht ist Psyche im Verließe
Eingesperrt der Leiblichkeit.

Wäre Psyche auch gefangen,
Wird der Eros sie befreien!
Also wohnt im Leib die Seele
Wie in Gottes Haus der Geist.

Darum, göttlicher Geliebter,
Wardst du eins dem Fleisch der Menschheit,
Zu vergöttlichen durch Liebe
Dieser deiner Menschheit Fleisch!

Komm, du Allvernunft im Fleische,
Gottmensch, komm zur Menschengöttin,
Meiner Seele in dem Leibe,
Laß uns eins und innig sein!

Weisheit, in mir inkarniere,
Daß ich sei ein andrer Christus!
Geist, vergöttliche das Dasein
In das ewge Ur-Sein Gott!


XXXIII

Wie sich Fraun und Männer suchen
In vertrauenden Gesprächen
Oder feierlich beim Mahle
Oder in der Einheit Nacht,

Suchen Erde sich und Himmel
In den inneren Gebeten
Oder bei dem Abendmahle
Oder in der Todesnacht.

Wenn auch Mann und Frau Extreme
Wahrlich auseinanderstrebend
Und doch gleicherweis magnetisch
Voller Sympathieen sind,

Wenn auch Erd und Himmel fliehen
Auseinander, zueinander,
Sind doch die Extreme einig
Im erst-letzten Allsymbol.

Vor der Gegensätze Scheidung,
Nach abschließender Vereinung
Ist die Gottheit, die All-Einheit,
A und O, das einig Ein!


XXXIV

Frag ich in der Morgenandacht
Still die kosmische Sophia
Und die alten Philosophen
Nach dem Wesen dieser Welt,

Scheinen aus dem Mutterschoße
Der Natur erstanden beide
Söhne, wie der Geist der Unruh
So der Geist der Ruhe auch.

Chaos wirkt in diesem Kosmos,
Ruiniert durch Katastrophen,
Doch gestaltend will die Geistkraft
Gründen Harmonie der Welt.

Frag den Geist ich in dem Worte
Gottes, kommt mir stille Weisung
Von Urania Sophia,
Die am Holz getötet ward!

In dem Kosmos walten kraftvoll
Werden und Vergehn und Werden,
Aber von dem ewgen Wandel
Uns erlöst das ewge Sein.

Sphärenharmonieen loben
In Messias‘ Friedensreiche
Dreimalheilige Sophia,
Pansophia, ewig Sein.


XXXV

Einmal sang ich den Spaziergang
Des Geliebten mit der Liebsten,
Hochzeitlicher Liebe Spiegel
Für die Liebe unsres Herrn.

Meine Liebeshelden hießen:
Theos, Herr, Sophia, Fraue!
Sie ergingen sich in Lehren
Von der wahren Liebeskunst.

Ja, der Gottheit Liebe strömet
Zu der Menschheit schön hernieder,
Die sie je und je geliebet
Alle ihre Schöpfungen.

Und der Menschheit Liebe atmet
Dank, Anbetung, Ehre, Lobpreis
Zu dem Thron der Gottheit wieder
Als ein Ebenbild zurück.

Liebe so mit Liebe einig,
Liebt der Mensch dann auch den Menschen,
Weib den Herrn und Mann die Fraue
Als ein Gleichnis und Symbol.

Also Theos voller Vollmacht
Redet mit Sophien Weisheit,
Die sie innig eins verbunden
In dem Geist der Liebe sind.


XXXVI

Über alles andre kostbar
Ist die Nacht dem Eremiten,
Wenn in seliger Beschauung
Er der Weisheit Leib studiert:

Ihre Stirn von Elfenbeine
Voll erhabener Gedanken!
Ihre langen schwarzen Haare
Schleier vor der Wahrheit Bild!

Ihre Augen, Mond und Sonne,
Sind das Licht, die Welt erleuchtend!
Ihre Lippen fließen über
Und entträufeln Grazien!

In der Höhle ihres Gaumens
Ist das Land von Milch und Honig!
Unter ihrer stillen Zunge
Träufelt sanfte Lindigkeit!

Voller Pracht sind ihre Brüste,
Wie zwei weiße Turteltauben,
Wo der Minner selig ausruht
Und den Trank der Weisheit trinkt!

Und der Schoß der Frau Sophia
Ist das A und O der Schöpfung!
Gern lieb einsam ich die Weisheit,
Einzugehn in Gottes Schoß. –


XXXVII

Den Narren singe nicht dies Lied
Von Gottes Pansophia
Und decke still mit Schweigen zu
Der Minne große Gnaden!

Du dennoch gingst im Garten um
Des süßen Paradieses
Und warest im Zeltheiligtum
Voll Eros deiner Gottheit!

Du sahest schimmern in der Nacht
Der Seele deine Herrin
Und warst als Seliger beglückt
Von himmlischer Liebkosung!

Und manchem wilden Liebessturm
Vom Himmel dich erschütternd
Und auch vom roten Mund den Kuß
Empfingst du gleich dem Rausche!

O sophianischer Prophet
Im mystischen Verlöbnis,
Die Pansophia hebt dir auf
Zum Paradies die Perle!

HALLELUJAH!


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