[Inhalt]

GHAZELEN

von Peter Torstein Schwanke

(Herbst 2003)

„Wenn Hafis Liebe, Rumi Gott besingt in der Ghazele,
So schimmert es wie Schlomos salomonische Juwele,
Da wird mir wie dem Liebchen Schullammyth im Hohen Liede,
Gazellengleich inbrünstig lechzt nach Weisheit meine Seele.“



I. SULEIKA

1

Suleika, schüttele dein Haar, das schwarze,
Dein Haar wie Lebensfäden meiner Parze,
Mich schlinge ein in deiner Locken Fesseln!
Suleika, schüttele dein Haar, das schwarze,
Erröten laß die Wangen du vom Rotwein,
Den Wein in dem kristallnen Glas vom Quarze
Aufsaug mit rosigen Rubinenlippen
Und saug aus der Zypreß vom goldnen Harze
Die Perlen! Schau, ich weihe dir den Samen
Des Wortes, schlimme Hexe du vom Harze,
Du weise Magierin vom Morgenlande!
Suleika, schüttele dein Haar, das schwarze,
Und öffne mir dein Kleid von Seidengaze
Und offenbare deiner Brüste Warze!


2

Du bist die Rose und der Mondin Horn,
Ich bin die Nachtigall, die dich erkorn,
Du bist der Neumond in der Mitternacht,
Bist Nessel, Distel, Amors Pfeil und Dorn,
Ich bin das Huhn, das unterm Flügel will
Dich bergen, blindes Huhn, find auch ein Korn,
Das ist von deiner Hand das Abendmahl,
Das oftmals ich aus meiner Hand verlorn,
Weil immer ich nur übers Fasten sann.
Ich Israel und du Jehowahs Zorn,
Du schöne Weisheit in der Fleischgestalt!
Ich aber der Verwirrte bin verworrn,
Da löse mich und schenk mir deine Huld,
Aus Gnade öffne deines Schoßes Born!


3

Du bist die Rose, ich die Nachtigall,
Du bist mir ferner als der Sonnenball
Zur Mitternacht im Jammertränental,
Bist unerreichbar, tief wie ein Korall
Verborgen in dem Schoß des Roten Meers,
Ich tauche tief und such dich überall.
Ich bin der Armut schmachtender Verzicht,
Du Garten Edens Wonne lebensprall,
Ich bin des Todes hageres Skelett,
Du aber Wonneweib, du Eva drall,
Ich bin die Schlange im Erkenntnisbaum
Und möcht verführen dich zum Sündenfall!
Ich bin die Nachtigall des Minnesangs
Und singe ohne deinen Echohall!
Du bist des Universums Königin
Und ich der Sternensphären Sphärenschall!
Ich bin der Esel und ich bin der Stier,
Du die Madonna in dem Weihnachtsstall!


4

Die Parzen mir bestimmten an der Schicksalsspule:
Du Minnesänger, gehe in die Minneschule!
Ach, daß ich einsam nun an grauen Nordmeers Küste
Das rosa Fleisch den Krabben aus dem Panzer pule,
Und doch dein Fleisch nicht aus der transparenten Seide
Dir schäle, liebe Seele, sondern dumm mich sule
In einem eingebildeten Hetärenschoße
Als wär ich in dem Feuersee, dem Höllenpfuhle!
Vergebens mahnt die Keuschheit mich der frommen Tugend,
Und statt des Katechismus vom Apostelstuhle
Will ich die Offenbarung deiner Lippen lesen,
Du Himmlische! ach wär ich dein geliebter Buhle!


5

Wie gerne möchte ich mich dir vereinen,
Und, liebe Sonne, als dein Spiegel scheinen
Und Sonnenstrahlen in die Sonne spiegeln!
Wie gerne deinen Leib in leichten Leinen
In blühende Magnolienblüten betten,
Du Huri aus den Paradieseshainen!
Ich wäre gern dein Einziger und Abgott
Und gönne dir, du Einzige, sonst keinen,
Erst recht nicht den Hethither, den Uria,
Sein Herz ist hart wie Härtigkeit von Steinen,
Die Ursach aller meiner Eifersüchte!
Was willst du mit dem Priap denn, dem seinen?
Gleicht mehr doch einem Gotte mein Priapus!
Das will ich dir beweisen, will ich meinen!
Doch schaust du meine Herrlichkeit nicht an, und
So muß ich weinen, o Suleika, weinen!


6

Wenn seine Völker zählen wird August,
Ist Weihnachtszeit, da werd ich mir bewußt,
Suleika, wie so sehr ich einsam bin!
Nicht daß ich Jesus wär, ich denke just,
Ich bin wie Jesus so verloren auch!
Wenn du Erbarmen hast, Suleika, mußt
Marien gleich du in der Höhle mich
Empfangen - oder ewiger Verlust
Mich scheidet von der Minne Paradies!
Du öffnest ja des Garten Edens Lust
Durch deines Leibes benedeite Frucht:
Durchbohr mich mit der Spitze deiner Brust!


7

Suleika, gerne wäre ich dein Freier
Und Minner auf der Minne Hochzeitsfeier,
Auch ohne Staates und der Kirche Segen,
Nur in das Nest zu legen meine Eier,
Mich wie ein Engel stürzen auf das Manna,
Mich auf das Lämmchen stürzen wie ein Geier!
Gern wär ich durch die Vollmacht meiner Lende
Dir deines Leibes Himmelsprophezeier!
Ich wäre gern die straffgespannte Saite
Des Minnesangs in deines Leibes Leier,
Wär gerne deines Schoßes Schwanensänger
Und deines Grabesschoßes letzter Schreier,
Ich stürbe gern in deinem Mutterschoße
Und wär zugleich auch dir ein Herzbefreier
Und möchte mich in dir so gern vermehren,
Vertausendfachen, als dein Ein-und-Dreier!


8

Du bist Frau Venus, ich bin Eros,
Die Göttin du und ich der Heros,
Ich bin Achillus und zugleich auch Paris,
Du bist die Helena Homeros,
Bist Unsre Liebe Frau vom Berge,
Ich Minnesänger der Palmeros,
Du bist die Königin des Weltalls
Und ich dein Echo und dein Sphairos!


9

Ich bin die Nachtigall, du bist die Rose,
Ich preise deines Brüstchens Aprikose,
Du bist die galiläische Hetäre
Und ich am See Genezareth Matrose,
Du bist die Schwangestaltige, die Lyra,
Ich aber bin der Lyra Virtuose,
Du bist des Mittelmeeres Aphrodite,
Ich als ein Genius des Windes tose,
Du bist der süße Odem meines Lebens,
Ich bin der Stöhner und der Atemlose,
Du bist das Himmelreich im kurzen Blaukleid,
Ich aber bin die Wolke in der Hose,
Du bist des Maien dornenlose Pfingstros,
Ich aber bin der Schwermut Herbstzeitlose,
Du bist der Scharonwiese reine Lilie,
Du bist die Nymphe in der Metamorphose
In die Unendlichkeit der blauen Blume,
Du bist die Mondin, die ich nimmer kose,
Ich bin die Sonne, die ich untergehe,
Du bist Madonna in der Venuspose
Und ich der weise Josef mit dem Stabe.
Ich singe deiner Schönheit Apotheose!



II. HAFIS


1

Die Dichter preisen oft der Liebe Schenke,
Daß da ein Schenke ihnen Wein einschenke
Und daß sie dort den heilgen Kelch gefunden
Und dort des ewgen Lebens Quellentränke.
Mir aber muß es, ach, ganz anders scheinen:
Ich fand des Pöbels Schimpfen und Gestänke
Und die Taverne als ein Reich des Teufels
Mit Fluchen und Geläster und Gekränke
Und Schlägereien und Gelärm von Kerlen
Und Häßlichkeit und weibisches Gezänke.
Was bin ich für ein Tor, nur Narr, nur Dichter,
Daß immer wieder ich die Schritte lenke
Herab in die dämonische Taverne?
Da mich aus lauter Liebesleid versenke
Ich in berauschenden und bittern Becher!
O Hafis, in dem Himmel mein gedenke!


2

Sie ist wie eine rote Rose,
Die ich als Nachtigall liebkose -
Die unberührbar ist wie Nonnen!
Das Paradies in ihrem Schoße
Ist mir durch Gottes Fluch verschlossen!
Tautropfen auf dem weichen Moose
Sind nichts als meine Liebestränen!
Entstieg sie gar Pandoras Dose -
Wie sollte ich nicht Hoffnung hegen?
Ich aber bin der Hoffnungslose
Und kann doch nicht auf sie verzichten,
Madonna in der Venuspose!
Aus diesem Grund in mir vereinigt
Sind Lieb und Leid in Symbiose!
Was hättest du getan, o Hafis,
Der allezeit an Minne Große?


3

Wie ist so lieblich doch der Knabe,
Den ich so lieb von Herzen habe!
Er ist so schön in seinen Locken
Und seine Küsse meine Labe!
Er ist mein Reiter, ich sein Renner,
Wenn ich mit ihm die Pfade trabe.
Er ist schon herrlich auferstanden
Aus meines Menschenherzens Grabe,
Er strahlt so golden wie ein Engel
Und licht wie Honig in der Wabe!
Er ist ja wie der junge Jesus
Und ich wie Josef mit dem Stabe.
O Hafis, bet für meinen Liebling,
Daß er sich ewig wohlgehabe!


4

Fürwahr, wir alle sind von Gott geschaffen
In reiner Nackigkeit, auch ohne Waffen,
Was sind die Menschen mir denn so zuwider?
Mich, den Bewahrer heiliger Karaffen
Und Speisenden des guten Fleisches Gottes,
Mich trifft Hartherzigkeit der feisten Pfaffen
Und ihre Weltverliebtheit, ihre Dummheit!
Sie sagen mir: Du gleichst den eitlen Laffen
In deinen großen Trieben deiner Wollust
Und liebst, einsamer Dichter, wie die Affen! -
Wir lassen als Muslime oder Christen
Der Torheit Weihrauch in das Nichts verpaffen,
O Hafis, trotz der Frömmler aller Tempel
Wir in der Gottesminne nicht erschlaffen!


5

Der heilge Geist schenkt Funken von Wein
Und darum bin ich gerne trunken von Wein,
Ich bin in grenzenloser Trauer allein
Und in die Mutter Nacht versunken von Wein!
Jedoch in übergroßer Bitterkeit hat
Mein lumpiges Gewand gestunken von Wein!
Doch will allnächtlich weiter fleißig den Schlund
Benetzen mit den Tropfentunken von Wein,
Was auch die Seelenärzte, Weltweise all
Und Väter mir von Süchten unken von Wein!
Ich will mit meines Liebs kristallenem Kelch
Und mit der weisen Rede prunken von Wein!
Jedoch will ich in meiner Einsamkeit nur
Betrunken sein, nicht mit Halunken, von Wein!
Will lieber laden aus dem Himmel den Gast:
O Hafis, schenk aus Mondspelunken den Wein!


6

Wo, Weiser, unsre Kunst sich trifft,
Ist in der Liebe zu der Schrift:
Koran und Evangelium!
Auf unsrer Tenne oder Trift
Ist ausgesät das Gotteswort!
Ist alle andre Rede Gift,
Die Offenbarung nur das Heil!
Mit Feder schreiben wir und Stift,
Was uns diktiert der heilge Geist!
Als ob ihr Frömmler es begrifft,
Was der Poet-Prophete sagt!
Wir Schüler in der Weisheit Stift
Sind anderer Erkenntnisse
Als, Fundamentalisten, ihr!
Dies, Hafis, meine Unterschrift!


7

In meinem liebenden Delirium
Wallfahr ich zu der Minne Heiligtum!
Die Toren sind dabei, sind gut zu Fuß
Und haben allezeit ihr Gaudium,
Ich aber, weh mir, schleiche liebeskrank,
Vor Kummer nur mit mürrischem Gebrumm!
An feisten Pfaffen geh ich auch vorbei
(Vom apostolischen Kollegium
Hab ich so meine eigene Idee),
Sie züchten Toren nur zum Säkulum
Und schenken Wein ein jedem hohlen Tropf!
Da ruf ich ärgerlich: Silentium!!!
Und siehe da - das Ziel der Pilgerschaft
Ist da - ist Mirjam in Elysium!
Die Mutter des Messias ist mein Lieb!
O Hafis, Lob dem Evangelium!


8

Wir glauben nicht den Glauben fremder Bonnen,
Die Ammenmärchen sind uns lang zerronnen,
Allein bleibt unsre Religion - die Minne!
Was brauchen wir da, Minner, Klosternonnen?
Wenn eine Nonne - eine dann wie Sappho,
Die ihren Schwestern Küsse abgewonnen!
Uns haben unsre Mütter in die Windeln
Den Eros ohne Anteros gesponnen!
Doch tauchen wir mit Todesmut der Minne
In dunkle Herzen als in Schicksalsbronnen
Und haben immer in den Seelennächten
Des Ungeliebtseins Liebchen nachgesonnen!
Wir geben nimmer auf den Liebesglauben,
Es bleiben Minneschmerzen unsre Wonnen
Und unser Gott die mystische Geliebte -
Und alle unsre Liebchen sind Madonnen!
Ich singe dies Ghazel dem Meer zur Stille,
Und, Hafis, zur Glückseligkeit der Sonnen!


9

Schau da, die Mondin goldner Röte
Sanft lächelt über meine Nöte
Der Einsamkeit all meiner Nächte
Und bittet mich, ob ich ihr böte
Zu ihrer Huldigung den Handkuß -
Und wenns auch der Prophet verböte!
Doch solchen Küssens überdrüssig,
Weil Liebchens Hand ich oft erhöhte
Durch Huldigungen meiner Küsse,
Biet ich der Mondin an: Ich flöte
Dir keuscher Mondin meine Lieder
Und mit den mystischen Gesängen
Vertreib die Hexe und die Kröte
Und alle Teufel ich verjage
Mit meiner weißen Knochenflöte
Und ruf herauf den lichten Morgen,
Da ich den alten Drachen töte
Mit meiner Feder, Flammenzunge,
Daß mir Auroras Scham erröte
Vor keuscher, wonniger Begierde,
Daß ich Ghazele leim und löte,
Der Morgenröte Minnesänger,
Wie du, o Hafis, und wie Hatem!...




III. MOHAMMED


1

Gott wollte dich der Handelsherrin trauen,
Chadidscha, die die Erste deiner Frauen,
Die tief verstanden deine Offenbarung,
Die dir der Geist gezeigt im Morgengrauen
Beim Glöckchenklingeln in der mystischen Höhle.
Chadidscha hob die schwarzen Augenbrauen -
Und sie gebar vier Töchter dir, zwei Söhne,
Dann ging Chadidscha ein in Edens Auen.
Du lebtest in der heiligen Medina
In einem Harem, herrlich anzuschauen:
Aischa, deines Freundes Tochter, blutjung,
War Auserwählte unter deinen Frauen.
Auch Witwen hattest du in deinem Harem
Von Marterzeugen, die der Feind zerhauen.
Und auch die Sklavin aus der Koptenkirche,
Die war so schön wie voller Gottvertrauen.


2

Der selige Prophet, dem offenbart
Der heilige Koran vom Engel ward,
War schöner noch als andre Männer schön.
Nicht übermäßig riesig, nicht zu zart,
Das Antlitz gleich dem milden Mondenglanz,
Die Augen wie ein Sternenpaar gepaart
In Liebe, Venusstern und Hesperus,
Nicht kurzes Kraushaar, nicht zu reich behaart,
Mit einer offnen Diamantenstirn,
Die braunen Wimpern lang, von solcher Art,
Das man sie Amors Pfeilen gleichen kann,
Vor allem aber des Propheten Bart
Ist heilige Reliquie der Moschee,
Die Hände seidenweich, nicht eisenhart,
Die Finger des Propheten Myrrheduft.
Die Frauen haben seinen Schweiß bewahrt,
Verwendet als betörendes Parfüm.
Aus seinem Schweiße ward die Rose zart,
Als der Prophet dereinst zum Himmel fuhr
Und Blutschweiß tropfte von der Himmelfahrt,
Da wurde aus des Schweißes Perlentau
Die Rose rot. Das ward uns offenbart.


3

Sprach der Prophete voll Begeisterung
Von Gott und von der Frommen Heiligung,
So sprach er zu den Menschen dieses Wort:
Säht ihr, was ich erschau, ‘s ist ernst genung,
Ihr würdet weinen, lachen nicht wie Narrn,
Säht ihr der letzten Zeiten Zeitigung
Und Gottes Zorn, die Stunde des Gerichts!
Doch lächelte er sanft und sprach mit Schwung
Von seiner Hoffnung: von dem Paradies!
Als einmal nötigten mit Nötigung
Ihn alte Weiber mit erschlaffter Brust:
Prophet, wir leben wie auf Hiobs Dung,
Geht alten Weibern auch die Pforte auf
Und dürfen ewige Beseligung
In Eden alte Weiber auch erfahrn?
Er lächelte, es flammte seine Zung:
Ein altes Weib kommt nicht ins Paradies -
Im Paradiese sind die Weiber jung!


4

Blutjung, jungfräulich wie Gezitter
Aischa spielte in des Harems Gitter
So minnezart mit ihrer Lieblingspuppe.
Ihr meinet, der das göttliche Gewitter
Geoffenbart des schrecklichen Gerichtes
Des Einzigen, er sei ein harter Ritter?
Er war so sanft, so zärtlich und so schamhaft!
Nie war das Leben als die Seine bitter!
Er sprach zu mir so oft im Ehebette:
Sprich, Röslein rot! entblößt von allem Flitter!
Bist du mir nicht wie eine von den Huris?-
In seinen Augen Balken nicht noch Splitter,
Nur Fatima, die vielgeliebte Tochter!
Entgegen dem geschichtlichen Geklitter
Vor allem er auf Erden Frauen liebte
Und sagte oft: Erscheint der Engel Schnitter,
Dann find ich Frauen in dem Garten Eden!
Das Paradies zu Füßen ruht der Mütter!


5

Der Dichter Gottes war ein Analphabet,
Ein Ummi, wie es in den Schriften steht.
Das macht wohl Sinn. Der reinen Wein
Der Weisheit durch das tägliche Gebet
Als Schenke Menschen in die Seelen geußt,
Der selber ganz aus Weisheitswein besteht,
Für Gottes Wein das irdene Gefäß,
Muß leer sein, daß der Gottwein in ihn geht,
Muß Ummi sein, wenn Gott sich offenbart.
So mußte auch (wenn ihr mich recht versteht)
Maid Mirjam unbefleckte Jungfrau sein,
Sie, die gebenedeit Elisabeth,
Als zu ihr kam die Mutter ihres Herrn,
Daß sie empfangen konnt vom Wind der weht
Messias Jesus, keuscher Jungfrau Sohn,
Der ist das Wort - und nicht das Alphabet.


6

Ich rufe den Sandalenträger an, den Mann,
Der den Beweis der Wahrheit ausersann, den Mann,
Der Einsicht und Erkenntnis und Vernunft besitzt,
Der mit der Vollmacht und der Macht begann, den Mann,
Der da heroisch nachts durch sieben Himmel ritt,
Der Huris sich zu Freundinnen gewann, den Mann,
In dessen Gegenwart der Feigenbaum sich neigt,
Am Maulbeerbaum der Wurm mehr Seide spann, den Mann,
Von dessen Licht die Sterne schimmern und der Mond,
Der da den Mond mit Fingern spalten kann, den Mann,
An dessen Mantel sich Gazelle schmiegt und Hirsch,
Der schiffte durch der Wüste Ozean, den Mann,
Der wie kein andrer Reimgesang vom Paradies
Gesungen hat als Gottes Sangesschwan, den Mann!


7

Vom Jäger war gefangen die Gazelle,
Die keusche Jungfrau in der Morgenhelle,
Die junge Mutter war von einem Kitzlein.
Da sah sie den Propheten und sprach schnelle:
Herr, setz mich frei und laß mich in die Wüste,
Daß ich mein Kitzlein führe an die Quelle,
Ich mein die Quelle meiner Mutterzitzen.
Da sprach zum Tier der heilige Geselle
Der Engel: Geh du nur, spring in die Freiheit,
Gott ist mit dir, so ich das Urteil fälle,
Ich spreche auch für die Gazellen Fürsprach.
Damit dem Jäger sich des Zornes Welle
In seiner Schläfenader legt, dem Jäger
Geb ich mich als sein Opfer in die Ställe
Und in den Kerker, sei’s, auch in den Kochtopf!
Bin, Freundin, unfrei ich an deiner Stelle,
So bist du frei! So lieb hat der Prophet dich
Als ein Gazellenbock hat die Gazelle!


8

Im Traume überschritt den Lethefluß
In meiner Seele ich und setzte Fuß
Um Fuß voran und kam ins Paradies:
Das war ein paradiesischer Genuß!
Der aber höchlich übertroffen ward,
Als mir erschien der Weisheit letzter Schluß!
Und zu mir sprach der heilige Prophet:
Du segnetest mich mit Gebetes Gruß,
Drum lass du küssen dich, mein frommer Freund!-
Was wunder, das ich mich entsetzen muß
Aus Ehrfurcht vor dem hohen Heiligen!
Ich halt ihm meine Stirne hin zum Kuß,
Er aber, wahrlich, küsste meinen Mund!...
Und von dem inspirierenden Erguß
Erwacht ich in den Armen meiner Frau,
Ein Moschusduft war Siegel und Beschluß.


9

Zur Nacht kam Gabriel und sprach Latein:
Erhebe dich, Prophet, du Mütterlein
Der heiligen Gemeinde und der Welt,
Und trete in das Reich des Ew’gen ein,
Zum Ortelosen wende deinen Fuß,
Klopf an das Tor mit deines Ringes Stein.
Um deinetwillen ist erregt das All,
Gehorsam sind dir alle Engelein,
Propheten stehen alle aufgereiht,
Zu sehen deine Schönheit, dich allein,
Geöffnet ist des Himmels Paradies,
Beglückt durch deines Anblicks Widerschein.
Erbitte heute Nacht von Gott die Huld,
Barmherzigkeit erbitt, berauscht von Wein,
Vom Allerbarmer Gnade für die Welt!
Dann wirst du schaun in deinem Stelldichein
Mit diesen deinen schwarzen Augen - Gott!
Denk an der leidenden Gemeinde Pein,
Denk an der pilgernden Gemeinde Not,
Du der Mysterien Kenner ungemein.-
Blitzschnell herangeführt war Pegasos,
Medusas Sohn, aus reinem Mondenschein.
Und der Prophet flog in das Paradies.
Cheruben und Seraphenschlängelein
Erhoben ihre Stimmen vor dem Thron:
Der Gott ist und da außer Ihm ist kein
Gott außer Gott, - der naht dir, o Prophet!
Die Engel standen voller Liebe, nein,
Die Engel tanzten voller Minneglut,
Da Mahom Mirjam sah, die Jungfrau rein,
Da Mahom Jesus den Messias sah!
Da wurde Mahomet das Antlitz fein,
Da wurde der Prophet von Anmut schön.
Er eilte in des ewgen Lebens Hain,
Da Gott sprach - siehe da, Gott sprach sein Wort -
Laßt Gottes Wort uns alle benedein! - :
O Staub, der du aus Staub geschaffen bist!
Du bitte mich, ich will der Welt verzeihn,
Du glaube an die grenzenlose Huld
Des Allerbarmers, sein Barmherzigsein,
Weil Ich die Lieb, die Lieb, die Liebe bin,
Dein Ewigliebender, EIN EINIG EIN!




IV. THERESE VON LISIEUX

1

Du kleine Jungfrau, Lilie in dem Tal
Und Feldes Blume, Blumen ohne Zahl
An irdische Geliebte schenken sich
Und prägen menschlich sich der Minne Mal
In ehelichen Küssen auf den Mund.
Zu keinem Manne sagtest du: Mein Baal!
Du hast dich für die Gottheit aufgespart.
Wir betteln um die Liebe allzumal
Bei den Geschöpfen, deren Ärmlichkeit
Durchbohrt das Herz mir mit dem Schwert von Stahl.
Du betteltest um Liebe aber Gott
Die Liebe selber an und deine Wahl
War Jesus Christus als dein Bräutigam,
Denn Gott ist wahrhaft liebender Gemahl!
Er tränkte dich mit seinem Minnetrank,
Bewirtet selber dich beim Hochzeitsmahl
Und führte deine Seele durch die Nacht
Ins Brautbett in des Himmels Hochzeitssaal!


2

Mein Trost in meiner Leiden Bitterkeit
Ist eine kleine Heilige, die Maid,
Die selbst im Leben viel gelitten hat.
Das war dir deine Freude ja: dein Leid,
Ob du auch Freude nicht empfunden hast,
Das war dein Trost dir ja: Trostlosigkeit
So bitter zu verkosten in der Nacht!
Das Leid macht für die Liebe ja bereit,
Und Liebe, deine einzige Begehr,
Verschweigen ließ sie Gott die Traurigkeit,
Du wolltest Jesus nur zur Freude sein.
Und wenn die Wogen voller Heftigkeit
Auch branden um dein Schifflein in der Nacht
Und wenn der Sturm auch in dem Dunkel schreit
Und Jesus aber schläft in deinem Boot -
Kleingläubig warst du nicht, in Gläubigkeit
Bewahrtest du den Frieden und die Ruh,
Gab Frieden dir Vertrauensseligkeit,
Gab Willen, voller Ruh zu leiden, dir,
Geduldig bis zum Schluß trugst du dein Leid
Als Anteilhabe an des Christus Kreuz -
Du Heilige der Liebes-Lieblichkeit!


3

O Heilige, du liebst das Jesuskind,
Das liebe Kind der Maid Maria lind!
Dem Kinde wolltest du zur Freude sein!
Und wenn die Blätter wirbeln in dem Wind,
Soll mit dir spielen Ball der kleine Sohn.
Doch launisch wie die kleinen Kinder sind,
Der kleine Sohn den Ball oft liegen ließ,
Und unbeachtet blieb der Ball im Spind.
Er kann mich unbeachtet lassen, ja,
Wegwerfen gar! so hast du ihn geminnt!
Doch wenn es ihm gefällt, dann bin ich da,
Daß er erneut sein Spielzeug sich gewinnt!
An dir war nichts gelegen dir, du Ball,
Zur Freude warst du da dem Jesuskind!


4

Du wolltest klein sein, einzig klein,
Der Schwachheit dir bewußt, allein
Vertrauen auf des Geistes Kraft!
Du bildetest dir auch nichts ein
Auf deines Leidens fromm Verdienst,
Verdienst erwirbt dir nämlich kein
Zuhausesein im Himmelreich,
Nur Gottes Gnade! Deine Pein
War Antwort auf der Liebe Wort,
Selbstlos zu lieben! Liebe mein
Ist das unendliche Vertraun,
Daß Gott sein kleines Vögelein
Zur Himmelssonne tragen wird,
Kanns sich nicht selbst erheben, nein,
Das Vöglein ist kein großer Aar,
Der herrlich steigt zum Sonnenschein,
Ich bin ein kleines Vöglein nur,
Gewölk bedeckt der Erde Hain,
Doch glaube ich, das Licht ist da,
Ist vor Gewölk nicht Sternenschein,
Wenn ich auch sehe nichts als Nacht!
Zum letzten Male Brot und Wein
Und auf die Stirne mir das Öl,
Dann werd ich, ohne aufzuschrein,
In Jesus sterben Liebestod -
Die Seele steigt aus dem Gebein
In Jesu Armen in das Paradies,
Wo Gott will Vater-Mutter sein!


5

Du Jungfrau sahest zu der Jungfrau hin,
Mariens Lächeln ward dir zum Gewinn,
Sie schenkte Heilung dir, erbat dir Heil.
Du drangest tief in Sankt Marien Sinn,
Geschrieben steht im Evangelium
Mariens Glaube, steht ja alles in
Der Mutter Leben mit dem lieben Kind,
Das schmiegte sich der Mutter an das Kinn
Und gab ihr kindlich-zärtlich Kuß um Kuß!
Was wunder, wenn ich Sankt Maria minn,
Lieb ich so sehr das kleine Jesuskind
Und selber auch ein Kind der Mutter bin!
Maria, seliger als du bin ich -
Denn du hast keine Himmelskönigin!


6

Ist alles eitel unter dieser Sonne! Warum
Soll Menschenbeifall ich erstreben umme und um?
Die Menschen klatschen Beifall bei den Fehlern und, ach,
Bei den verborgnen Tugenden, da bleiben sie stumm!
Ich hab im Herzen eine einz’ge Herzensbegier,
Daß ich der Biene gleich das Evangelium summ
Und Gottes Herzensrose als die Nachtigall sing
Und singend mich erheb, spricht Jesus: Talitha kum!
Ihm will ich singen mit dem allersüßten Geschwätz
Des kleinen Vögleins oder ob wie Bären ich brumm!
Ich sing als Dornenvogel, sind die Dornen auch lang,
Ich pflück von ihnen blauer Lieder Blume um Blum;
Je schmerzlicher die Dornen, desto süßer mein Lied!
Die Freude Jesu ist allein mein dichtrischer Ruhm!


7

Mein Seelenführer ist der Herr allein!
Die Menschen gaben keinen Ratschlag, nein,
Und rieten Menschen doch, sie rieten falsch,
Da machte mir ihr Raten manche Pein.
Sie alle sind erwachsen, sind so groß,
Ich aber bin ein armes Kindlein klein
Und will ja nicht erwachsen werden, nur
Bis zu dem Tode kleines Kindlein sein.
Der Weisen und Asketen Wege steil
Hinan die Tugendberge über Stock und Stein,
Sind mir zu schwer, dazu bin ich zu schwach.
(Johannes von dem Kreuze mög verzeihn!)
Auch manche komplizierte Theorie
Macht Kopfzerbrechen nur dem Köpfchen mein,
Ist alles mir zu hoch! Ich bin nicht dumm,
Nur liebe ich das schlichte Einfachsein.
Und weiß ich einmal nicht mehr weiter, schau
Ich in das Evangelium hinein!


8

Ich opfre mich der Liebe und Barmherzigkeit
Des Herrn als Ganzbrandopfer auf! ich bin bereit,
Daß Gottes Liebesfeuer mich zutiefst verzehrt!
Ergieß die Ströme grenzenloser Zärtlichkeit
Auf deine kleine Jüngerin, auf daß sie wird
Zum Spiegel deiner Liebe, deiner Lieblichkeit,
Daß sie die Sonne deiner Liebe widergibt
Zu deiner Freude! Dir zur Freude will die Maid
Dir manche Seele schenken, die dich lieben wird,
Die Seelen will ich dir erwerben durch mein Leid.
Ich will, daß du geliebt wirst! und im Himmel will
Ich lieben! Weil ich der Barmherzigkeit geweiht,
Barmherziger, holst du mich in den Himmel heim,
Nicht aus Verdienst und eigener Gerechtigkeit,
Allein aus Huld! Da werd ich Liebe singen dir
Zum Lob der Gottesliebe alle Ewigkeit!


9

Im Paradiese will ich ehren die Liebe
Und fortan auf der Erde lehren die Liebe!
Daß Seelen fortan nicht erlösende Gnade
Bestrebt verneinend abzuwehren, die Liebe!
Daß Menschen nicht mehr betteln bei den Geschöpfen,
Die göttliche allein begehren, die Liebe!
Daß Gläubige durch stellvertretende Leiden
Und Gottesliebe reich vermehren die Liebe,
Die Gott wir schulden, der die Liebe ist! Leidvoll
Durchbohre sie mit Liebesspeeren die Liebe,
Wenn sie nur freudevoll anbetende Minne
Dem Ew’gen weihn, dem dreimal Hehren, die Liebe!




V. JUNGFRAU MIRIAM

1

In deinen Armen darf ich weinen,
O Miriam, den Gram ausgreinen!
Zum Trost in meiner Nacht der Seele
Seh ich dich Morgenröte scheinen,
Schön, Miriam, wie Morgenröte!
Die Nachtigallen in den Hainen
Auch nicht von ihrer Klage schweigen,
Mit der sie ihre Rose meinen -
Und du bist doch die mystische Rose!
Ich habe Keine mehr und Keinen
Als dich, Zypresse meines Grabes,
Als dich, du Haus aus Edelsteinen,
Jerusalem im Himmelreiche!
Dir will ich ewig mich vereinen!


2

O Miriam, allein mein Trost,
Vom Tröstergeist zur Braut erlost,
Komm, trockne alle Tränen mir!
O Miriam, in West und Ost
Erscheinst du, Friedenskönigin,
Als Stern des Meeres, das da tost,
Der Leidenschaften Meeresstern!
Laß meine Seele nicht erbost
Der Liebe sich verschließen, laß
Gemischt die Tränen mit dem Most
Mich meine Tränen weinen dir,
Dir, die mich in der Nacht liebkost!


3

Die Dornen stechen mich der Rose,
Die Zunge eine Frau, lieblose
Gemeine Frauen mich verraten,
Seit ich entsprang dem Mutterschoße
Hab keine Liebe ich gefunden
Und suchte Liebe doch, die große.
Ah, Miriam, ich bin ein Seufzer
Als flücht’ger Hauch im Erdenkloße
Und lang schon fehlt mir meine Rippe
Und traurig lieg ich auf dem Moose
Und träume von der bloßen Eva
Vor mir in ihrer Venuspose
Und bleib allein.- Du neue Eva,
O Miriam, du Makellose,
Willst du der Nachtigall, dem Adam,
Geliebte sein und mystische Rose!?


4

Wie bitter hat verwundet mich Frau Welt,
Wo alles quält, was mir so sehr gefällt,
Wo Minne wurde mir zur Kreuzespein,
Wo ich in Sommerhitze mich erkält,
Wo nur die Nacht eröffnet ihren Schoß
Und mich nur Einsamkeit in Armen hält,
Dieweil die Frauen leben für den Schmuck,
Dieweil die Männer leben für das Geld.
Ich aber sehne einzig mich nach dir:
O Miriam, du blaues Himmelszelt,
Du Paradies, daraus der Morgenstern
Hervorgeht wie ein Bräutigam und Held,
Laß mich in deinen Schoß, das Paradies,
Wo meine Seele ewger Wonnen schwellt!


5

Was singt so bang die Nachtigall
In wehmutsüßem Sangesschwall:
Ihr Ein und Alles ist die Ros,
Ist ihre Nacht und ist ihr All!
Wie bange seufzte Adam auch,
Als Eva er gesehn im Fall,
Die liebende Ergänzung ihm
In schwarzer Haare Lockenfall
Bis zu der Lenden Schlangengurt!
Verlassen seufzt der Täuberich
Nach seiner Taube brünst’gen Schwall!
Wie einsam die Mimose blüht
Vergessen auf dem Mauerwall!
Wie einsam weint Narzissus doch
Um seiner Nymphe Echo-Hall!
- O Miriam, dein göttlich Kind
Hat mich vergessen, seinen Ball!...


6

In schwarzer Haare Flut,
Mit schwarzer Augen Glut -
O schöne Miriam,
Du schön und wahr und gut,
Du reines Spiegelbild
Der Schönheit, Höchstem Gut,
Wie wohl mir deine Huld,
Der Minne Mutter, tut!
Der Schönheit Inbegriff
Tauchst du aus meinem Blut!
Heil dem , der dir im Schoß
Und dir am Busen ruht!


7

Vergebens meine Jugendzeit
Hinlebte in Vergessenheit
Und fern von deiner Minne Huld!
Vergebens falsche Geistlichkeit
Mit Ketzertum und Häresie
Und männlicher Gelehrsamkeit
Versuchte mich von dir, o Frau,
Zu scheiden in der Zwistigkeit!
Du kamest doch mit deiner Huld
Und mit des Friedens Neuigkeit
Als deinem Evangelium
Weihnachtlicher Gelegenheit
Zu dem, der lang dich schon ersehnt
In tränenreicher Einsamkeit.
Da reichtest du dein Schleiertuch
Der Tränen reichen Feuchtigkeit
Und wecktest mich vom Kummer auf
Und lächeltest der Mattigkeit
Als goldenschönes Morgenrot
In minnereicher Artigkeit
Und lehrtest mich die Weisheit dann
Von Christus und der Christenheit -
Mir aber gabst du selbst dich hin
In seliger Vertraulichkeit...


8

Ich streifte gleich dem Hunde
Begierlich-geil zur Abendstunde
Und schmachtend um des Hauses Pforte.
Die Wächter gingen in der Runde
Mit den aufdeckenden Laternen
Und scheuchten mich vondannen. Wunde
Um Wunde schlugen mir die Frauen,
Mir würgte Qual an meinem Schlunde,
So sehr ich auch gebrüllt, gehungert
Nach eines lieben Wortes Kunde.
Da lag ich einsam und verlassen
Im Tränental, im Jammergrunde.
Da ward ich aber deiner Gnade
Und deiner Minnehuld zum Funde.
Du heiltest langsam meine Schwären,
Gabst mir zu trinken, daß gesunde
Ich an den Tropfen deiner Tränen.
Du küsstest - daß ich sage unde
Singe - mit deinen Lippen
Mich, Miriam, mit deinem Munde!...


9

Die Weihnacht feiern alle Christen,
Weltmenschen nur die Mammonslisten.
Mir aber ward das Fest der Jungfrau!
Ich meine, alle Minner müssten
Das Fest der Frau der Frauen feiern!
Ach, wenn die Frommen alle wüssten,
Wie du verlangst nach ihrer Minne!
Du Meeresstern an unsern Küsten,
Wir wollen einzig deiner Minne
Und deines Kindes Huld uns brüsten!
Wir lassen einzig uns der Liebe
Von Gottes Himmelreich gelüsten!
Bei Gott, die Weihnacht will ich feiern,
O Miriam, an deinen Brüsten!...




VI. DIE GOTTHEIT

1

Und sollt ich nicht klagen und sollt ich nicht weinen,
Seh allüberall ich nur Herzen von Steinen?
Heroisch die Heil’gen ihr Leiden verschweigen,
Mir aber gewähre, o Gottheit, das Greinen!
Laß rufen um Liebe, um Liebe mich betteln,
Ich hab doch auf Erden nicht Eine, nicht Einen,
Ich hab doch die Gottheit alleinzig im Himmel,
Als Sonne, wenn nirgends die Sterne mir scheinen,
Als Mond in der Nacht, wenn unendliches Dunkel
Durchschauert die Seele mit schaudernden Peinen,
Als Hoffnung und Glauben, als Liebe im Busen,
Drum laß mich den Armen der Gottheit vereinen!


2

Was kann in meiner Brust die grenzenlose Leere
Allein erfüllen mit der Liebe Feuermeere?
Fand keine Frau ich, die zu lieben wusst und mochte,
Nur die durchbohrt mich mit der Liebe Leidensspeere.
Fand keinen Freund ich auch, der sich geweiht der Weisheit,
Beschäftigt alle, fern von der Gedankenschwere.
Ist auch in meiner Mutter Busen keine Heimat
Und ich mich auch vergebens zu dem Vater kehre.
Ich schaute, ob die Mondin reichte ihre Zitzen,
Doch träufelt in der Nacht allein der Tau der Zähre.
Was aber sagen mir zum Trost beim Wein im Kelche
Der Dichter Liebeslieder und der Weisen Lehre?
Ergib von ganzem Herzen dich der Unbefleckten
Als Minneritter der Heerführerin der Heere,
Sie führt dich zu der Liebe in den Schoß der Gottheit -
Die Herrlichkeit ist Gottes und der Liebe Ehre!


3

Ich schlage meines Saitenspieles Darm
Und singe zu der Harfe meinen Harm:
Ich bin allein in dieser kalten Welt
Und nimmer ist des Nachts mein Lager warm,
Gebrochen ist mein Herz von Minnepein,
Ist mir verschwunden meiner Seele Schwarm,
Vergebens sehn ich mich nach frommer Frau,
Der marianischen Gestalt voll Charme.
O Liebe Gottes, o Barmherzigkeit!
Nimm mich als Opfer hin! Erbarm, erbarm
Dich der Elendigkeit aus Staub und Nichts!
O Liebe, die du reich bist - ich bin arm!


4

O Gottheit, die mein Sinn als Mutter preist,
Weil du von Mutterzärtlichkeiten weißt,
Du weißt, wie sehr die Welt der Frauen mir
Mit ihrem Schmuck und ihrer Schminke gleißt,
Oft ist mir auch, als ob du in die Welt
Sinnlosem Ding gleich meine Seele schmeißt,
Daß mir an Babels Flüssen im Exil
Die Harfe stumm ist, wenn der Becher kreist.
Doch deine Weisheit in den Heiligen
Ist mir der Beistand, der mich unterweist.
Ich glaub, mir wird der Weisheit Honigseim,
Wenn mich das Schicksal nur mit Wermut speist.
Sieh meiner frommen Seele Minneglut
In dieser Welt, die steinern und vereist,
Und gib daß deine Liebe als ein Aar
Hinauf mich in den Schoß der Gottheit reißt
Und satt ich werd an deinem Angesicht -
O Mutter Weisheit voll der Minne Geist!


5

In der Torheit des Gedichts,
Sänger, an dem Sinn gebrichts
Deinem frommen Pilgerlied.
Aber weinenden Gewichts
Seufz ich zu der Gottheit auf:
All und Eines! Sein und Ichts!
Du die Mutter, ich dein Sohn,
Du die Liebe, ich das Nichts!
Ich die Traurigkeit der Nacht,
Du die Lieblichkeit des Lichts!
Ich bin blind, doch schau ich einst
Schönheit deines Angesichts!
Daß ich darum leiden muß,
Deines Kreuzes Weisheit sprichts.


6

Alles dir weihe ich, alles vom Meinigen,
Gib von der Liebe mir, gib von der deinigen,
Gib deine ewige Liebe dem Elenden!
Willst du im Fegfeuer heut mich schon peinigen,
Deinen anbetenden Dichter, den weinenden,
Möge das Feuer der Trübsal mich reinigen,
Daß ich geselle mich einst zu den Heiligen,
Daß ich mich darf deiner Weisheit vereinigen!


7

Träne meiner schwarzen Schwermut, fließ!
Seele, all dein Kreuzesleid genieß!
Wenn ich Tränen säe in den Grund,
Daß daraus mir Seligkeit ersprieß!
Daß wie Gideon von feuchtem Tau
Feucht ich seh Marien goldnes Vließ,
Weil es eine Prophezeiung ist:
Geist, die Liebesflamme in mich gieß!
Selig nämlich sind die Weinenden,
Jesus Christus selbst verkündigt dies.
Speist mich Aschenbrot und Tränenkelch,
Wird es mir zum Sakramente süß,
Weil im Schweigen, dem verschwebenden,
Gott in meine Seele Hoffnung blies:
Bist du hier im Purgatorium,
Kommst du rasch ins Paradies!


8

Der Geist verleihe, daß ich leb in Minne,
Dem Ewigen nichts andres geb als Minne,
In meinem Elend, meiner Nacht und Armut
In Gott nichts anderes erstreb als Minne,
In Teppich immerwährenden Gebetes
Beschaulich mich und lobend web in Minne,
Und daß alltäglich wird mir zum Symbole
Durchs Dankgebet mir Ähr’ und Reb’ in Minne,
Daß ich nicht auf den Leim Geschöpfen gehe
Und nur an meinem Jesus kleb in Minne,
Daß mich am Ende meines Erdenlebens
Mein Heiland Jesus Christus heb in Minne,
Daß ich im Himmel in dem Schoß der Gottheit
Glückselig als Erlöster schweb in Minne!


9

Was singt der fromme Sänger zu der Schwanenleier?
Der Seufzer seiner Brust bewegt den Tränenschleier
Und stimmt die Saiten ihm auf des Psalmisten Klage
Und wendet sich zum Lobgesang an den Befreier
Aus Elend und Verbannung an den Strömen Babels,
Singt Heimkehr nach Jerusalem, die Friedensfeier,
Weil Frieden auf dem Berg verkündet Tochter Zion,
Wo sich der Geist zuletzt ergießt als ewges Liebesfeuer,
Wo Gott dem Sänger offenbart sich als die Weisheit -
Ich bin die Gottheit, deine Braut, du bist mein Freier!


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