[Inhalt]

DIE GNADEN DER EWIGEN WEISHEIT

Von Peter Torstein Schwanke


HYMNE AN DIE MAKELLOSE KONZEPTION

Erster Gesang

1

Im Garten schaute ich von Nazareth,
Wie sich erhoben aus dem Grund ein Stengel,
Dort, wo der Mutter Anna Hütte steht,
Dort Götterknaben spielten, Himmelsbengel,
Dort steht der Säule Schaft, um den sich dreht
Im Sphärensang der Harmonie der Engel
Wie lichte Wolke um den Blütenstempel
Aus Gold und Glas der Gottesweisheit Tempel.

Und mitten in dem Tempel stand ein Baum,
Die süßen Blüten dufteten wie Manna,
Um eine Blüte schwebte schön wie Traum
Großmütterlich des Herrn Großmutter Anna,
Jungfräulich tauchte aus dem Blütenschaum
Mariens Schwester Mitka. Hosianna
Lobpreisend sang im Baume das Gefieder
Der Himmelssänger der Madonna Lieder.

Der Mutter Anna unter ihrer Brust
Bewegte sich ein Licht, ein lieblich lindes,
Es regte sich schon Weisheit unbewußt
Mit Frühlingszärtlichkeit des Zephyrwindes
Im Becher ihres Schoßes. Voller Lust
Und Seligkeit die Seele ihres Kindes
In Wonne spielte in der Mutter. Welch
Entzücken in des Mutterschoßes Kelch!

Und in der Weisheit Dom von Gold und Glas
Die Heiligen und Mystiker und Weisen
Großmutter Anna ohne Unterlaß
Und die gebenedeite Jungfrau preisen.
Duns Scotus dort in seinem Throne saß,
Der neunte Pius in den Sphärenkreisen
Und mit ihm Pater Maximilian
Sah immer nur die Unbefleckte an.

Der Jungfrau Lobpreis in dem Heiligtume
Und alles Benedeien der Madonne
War wie das süße Duften einer Blume
Als Lobpreisopfer zu der Himmelssonne,
Die ihr das Leben in der Ackerkrume
Gegeben erst und ihrer Schönheit Wonne,
So war der Gottesdienst wie Maienduft,
Wenn die Madonna weht in Lenzes Luft.

Ich sah der Mutter Anna Leibesfrucht
Glückselig schweben in dem Mutterschoße,
Die neue Eva rein in Gottes Zucht,
Die Unbefleckte und die Makellose,
Geschaffne Weisheit Gottes, Weib voll Tucht,
Die Lilie, die geheimnisvolle Rose.
Die Jungfrau war mir offen wie ein Buch,
Des reinen Paradieses Wohlgeruch.


2

Ich sah den Herrn nicht im Gelobten Land,
Ich sah den jungen Jesus hocherhaben
Im glücklichen Arabien, da fand
Ich Jesus, bei ihm waren liebe Knaben,
Wo sich das Zelt der Magier befand,
Die brachten einst dem Gottkind ihre Gaben.
Sie ruhten nun in Zelten angenehm
Nach ihrer Pilgerschaft gen Bethlehem.

Drei Magier nach der Vorsehung hold
Das Kind anbetend hatten einst umworben
Und brachten Weihrauch, Myrrhe dar und Gold.
Ein Magier inzwischen war gestorben
Und zahlte mit dem Tod der Sünde Sold.
Er war noch nicht verwest und nicht verdorben,
Er ruhte in der Gloria des Nimbus
Und harrte auf den Christus in dem Limbus.

Doch zwei der Magier, nach einer Sage,
Am Achten des Dezember feierten
Vom Siebten bis zum Neunten die drei Tage,
Wo Psalmen sie der Jungfrau leierten
Und feierten die Jungfrau mit der Waage,
Ihr Lob der Weisheit, der verschleierten,
Der Braut, die auserwählt der Bräutigam,
Des Sterns, der wahr geweissagt Bileam.

Die Magier der Weisheit gottgeweiht
In des Oasenhaines Palmenlaube
Am Himmel sahn die makellose Maid,
Die Unbefleckte, wie sie preist der Glaube,
Die eine Waage hält gebenedeit,
Auf der die Ähre liegt und liegt die Traube.
Die Gottheit auch der Maid ihr Zepter gab,
Der Weisheit Lotos oder Hermes‘ Stab.


3

Ich sah auch, daß der Patriarch der Griechen
Empfangen nicht die Makellose wollt,
Sie würde denn als Magd des Vaters kriechen
In seiner Gotteshäuser Pracht von Gold.
Da sah ich sie und konnte sie auch riechen,
Erotisch duftend, weiß von Schaum umrollt,
Gepriesen von Gregorius von Nyssa,
Maria, lächelnliebende Aphroditissa!


4

Ich sah die Eine göttliche Natur
Erscheinen in drei göttlichen Personen.
Ich sah die Allmacht als den Urgrund pur
Und ihr im heimlichtiefen Schoße wohnen
Die Weisheit in jungfräulicher Figur,
Die Lichtgestalt in ewigen Äonen,
Und sie vereint in reinem Feuertriebe
Durch die Person der inspirierenden Liebe.

Da sah ich in der Gottheit Liebesstärke
Als wie in einem Schoß und Seelengrund
Mariens Wesen, mächtig wie die Berge,
Gehaucht von der Urgottheit reinem Mund,
Ich sah das Meisterwerk der Gottes-Werke
In blühender Verklärung ganz gesund
Gleich einer Göttin auf den Meereswellen
Demütig sich vor Gottes Antlitz stellen.

Ich sah, der Gottheit Wille war gewillt,
Die Jungfrau zu erschaffen, zu gestalten.
Der Inbegriff der Schönheit war dies Bild,
Ihr Schleier floß geheimnisvoll in Falten,
Sie war entzückend, süß, liebreizend, mild,
Für eine Göttin wurde sie gehalten
Von Sehern, die sie je in trunkner Schau
Geschaut im Geiste Gottes: Gottes Frau!

Die makellose Schönheit rein, sublim,
Sah ich erscheinen in der Pracht der Prächte,
Die Throne Gottes liebten sie intim,
Anbetend priesen sie die Kräfte, Mächte,
Ihr sangen Seraphim und Cherubim.
Und der Poet, der mit der Muse zechte,
Maria pries Sophia procreata –
Geringster Sklave er der Immaculata!


Zweiter Gesang

1

Bei der Empfängnis Unsrer Herrin pur
Im Mutterschoße in der dunklen Nacht
Aufjubelte die göttliche Natur:

Im Bilde meiner Allmacht sei sie Macht,
Fürbittend sei Liebfraue gar allmächtig,
Der Allmacht Spiegel sei ihr zugedacht,

Der schöpferischen Allmacht ähnlich prächtig
Sei in der Schönheit meiner Schöpfung sie,
Die Allmacht sie betrachte stets bedächtig

Im Spiegelbild der Schöpfungsharmonie
Und sei ein Gleichnis meiner Kraft und Stärke
Als starke Fraue voll der Energie!

Im Bilde meiner Weisheit schaff ich Werke,
Der Weisheit Meisterwerk ist Unsre Frau,
Ein Meisterwerk erhabner als die Berge,

Ein Meisterwerk kristallner als der Tau,
Ein Meisterwerk erstrahlend wie der Blitz,
Vollkommner als des ganzen Kosmos Bau,

Der Weisheit Wohnung und der Weisheit Sitz,
Der Weisheit Herrin sie der Weise preist,
Das ist ihr wahrer Name, Weib voll Witz!

Im Bilde meiner Liebe in dem Geist
Erschaff ich sie als Spiegel ohne Trübe,
Liebfraue, die nur Hauch und Liebe speist,

Liebfraue mit des Herzens Feuertriebe
Der Gottheit gleich wird lieben insgesamt
Die Menschenkinder all mit Mutterliebe,

Liebfraue, die vor Liebesfeuer flammt
Zu meinen Lieblingen, in Liebe groß!
Maria, die aus schöner Liebe stammt,

Die Makelose ruht im Mutterschoß.


2

Maria an dem Tag vor der Geburt
Anbetete vor dem Geburtskanal
Als einer engen Pforte, feuchten Furt,

Den Ewigen, den göttlichen Gemahl:
O Majestät der Gottheit absolut,
Anbetend lieg in diesem dunklen Saal

Des Mutterschoßes in Fruchtwasserflut
Ich hier vor dir, dem allerhöchsten Herrn,
Du bist allein mein Heil und Höchstes Gut!

In meiner Seele in des Leibes Kern
Ich schaute deine höchste Gottheit groß
Und hatte sie im Mutterschoß schon gern

Und war ganz dein bereits im Mutterschoß!
Nun kommt die Stunde, da ich werd geboren
Aus Mutterschoßes Hort, wo makellos

Ich war von dem Geliebten auserkoren
Und lag anbetend vor dem Angesicht
Der Gottheit. Aber heute zu den Toren

Und Sündern soll ich, welche fern vom Licht
Und fern von Gott in Finsternissen wallen
Und werden durch der Sünde Sold zunicht.

In deinem Spiegel sah ich in den Hallen
Der göttlichen Geheimnisse auch Seelen,
Die heilig waren, aber abgefallen

Zum Teufel sind, im Himmelreiche fehlen,
Den Perlen fehlt nun all der schöne Glanz.
O laß mich nicht im Höllenfeuer schwelen,

Laß mich nicht durch der Erde Tand und Tanz
Die Auserwählungsgnade je verlieren,
Laß mich bewahren meinen Jungfraunkranz,

Die reine Perle soll mich immer zieren.
Verlöre ich die Perle an die Toren
Und Sünder, die zertreten sie gleich Tieren,

So würd ich besser gar nicht erst geboren.
Daß ich bewahre meine Perle bloß
Und meine Jungfraunkrone auserkoren

Und meine reine Seele makellos,
Daß sie mir rauben Sünder nicht als Diebe,
Laß sterben hier mich schon im Mutterschoß!

Das Leben mit der Leidenschaft der Triebe
Und meine Lebenstage all zusamm
Beende schon im Schoß, o Schöne Liebe!

Doch wenn du willst, mein Seelenbräutigam,
Mein Heiland und mein König und mein Hirt,
In Demut und in Sanftmut wie ein Lamm

Ich folg dir in das Leben, das mir wird,
Ich will es leben ganz zu deinen Ehren.
Die Welt, in die die Mutter mich gebiert,

Und alle Kreatur soll nur mich lehren
Die Schöne Liebe, fern der Sünder Spott,
Die Liebe soll die Liebe mir vermehren,

Denn ich bin die Geliebte dein, mein Gott!


EVANGELISCHE AKTEN


1

Als Simon Petrus kam nach Rom,
Traf er dort Simon Magus an.
Sie fochten an dem Tiberstrom,
Und Petrus schleuderte den Bann.

Verflucht sei, wer wie Simon glaubt,
Wer so wie Simon Magus lehrt!
Nein, Christus ist der Kirche Haupt,
Die Kirche er zur Braut begehrt.

Die Kirche eine Jungfrau ist,
Die Kirche eine Mutter auch.
Ihr Haupt ist einzig Jesus Christ
Und ihre Seele Gottes Hauch.

Die Kirche ist nicht nur der Bau,
Aus Stein ist nicht Ecclesia,
Sie ist wie Unsre Liebe Frau
Der Sedes Sapientia.

Der Mutter Kirche Ideal
Und makelloser Inbegriff
Ist Unsre Liebe Frau, ihr Strahl
Geht licht voran dem Kirchenschiff.

Als Adam in dem Paradies
War eingeschlafen unterm Baum,
Schuf Gott der Schöpfer Eva süß,
Von Fleisch und Blut und schön wie Traum.

Gott nahm vom Manne Adam Fleisch
Und schuf aus Adams Fleisch die Frau,
Die makellose Eva keusch,
Des Paradieses Tempelbau.

Als Jesus Christus an dem Kreuz
Entschlafen war in seinem Tod,
Schuf Gott die Kirche voller Reiz,
Die neue Zeit wie Morgenrot.

Gott schuf aus Christi Fleisch und Blut
Die makellose Jungfrau-Braut,
Die Christus an dem Herzen ruht,
Dem Bräutigame angetraut.

Der Kirche heilige Idee
Ist aber Unsre Liebe Frau,
Die rot wie Blut und weiß wie Schnee,
Der neuen Schöpfung Tempelbau.

Der neue Adam aber, schau,
Das ist der Meister Jesus Christ,
Maria, Unsre Liebe Frau,
Fürwahr die neue Eva ist.

Wie Eva einst im Paradies
Der Schlange lauschte lüstern dort,
Die neue Eva aber süß
Gehorchte ganz dem Schöpferwort.

Verloren ist das Paradies,
Das Paradies von Anbeginn,
Doch Unsre Liebe Fraue süß
Macht uns den Himmel zum Gewinn.

Maria schenkte uns das Glück,
Das Paradies ist wieder da,
Sie schenkt dem Herrn die Welt zurück
In ihrem gottvertrauten Ja.

Maria öffnet uns den Hain
Der Heiligkeit, uns Edens Au,
Sie läßt ins Paradies uns ein,
Fürwahr des Paradieses Frau.

Wie Gott dereinst die Menschheit schuf
Als Mann und Weib als Abbild, schau,
So hört die Menschheit heut den Ruf
Des Herrn und Unsrer Lieben Frau.

Kehrt um, das Himmelreich ist nah,
Drum betet, betet, betet, liebt!
Die Herrin Sapientia
Uns Christus durch Maria gibt.

Denn Christus und Maria sind
Der Gottesweisheit Spiegelbild.
Die Weisheit Gottes ist ein Kind,
Ist Gottes Amor feurig wild.

Das Gotteskind vor Gottes Thron
Hat mich getroffen mit dem Pfeil.
Ich bete an den Gottessohn,
Die Gottesliebe ist mein Heil!


2
Der Jude Saulus Paulus sprach:
Ich sehe viele Götter hier
Und denke ich darüber nach,
Denk all die schöne Marmorzier,

So denke ich an jenen Gott,
Der nicht von hartem Marmorstein,
Nicht schön gebildet aus Schamott,
Ist einzig Gottheit, einig Ein.

Das ist die Gottheit Ich-bin-da,
Die schuf durch ihres Wortes Schall,
Und was sie sagte, das geschah,
Sie schuf den Menschen in dem All.

Sie schuf den Menschen androgyn,
Den Adam Kadmon, Gottes Bild,
Dem Manne Adam ähnlich kühn,
Dem Weibe Eva ähnlich mild.

Der Urmensch in dem Anbeginn,
Gynandrisch und jungfräulich Mann,
Er lebt in aller Menschen Sinn
Und schaut sich in der Menschheit an.

Aus ihm hervorgegangen sind
Die Völker alle in der Welt.
Die Menschheit ist ein einig Kind
Der Gottheit in dem Himmelszelt.

Der Gottheit schöpferisches Spiel
Erschuf die Menschheit, Weib und Mann,
Ob eine Seele voll Gefühl
Die Gottheit finden, fassen kann.

Wenn du wie kleine Kinder spielst
Und achtest nicht der Großen Spott,
So menschlich du die Gottheit fühlst,
Es schlägt im Kinderherzen Gott.

Gott selber Kind geworden ist
Trotz all der Hohenpriester Spott,
Gott ist das Kindlein Jesus Christ,
Das Kindlein Jesus Christ ist Gott!

Mariens Sohn, der Jesus Christ,
Ist Gott von Gott und Licht von Licht,
Der er der Weltenrichter ist
An Jüngsten Tages Weltgericht.

Was aber ist die Gottheit? Spricht
Johannes, spricht der Jesus Christ:
Die Gottheit, die da hält Gericht,
Der Gottmensch schöne Liebe ist!

Die Mutter schöner Liebe ist
Maria, die gebar den Sohn,
Als Liebe richtet Jesus Christ,
Als Liebe in der Gottheit Thron.

Die Liebe, die Agape, spricht
Ihr Urteil nach der Liebe nur,
Nach Liebe urteilt im Gericht
Der Liebe göttliche Natur.

Die Liebe, die da spricht: Ich bin
Die Liebe göttlicher Natur,
Sie, aller Menschen Richterin,
Sie richtet nach der Liebe nur.

Ja, dieser Gottmensch Jesus Christ,
Geboren von dem besten Weib,
Spricht, daß er Lebensspender ist
Für Menschengeist und Menschenleib.

Denn Leib-und-Seele-Einheit ist
Der Mensch, geboren von dem Weib,
Das Leben spendet Jesus Christ
Der Seele in dem lichten Leib.

Denn siehe, Jesus kommen wird
Mit seiner Anastasia,
Der Mutter, die uns neu gebiert
In Jesu Sapientia.

Denn Christi Anastasia
Ist wie ein himmlischschönes Weib
Auch unsre Anastasia -
Wir auferstehn als Geist und Leib!


3

Der Katholik in Frankreich sprach,
Der Einen Kirche Katholik:
Ich schaue Magdalena, ach,
Sie schaute des Messias Sieg!

Sah Magdalena Gottes Sohn
Von liebevollem Angesicht
In einer mystischen Vision
Als Seelenmeister, Licht vom Licht.

Sah Magdalena Gottes Sohn,
Der schuf durch seines Wortes Schall,
Sah Jesus in dem Seelenthron
Und herrlich thronen in dem All.

Wie der Planeten sieben all
Die Treppe bildeten zum Thron,
Maria Magdalena wall
Als Wallerin zu Gottes Sohn.

Auf der Planeten Leiter stieg
Sie über ihre Sünden weg
Und pilgerte von Sieg zu Sieg
Zu Gott, der Ziel war und der Weg.

Vom Zürnen und vom gelben Neid,
Von Faulheit, Ehrgeiz und Begier
Ward Magdalena ganz befreit,
Weil Jesus sie befreite schier.

Der Herr im Empyreum dort
Todsünden wusch er von ihr ab,
Er, der das inkarnierte Wort,
Der Schöpfer in des Lebens Grab.

Maria Magdalenas Reiz
War nie so schön, wie war sie schön,
Als heißer Inbrunst sie am Kreuz
Um Liebe weinte voll Gestöhn.

Als sie ihn pries: Mein höchstes Gut,
Mach gut mich, heilig, rein und keusch,
Mein Bräutigam in deinem Blut,
Mein Ehemann in deinem Fleisch!

Maria Magdalena rot
Wie eine Rose voller Glut
Schwor Treue ihm beim Kreuzestod
Und ewgen Bund in seinem Blut!

Als Jesus auferstanden war,
Trat er zu Magdalena süß,
Der Herr ein Gärtner offenbar
In Gottes Gartenparadies.

Umschlinge meine Füße nicht
Und halt mich nicht auf Erden fest,
Denn heim geh ich in Gottes Licht,
Erwarte dich zum Hochzeitsfest!

Zur Hochzeitsfeier Gottes Lamm
Erwartet seine Seelenbraut,
Die ewig wird dem Bräutigam
Im Paradiese angetraut!

Nun geh und den Aposteln sag
Als die Apostelin mein Wort:
Nun bricht er an, der Jüngste Tag,
Wo ich bin bei euch fort und fort.

Und Jesus stieg ins Paradies,
Der wahre Gott, der liebe Mann,
Maria Magdalena süß
Den Seelengatten betet an.

Maria Magdalena nun
Eroberte dem Herrn La France,
Als Minnerin des Herrn zu ruhn
In Gottes lieblichster Provence.

Sie lebte dort in Einsamkeit
Nur dem Gebet, Gebet, Gebet.
Der Engel, der sich ihr geweiht,
Ihr segensreich zur Seite steht.

Und oftmals wurde Tag für Tag
Sie von dem Engel ohne Spott
(O Muse, von dem Wunder sag)
Verherrlicht in dem Herrn und Gott!

Zu Zimbel und zu Zimbelklang
Und zu der Psalmen Rosenkranz
Ihr Odem sang dem Herrn Gesang
Und tanzte mystisch Gott den Tanz.

Zuletzt ward sie von Gott entrückt,
Von Gottes Herrlichkeit verklärt,
Maria göttingleich verzückt
Zur Engelskönigin erklärt.


4

Der Bischof sprach in Ephesos
Marien Dogma gläubig aus:
Die Gottesmutter, sie ist groß,
Ist Gottes Zelt, ist Gottes Haus.

Da aber sprach Nestorius,
Häretiker und falscher Mönch:
Als Jungfrau sie gebären muß,
Was sie geboren, ist ein Mensch.

Nestorius häretisch sprach:
Die Gottesmutter ist ein Spott,
Denn Gott der Ewigvater, ach,
Gebar nie eine Mutter Gott.

Der Bischof aber sagte da:
Du kennst die große Wahrheit nicht,
Die Weisheit der Ecclesia,
Daß Christus ist das Licht vom Licht,

Daß Christus ist der Gott vom Gott,
Des Ewigvaters Ewigsohn,
Von Art ein Mensch, von Art ein Gott
In einer einigen Person.

So von gottmenschlicher Natur
In hypostatischem Verein
Der Gottheit und der Menschheit pur
Ist Jesu makelloses Sein.

Da Jesus ist ein wahrer Mensch
Und wahrer Gott, ist Gottes Sohn,
Ob du daß nicht begreifst, mein Mönch,
Er ist gottmenschliche Person.

Weil also Unsre Liebe Frau
Geboren unsern Jesus Christ,
Der Gott und Mensch ist, darum, schau,
Maria Gottesmutter ist.

Maria Gottesmutter ist,
Das ist der Kirchenweisheit Sieg,
Denn wahrer Gott ist Jesus Christ,
Das glaubt ein wahrer Katholik.

Ich künde drum in Ephesos,
Maria Gottesmutter ist,
Die Gottgebärerin ist groß,
Weil wahrer Gott ist Jesus Christ.

So hören wir den Mönch uns an,
Der Gottesmutter treuen Sohn,
Der Gottesmutter Ehemann
Ihr dient allein um Minnelohn.

O Gottesmutter, Burg voll Trutz,
In deren Schoß wir ehren Ihn,
In deiner Liebe Schirm und Schutz
Verbannte Kinder Evas fliehn.

Gebieterin, du Liebe Frau,
Der Weisheit Sitz, der Weisheit Thron,
Uns schirm mit deinem Mantel blau
Und führe uns zu deinem Sohn.

O Gottesmutter, du bist groß,
Du Herrin deines Heiligtums,
Wie ehren, Frau von Ephesos,
Die Ehre deines Muttertums,

Des Muttertums Vergöttlichung,
Gebar dein Mutterschoß uns Gott,
Drum große Mutter schön und jung
Wir dich verehren ohne Spott.

O Gottesmutter, Mutter groß,
Du große Mutterkönigin,
Du liebe Frau von Ephesos,
Gottähnlich, Gottgebärerin,

Ich sehe kommen eine Zeit,
Da du die Minnedame bist,
Du reine Jungfrau, Gott geweiht,
Madonna mit dem kleinen Christ,

Madonna voll der Lieblichkeit,
Der Mönche Minnekönigin,
Gottnahe Jungfrau benedeit,
Der ich geweiht als Minner bin.

Dann wird der gottgeweihte Mann
Im Elend seiner Kreatur
Als Königin dich beten an
Von überhimmlischer Natur.

Erlösungsgöttin bist du dann,
Erlöserin mit Christus bist
Du himmlisch dann dem Minne-Mann,
Die Herrin neben Jesus Christ.


5

Ein weiser Dichter orthodox
Sprach zu Sophia ein Gebet:
Anbeten Esel dich und Ochs,
Sophia in der Trinität!

Dreifaltige Sophia preist
Der Weise betend fort und fort:
Sophia ist als reiner Geist
Das weltenschöpferische Wort.

Sophia in der Trinität
Erzeugt von Gott wird fort und fort,
Ihr Wesen ist Identität
Mit Gottes Logos, Gottes Wort.

Der Logos göttlich ist der Christ,
Das Gottkind oder Gottes Sohn,
Als reine Gottesweisheit ist
Sophia in der Gottheit Thron.

Die göttliche Sophia so
Ist aber auch das Spiegelbild
Der Gottheit, ist das A und O
Im ganzen kosmischen Gefild.

Urmenschheit in der Uridee
Sophia, die Urmenschheit heißt
Sophia, ich die Jungfrau seh,
Gynandrisch-androgyn ihr Geist.

Urmenschheit und Urkreatur
Ist sie die göttliche Idee,
Die überhimmlische Natur,
Die ich in All und Menschheit seh.

Die dritte Kraft Sophias ist
Allgnade, ewig reizvoll jung,
Pan-Charis preist der weise Christ
Die Liebe zur Vereinigung,

Vereinigung der Gottnatur
Durch reiner Charis Liebeshuld
Mit aller Welt und Kreatur,
Pan-Charis weiht den wahren Kult.

Es wird die reine Göttlichkeit
Vereinigt reiner Kreatur.
Hier zeigt die Charis benedeit
Des Herrn gottmenschliche Natur.

Die Mütter Roma und Byzanz
Erkennen, wie ein Christ erkennt,
Die Mutter von dem Rosenkranz,
Die der Poet Allgöttin nennt.

Sie ist der Weisheit Trägerin,
Der Weisheit Wohnung, Sitz und Thron,
Sie ist die Mutterkönigin,
Die Gott geboren hat als Sohn.

Urquelle und Vermittlerin
Ist sie der Gnade voller Huld,
All-Einheit sie im reinen Sinn
Schwebt über dieser Welt voll Schuld.

Die Mutter schöner Liebe sie,
Bewundernswerte Mutter rein,
Weltseele sie voll Harmonie
Und reines Sein im einig Ein.

Der Ganzhingabe Becher sie,
Den Wein der Einigungen schenkt,
Frau an des Herrn Peripherie,
Die Gottes Schöpferkraft empfängt.

Sie ist die Rosa Mystica,
Die Liebe in Emanation,
Der Seher sie im Himmel sah,
Die Hierarchie vor Gottes Thron.

Sie ist der Turm von Elfenbein,
Eint Kosmos mit der Gottnatur,
Seit Christus ging zum Himmel ein,
Maria in den Himmel fuhr.

Sie ist das enge Perlentor,
Die Hüterin der Schwelle süß,
Wer sie als Himmelreich erkor,
Der kommt zu ihr ins Paradies.

Sie ist der himmlische Palast,
Sophias Haus, das goldne Haus,
Sei dort in Ewigkeit zu Gast
Und geh von ihr nicht mehr hinaus.

Sie ist die Frau, der Morgenstern,
Der Dichter sie als Göttin preist!
Sophia Ruhm sei in dem Herrn
Und Gott, dem Vater, Sohn und Geist!


DAS GNADENJAHR DER EWIGEN WEISHEIT

Zum Weihnachtsfest erkannte ich die Gnade
Der makellosen Jungfrau, rein wie Jade,
In Nächten leuchtete mir Stella Maris,
Ich sah der Gottheit Gnade, schaute Charis!
Die Charis ist Entzücken, Liebreiz, Charme,
Ist Anmut süß und Frauenschönheit warm,
Ist Grazie, Holdseligkeit und Schöne,
So reizend, daß ich vor der Charis stöhne,
Da ich die Charis schau durch Gottes Gnade
Zur Weihnacht steigen nackend aus dem Bade!
Susanna schaute ein Gemeinde-Alter,
Da schenkte Charis mir den Davidspsalter.
Den Davidspsalter schenkte mir die Schwester,
Da dichtete ich Davids Psalm Silvester,
Als ich geschmachtet als der Minne Heros
Nach der abwesenden Geliebten. Eros
Kam zu mir da in des Plotinus Lehre,
Und ich erkannte: Die ich heiß begehre,
Daß ich genagelt auf der Liebe Kreuz,
Die ich begehr als Göttin voller Reiz,
Die liebe ich, die ich im Geiste seh
Als geistig angeborene Idee
Und muß nun nach dem Ideale stöhnen
Als göttlicher Idee des wahrhaft Schönen,
Weil ich in meiner Vielgeliebten sah
Das Ideal der Sapientia.
Da sprach zu mir auch Solowjew: Versöhne
Dich mit der Liebe, nämlich deine Schöne,
Die du anbetest als dein Ideal,
Sie ist Idee aus dem Ideensaal,
Von Ewigkeiten her dir angeborn.
So sieh die Rose blühen auf dem Dorn,
Die Schönheit, deine Rosa Mystica,
Ist Gottes Göttin Sapientia.
Da schwebt ich um die Rose als ein Falter
Und lauschte Schwester Charis auf dem Psalter
Und lauschte auf der Muse Melodie
Und forschte in der Bibel Theosophie.
Frau Weisheit sah ich an in nackter Wahrheit,
Frau Torheit plagte mich mit ihrer Narrheit,
Glückselig war ich durch der Weisheit Schau,
Doch Höllenschmerzen schuf die fremde Frau.
Frau Weisheit nur mein Geist im Innern sieht,
Da sang ich ihr der Liebe Hoheslied,
Frau Weisheit pries ich als das A und O,
Sophia-Sulamith sang Salomo.
Da trat vor meine innerlichen Sinne
Erotisch-mystisch Unsre Frau der Minne.
Da schmerzlich ich die Schöne Liebe sah,
Mir das Gelobte Land zum Greifen nah,
Die Sinne mein vom Berge Moab sahn
Und sahn wie Milch und Honig Kanaan,
Da blutete in tausend Todesschmerzen
Die Herrin Minne mir in meinem Herzen.
Midons Marie! rief ich, im Hohenlied
Ich seh die makellose Sulamith,
Der Göttin Schönheit seh ich voller Pein,
Die Sünderin, das schöne Evalein.
Abgöttisch liebe ich die arme Närrin!
Allein dein Minneritter bin ich, Herrin,
Marienritter bin ich, Minneritter
Der Lieben Frau Maria! Frauen bitter
Mit Macht von Dirnen und der Macht von Müttern
Als Sünderinnen herzlos mir verbittern
All meinen Durst und Hunger meiner Sinne,
Maria, doch allmächtig deine Minne
Ist makellose Minne, fern des Spottes,
Alliebend wie die Schöne Liebe Gottes!
So dürstend ich die schöne Eva schau,
Ich weih allein mich Unsrer Lieben Frau.
Da nahte unter wenig Paternostern
Und unter vielen Rosenkränzen Ostern.
Frau Torheit machte mir zur bittern Mordsee
Das Meer, Frau Weisheit aber an der Nordsee
Als Seele dieser See im Schaum erglühte
Als Hagia Sophia Aphrodite.
Weltseele sah ich in dem Lichte sehr
Liebreizend wandeln nackend auf dem Meer,
Sophia auf dem Schaum des Wogenschwalles
Weltseele war und war mein Ein und Alles,
Ich war ihr Sohn-Geliebter und ihr Heros.
Die Göttin Weisheit weihte in den Eros
Der mystischen Vereinigung mich ein.
Mir ward des Rosenkranzes Benedein
Zum Meditieren des Marien-Mantra.
Sophia lehrte mich den Geist des Tantra,
Da der Geweihte schaut in Geistesschau
Die Unerreichbare, die innre Frau,
Da er der innern Frau in Kommunion
Sich einigt in der Geisteskopulation
Und mit der Kraft der Sexualität,
Geläutert in die Spiritualität,
Die Göttin schaut im Schoß der Lotosblüte
Und einigt sich Sophia Aphrodite!
Da ehrt ich Unsre Liebe Frau der Inder,
Die Große Mutter aller Menschenkinder,
Die Große Mutter oder Große Göttin,
Die Lachenliebende, die Seelengattin.
Auch des Mysteriums ward geistig inne
Mein Herz, ich lernte mystisch Frauenminne
Zur Unerreichbaren, die fern des Spottes
Zum Sakramente wird der Schönheit Gottes!
Ich lernte auch das Hohelied von Krishna
Und Radha, ich studierte Ramakrishna,
Der Nektar speiste nur und Somabutter
Und Sohn-Geliebter war der Großen Mutter,
Der sprach: Vom Absoluten und Alleinheit
Und aller Dogmen makellosen Reinheit
Weiß wenig oder nichts mein Kindersinn,
Ich weiß nur, daß ich Kind der Mutter bin,
Ein Sohn der Mutter, trotz Brahmanenspottes,
Ein Sohn der Großen Mutter, meines Gottes! –
O Tochter Zion, du der Erde Nabel,
Hinweggetrieben hat die Tochter Babel
Der Herr, dein Gott und Retter Zebaoth.
Der Herr lehrt mich in jedem Morgenrot
In dem betrachtenden Gebet die Weisheit.
Nun lehrte mich der Geist geheimer Leisheit
Die Überlieferungen der Rabbinen,
Da ist der Herr als Mutter mir erschienen,
Da der Rabbinen Sapientia
Mich unterwiesen in der Schechinah,
Der Gottheit in dem glänzendlichten Kleid.
Den Herrn im Kleide seiner Herrlichkeit,
Die liebevolle Herrin Schechinah
Mensch Adam einst im Garten Eden sah,
Sah Mose sie, die Herrscherin der Welt,
Geoffenbart im Offenbarungszelt,
Die auch erschienen ist als A und O,
Die Herrlichkeit, im Tempel Salomo.
Mich lehrten der Rabbinen fromme Musen,
Wie der Allmächtige am Mutterbusen
Der Schechinah die Gotteskinder stillt
Und sie mit süßer Milch des Trostes füllt.
Nun pries ich auch Maria, die sublime,
Die heiligste Muslima der Muslime.
Der Gottergebne schaute im Islam
Die große Jungfraumutter keuscher Scham.
Ich sang koranischen Gesang Marias,
Ergeben ganz der Mutter des Messias,
Die führte mich in Paradieses Aura,
Der Huri Harem und das Zelt der Haura...
Es kam der Minnemai, Marienmond.
Maria hat mir mystisch beigewohnt
Und offenbarte sich dem innern Sinne
Als allerschönstes Mädchen meiner Minne,
Die ich verehrt in Demut, Scham und Takt.
Mariens makellose Brüste nackt
Beglückten mich, die süße Wonne spenden,
Wie auch der Muschelgürtel um die Lenden.
Zu Zöpfen flocht sie ihre schwarzen Haare,
Da zwischen ihren Brüsten ich gewahre
Wie Geist erblüht der Weisheit Lotosblüte.
Der göttlichen Madonna Aphrodite
Sang ich den Minnesang. Maria, sag,
Gefällt die Hymne dir von Muttertag?
Ich sangs der Mutter nicht im fernen Städtchen,
Nur dir, Maria, göttingleiches Mädchen.
Ich pries dich in der Messe, meine Gattin
Und Mutter, pries dich meine schwarze Göttin.
Der Pfaffe aber mit dem Engelsfutter
Sprach: Keine Göttin ist die Gottesmutter!
Mir aber bist du Göttin, meine Wonne,
Von Gott dem Herrn vergöttlichte Madonne!
Maria aber, reines Spiegelglas,
Sie spiegelte die Mutter Karitas
Und mit der Mutter Karitas auch die
Mitgöttin Gottes, Hagia Sophie.
Der Doppelherrschaft zweier großer Mütter
Ich diente als der Gottheit Dichter-Ritter,
Da beide Herrinnen die Musen singen,
Die Prophetie der Hildegard von Bingen
In Gottes Ehebett die Karitas
Mir wies und auch im reinen Spiegelglas
Jungfräulicher Vision der Prophetie
Als Quasi-Göttin Hagia Sophie.
Nun kam der Pfingsten schöne Geisterfeier,
Der Liebe Geist ergoß sein süßes Feuer.
Da mit den Mystikern von Hindostan
Auch meine Muse sah die Mutter an,
Das göttingleiche Mädchen Sankt Maria,
Die große Mutter Hagia Sophia,
Sophia, Jesu Christi Seelengattin,
Die große Gottheit Mutter, meine Göttin!
Da hörte beten ich den Papst in Roma,
Wie Weihrauch ein berauschendes Aroma
Erfüllte süß mir das antike Rom,
Da betete der Papst vorm Petersdom:
Wer freie, sich an treuer Frau erfreue,
Wer lebt jungräulich, preise Gottes Treue!
Wer da berufen ist von Gottes Gnade,
Zu leben gottgeweiht im Zölibate,
Der lebe immerdar in Gottes Nähe
Als treuer Ehemann der Gottesehe!
Da schlug ich als Orakel auf die Bibel,
Die wahrlich mehr als alter Fabeln Fibel,
Da las ich in der Weisheit ohne Makel
Des Gottesspruches weisendes Orakel:
Du sollst dir keine Frau zur Gattin nehmen!
Und sprichst du rein, brauchst du dich nicht zu schämen,
Mein Prediger sollst du dann heißen, und
Sprichst Edles du, dann rede als mein Mund!
Ich weihte mich der Lieben Frau Maria
Und schloß den Bund der Ehe mit Sophia,
Der Christsophia, meiner Seelengattin,
Dem Herrgott in Gestalt der Herrin-Göttin!
Nun führte mich der Geist auch zu dem Buddha,
Der Liebe war, Weltseele, Mädchen, Mutter,
Der Liebes-Seele Minnekönigin,
Allgegenwart der Göttin Guan Yin.
Da sah ich in dem innern Seelenleben
Das innre Mädchen meiner Seele schweben,
Die Jungfrau Psyche meines Innern, die
Liebreizend schön war wie die Maid Marie,
Idee der Schönheit, Ideal, perfekte
Geliebte, Makellose, Unbefleckte!
Weltseele sie in aller Kreatur,
Begegnete Maria mir, Natur
Und Seelenfunke war ihr Heiligtum.
Des Ewigweiblichen Mysterium
War sie, die Göttin-Herrin, Göttin-Frau!
Die Führerin des Weltalls, Mutter Tao,
Frau Weisheit oder Hagia Sophia,
Das alles las ich in der Maid Maria,
All-Liebe sie in meinem Seelentriebe,
Das Sakrament von Gottes Mutterliebe! –
O Israel, wie groß ist Gottes Haus,
Das All erfüllt ist von des Geistes Braus!
Dir Israel, der Herr hat dir vertraut
Die Weisheit, nimm sie an als deine Braut!
Die Weisheit ist die heilige Torah,
Die Deutung der Torah ist Kabbala,
Die Kabbala hat mich geheim gelehrt,
Daß Er, der Ewige, der hochgeehrt,
In Männlichem und Weiblichem gepaart,
Gott-Geist und Gott-Natur, sich offenbart.
Als Gott den Kosmos schuf, so sagt das Dogma
Der Kabbala, da tat er es in Chokmah,
In Ischa Chochmah, Gottes Lieblingin,
Weltarchitektin, Schöpfungspartnerin
Und Throngenossin, die in ihrem Schoß
Versammelt die Ideen makellos,
Urbilder aller Schöpfungen der Welt,
Ideen in der Weisheit Himmelszelt,
Nach deren Bild die Kreaturen all
Und Seelen alle vor dem Sündenfall
Von Gott in seiner Ischa Chochmah Schoß
Gezeugt sind und geboren makellos.
Denn Gott hat seine Ischa Chochmah lieb,
Sie ist der Anbeginn, das Urprinzip,
Der schöpferische Geist, das A und O.
Und Ischa Chochmah wählte Salomo
Als seine ideale Seelenbraut,
Der er sich als ein Gatte anvertraut.
Denn davon sagt die Kabbala nicht wenig,
Wie Gott, der Ewige, der Herr und König
Die Königstochter und Prinzessin schickte,
Nach der der Herr in Ewigkeiten blickte,
Daß die Prinzessin Chochmah, seine Schöne,
Gemahlin werde für die Gottessöhne,
Daß so die Gottessöhne mit der Braut
Erotisch im Mysterium vertraut
Dem Herrn gehörn, dem Vater ihrer Gattin,
Dem Herrn, der ihnen gab die Liebesgöttin.
So sagte David auch: Das ist nicht wenig,
Ein Schwiegersohn zu sein dem Herrn und König.
Denn Ischa Chochmah, Gottes Lieblingin,
Die Menschengöttin, ist die Mittlerin,
Verborgne Perle sie im Weltenacker.
Ihr Weisen, grabet nach der Perle wacker,
Denn wer der Ischa Chochmah Perle findet,
Im Ehebunde sich dem Herrn verbindet! –
Im Sommer sollt ein Arzt mich operieren,
Mir meines Fleisches Leichnam schon sezieren,
Mir schneiden aus der Schläfe den Tumor,
Entfernen den Tumor bei Aug und Ohr.
Da überfiel mich nackte Seelenangst!
Du aber, meine Muse, trostreich sangst,
Die Angst der Seele sanft besiegte sie,
Die vorsokratische Philosophie.
Vor allen anderen zwei weise Helden
Will ich in meinem Angedenken melden:
Parmenides mit seiner Göttin Lied
Und dunklen Logos‘ Denker Heraklit.
Parmenides hat sich in dunkler Nacht
Zu einer Pilgerreise aufgemacht.
Die Sonnenjungfraun, schön, nicht auszusagen,
Die Sonnenjungfraun führten seinen Wagen.
Er kam zur Pforte der Gerechtigkeit,
Da ihn empfing der Wahrheit Göttin-Maid,
Die weihte ihn in ihre Weisheit ein:
Allein lebendig ist das reine Sein,
Das reine Sein allein ist absolut,
Die Dinge aber in des Wandels Flut,
Das Chaos all von Werden und Vergehen
Ist eigentlich als Nichtsein anzusehen.
Das Ewige allein ist einzig wahr,
Das Werden und Vergehn ist offenbar
Nur Trug und Täuschung, Illusion und Schein.
Die Gottheit ist allein das reine Sein.
So klang Parmenides der Göttin Lied.
Ganz anders aber dachte Heraklit,
Der dunkel war, und weil er dunkel, groß,
Der oft vor Artemis von Ephesos
Mit Knaben Würfel spielte, sah ihr Werden,
Des Himmels Werden und des Meers, der Erden,
Sah in dem ganzen Werden und Vergehen
Nach Einsicht seiner mystischen Ideen
Verborgen ruhn, geheim und offenbar,
Das Sein, den Logos, der allein ihm klar,
Den Logos, wie er seine Weisheit nannte,
Den er aus seiner eignen Seele kannte,
Weil Logos in dem Weltall lebte und
Verborgen auch im tiefsten Seelengrund,
Im unerreichbar tiefen Seelenort
Geheim und offenbar lebt Gottes-Wort.
Dem Logos Gottes dichtete er Sprüche,
Dem inneren Geheimnisgrund der Psyche.
Das ist der Logos, das Mysterium,
Auch im Johannes-Evangelium.
Als ich war operiert an dem Tumor,
Ich zitterte an meiner Seele vor
Intimer Angst. Ich rief die Mutter Christi,
Maria, sie nahm mich an ihre Brüste,
Daß unter dem Erbarmen ihrer Augen
Ich durfte ihre Milch des Trostes saugen,
Sie spritzte ihre Milch in meinen Mund,
Schön singend ward ich, weise und gesund!
Da trat ich zu dem Himmelskönig hin,
An seiner Seite saß die Königin,
Sie sprach: Dein Antlitz ist betrübt von Schwermut,
Als tränkest du nicht Rotwein, sondern Wermut.
Wohlan denn, Gottes vielgeliebter Schenke,
Die Schritte dein in deine Heimat lenke,
Weil deine Königin dir Urlaub gab,
Du bete Gott an bei der Ahnin Grab!
Da segnete mich lieblich, licht und lind,
Vom himmlischen Jerusalem das Kind,
Das Gottkind mit der Gnade Geistesgabe,
Da ging mit mir den Weg der Jesusknabe.
Die dornenlose Rose aller Rosen,
Maria gab ihr Kind mir zu liebkosen.
Maria, Jungfrau-Mutter aller Mütter,
Den Liebling taufte auf den Namen Midda...
Im Liebling sah in mystischer Ekstase
Ich Gottes Liebling, Gottes Hypostase,
Die Weisheit Gottes, Gottes Hätschelkind,
Das spielte mit dem Meer und mit dem Wind
Im Anbeginn der Schöpfung, süß zu scherzen
Vor Gottes liebestrunknem Vaterherzen.
Gott wollte immerdar zum Liebling blicken,
Der Liebling war des Ewigen Entzücken.
Der Liebling, der dem Vater wohlgefällt,
Begehrte, bei den Menschen in der Welt
Zu sein als Liebling liebender Gefühle,
Zu spielen mit den Menschenkindern Spiele,
Zu laden sie zum Spiel der Liebe ein.
Der Liebling Gottes und der Welt zu sein,
War all des Lieblings durstiges Begehren.
Dem Gottkind sang den Hymnus ich zu Ehren,
Dem schöpferischen Spiel der Weisheit Gottes,
Dem Lieblingskinde Gottes, fern des Spottes,
Das da bevorzugt ist und auserwählt.
Des Lieblings Seele hat mein Selbst beseelt,
Entzücken war in meinem Seelentriebe
Das Gottkind, Gottes Liebling, meine Liebe! –
Mir wurden Zähne aus dem Maul gerissen,
Nun sollt ich zahnlos meine Muse küssen.
O Muse, singe, wie du mystisch sangst,
Sing mir das Lied von Kreuz und Seelenangst.
In kalter Seelenangst die Briefe lese
Ich eine Frau, der kindlichen Therese,
Herr Toto hieß sie ja in ihren Briefen,
Und Toto mich die Seelensöhne riefen.
Blutsbräutigam war ihr der Herr, voll Reiz
War ihr die Gnade, freudevoll ihr Kreuz
Zu tragen, daß ihr Herz, das königliche,
Gott danke für die vielen Nadelstiche,
Sie wollte sich ins Bett des Kreuzes betten,
Blutsbräutigam, um Seelen dir zu retten,
Wie Katharina von Sienas Pein
Sich dir vereinigt, wie auch Edith Stein
Die Kreuzeswissenschaft vollendet hatte,
Als Ganzbrandopfer liebend, Seelengatte.
Mir in der femininistischen Sophia
Gab Gott die mitgekreuzigte Maria,
Durchbohrte mit der Schärfe eines Schwerts,
Von Schmerz gekreuzigt an dem Mutterherz,
Die scharfen Schwerter aus den dunklen Scheiden
Der Mutter aller Schmerzen schufen Leiden,
Und ihrer Mutterleiden Todesmacht
Einführte sie in meine dunkle Nacht,
So daß die Jungfraumutter voller Reiz
Mit mir gekreuzigt ward an meinem Kreuz,
Da ich vereinigt in des Kreuzes Bette
Mit meiner Jungfraumutter Seelen rette
Durch die Passion, des Kreuzes Peinigung,
Mit meiner Herrin in Vereinigung
Gestorben bin der Mystik Egotod.
Madonna war allein mein Morgenrot,
Maria war mir meine Auferstehung,
Das Ewigweibliche voll Reiz der Drehung
Des Hochzeitstanzes mit bewegtem Becken,
Vermochte meine Seele aufzuwecken.
Maria ward vermählt ich durch das Kreuz,
Vereinigt in der Morgenröte Reiz,
Nur mit der Zähne Haut davongekommen,
Hat Gott mich als Geliebte angenommen.
Was Auferstehung ist dem Kreuzesheros?
Erotischer Madonna Geistes-Eros!
Ich seh mich lange in die Flammen schauen,
Die schlanken Flammen tanzen wie die Frauen,
Die Gottesliebe lodert absolut
In meinem Geiste auf wie weiße Glut!
Da sang ich meinen Sang dem Evalein,
Wie Gottheit im erotischen Verein
Lebendig ist, wie auch dem Liebespaar
Das Lager ist ein heiliger Altar,
Die gottgezeugte Sexualität
Wird Liebesglut der Spiritualität.
Schon ich prophetisch von den Flammen rase!
Die Frau am Lebensbaume der Ekstase
Gleicht Shakti. Die Erfinderin des Tantra
Erotisch-mystisch meditiert das Mantra
Om mani padme hum! Die Liebe glühte,
Wie das Juwel ist in der Lotosblüte,
Wie Phallus in der Vulva liebend kreist,
Im Schoß der Seele lodert Gottes Geist!
Auch Mechthild hörte ich im Lobgesange:
Herr, liebe oft mich, heftig, heiß und lange!
Des Eros Mystik sieht im Gott das Du,
Durch die Vereinigung zur Seelenruh
Geht die begehrte Seele ohne Spott
Zu ihrem Bräutigam, dem Freier Gott!
Der Gottheit Eros ist der wahre Eros,
In Paradies-Erotik liebt der Heros
Frau Weisheit als ihr Freier voller Wonne!
So preis ich die erotische Madonne,
Ich sing in meinem frommen Weisheitswerke
Das Einhorn röhrend auf dem Scheideberge,
Den Leib Mariens gleich dem Bündel Weizen,
Maria voll von Liebreiz und von Reizen,
Voll Liebreiz die erotische Madonne
Verschlossner Garten ist und tiefe Bronne
Versiegelt, Magd der Gottheit voller Scham,
In welche eindringt Gott der Bräutigam.
Gott ist durch das verschlossne Tor getreten,
Drum will ich zu dem Schoße Mariens beten,
Marien Schoß verehren voller Dürsten,
Verschlossnes Osttor, offen nur dem Fürsten.
Maria heilig Sexus ist und Eros,
Der Herrin weiht die Kopulation der Heros. –
Nun lehrte mich der Geist den Platonismus,
Marien Geist den Neoplatonismus
Von Plotin und Ficino von Florenz.
Ich schaute an die reine Transzendenz,
Im Geist der reinen Gottheit war zu sehen
Das Himmelreich der ewigen Ideen.
Die Seele einmal schon die Gottheit sah,
Des Künstlers Seele sah Urania.
Urania, die Göttin, will ich preisen.
O Herrscherin, wer bist du denn dem Weisen?
Die gottgehauchte Sapientia,
Der Schönheit Ideal, Urania,
Die himmlische Sophia ohne Fehle,
Die gottgehauchte unbefleckte Seele
Der Welt, die Himmelskönigin im Thron,
Die steht vor Gott, das erste Lichtäon,
Der Schönheitsgöttin Majestät enorm
Ist die in Gottes Geist gezeugte Form,
Die Schöpferin von allen Schöpfungsstoffen.
Auf sie will meine Künstlerseele hoffen,
Die Göttin und die Königin der Musen
Erhebe mich an ihren Mutterbusen
Und spende durch des Geistes Küsse süß
Den Eingang mir ins Himmelsparadies.
Sie durft ich oftmals schon im Gleichnis schauen,
In Anmut und im Reiz der schönen Frauen,
Die Gottes Schönheit in der Welt abspiegeln.
Auch bei den kleinen Knaben mit den Flügeln
Sah ich mit Augen meiner Seelentriebe
Gleich einem Sakrament der Gottesliebe
Die lichte Himmelsschönheit ohne Fehle,
Gespiegelt in dem Funken reiner Seele.
Der Philosoph Urania auch preist
Als Geistesschönheit, Schönheit ganz aus Geist,
Die sahen wir beim Lesen des Plotinus,
Ficino, Platon und Sankt Augustinus.
Wir sahn die geistige Urania,
Den Geist der schönen Sapientia.
Wir sahen die Ideen an wie Frauen,
In geistigen Ideen anzuschauen
Die Gottheit, uns der Gottheit zu versöhnen,
Der ewigen Urgottheit, der Urschönen! –
Nun Jakob Böhme rief in seinem Buche:
Jungfräulicher Sophia Perle suche!
Nun grüße wie der Engel Gabriel
Immaculata und Immanuel!
Dann reicht dir auch der Heiland Jesus Christe
Der Gottheit offenbare Mutterbrüste!
Sophia-Christus nämlich makellos
Gebiert dich neu in ihrem Mutterschoß,
Dann bist du in dem Geist ein Embryo
Im Mutterschoß der Weisheit, A und O.
Im Tode dann, am schönen Weltenmorgen,
In deiner Christsophia Schoß geborgen,
Die du zu deiner Liebe dir erkoren,
Wirst von der Christsophia du geboren.
Ist nur die Gottesliebe deine Tugend,
Dann wirst du auferstehn in Kraft der Jugend
Und dich ins Freudenparadies versenken,
Sophia wird dir dort ihr Perllein schenken!
Dieselbe theosophische Sophia
War bei Chardin die Liebe Frau Maria,
Geheimnisvolle ewigweibliche
Weltseele Gottes, unbeschreibliche,
Die Gottes Geist gehaucht, die Unbefleckte,
Die Makellose, Heilige, Perfekte,
Die Gott begehrte als der Freiende,
Die da vereinigt alles Seiende
Durch ihrer Frauenschönheit Angesicht,
Die Jungfrau, Ideal der Schöpfung, Licht
Im Kosmos des panchristlichen Äons,
Sophia, Herrscherin des Weltenthrons!


HYMNE AN DIE GÖTTLICHE LIEBE

Erster Gesang


1

In der totalen Menscheneinsamkeit
Stand ich um Mitternacht in Peinigung,
Doch so ward meine Seele erst bereit
Durch Liebesschmerz, des Feuers Reinigung,
Bereit zur mystischen Vereinigung
Mit meiner Herrin Liebe in der Nacht,
Da Herrin Liebe sich mir dargebracht!

Denn Herrin Liebe voll Potenz und Akt,
Voll Möglichkeit und Wirklichkeit der Liebe,
Erschien als Lichtgestalt, von Bildern nackt,
Als reine Lichtgestalt in meiner Trübe,
In Göttlichkeit vor meinem tiefsten Triebe,
Als Frau, von Herrlichkeit des Herrn umwallt,
Als göttliche Person und Lichtgestalt.

Die Herrin Liebe leuchtend mich umgab
Mit femininer Sanftmut Zärtlichkeit,
Daß sie mit Liebe mir das Herz erlab,
Das traurig wie in Todeseinsamkeit
Empfing die Liebe in des Lichtes Kleid
Und jauchzte auf in jubelndem Frohlocken,
Gefesselt in der Liebe Flammenlocken.

Da brachen Jubelschreie aus im All,
Mein Herz mit donnergleichen Paukenschlägen
Flog auf ins All, wo wie ein Wasserfall
Und Regenbogen fiel ein Feuerregen
In Licht-Emanation wie sieben Segen
Der sieben Geister Gottes, sieben Flammen,
Die Seraphim aufjauchzten all zusammen!

In kosmischer Vereinigung das All
Vereinte sich im heißen Liebesakt
Der Gottheit-Herrin Liebe, Überschwall
Des Liebesfeuers schloß den Liebespakt
Mit der Allgöttlichen, der Gottheit nackt,
Der Gottheit bloß, von allen Bildern bloß,
Glückselig sank ich in der Herrin Schoß!

Glückselig unter heißen Liebestränen
Ich rief: Ich liebe dich unendlich, Liebe!
Befriedige mein Glühen und mein Sehnen
Und allen Liebesdurst der Liebestriebe
Mit deiner Anvertrauung ohne Trübe
Und mach, o Gottheit Liebe, ohne Spott,
Mich durch Vereinigung zum Menschengott!


2

Ich sehne mich nach Gottes Weiblichkeit,
Der Gottesliebe Femininität,
Der ich der Liebe Göttlichkeit geweiht
Das Fundament der Sexualität,
Die Lilie meiner Spiritualität,
Ich fleh zur Herrin im Gebet, im frommen,
Die Gottheit-Herrin Liebe möge kommen!

Ich ward aus Traurigkeit wie neugeboren,
In Todesnacht als wie im Wasserbade
Des Beckens meiner Mutter auserkoren,
Gebar mich neu die Jungfrau, rein wie Jade,
Die mir in Unerschöpflichkeit der Gnade
Die Liebe zugewandt im Liebesakt,
Die Göttlichkeit, in bloßer Gottheit nackt!

Wie unerschöpflich, uferlos die Gnade,
Daß ich vor dieser Gnade fast verzage
Und doch im Meer der Schönen Liebe bade,
Doch ihre Gunst kaum zu empfangen wage,
Daß ich als Fleisch, als armer Sünder sage:
Ich fürcht mich, Herrin, daß du mich verläßt,
Ich fürcht mich, daß nicht ewig währt dies Fest!

Allgnade aber meiner Herrin Liebe
Ist überreich, erwartet keinen Dank,
Schenkt sich umsonst dem tiefsten Liebestriebe,
Die Herrin Liebe, selbst vor Liebe krank!
Die Herrin Liebe meine Lieder trank,
Die Salomo gesungen Sulamith,
Der Herrin Liebe dankt mein Hoheslied!

Das Liebeslied, das ich gesungen habe,
Ist nichts als Opfer an die Herrin Liebe,
Ein Ganzbrandopfer voller Ganzhingabe
Und Weihe meiner tiefsten Liebestriebe
An meine Herrin, die allein ich liebe,
Die ich geküsst mit Geistes Feuerzungen,
Der ich als Seher den Gesang gesungen.

Unglaublich ist der Herrin Zärtlichkeit,
Die Liebe preise ich mit Feuerzungen,
Die Liebe, meine Herrin Göttlichkeit,
Als Ganzhingabe hat mein Fleisch durchdrungen,
Anbetend sang ich in Begeisterungen
Voll Weißglut meiner Liebesbrunst im Geist:
Die Gottheit-Mutter Schöne Liebe heißt!


3

Der Mutter Schöne Liebe, wie im Marmor,
Mir leuchtet ihre Brust in Herrlichkeit.
Der großen Gottheit Caritas und Amor
In Herrlichkeit mir allgebenedeit
Die Ganzhingabe ihrer Liebe weiht
Und mich mit ihrem Feuerpfeile trifft,
Erklärt mir ihre Liebe mit der Schrift.

Wie Feuerschlangen seh ich Seraphim
Im Himmel schimmern, Seraphim aus Feuer,
Ich seh die Herrlichkeit des Herrn intim
Wie lichten Äther, transparenten Schleier,
Begeisterungen schauern durch die Leier,
Da Gottheit mich geküsst mit Feuerzungen
Und sie mir ihrer Liebe Lied gesungen!

Wer immer in der Schönen Liebe bleibt,
Wer immer in der Gottheit Liebe bliebe,
So liebevoll mir selbst die Gottheit schreibt,
Der bleibt mit seinem tiefsten Liebestriebe
Für immer in der Gottheit, in der Liebe,
Der in der Liebe bleibt, selbst Fleisch und Sünder,
Die Gottheit liebt und alle Menschenkinder.

Die Seraphim schön rauschen mit dem Flügel,
Allgnade lieblich singt voll Minnescherz:
Setz mich auf deine Arme wie ein Siegel,
Setz du mich wie ein Siegel auf dein Herz!
Die Leidenschaft ist heiß wie Todesschmerz,
In Liebesflammen lodern wir zusammen,
Der Liebe Leidenschaft sind Gottesflammen!

Nicht Wasserfluten löschen aus die Liebe,
Purpurne Liebesglut der roten Rose
Löscht nimmer Liebesmangel voller Trübe,
Die Weißglut nur der weißen Himmelsrose
Mit ihrer Gottesglut im Himmelsschoße
Die Liebe überwindet durch die Liebe,
Die Menschenlust durch Gottes Liebestriebe!

Der ich allein verliebt bin in die Liebe,
Ich weih der Gottheit Liebe meinen Eros,
Der Gottheit opfre ich die Liebestriebe,
Der Gottheit Vielgeliebter, Sohn und Heros,
Ist unser Liebesakt des Kosmos‘ Sphairos,
Ist Allvollendung unser Liebesakt –
Ich nackter Menschengott, Sie Gottheit nackt!


Zweiter Gesang

O du bist über alles Denken der Vernunft,
O Liebe, angeschaut im Traum mit Seelenbrunft
Vom nackten Geist, o Liebe du, von Bildern bloße,
Voll Lust ergießt du dich in meiner Seele Schoße!
Ich wollte definieren dich mit Theologie
Und dich begreifen mit der frommen Philosophie,
Ich dachte, daß ich dich erkannte schon im Geiste,
Daß ich in Seligkeit der Liebe Fleisch schon speiste,
Doch warest du verschwunden, als ichs nicht gedacht,
Betrübt stand ich allein in schmerzenreicher Nacht.
Die unbeschreibliche Erleuchtung aus dem Dunkel,
Wie sing ich unbeschreiblich nächtliches Gefunkel?
Beschreibt dich keiner wahrhaft, du Erleuchtung still,
Der dich mit männlichem Verstand begreifen will.
Fast sprachlos staunend stehe ich vor deiner bloßen
Und nackten Schönheit, vor der Gottheit, vor der großen!
Ich lalle wie ein Trunkner, taumelnd durch den Wind,
Und stammle wie auf seiner Mutter Schoß ein Kind.
Vergangen scheinen Wirklichkeit und Wissenschaften.
Die nackte Seele, bloß von allen Leidenschaften,
Ist wie ein neugebornes unbeflecktes Kind.
Vorm Glanz des Lichts der dunklen Nacht ich stehe blind.
Weit über jegliche Begierde deine Küsse
Und Liebesgnaden schenken selige Genüsse.
Ich habe mich in deinem liebevollen Arm
Verloren, hingegeben deinem Herzen warm,
Wir tauschten selig glühend heiße Liebesblicke,
Ich spür, daß ewig deine Liebe mich beglücke,
Da warf ich von mir alle Traurigkeit und Weh
Und stürzte nackend in der Seligkeiten See!
Im uferlosen Meer der Charis ich versinke,
Im nächtlichen Abyss, als ob den Wein ich trinke
Der mystischen Ekstase. Der Gedanke stumm,
Der Geist ist außer sich, die Liebe um und um
Geht von der Gottheit aus und flutet durch mich brennend,
In Ganzhingabe mich als Liebende erkennend.
Ich schwimme in dem höchsten Gut der Seligkeit,
Ich schaue an die Schönheit, schau die Herrlichkeit,
Die nackte Schönheit wandelnd auf der Seele Fluten,
Die makellose Herrlichkeit der absoluten
Urgottheit, Schönheit, über alles Maß enorm,
Von Bildern nackend, bloß von Farbe oder Form.
Die Gottheit gab sich ganz mir hin, der Gottheit Wesen
Ward meines Wesens Eigentums, daß auserlesen
Nun durch der göttlichen Begierde Überschwall
Aus Huld mir ward zum Eigentum das ganze All,
Die Fesseln fallen alle ab von meinen Gliedern,
Nun bin ich frei, der Gottheit Liebe zu erwidern.
Der Gottheit Liebesfeuer wird mich reinigen,
Nur so kann ich der Gottheit mich vereinigen.
Der Ahnung meiner Seele nur sich offenbarte
Die Geistesschau der Schönheit, nur im Ahnen klarte
Der Himmel meiner Seele auf, daß offenbar
Geheimnisvolle Schönheit ward, die unsichtbar.
Nur mit dem Geistesarm der tiefsten Seelentriebe
Voll Glut umfasse ich die unfaßbare Liebe,
Und weise bin ich, der Sophia sich erkor,
Weil ich der Liebe diene als ihr reiner Tor!
Weil ich mich hingab ganz der Liebe ohnegleichen,
Kann ich den Höhepunkt der Seligkeit erreichen.
Im Innersten ist meine Seele makellos,
Der Geist der Gnade strömt in meinen Seelenschoß.
Wie selig kann ich mich im Nichts der Nacht verlieren,
Da Licht und All und Liebe meine Seele zieren.
Es bleibt allein in Ewigkeit der Liebe Sein,
Die Liebe und die Gegenliebe im Verein,
Es bleibt allein die Lust berauschender Beglückung,
Die Schau der Schönheit und begeisterte Verzückung.
Gewiegt mein Geist vom Mutterarm der Ewigkeit,
Ich sinke in den Schoß der Gottheit benedeit,
Die mich aus Lust erschaffen aus dem Nichts, aus Liebe,
Daß ich in Himmelslust und Weisheitsleben bliebe.
Der Glaube endet und die Hoffnung endet auch,
Es bleibt in Ewigkeit der Liebe Feuerhauch,
Vergängliches ist längst gestorben mit der Seele,
Die sich nach Liebe sehnt, nach Schönheit ohne Fehle.
Wie Weißglut meine heiße Liebessehnsucht girrt,
Die Lust, die von der Gottheit selbst befriedigt wird!
Verweht die Qualen vor der Schönheit sind des Lichtes,
So süß, wie nie die Süße eines Weltgedichtes,
Und zärtlicher, als jemals ich im Traum gedacht,
Die Zärtlichkeit der Liebe ist im Licht der Nacht.
Die lüsternen Begierden meiner Leidenschaften
Sind nun hinweg, die von der Glut hinweggerafften
Sind fort, der bloße Geist im lichten Kleid
Befriedigt wandelt auf der See der Seligkeit.
Wie finster ist das Licht des männlichen Verstandes,
Gerechtigkeit und Tugend auch des Erdenlandes
Sind nichts als Eitelkeit vor bloßer Liebe Gunst,
Die Schönheit dieser Liebeslust sagt keine Kunst.
Auch jedes Lied, das je die weisen Seher sangen,
Sangt nichts mir von der Liebeslust, die ich empfangen.
Die göttliche Sophia, die im Lichtglanz prunkt,
Soll führen mich, sie führt mich zu dem Höhepunkt
Der Liebeswonne als die Göttliche der Frauen,
Wo ich im Geist darf ihre bloße Schönheit schauen,
Sophias Gloria, von allen Bildern bloß,
Die Göttlichkeit mit Segensflut von Brust und Schoß,
Die nackte Göttlichkeit der Herrlichkeit der Liebe,
Ihr wohn ich bei im makellosen Seelentriebe.
Ich denk nicht nach, bin nicht zur Wissenschaft gewillt,
Allein von Ganzhingabe werde ich gestillt,
Bin frei, von allem und mir selbst mich loszubinden,
Wenn alles ich verlier, werd ich die Gottheit finden.
Bin ich gegangen erst ekstatisch aus mir aus,
So zieht der Gottheit Liebe heimlich in mein Haus.
Lieb ich die göttliche Sophia unbefangen,
Wird sie mit ihren Mutterarmen mich umfangen
Und wird durchdringen mich als innerliche Braut,
Als mystische Gemahlin treu mir anvertraut.
Die mystische Gemahlin wird mich göttlich lieben,
Intim vertraut mit allen meinen Seelentrieben,
Der Gottheit Liebe voller Liebeslust mir lacht,
Ich bin im Arme meiner Gottheit aufgewacht.
Von göttlicher All-Liebe Feuersglut gereinigt,
Mein nackter Geist der nackten Gottheit sich vereinigt!
Nun meine Seele und die Gottheit durch den Pakt
Der mystischen Vermählung in dem Liebesakt
Vereinen liebend Geist und Gottheit sich, die beiden,
Den Menschen nichts kann von der Gottheit scheiden.



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