[Inhalt]

REINHARD FUCHS

Von Peter Torstein Schwanke

„Fangt uns die Füchse, die kleinen Füchse!“
(Die Bibel)

„Pfingsten war gekommen...“
(Goethe, Reinecke Fuchs)



ERSTER GESANG


Singe, meine liebe Muse,
Mir von Reinhard Fuchs, dem schlauen!
Widmen will ich meine Verse
Benedikt, dem deutschen Papste.

Sagen will ich von dem Landmann,
Welcher Hof und Felder hatte,
Mais und Weizen, grüne Wiesen,
Runzela hieß seine Gattin.

Um den Bauernhof gezogen
War ein Zaun zum Schutz der Hühner.
Nämlich Reinhard Fuchs, der schlaue,
Liebte sich zur Mahlzeit Hühnchen.

Runzela, die Bauersgattin,
Sprach zu Lanzelin, dem Bauern:
Bauer! Reinhard Fuchs, der schlaue,
Fraß mir auf ein Dutzend Hühner!

Bauer Lanzelot gehorchte
Seiner Bäuerin und Herrin,
Zog den Zaun um das Gelände,
Um den Hühnerhof zu schützen.

Und der Hahn hieß Schantekleros,
Starker Hahn mit rotem Kamme,
Schantekleros aber liebte
Von den Hennen meistens Pinte.

Ja, der Hahn aus seinem Harem
Fetter Hennen-Konkubinen
Liebte oft und lang und heftig
Pinte meist, die fette Henne.

Eines Tages aber nahte
Reinhard Fuchs, der schlaue, wollte
Schantekleros Arbeit machen
Und ihm dann das Leben rauben.

Reinhard sah den dicken Zaun an,
Schien zu dicht und hoch der Zaun ihm,
Doch ein Loch im Zaun entdeckte
Reinhard, durch das Loch sich zwängend.

Reinhard schlich sich durch den Garten.
Da spazierte Schantekleros
Müßig. Doch die fette Henne
Pinte schon gewahrte Reinhard.

Reinhard kommt! schrie laut die Henne,
Alle fetten Hennen schrieen,
Flüchteten mit lautem Schreien
In des Hühnerstalls Behausung.

Schantekleros seinen Hennen
Sprach beruhigend zu Gemüte:
Kommt kein Tier in diesen Garten,
Füchse nicht, nicht andre Räuber.

Aber meine lieben Weiber
Und mein Lieblingsweibchen Pinte,
Betet zu dem lieben Gotte
Für das Leben eures Hahnes!

Denn mir träumte nachts prophetisch,
Daß ich lag im roten Blute!
Komme, was da kommen möge,
Doch ich fürchte großes Unheil.

Möge mich der Engel Gottes
Schützen vor dem bösen Feinde!
Ach, mir ist so schwer zumute,
Meine Seele bangt und zittert!

Herrin Pinte sprach, die Herrin
Seines Harems fetter Hennen:
Schleicht was in den grünen Gräsern,
Ist der Feind wohl schon im Garten.

Möge Gott der Herr uns schützen,
Dich vor allem, Herr und Gatte!
Ach, ich bin verzagt und ängstlich,
Fürchte große Todesnöte!

Schantekleros sprach, der starke
Hahn mit feuerrotem Kamme:
Banger ist ein Weib doch immer
Als wir Männer jemals bangen.

Aber ich hab schon vernommen,
Was geschehen wird, im Traume
Sah ich’s schon vor sieben Jahren,
Heute muß es sich erfüllen.

Herrin Pinte aber sagte:
Mein Gebieter und mein Gatte,
Rette dich auf diesen Dornbusch,
Denk an unsre kleinen Küken!

Wenn du sterben solltest, Gatte,
Wär ich eine arme Witwe,
Müßt den Rest des Lebens weinen,
Würd mich in der Welt verlaufen.

Ach, ich bin verzagt und bange,
Fürchte um dein Leben, Liebster,
Darum bin ich so voll Kummer!
Soll der Zaun dich doch beschützen!

Reinhard Fuchs den Draht des Zaunes
Bog zur Seite, durchzuschlüpfen,
Eindrang in den grünen Garten.
Schantekleros saß im Dornbusch.

Reinhard Fuchs sprach vor dem Dornbusch
Zu dem Hahn und sagte listig:
Wer denn bist du? Bist du Sengel?
Hahn, bist du der stolze Sengel?

Schantekleros sprach zu Reinhard:
Sengel war mein lieber Vater,
Aber ich bin Sengels Erbe,
Schantekleros ist mein Name.

Reinhard Fuchs, der schlaue, sagte:
Tot ist Sengel, tot ist Sengel?
Ich beklag den Tod des Sengel!
Ehrenwert war wahrhaft Sengel.

Denn dein edler Vater Sengel
War Genosse meines Vaters.
Und dein Vater Sengel hockte
Nicht so hoch auf einem Dornbusch.

Schantekleros darauf töricht
Flatterte mit seinen Flügeln
Von dem Dornbusch auf den Rasen,
Hieß den schlauen Fuchs willkommen.

Flatternd fröhlich mit den Flügeln
Hüpfte freudig er im Garten,
War erregt und voller Wonne
Wie begattend eine Henne.

Sprach: So lehrte mich mein Vater,
Freunde seien stets willkommen.
Schantekleros war voll Freude,
Später sollte er’s bereuen.

Schantekleros krähte lautstark,
Reinhard Fuchs des Hahnes Kopf nahm
Zwischen seine scharfen Zähne,
Henne Pinte schrie voll Jammer!

Lanzelin der Landmann hörte
Seiner Henne Pinte Jammer,
Drohend trat er in den Garten,
Voller Zorn den Fuchs verjagend!

Reinhard Fuchs lief fort zum Walde.
Schantekleros aber flatternd
Hüpfte wieder auf den Dornbusch,
Seine Wunde dort zu pflegen.

Aber oben von dem Dornbusch
Höhnisch spottend Schantekleros
Rief dem Fuchs nach böse Worte.
Reinhard Fuchs rief zu dem Hahne:

Narren reißen so das Maul auf,
Nichts Vernünftiges zu sagen,
Besser wärs, du würdest schweigen,
Könnt ich dich für weise halten.

Aber Schantekleros krähte:
Bei dem lieben Gott im Himmel!
Hat mich Gott doch heut behütet,
Das kann ich wohl lauthals künden.

Aber Reinhard zog vondannen,
Nahezu vor Hunger sterbend.
Aber heimlich sann er Rache,
Reinhard Fuchs, der Schelm, der schlaue.



ZWEITER GESANG


Reinhard aber einmal schaute
Eine wunderschöne Meise
Hüpfen oben auf dem Zweige
Eines frühlingsgrünen Baumes.

Also sagte aber Reinhard:
Schönste aller Vögelinnen,
Süße Meise, ich begehre
Einen Kuß von deinem Schnabel!

Sieh mich Dürsten und Gelüsten,
Ich will küssen, sag ich, küssen!
Sei Feinsliebchen mir, treuherzig,
Gib aus Treue mir ein Küsschen!

Einen Schmatz, mein Schatz und Schätzchen!
Gib mir doch ein süßes Mäulchen!
Laß uns schnäbeln, laß uns picken!
Küssen, küssen! Picken, picken!

Denke doch daran, mein Schätzchen,
Vögelin mit goldnem Busen,
Daß ich bin der Patenonkel
Deiner kleinen Meisenkinder.

Hab ich doch dem Herrn versprochen,
Jesus Christus nachzufolgen
Und dem Teufel abzuschwören
Bei der Taufe meiner Paten.

Sprach die Vögelin, die Meise:
Reinhard Fuchs, du Schelm und Schalksknecht,
Ganz genau kenn ich dein Wesen
Und ich kann dir nicht vertrauen.

Viele böse Zungen lästern
Böse Worte über Reinhard,
Alles das hab ich vernommen,
Das ist mir ins Herz gedrungen.

Und ich fürchte deine Augen,
Zittere vor deinen Blicken,
Deine Blicke sind wie Dolche,
Mir des Busens Herz durchbohrend.

Aber weil du süchtig bittest
Um ein Küsschen, um ein Schmätzchen,
Nennst mich Schätzchen, nennst mich Liebchen
Und beschwörst mich bei der Treue,

Darum werde ich dich küssen,
Will drei Stunden lang dich küssen,
Schließe du nur deine Augen,
Wenn ich küsse deine Schnauze.

Sprach die Meise, saß im Baume,
Dreck geknetet mit den Krallen,
Ließ den Dreck geknetet fallen
Auf das rote Mündchen Reinhards

Und beschmierte seine Zähne:
Schöne Zähne, grade Reihe,
Nun befleckt mit Dreck die Zähne,
Schwarze Zähne, schmutzig, stinkend!

Reinhard merkte so, wie listig
Ist nicht nur der Fuchs alleine,
Auch die Meise ist sehr listig,
Listigste der Vögelinnen!

Während Reinhard seine Zähne
Putzte, reinigte vom Drecke,
Ist entwischt die süße Meise
Mit dem goldnen Vogelbusen.

Reinhard aber klagte Jesus:
Ach mein Jesus, ach mein Jesus,
Wie bin ich betrogen worden
Von der Vögelinnen Schönsten!



DRITTER GESANG


Reinhard hatte großes Wissen
Und beherrschte viele Künste.
Aber heute war sein Tag nicht,
Sollte ihm geschehn ein Unglück.

Sah er hoch auf einem Baume
Einen schwarzen Raben stehen,
Dizzelin des Raben Name,
Dieser Rabe war sein Neffe.

Und der Rabe hielt im Schnabel
Einen Käse, der war lecker,
Reinhard leckte sich die Schnauze
Vor Verlangen nach dem Käse.

Reinhard gönnte diesen Käse
Nicht dem Neffen, nicht dem Raben,
Voller Neid begehrte Reinhard
Für sich selber diesen Käse.

Wollte Reinhard Fuchs betrügen
Seinen Neffen um den Käse.
Er gebrauchte eine Lüge,
Um den Käse zu gewinnen.

Reinhard sprach zum Raben-Neffen:
Bist du Dizzelin der Rabe?
O wie freu ich mich, mein Neffe,
Daß dich meine Augen schauen!

Gerne hörte ich dich singen,
Singt doch herrlich deine Mutter,
Deine Mutter sperrt den Schnabel
Auf, singt Oden an die Freude!

Dizzelin der Rabe sagte:
Nie will ich die Mutter schmähen,
Denn so schön singt meine Mutter,
Süßer selbst als Nachtigallen!

Nachtigallen lieblich schmelzen
Süß verliebte Liebeslieder,
Aber meine Rabenmutter
Singt Prophetenworte Gottes!

Also riß der Raben-Neffe
Seinen Schnabel auf und krächzte.
Fiel der Käse aus dem Schnabel,
Fiel zu Grund vor Reinhards Pfoten.

Aber Reinhard selbstvergessen
Ganz vergaß den gelben Käse,
Lauschte nur dem Rabenkrächzen
Und der Ode an die Freude.

Aber Reinhard Fuchs besann sich,
Wollt er doch den Raben fressen,
Reinhard hatte seinen Neffen
Ganz genau zum Fressen gerne!

Reinhard sprach zum Raben-Neffen:
Ach mein Neffe, ich hab Herzweh!
Ich hab großen Liebeskummer!
Liebe hat mein Herz verwundet!

Und nun lieg ich krank, ermattet,
Und ich kann mich nicht bewegen,
Liegt der Käse mir vorm Maule,
Könnte mich der Käse trösten,

Doch ich komm nicht an den Käse,
Denn mein Körper ist zerschlagen!
Komm herab vom Baum, mein Neffe,
Schieb den Käse mir ins Mäulchen.

Flog der schwarze Raben-Neffe
Von dem Baum herab zu Reinhard,
Wollt er ihm aus Treue helfen,
Das gereichte ihm zu Schaden.

Schnappte Reinhard mit den Zähnen
Nach dem schwarzen Raben-Neffen,
Lachend: Meine Tante sagte,
Blut ist dicker doch als Wasser,

Du bist doch von meiner Sippe,
Uns verbindet die Familie.
Darum hab du nur Vertrauen,
Ich will doch ja nur dein Bestes.

Riß ihm aus die schwarzen Federn!
Doch entkam ihm noch der Rabe,
Setzte hoch sich auf die Zweige!
Reinhard schlich enttäuscht vondannen.



VIERTER GESANG


Gegen Reinhard ist geschritten
Diebrecht, eine wilde Katze.
Reinhard sprach: O meine Nichte,
Gut, dass ich gesund dich sehe.

Ich hab ein Gerücht vernommen,
Wie du schnell vermagst zu laufen.
Laß mich deine Künste sehen,
Laß uns in den Wettstreit treten.

Diebrecht sprach, die wilde Katze:
Reinhard, das ist meine Freude,
Daß du Kamerad mir sein willst,
Darum möchte ich dir dienen.

Reinhard aber war sehr treulos,
Treu nur seinem eignen Sterne,
Liebte nicht gemeine Treue,
Treu war er allein der Schönheit.

Und er schaute eine Falle
Auf dem Wege, sprach zur Katze:
Laß uns eilen nun des Weges!
So sehr liebte er die Nichte.

Reinhard sprach zur wilden Katze:
Laß mich deine Kräfte schauen!
Schau, da ist ein Weg, ein schmaler,
Eile nun, geliebte Nichte.

Diebrecht doch, die wilde Katze,
Wußte selber von der Falle,
Sagte: Schütze mich Sankt Georg
Vor den bösen Listen Reinhards!

Diebrecht sprach, die wilde Katze,
Über die versteckte Falle,
Kehrte wieder um zu Reinhard,
Grüßte Reinhard, leise schnurrend:

Reinhard, ist kein Tier auf Erden,
Das so schnell wie Reinhard Fuchs ist!
Reinhard sprach zur wilden Katze
Diebrecht: Aber du bist schneller!

Mach doch einmal große Sprünge
Wie als ob dir Hunde folgen,
Springe hoch, als ob umgehend
Du verlierst die sieben Leben.

Diebrecht sprach, die wilde Katze:
Große Sprünge will ich machen,
Aber Reinhard soll mir folgen,
Selber große Sprünge machen.

Diebrecht sprach, die wilde Katze:
Wer kann wohl am höchsten springen?
Reinhard lachte: Du, mein Kätzchen!
So sie wollten sich betrügen.

Diebrecht übersprang die Falle,
Reinhard folgte dann der Katze.
Katze Diebrecht stürzte Reinhard
Und so fiel er in die Falle.

Katze Diebrecht schnurrend spottet:
Reinhard Fuchs, mein Kamerade,
Schau, nun sitzt du in der Falle,
Sei dem Teufel anbefohlen!

Also schlich die wilde Katze
Sich mit diesem Fluch vondannen.
Reinhard Fuchs saß in der Falle
Und er war in Todesnöten.

Meinte er, er müsse sterben,
Er befahl die Seele Jesus!
Siehe, da kam an der Jäger,
Der die Falle ausgelegt hat.

Reinhard Fuchs versprach dem Jäger
Dreißig Münzen für die Rettung.
Schlug der Jäger auf die Falle,
Ward gerettet also Reinhard.

Reinhard sprach zu seiner Seele:
Dreißig Silbermünzen kostet
Meine Rettung vor dem Tode?
O wie teuer ist das Leben!



FÜNFTER GESANG


Reinhard war der Not entkommen,
Nun kam Isegrimm, der Wolf, an.
Als er Isegrimm, den Wolf, fand,
Reinhard Fuchs sprach zu dem Wolfe:

Edler Herr, Gott sei dir gnädig!
Gerne möchte ich dir dienen,
Dir und deinem Eheweibe
Gieremund, dem schönsten Weibchen!

Unsre Herrin Gieremunde
Wähle ich zu meiner Dame,
Will ihr sein geringster Sklave
In der Religion der Liebe!

Ich hab in der Welt vernommen,
Starker Wolf, dass du gehasst bist.
Aber nimm zum besten Freunde
Mich, zum Hausfreund deines Weibes!

Ich bin schlau und du bist kräftig,
Laß uns beide unsre Gaben
Gieremund zum Wohl verbinden,
Deine Kraft und meine Schlauheit.

Bei der Heiligkeit der Ehe!
Ich will euch ein Helfer werden.
Listig bin ich wie Odysseus
Und mit List besiegt man Burgen.

Isegrimm, der Wolf, besprach sich
Über diesen Vorschlag Reinhards
Treuer Freundschaft mit dem Weibchen
Und den beiden wilden Söhnen.

Und das Weibchen und die Söhne
Stimmten zu, dass Reinhard werde
Treuer Hausfreund der Familie.
Das ward Isegrimm zum Schaden.

Reinhard wandte seine Liebe
An die Herrin Gieremunde,
Diente ihr als Liebesdiener,
Höflich ihr den Hof zu machen.

Isegrimm, der Wolf, hat töricht
Reinhard Fuchs geschenkt Vertrauen,
Das gereichte ihm zum Schaden.
Isegrimm ward oftmals unfroh.

Isegrimm ging eines Tages
Mit den beiden wilden Söhnen
Durch das Land auf Raub und Beute,
Fleisch für Gieremund zu rauben.

Als der Wolf bei seiner Arbeit
Um das täglich Brot der Erde,
Reinhard Fuchs verliebter Liebe
Warb um Herrin Gieremunde.

Isegrimm erlangte wirklich
Einen schlechten Kameraden.
Untreu seines Freundes Name,
Hinterlist sein ganzes Wesen.

Reinhard sprach zu seiner Dame:
O du Schönste aller Frauen!
Wolltest du doch gnädig schauen
Hier auf meine Liebesschmerzen!

Unsagbarer Jammer fasst mich
Und durchbohrt mein Herz mit Schwertern!
Liebe raubt mir meinen Atem!
Ich versterbe noch vor Liebe!

Aber Gieremund, die Herrin,
Sagte ohne alle Gnade:
Sprich mir nicht von deiner Liebe,
Ich bin meines Wolfes Wölfin!

Isegrimm, mein Ehegatte,
Hat so einen schönen Körper,
Daß ich gern auf andre Männer
Ohne jeden Schmerz verzichte.

Aber selbst den Fall genommen,
Daß ich einen lieben wollte,
Einen andern Mann als meinen,
Dann doch nicht so einen Schwächling!

Reinhard aber seufzte traurig:
Ach, du sehr gestrenge Herrin!
Glaube mir, ich bin ein Kaiser,
Der dir schenkt die halbe Erde!

Wäre ich der Papst der Kirche,
Schenkt ich dir den höchsten Himmel,
Wo im Paradies Frau Liebe
Herrscht im Himmelreiche Gottes!

Ohne Ende meine Liebe!
Ja, mit Herzblut unterschreib ich
Einen Bund mit meiner Herrin,
Müßte ich auch in die Hölle!

Was wär mir der höchste Himmel
Ohne meine Gieremunde?
Aber in der Hölle bin ich
Jammernd, weil du mich nicht lieb hast!

Aber Isegrimm kam wieder
Von der Raubes schwerer Arbeit:
Ach mein Weib! Wie schwer die Armut!
Ach wir müssen Hunger leiden!

Schaute Isegrimm zu Reinhard,
Dachte er voll Stolz im Stillen:
Jeder Walfisch seine Laus hat,
Jeder Hirte hat sein Hündchen.



SECHSTER GESANG


Reinhard schaute einen Bauern,
Der trug einen großen Schinken.
Reinhard da begann zu lachen,
Leckte lustvoll sich die Lippen.

Sagte Reinhard zu dem Wolfe:
Isegrimm, du magst doch Schinken?
Isegrimm und seine Söhne
Riefen: Gerne essen Fleisch wir!

Reinhard also auf der Straße
Ging vorm Bauern auf und nieder,
Tat als wär gekrümmt sein Rücken,
Tat als müsst er humpeln, hinken.

Schrie der Bauer böse Worte,
Wollt den Fuchs er eilig fangen,
Ließ er fallen seinen Schinken,
Eilend Reinhard nachzujagen.

Aber Reinhard lief zum Walde
Und entkam dem wilden Bauern.
Aber Isegrimm indessen
Stillte sich am fetten Schinken.

Isegrimm den ganzen Schinken
Fraß alleine voll Begierde
Und vergaß den Kameraden
Reinhard, der so treu geholfen.

Kam der Bauer an die Stelle,
Wo er ließ den Schinken fallen,
Sah er Isegrimm gesättigt,
Hörte er des Wolfes Lachen.

War vom Schinken nichts geblieben,
Nichts vom roten, nichts vom weißen,
Isegrimm war gut gesättigt,
Und der Bauer ward verspottet.

Isegrimm sprach zu dem Bauern:
Glück sei meinem Kameraden,
Dem ich diesen Schinken danke!
Und vom Wald erklang das Echo.

Reinhard nahte voll Verlangen,
Voll Begierde nach dem Fleische,
Nach dem roten, nach dem weißen,
Sagte: Wo ist nun mein Fleischstück?

Isegrimm sprach so zu Reinhard:
Frage deine schöne Freundin,
Ob sie dir was aufgehoben
Von dem Fleische appetitlich!

Aber Gieremunde lächelnd
Sprach zu Reinhard, der sie liebte:
Tu für Gottes Dank die Arbeit!
Gern sollst du auf Fleisch verzichten!

Sagte Isegrimm, der starke:
Ach, mich dürstet! Hast du Rotwein?
Reinhard sagte: Euer Diener!
Ich will Rotwein dir verschaffen.

Isegrimm sprach so zu Reinhard:
Lebenslang bin ich dein Diener,
Wenn du mir genügend Rotwein
Für den Durst besorgst der Kehle!



SIEBENTER GESANG


Reinhard führte Wolf und Wölfin
Und des Wolfes wilde Söhne
In das Kloster, da die Regel
Benedikts den Orden regelt.

Und er führte in den Keller
Alle zu den Rotweinfässern.
Isegrimm war bald betrunken
Von dem edlen Blute Christi!

Isegrimm, als er betrunken,
Hob er an ein Wolfsgeheule,
Wie sein Vater früher heulte
An die keusche Mondengöttin.

Doch die Mönche aus dem Orden
Benedikts mitsamt dem Pater
Wachten auf vom Wolfsgeheule,
Alles starke Waldarbeiter!

Hören wir doch Wolfsgeheule
An die keusche Schwester Vollmond,
Auf ihr Brüder Waldarbeiter,
Waffnet euch mit Axt und Spaten!

Reinhard hörte Mönche kommen,
Eilte er sogleich vondannen.
Aber Isegrimm bezahlte
Seinen Durst nach Rotwein teuer!

Und nicht Isegrimm alleine,
Sondern ernst und streng die Mönche
Prügelten auch Gieremunde
Und die wilden jungen Wölfe.

Ganz unfreundlich so belohnten
Gieremund die starken Mönche
Für die Sünde ihres Saufens,
Die doch nur ein wenig nippte,

Wenig nippte an dem Rotwein,
Von dem Tröpfchen schon betrunken,
Isegrimm voll Glut betrachtend,
Trunken glühte Gieremunde!

Aber nun kam ihre Reue!
Niemals will ich Wein mehr trinken,
Sondern wie die Fastenbrüder
Trink ich nur noch reines Wasser.

So zerdroschen und verprügelt
Isegrimm und Gieremunde
Und die beiden wilden Söhne
Eilten jammernd aus dem Kloster.

Und die beiden Söhne sprachen
Zu dem Wolfe: Vater unser!
Dieses Liedchen an den Vollmond
Sangst du nicht zur rechten Stunde.

Vater unser! Wie ein Affe
Hast du, wie ein Narr gehandelt!
Was weißt du denn schon vom Leben?
Hör doch einmal auf die Söhne!

Aber Reinhard kam gegangen,
Hörte dieser Söhne Worte,
Sprach er zu dem Erstgebornen:
Wie sprichst du mit deinem Vater!

Gott sprach: Ehre deinen Vater!
Gott sprach: Ehre deine Mutter!
Ach, du ungezogner Flegel,
Ach du ungezogner Bastard!

Jesus ist allein allwissend,
Seufzte Herrin Gieremunde.
Ach wie teuer war der Rotwein
Und wie trocken ist die Reue!

Aber was hab ich gesündigt,
Daß mein Sohn so böse redet?
Alle Künste der Erziehung
Werden an dem Kerl zunichte!

Aber Reinhard sprach zum Troste
Der Geliebten, seiner Dame:
Sei getrost, o Vielgeliebte!
Laß kein graues Haar dir wachsen!



ACHTER GESANG


Isegrimm sprach ganz zerschlagen:
Wehe, wehe, o mein Weibchen,
Mußt du eine Witwe werden,
Wenn ich hier vor Schmerzen sterbe!

Meine Liebe, meine Liebe,
Meine Sanfte, meine Milde,
Meine Treue, meine Reine,
Anvertraut mir bis zum Tode!

Wehe, wehe, meine Söhne,
Meine beiden wilden Jungen,
Müßt ihr Waisenkinder werden?
Gott ist doch der Waisen Vater!

Aber eure süße Mutter
Bleibt bei euch, geliebte Söhne,
Führt euch durch das Land des Lebens!
Folgt gehorsam nur der Mutter!

Meine liebe Gieremunde
Wird nach meinem frühen Tode
Keinen andern Mann sich nehmen,
Wird mir Seelenmessen singen!

Diese Klage hörte Konrad.
Sprach zu Isegrimm Herr Konrad:
Isegrimm, mein Wolf, mein Lieber,
Was bedeutet deine Rede?

Isegrimm zu Konrad sagte:
Bin zerschlagen ganz am Körper
Und verwundet an dem Herzen,
Hör die Todesstunde nahen!

Trauernd über mein Versterben
Wird mein Weibchen Gieremunde
Mir zum Totenreiche folgen,
Kann nicht leben ohne Liebe!

Konrad sagte, leise lächelnd:
Nicht versterben wird dein Weibchen,
Wenn du stirbst, aus lauter Kummer,
Da sie dir nicht treu gewesen!

Sah ich zwischen ihren Beinen
Doch, dass Reinhard sie geliebt hat!
Feucht dein Weibchen, deine Wölfin,
Von der Liebe deines Freundes!

Isegrimm vernahm die Rede,
Ward sein Herz von Schmerzen bitter,
Und vor Leiden fiel in Ohnmacht
Isegrimm, der schwer enttäuschte.

Wusste Isegrimm im Kopfe
Nicht, ob Tag sei oder Nacht sei,
Ob er noch versterbend lebe
Oder ob er lebend tot sei!

Konrad aber lachte leise.
Isegrimm besann sich wieder,
Isegrimm zu Konrad sagte:
Leid und Lüge ist das Leben!

Wenn ich meines Weibes Fehltritt
Sehn will zwischen ihren Beinen,
Mußt du mir die Augen leihen,
Du mir deine Augen leihen.

Isegrimm zu seinem Weibe
Gieremunde aber sagte:
Konrad sprach, du warst mir untreu
Mit dem Kameraden Reinhard!

Gieremunde aber sagte:
Reinhard war schon lang nicht da mehr!
Gestern war er da, doch heute
Ist er nicht bei mir gewesen,

Morgen wird er wieder kommen,
Aber was dir Konrad sagte,
Höre nicht auf Konrads Rede,
Glaube du an meine Unschuld!



NEUNTER GESANG


Reinhard zog in eine Hütte,
Die befand sich in dem Walde,
Wie ein Eremit zu leben,
Um zu beten, beten, beten.

In die Hütte in dem Walde
Trug er eine leckre Speise.
Isegrimm kam zu der Hütte,
Leiden schuf ihm großer Hunger.

Als er nahte nun dem Wäldchen,
War die Seele ihm voll Kummer.
Reinhard aber lud den Bruder
Ein zur Speise eines Fisches.

Isegrimm die Zähne leckte:
Ach das duftet in dem Waldhaus
Nach gebratnem Aal so lecker,
Will ich mich zu Tische laden.

Reinhard sprach zum Wolfe lächelnd:
Eremiten immer schweigen,
Wenn sie bei der Mahlzeit sitzen
Und den Aal zu Munde führen.

Immer in der Bibel lesen
Wir bei einer guten Mahlzeit,
Laden unsern Herrn zu Gaste,
Bitten Gott um seinen Segen.

Nach dem Essen unsrer Mahlzeit
Bitten wir den Herrn im Himmel,
Uns dereinst zum Mahl zu laden,
Zu dem Hochzeitsmahl des Himmels!

Isegrimm zu Bruder Reinhard
Sprach: O Reinhard, willst du Mönch sein,
Gottgeweiht dein Leben leben
Bis zur Stunde deines Todes?

Bruder Reinhard sagte leise:
Ja, zur Buße meiner Sünden
Und zur Buße aller Sünden
Und zum Troste Unsrer Frauen!

Dich auch bitt ich um Vergebung
Und so bitt ich dich um Gnade,
Raube mir nur nicht das Leben,
Denn ich muß noch Sünden büßen!

Isegrimm zu Bruder Reinhard
Sagte: Gott hat dir vergeben
Und ich will dir auch vergeben,
Nimm mich an als deinen Bruder!

Wenn du betend in der Bibel
Psalmen singst und Gott anbetest,
Denk an Isegrimm, den Bruder,
Und an Gieremund, die Schwester!

Denk auch an die armen Söhne,
An die kleinen wilden Wölfchen,
Schließ uns ein in deine Bitten,
Daß der Himmel sei uns gnädig!

Reinhard lächelnd sprach zum Wolfe:
Komm, ich lade dich zu Tische,
Übrig blieb ein Aal, ein langer,
Führ den Aal dir in dein Mäulchen.

Isegrimm aufsperrte gierig
Seinen Rachen scharfer Zähne,
Bruder Reinhard schob den Aal ein,
Schob den Aal ein in das Mündchen.

Isegrimm sprach närrisch lachend:
Bruder Reinhard, nimm mich gnädig
Auf als Koch in deiner Hütte,
Will dir leckren Braten braten!

Bruder Reinhard sagte lächelnd:
Bruder sollst du sein im Orden,
Bruder von dem Freien Geiste,
Bratenmeister sollst du werden!

Bruder Reinhard sprach zum Wolfe:
Nun empfange auch die Taufe,
Nun die Taufe mit dem Wasser!
Nun die Taufe mit dem Feuer!

Neigte Isegrimm den Schädel
Selig übers Wasserbecken,
Bruder Reinhard übergoß ihm
Nun sein Haupot mit heißem Wasser!

Da verbrannte ihm das Haupthaar!
Schrie der Wolf: Ah weh mir, weh mir!
Bruder Reinhard sprach: Mit Schmerzen
Du verdienst das Paradies dir!

Oder meinst du, in den Himmel
Führen sanfte Rosenwege?
Bette dich ins Bett aus Dornen,
Dies nur führt zum Paradiese!

Große Dummheit lehrt die Narren,
Nur die Freuden zu genießen,
Gottes Weisheit lehrt die Frommen,
Daß den Kreuzweg sie beschreiten!

So du nun getauft, mein Bruder,
Einmal mit der Wassertaufe,
Einmal mit der Feuertaufe,
Bruder bist vom Freien Geiste,

Möge Unsre Liebe Fraue
Führen dich zum Garten Eden,
Öffnen dir die enge Pforte
Zu dem Paradies der Liebe!



ZEHNTER GESANG


Isegrimm zu Reinhard sagte:
Da wir nun sind Gottes Kinder,
Wird Gott-Vater uns ernähren
Gleich der liebevollsten Mutter?

Doch zuende sind die Aale
Und wir müssen Hunger leiden,
Ach ich muß mein Elend klagen
Gott dem Herrn im Himmelreiche!

Reinhard sprach zum armen Wolfe:
Lieber Bruder mein in Christus,
Da wir keine Fische haben,
Laß uns von der Liebe leben!

Doch bist du noch nicht so heilig,
Von der Liebe nur zu leben,
Will ich Fische dir besorgen.
Speise Fische, bis dir schlecht wird.

Nahe meinem Waldeskloster
Ist ein Teich mit klarem Spiegel,
Sind darin so viele Fische,
Man vermag sie nicht zu zählen.

Also gingen sie zum Teiche,
Liebevoll wie Brüder friedlich,
Sahn sich in die offnen Augen,
Brüder in dem Freien Geiste.

Doch der Teich war zugefroren,
Drüber starr von Eis die Decke.
Also kalt ists auf der Erde
In dem lieblos kalten Winter!

Und sie gruben in dem Eise
Sich ein Loch hinab zum Wasser.
Isegrimm ward das zum Schaden,
Denn er war ein Narr und Dummkopf.

Reinhard war erfüllt vom Zorne,
Hatte bei sich einen Eimer,
Den er nicht vergessen hatte,
Isegrimm im Zorn zu ärgern.

Reinhard band den Wassereimer
Isegrimm ans arme Schwänzchen.
Sagte Isegrimm: Im Namen
Gottes, was soll das bedeuten?

Reinhard sprach zum dummen Wolfe:
Halte deinen Schwanz, den langen,
Mit dem leeren Wassereimer
Durch das Eisloch in die Tiefe!

Schau ich durch die Eiskristalle
Doch die vielen leckern Fische.
Stehe du, dich nicht bewegend,
Angle Fische mit dem Eimer.

Isegrimm zu Reinhard sagte:
Lieber Bruder in der Liebe,
Sind auch Fische in dem Teiche?
Reinhard sagte: Viele tausend.

Isegrimm, dem dummen Wolfe,
Fror der Schwanz im kalten Wasser,
Fror das Schwänzchen fest am Eise.
Denn so frostig ist Unliebe!

In der Nacht wars kalt und frostig,
Reinhard warnte nicht den Narren,
Isegrimm erfror das Schwänzchen.
So hielts Reinhard mit der Freundschaft.

Isegrimm zu Reinhard sagte:
O der leere Wassereimer
Zieht so sehr an meinem Schwanze,
Fühle ich sehr große Schmerzen!

Aber Reinhard sprach zum Wolfe:
Aber in dem Wassereimer
Sich bewegen dreißig Fische,
Hundert sollen es noch werden.

Aber in der Morgenstunde
Ward der Wolf vom Fuchs verspottet:
Sind nun hundert Fische drinnen,
Zieh hinauf den Schwanz, den langen!

Aber Isegrimm, verspottet,
Zwar begann vor Wut zu kochen,
Doch die Hitze seines Zornes
Nicht vermocht das Eis zu schmelzen.

Also, wollte er entkommen,
Mußte er das Schwänzchen lassen.
So verlor der Wolf sein Schwänzchen,
Ließ zurück den Schwanz im Eisloch!



ELFTER GESANG


Reinhard kam zu einem Kloster,
Darin waren Barfuß-Mönche,
Da im Hofe Hühner lebten,
Leckere gebratne Hühnchen!

Reinhard leis trat in den Hof ein,
In der Mitte war ein Brunnen,
Reinhard schaute in den Brunnen,
Schaute er sein Bild im Spiegel.

Als er sah sein Bild im Spiegel,
Reinhard sprach zu seiner Seele:
Bist du das, o Geisterfüchsin,
Du Geliebte meiner Seele?

Und vor Liebe ein Verrückter
Sprang er in den tiefen Brunnen.
Schwamm er in dem finstern Wasser,
Saß auf einem harten Steine.

Isegrimm kam schwanzlos wandelnd
Aus dem Walde zu dem Kloster,
Trat er an den runden Brunnen
Und erstaunte sehr, der Dummkopf.

Isegrimm sah in den Brunnen
Und er sah sein Bild im Spiegel,
Dachte, das sei Gieremunde,
Seines Lebens Ehegattin.

Und er ward verrückt vor Liebe
Und erzählte seinem Weibchen,
Wie er seinen Schwanz verloren
Und wie übel sei die Welt doch!

Heulend Isegrimm hinabrief
In den tiefen finstern Brunnen
Und das Echo gab ihm Antwort,
So als heulte Gieremunde.

Reinhard Fuchs sprach aber flüsternd
Aus dem Abgrund dieses Brunnens,
Da sprach Isegrimm, der Dummkopf:
Sag bist du das, Bruder Reinhard?

Reinhard sagte: Meine Seele
Hörst du, tot ist schon mein Körper,
Ich bin schon im Himmelreiche,
Siebten Himmels Paradiese!

Aber dich muß ich bedauern,
Du lebst noch auf dunkler Erde.
Ich bin schon im Paradiese,
In dem Liebesparadiese!

Hier bin ich ein weiser Lehrer,
Und die ungebornen Kindlein
Sind die Schüler meiner Schule,
Lernen hier die Weisheit Gottes!

Hier ist solche süße Freude,
Solche süßen Paradiesfraun!
Dichter können das nicht sagen,
Wie glückselig ist die Liebe!

Da sprach Isegrimm, der Dummkopf:
Bruder Reinhard, Gieremunde
Seh ich auch im Paradiese
Bei dir, deine süße Freundin!

Wie kommt meine Gieremunde
Zu dir in den Garten Eden?
Gieremund im Liebeshimmel
Lebt mit dir im Paradiese?

Aber warum ist ihr Haupthaar
So verbrannt und so geschoren
Wie von Güssen heißen Wassers,
Wie von nassen Feuerfluten?

Reinhard sagte zu dem Dummkopf:
Das tat nur das Fegefeuer,
Das kannst du bei mir auch sehen,
Hat doch Feuer uns gereinigt.

Weißt du nicht, mein frommer Bruder,
Daß die Gläubigen als Tote
Müssen durch das Fegefeuer?
Christus reinigt ihre Seelen!

Gieremund und Bruder Reinhard
Brannten in dem selben Feuer,
Droben in dem siebten Kreise,
Dort wird Sinnlichkeit gereinigt.

Reinhard sprachs, doch wollt er wieder
Aufwärts aus dem finstern Brunnen,
Sprach zu Isegrimm, dem Narren,
Solche Worte seiner Klugheit:

Hier sind lauter Edelsteine,
Gold und gläserne Kristalle,
Transparenter Jaspis, Jade,
Allerreinste Muschelperlen!

Und im Himmel warten Lämmer
Auf das Hochzeitsmahl des Lammes
Und die Trauben von dem Weinstock
Auf des Himmels Trinkgelage!

Wölfinnen sind in dem Himmel,
Schöner noch als Gieremunde!
Wölfinnen, die voller Liebe
Warten auf des Wolfes Liebe!

Isegrimm sogleich verlangte,
In das Paradies zu kommen.
Reinhard sprach zum Wolf, dem Narren:
Setz dich oben in den Eimer.

Bruder Reinhard aber unten
Setzte auch sich in den Eimer.
Isegrimm fuhr rasch hinunter,
Reinhard Fuchs fuhr eilends aufwärts.

Die sich in der Mitte trafen,
Wechselten die Worte also:
Wohin fahr ich? sprach der Dummkopf.
Sprach der Schlaue: In die Hölle!

So kam Reinhard Fuchs nach oben,
Wandelte zurück zum Walde.
Isegrimm im Höllenschlunde
Litt sehr große Seelenqualen!

Aber als die Barfuß-Mönche
Singend kamen zu dem Brunnen,
Sahen sie den Wolf, den Narren,
Zogen ihn die Mönche aufwärts.

Zogen ihn die Mönche aufwärts,
Um ihn tüchtig durchzuprügeln,
Ihn wie Straßenköter tretend,
Jagend ihn aus ihrem Kloster.

Isegrimm zu seinem Weibchen
Gieremunde kam voll Jammer:
Gieremunde, Gieremunde,
Wem denn schenkst du deinen Körper?

Gieremunde, Gieremunde,
Reinhard Fuchs hat mich betrogen!
Gieremunde, Gieremunde,
Reinhard Fuchs ist mein Rivale!



ZWÖLFTER GESANG


Isegrimm zu Gieremunde
Sagte: Warum weinst du, Weibchen?
Schenke deinen lieben Körper
Nur nicht mehr dem Bruder Reinhard!

Gieremunde aber klagte:
Ach wie leb ich ohne Liebe!
Mir verleidet ist das Leben
Ohne den Genuß der Liebe!

Wehe, wehe mir, mein Männchen,
Ist mein Männchen ohne Schwanz nun!
Was soll schwanzlos mir mein Männchen?
Ach wie krank bin ich vor Liebe!

Also klagte Gieremunde.
Isegrimm verzweifelt eilte
Zu dem faulen Lager Reinhards,
Wo er lag in süßer Faulheit.

Aber von dem Liebeswettstreit
Hörte nun ein Luchs, ein junger.
Ihn betrübte dieser Wettkampf,
Hatte doch der Luchs zwei Väter,

Pries den Wolf als seinen Vater,
Pries den Fuchs als seinen Vater.
Traurig sprach der Luchs, der junge,
So zu Isegrimm, dem Wolfe:

Isegrimm, mein Wolf und Vater,
Was verklagst du meinen Vater
Reinhard Fuchs, den Patenonkel,
Meinen frommen Patenonkel?

Ich bin doch vom Wolfsgeschlechte
Und bin auch vom Fuchsgeschlechte.
Sag, worüber ihr euch streitet,
Und ich werde euch versöhnen.

Isegrimm dem Luchs gab Antwort:
Vieles wäre da zu sagen.
Höre meiner Klagen Rede,
Was mir Reinhard Fuchs getan hat.

Heute muß ich schwanzlos schleichen,
Wolf bin ich, doch fehlt der Schwanz mir.
Auch mein Weibchen Gieremunde
Nahm sich lustvoll Bruder Reinhard.

Wäre schuldig Reinhard Fuchs auch
Am Verluste meines Schwanzes,
Könnte ich ihm noch verzeihen,
War ich schon des Schwanzes müde,

Aber daß der Bruder Reinhard
Meinem Weibchen Gieremunde
Sich genaht auf ihrem Lager,
Das kann ich ihm nicht verzeihen!



DREIZEHNTER GESANG


Isegrimm kam mit der Menge
Seiner wilden Weggefährten.
Einen Teil will ich besingen,
Wenn auch ohne Wappenschilde.

Dort der Elefant, der dicke,
Dort der Elch mit dem Geweihe,
Beide schienen Reinhard Riesen,
Größer noch als selbst die Berge.

Dort die Hirschkuh mit dem Hirsche,
Randolf war des Hirsches Name,
Beide Isegrimm befreundet,
Königlich im Walde lebend.

Braun der Bär und auch das Wildschwein,
Die mit Isegrimm befreundet,
Alle großen starken Tiere
Waren Isegrimm befreundet.

Aber Reinhard nahm zum Freunde
Grimmbart, der ein kleiner Dachs war,
Keiner wich je von dem andern,
Freunde bis zu ihrem Tode.

Dort der Hase auch, der sanfte,
Dort beredsam Vater Konrad
Und viel andre kleine Tiere,
Ich kann sie nicht alle nennen.

Isegrimm, der sich bedachte,
Brachte nahe einen Köter,
Reize war des Köters Name,
Den der Wolf herbeigebracht hat.

Bei den Zähnen dieses Köters
Sollte Reinhard Fuchs beschwören,
Daß er schuldig nicht der Untreu
Mit des Wolfes Ehegattin.

Kam der Rat von Braun, dem Bären,
Das vernahm mit Ohren Reinhard,
Der da kannte viele Listen
Wie der listige Odysseus.

Grimmbart sprach, der Dachs, zu Reinhard:
O mein liebster Patenonkel,
Reinhard, hüte dich vor Reize,
Hüte du dich vor dem Köter!

Denn dort liegt er, tut als schlief er,
Aber wenn du vor ihm wandelst,
Beißt er doch mit scharfen Zähnen.
Ungesund wär diese Lehre.

Aber nun der junge Luchs sprach:
O mein Patenonkel Reinhard,
Schwöre bei des Köters Zähnen,
Reize soll es uns bezeugen,

Daß du meinem lieben Vater
Isegrimm nicht nahmst das Weibchen,
Seine Gattin Gieremunde
Nicht umworben hast in Liebe!

Reinhard sprach zum Dachs, zum Luchse:
Wär die Welt so voller Treue,
Wie ich treu doch stets gewandelt
Vor dem Gotte meiner Liebe!

Aber wisst ihr, was ich schaute?
Reize ist nicht tot, er lebt noch,
Lieber will ich rasch enteilen,
Reize soll mich nicht zerbeißen.

Reinhard also floh zum Walde.
Und die großen Tiere sprachen:
Seht, geflohn ist Bruder Reinhard,
Brach mit Gieremund die Ehe!



VIERZEHNTER GESANG


Isegrimm lief eine Strecke
Fort, ihm folgte Gieremunde,
Gieremunde wollte strafen
Ihren Freund und Bruder Reinhard,

Wollte ihren Freund und Bruder
Von dem Köter beißen lassen,
Isegrimm, dem Wolf, zur Freude,
Ihrem anvertrauten Männchen.

Reinhard wusste wohl, was lecker
War und was dem Fuchse mundet
Und er schlug den Schwanz des Fuchses
Durch den Mund der Gieremunde.

Bien-aimée, o Vielgeliebte!
Rief er lachend, eilte eilends
In die Burg, wo er zuhause,
Dieses war ein schönes Dachsloch.

Da erfrischte Bruder Reinhard
Seinen Körper durch die Ruhe.
Herrin Gieremunde aber
Eilte gleichfalls zu dem Dachsloch.

Herrin Gieremunde aber
War inzwischen dick geworden,
Stecken blieb sie in dem Eingang,
Blieb im engen Eingang stecken.

Reinhard durch den Hinterausgang
Eilte lachend aus dem Dachsloch,
Nahte aber seiner Herrin
Gieremund von hinten wieder.

Gieremunde bot den Hintern
Seinen Augen dar, er lachte:
Hochgebenedeiter Hintern!
Und so hat er sie besprungen.

Gieremunde biß im Eifer
In die Steine auf der Erde!
Da kam Isegrimm, das Männchen,
Isegrimm war voll des Zornes!

Rasch entwich der rote Reinhard!
Isegrimm mit seinen Söhnen
Griff nach Gieremunde, zog sie
Eilends aus dem engen Loche.

Herrin Gieremunde sagte:
Reinhard Fuchs hat mich betrogen!
Aber Reinhard nahte wieder,
Sagte: Ich bin ohne Sünde!

Meine allerliebste Freundin
Wollte selbst in meine Höhle,
Blieb ihr Bauch im Eingang stecken,
Hieß ich herzlich sie willkommen!

Aber Isegrimm, das Männchen,
Sprach zum Weibchen Gieremunde:
Sind wir schon im zehnten Jahre
Unsres treuen Ehebundes.

Nun hat Reinhard uns verspottet!
Ach dass er uns Freund geworden!
Wahrlich, was für eine Freundschaft,
Ist der eine ein Betrüger!

Gattin Gieremunde weinte,
Isegrimm, der Gatte, weinte,
Auch die beiden wilden Jungen
Weinten jammernd: Wehe, wehe!

Reinhard Fuchs sprach zu dem Wolfe:
Willst du weggehn, Freund und Bruder,
Dann laß bei mir Gieremunde,
Mög sie immer mich bedienen.



FÜNFZEHNTER GESANG


In dem Lande herrschte Frieden,
Da der König Frevel herrschte,
König Frevel, Löwen-König,
König aller wilden Tiere.

König Frevel war der Richter
Aller Tiere im Gerichte,
Aber selbst ein Ungerechter,
Darum hieß er König Frevel.

Aber krank ward König Frevel,
Krank ward er an seinem Geiste.
Wie das kam, das will ich sagen,
Will die Wahrheit nur berichten.

Kam er einst zum Ameis-Volke,
Sprach er zu dem Ameis-Volke:
Nicht die Ameis-Königinne,
Sondern Ich bin euer Herrscher!

Doch das Ameis-Völkchen fleißig
Treu blieb seiner Königinne,
Folgte nicht dem König Frevel,
Diesem ungerechten Herrscher.

König Frevel führte Krieg nun
Gegen das verhasste Völkchen,
Er zerstörte ihre Burgen
Und erwürgte ihre Krieger.

Dann vondannen zog der Herrscher.
Lag die Ameis-Burg in Trümmern.
Sah die Ameis-Königinne
An die Trümmer voller Jammer!

Wehe, wehe dir, mein Völkchen!
Aber Gottes ist die Rache!
Ich will deine Not vergelten
An dem ungerechten Herrscher.

Und die Ameis-Königinne
Schlich sich zu dem König Frevel,
Welcher schlummerte im Dickicht.
Sann die Königin auf Rache:

Wenn ich König Frevel beiße,
Wenn ich beiße ihn zu Tode,
Kann ich diese große Beute
Nicht in meine Burgen schleppen.

Kroch die Ameis-Königinne
In das Ohr des Königs Frevel,
In das Ohr des Löwenkönigs,
Quälte ihn als kleiner Quälgeist.

Fortan quälte König Frevel
Schrecklich allerschlimmstes Kopfweh,
Rief er immer: Wehe, wehe!
Weh den Ungerechtigkeiten!

Denn zur Strafe meiner Sünden
Quält mich diese böse Krankheit!
Aber heute tu ich Buße,
Werde ein gerechter Richter,

Werde ein Gericht berufen,
Werde richten über Reinhard,
Reinhard Fuchs will ich bestrafen,
Reinhard an den Galgen hängen!



SECHZEHNTER GESANG


König Frevel zum Gerichte
Lud die wilden Tiere alle.
Braun der Bär kam angelaufen,
Isegrimm mit Gieremunde,

Aus den Wäldern kam das Wildschwein,
Kam der Hirsch mit seiner Hirschkuh,
Kam der Gepard und der Panther,
Antilope und Gazelle,

Kam das Hermelin, das Wiesel,
Kam die Katze und das Mäuschen,
Das Kamel und die Giraffe
Und der Elefant, der dicke,

Und noch viele andre Tiere.
Und als letzter nahte Grimmbart,
Grimmbart Dachs, der kleine treue
Patensohn des Onkels Reinhard.

Braun der Bär hob seine Stimme:
Reinhard Fuchs will ich verklagen!
Isegrimm, dem Wolf und Gatten,
Riß er ab den Schwanz, den langen,

Und entheiligte die Ehe,
Lag im ehelichen Lager
Bei der Gattin Gieremunde,
Schlimme Sünde zu verüben!

Isegrimm hob seine Stimme:
Ach ich ärmster aller Wölfe!
Habe meinen Schwanz verloren
Und die Unschuld meines Weibchens!

Auf den Schwanz kann ich verzichten,
Aber wer stellt her die Unschuld
Und die Reinheit meines Weibchens,
Unschuld meiner keuschen Wölfin?

Da hob Grimmbart seine Stimme:
Hört mich an! Mein Patenonkel
Reinhard Fuchs ist ohne Sünde
An des Ehebruches Frevel!

Denn die Wölfin Gieremunde
Ist viel stärker doch als Reinhard,
Wenn er ihr nun beigelegen,
So nur weil sie selbst es wollte.

Aber selbst wenn er gesündigt,
Mein geliebter Patenonkel,
Ich, sein Patensohn, ich nehme
Auf mich des Gerichtes Strafe.

Ich will alle Strafen tragen,
Weil ich meinem Patenonkel
Das Geschenk der Taufe danke,
Sagte Grimmbart Dachs, der kleine.

Ranholt Hirsch hob seine Stimme:
Reinhard Fuchs sei hergerufen,
Komme er in sieben Tagen,
Wird das Urteil dann gesprochen.

Aber hört auch meine Meinung:
Reinhard Fuchs verdient das Urteil,
Das zu Tode ihn verurteilt,
Hängt ihn auf, den Übeltäter!



SIEBZEHNTER GESANG


Vorm Gericht des Königs Frevel
Trat der Hahn auf, Schantekleros,
Mit der fetten Henne Pinte
Und mit einem toten Küken!

König Frevel, Löwenkönig!
Schantekleros hob die Stimme:
Diese meine süße Tochter,
Reinhard hat sie totgebissen!

Und der Vater Schantekleros
Klagte: Meine süße Tochter!
Und die Mutter Henne Pinte
Klagte: Meine liebste Tochter!

Braun der Bär war aber Priester,
Trug zu Grabe nun das Küken:
Staub zu Staube werde wieder,
Asche werde wieder Asche!

Und sie senkten in der Erde
Grab hinab das tote Küken.
Braun der Bär, der Priester, sagte:
Gott, schenk ihr die Auferstehung,

Auferstehung von den Toten
Und Glückseligkeit des Himmels!
Laß sie schauen, Gott, dein Antlitz,
Leben in dem Paradiese!

Und so trugen sie zu Grabe
Dieses arme tote Küken,
Legten auf den Sarg, den kleinen,
Eine feuerrote Nelke.

Auf dem Grab der sanfte Hase
Aber süß war eingeschlafen,
Bis das laute Glockenläuten
Auferweckte ihn vom Schlafe.

Hob der Hase seine Stimme:
Ich sah in dem Traum prophetisch
Dieses kleinen Kükens Seele
Aus dem toten Körper steigen

Und zum Himmelsmonde fliegen
Und am Meer der Ruhe ruhen,
Seinen Seelenfrieden finden,
Eine Selige des Himmels!

Und die wilden Tiere alle
Knieten nieder an dem Grabe
Vor des Kükens Knochenresten
Und vereinten zum Gebet sich:

Vielgeliebtes Küken, heilig
Bist du in dem Himmelreiche,
Bitte du für unsre Seelen
Und verzeihe Bruder Reinhard!



ACHTZEHNTER GESANG


Grimmbart Dachs ward ausgesendet,
Reinhard zum Gericht zu laden.
Grimmbart sollte sein der Bote,
Obs ihn auch das Leben kostet.

König Frevel sprach zu Grimmbart:
Botenlohn soll Reinhard geben
Dir, dein lieber Patenonkel,
Wenn du rufst ihn zum Gerichte.

Alle wilden Tiere lachten
Über Grimmbarts Seelenängste,
Aber Grimmbart war voll Kummer,
Denn er zitterte um Reinhard.

Grimmbart Dachs ging durch die Wälder,
Kam zu seinem Patenonkel.
Nun vernehmt das fromme Märchen
Von des Fuchses Reinhards Rache!

Reinhards Burgtor nahte Grimmbart.
Reinhard freute sich von Herzen,
Als er sah das Patensöhnchen,
Lachte: Grimmbart ist gekommen!

Grimmbart ist zu mir gekommen!
Sei willkommen, Patensöhnchen!
Sag mir, was sie an dem Hofe
Frevels lästern über Reinhard.

Grimmbart Dachs sprach so zu Reinhard:
König Frevel voll des Hasses
Droht dir, liebster Patenonkel,
Will dich hängen an den Galgen!

König Frevel dir gebietet,
Daß du wegziehst in Verbannung
Und vereinsamst im Exile,
Oder du kommst an den Galgen!

Kommst du aber zum Gerichte,
Wird dich Isegrimm verklagen
Und die wilden Tiere alle
Sprechen dir das Todesurteil!

Reinhard Fuchs zu Grimmbart sagte:
Ich verlasse nicht die Heimat,
Nein, ich laß mich nicht verbannen
Aus dem Vaterlande Deutschland.

Und sie setzten sich und aßen,
Aßen gut und aßen lecker,
Reinhard auch genoß die Trauben
Mit dem roten Traubenblute.

Nach der Mahlzeit an dem Tische
Hat sich Reinhard Fuchs erhoben,
Ging in seine Kleiderkammer,
Setzte auf die Pilgerkappe

Mit der Muschel an der Kappe,
Zog sich an den Purpurmantel,
Nahm den Beutel eines Arztes,
Kräutermedizin und Pillen.

Und er ging als Geisterheiler,
Klug durch Überlieferungen
Der Chinesen alten Zeiten,
Die die Meister sind der Heilkunst.

Trug die Pillen in dem Beutel
Und den Stab in seiner Rechten,
Sich zwei Schlangen wanden feurig
Um den Stab, der Heilkunst Zeichen.

Reinhard mit dem Patensohne
Zog nun durch die dunklen Wälder.
Reinhard schlug das Kreuzeszeichen:
Gott bewahre uns vorm Bösen!



NEUNZEHNTER GESANG


Reinhard kam zu König Frevel,
Sagte: Majestät der Krankheit!
Ich, der Heiler, bin gekommen,
Dich vom Übel zu erlösen!

König Frevel zornig brüllte:
Ah die Schmerzen sind so grausam!
Wie willst du den König heilen
Von dem Übel seiner Krankheit?

Reinhard Fuchs hob seine Stimme:
Weise Männer der Chinesen
Lehrten mich geheime Heilkunst,
Die ist nur für Eingeweihte.

Iß nur ein gebratnes Hühnchen!
Weißes Brot dazu und Sauce.
Nimm du als gebratnes Hühnchen
Henne Pinte dir als Mahlzeit!

Dann bereite Medizin ich,
Brauch dazu den Meisenschnabel!
Den zerreibe ich zu Pulver,
Das wird aufgelöst in Wasser.

Weiter brauch ich Rabenfedern!
Denn mit schwarzen Rabenfedern
Und den spitzen Federkielen
Stech ich Nervenknotenpunkte.

Dann brauch ich das Fell der Katze!
Mit dem Fell dich einzureiben,
So elektrisch und magnetisch
Deine Energie zu stärken.

Dann brauch ich das Glied des Wolfes!
Denn aus seinen Mannessamen
Ziehe ich die Lebenskräfte,
Deine Kraft in dir zu stärken.

Dann musst du den Kopf rasieren
Braun dem Bären, dass der Priester
Mit der Mönchsfrisur nach Russland
Pilgere, dort für dich bete!

Also lehrte Bruder Reinhard
Altertums Chinesenweisheit
Eingeweihter Heilungskünste.
König Frevel glaubte alles.

Aber all die wilden Tiere
Flohen eiligst von dem Hofe!
Hatten alle Todesängste,
Hatten Angst vor Gottes Strafen!



ZWANZIGSTER GESANG


Reinhard flüsterte zu Grimmbart:
Ich weiß nicht, ob König Frevel
Je gesund wird von der Heilkunst,
Doch vollbracht ist meine Rache!

Fliehen wir, mein Patensöhnchen,
Vor dem Zorn des Königs Frevel!
Also zog der Patenonkel
Mit dem Patensohn vondannen.

Einsam wandernd auf dem Wege
Patensohn und Patenonkel,
Priesen Gottes Größe, priesen
Unsre Liebe Frau Maria.

So zuende geht das Märchen,
Das ich still für mich gesungen,
Um in großen Liebesleiden
Mir ein Lächeln zu bereiten.

Ja, ich glaube auch wie Dante:
Komm ich in den Himmel Gottes,
Grüßen mich die schönen Engel
Liebevoll mit meinen Versen!

Ich begehr von meinem Gotte
Jesus Christus nur das Eine:
Daß ich einst im Paradiese
Singen dürfe für Maria!

Unsre Liebe Frau Maria
Wartet auf dem Morgensterne,
Leb ich auf dem Morgensterne,
Trage ich der Schönheit Krone,

Singe ich als Liebessänger
Unsre Liebe Frau Maria!
Gott verzeih mir alle Sünden,
Jesus meiner sich erbarme!


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