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SONETTE DER EINSAMKEIT

Von Peter Torstein Schwanke

„Liebe und Einsamkeit,
Liebe und unstillbare Sehnsucht
Sind die Mütter der Kunst.“
(Hermann Hesse)


ERSTER TEIL

(Frühling und Herbst 2000)


ELEGIE

1

Ach, meine Freunde werden von mir gehen,
Ich bleib allein, in leerer Einsamkeit,
Nach einem neuen Freunde auszusehen
Und traurig zu beweinen meine Zeit!

Wem soll ich nun die Seele anvertrauen
Und meines Lebens stetes Liebesleid?
Wem schwärm ich von der Schönheit holder Frauen?
Beweinen wird ich traurig meine Zeit!

Wer weist im Labyrinth mir rechte Pfade
Und macht mir Hoffnung auf die Herrlichkeit?
Wer sagt mir zu mit Liebe Gottes Gnade?
Allein bewein ich traurig meine Zeit!

Wer tröstet mich, wenn ich mein Los bewein?
Ich bin mit Gott, dem Tröster, ganz allein!


2

Ob ich nun englischen Sonetten lausche
(Verliebter Schäfer süße Frühlingslieder),
Ob ich mich an dem roten Wein berausche
Und such Vergessen in dem Kelche wieder,

Ob ich der melancholischen Musik
Lausch mit der Melodie und vollem Reim,
Ob ich die Bilder schau mit stillem Blick
Und träume in der dunklen Nacht daheim,

Ob ich auch Klagelieder mit dem Stift
Auf die geduldigen Papiere schreibe,
Ob ich gar lese in der Heiligen Schrift
Von Gottes ewiger Heiligkeit – ich bleibe

Gefangen in der dunklen Traurigkeit,
In Trübsal, Elend, Weh, Not, Schmerz und Leid!


3

O Gott! Ich will zu dir mich wenden im Gebet:
Ich habe große Angst vor großer Einsamkeit,
Ich fürchte mich vor übermäßig schwerem Leid,
Daß es mit schwarzem Sturm mir durch die Seele weht!

Vorüber zieht das Lied, das klagte der Prophet
Umsonst, denn unberührt bleibt meine Seele weit
Entfernt davon und klagt in ihrer trübsten Zeit
Mit eignen Worten dir (ich bin doch dein Poet).

Das irdisch-unvollkommne Auferstehungsleben
Zu leben, Ewiger, ist dein heiliges Gebot,
Du mögest mir dazu auch neue Kräfte geben;

Sonst sehne ich mich wieder nach dem Bruder Tod
Und nach den Tröstungen, die meine Seele weben
In ewige Glückseligkeit nach dieser Not!


VON SHAKESPEARE

Ist mir das Glück nicht gnädig und bewein
Mein Schicksal ich als Ausgestoßener,
Ruf ich den Himmel an mit meinem Schrein
Und fluch, mich sehend, meinem Schicksal sehr!

Ich wollte sein wie einer, reich im Hoffen,
Gewandt wie er, mit Freundeskreis hienieden,
Ihm stehen Kunst und Horizonte offen,
Er wär mit meinem Besten nicht zufrieden.

In dieser Träumerei mich selbst verachtend,
Denk ich an Dich – und wie der Lerchen Chor
Beim Sonnenaufgang von der Erde lachend
Bin ich und singe süß am Himmelstor –

An Deine Liebe denkend, die ich fand,
Tausch ich mit Königen nicht meinen Stand!


AN DIE NACHT


1

Die Sonne grüßt mich, doch mein Herz ist weh,
Mich lassen fromme Jubellieder kalt,
Denn mir ertrank das Glück im Seelen-See,
Da eine Nymphe lieblichster Gestalt
Mein Herz mit ihrem Arm hinunterzog
Und nagelte an den Korallenwald
Mir meine Seele, die einst himmlisch flog
So wie die Sonne im Zenit mit Schwingen
Des hellsten Geistes. Doch die Zeit betrog
Mein Herz, das kann nun nichts als traurig singen
Und Blut verströmen. Und kein Trost kommt sacht,
Und keine Liebe will mir mehr gelingen
Als die, nach der mein Herz im Elend lacht:
Deck mich mit schwarzem Mantel, Mutter Nacht!


2

Die große blaue Nacht der lichten Sterne
Und mit dem milden Mondenangesicht
Ist fern von mir in silberblauer Ferne.
Ich sehne mich nach ihrer Tränen Licht
Und nach des Taues Tropfe rein kristallen.
Ich schmiegte mich in ihren Mantel dicht,
Sie ließe ihre schwarzen Haare fallen
Und küsste mit der Feigenlippe mich
Und ließe ihren weißen Busen wallen
Mit voller Milch des Trostes mütterlich,
Die mundet mir wie Mondes milder Mohnwein,
Und trunken wär vor linder Liebe ich
Und küsste ihres Silberschmuckes Mondstein
Und flösse hin in ihrer Augen Mondschein!


KINDHEIT

1

Die Nebelschwaden lagen über Hage
Und melancholisch troff der Regen nieder
Wie eine lang geweinte Todesklage
Und schwarze Schwäne sangen ihre Lieder.

Mein Vater wäre Zimmermann geworden
Und meine Mutter fromme Sängerin,
Gings nach dem Schicksal. Hoch im grauen Norden
Erblickte ich das Licht der Welt – Ich bin.

Dann lag ich in dem Garten, nah dem Wald
Von Berum, in dem Taufgewand aus Schnee.
Großmutter sah die liebliche Gestalt
Und lächelte aus ihrer Gnadenhöh.

Ich dank dir, Ewiger, daß du mich gemacht,
Aus Lehm des Tages und dem Hauch der Nacht.


2

O Baltrum, Perle aller Friesen-Inseln,
Dornröschen, aus der Nordsee aufgetaucht,
Ich sehe dich wie eine Perle blinzeln
Zum Monde, der das Lied der Heimat haucht.

Teestube mit dem Bibel-Porzellan,
Mit Apfelkuchen und mit Apfelsaft,
Du Aufenthalt am blauen Ozean,
Verträumt in deinem Schoß lag meine Kraft.

Strandburgen ihr mit Muschel-Namenszügen,
Ihr schwandet mit der Meeresfluten Rauben.
Ihr Möwen ihr in euren raschen Flügen,
Ihr wart nicht so vertraut wie Turteltauben.

Die Insel mein, ein blauer Kindertraum,
Ist meiner Seele Meerfrau ganz aus Schaum!


3

O Schwanenteich mit deinen weißen Schwänen,
Den Wappentieren Ritter Lohengrins,
Die singen Seligkeit im See der Tränen,
Das Boot der Seelen-Ewigkeit, sie ziehns.

Ihr Tauben mit ergötzlichem Geschnäbel
Und Girrn und Gurrn und Rucken ruhevoll,
Du weiße Seelenvogelschar im Nebel,
Ihr waret mein Orakel des Apoll.

Ihr Erpel und ihr Entenweibchen, wie
Naive Kreaturen ihr geschwommen
In treuer ehelicher Harmonie
Und habt den See zum Brautbett euch genommen.

Ich stand mit einem Mädchen, wir ein Pärchen,
Dreijährig, wie zuhaus in einem Märchen.


4

Das Schloß von Lütetsburg war distanziert,
In anonym-feudaler Herrlichkeit,
Es war in Wassers Mittelpunkt plaziert
In seiner märchenhaften Vornehmheit.

Vertraulicher war da der große Garten
Mit schlängelnden Kanälen, weißen Brücken,
Rosanen Rhododendren und aparten
Holzpavillons, der Freundschaft zum Entzücken.

Befreit vom Eise der Kanal im März,
Im Sommer gaben Schatten Haines Buchen,
Im Herbste reifte der Maronen Herz,
Im Winter war der Park im Schnee zu suchen.

Versetzt in einen Park aus China war
Dies meiner Kindheit Orient wunderbar.


5

Frau Kriemhild schaute aus der Kemenate,
Im Fenster sah ich ihren blonden Kopf
(Da stand die Tochter unsrer Nachbarn Pate)
Und ihren langen weizenweißen Zopf.

Und Siegfried badete in Drachenblut
Und ward gestählt bis auf das Blatt der Linde,
Auf daß der böse Hagen voller Wut
Die eine schwache Stelle Siegfrieds finde.

Da kam der Nibelungen große Not,
Dietrich von Bern in König Etzels Land,
Zerbeulte Helme, Männermord und Tod,
Den ich in meiner Kindheit grausig fand.

Es traf auf meine reiche Phantasie
Die Phantasie der großen Poesie.


AN EINE JUNGFRÄULICHE CHRISTIN

O Tochter Zion in dem fremden Land,
Da deiner Söhne Harfen tönten Leiden,
Gehängt in taubeperlte Trauerweiden,
Da niemand mehr den Weg zur Heimat fand,

Verloren ging hebräischer Verstand
Bei Babylonierinnen süd und seiden –
Jehudas Hirsche seufzten auf den Weiden
Nach einem Tropfen Tau aus Gottes Hand:

Und da kamst du, o Jungfrau! Von den Frauen
Jerusalems die Schönste, und so fromm,
Und kamst, ein Ende allem Leid zu machen,

Daß Jakobs Söhne einmal wieder lachen!
Dir konnt man Jakobs Trauer anvertrauen,
Weil dir im Herz der Geist des Ewigen glomm!


AN EINE SCHÖNE CHRISTIN

Ich komme aus dem Hohlraum tiefer Träume,
Da mir geblüht die Einsamkeit der Nacht,
Ich suchte Dichtergold im Schwermut-Schacht
Und in der Trauer blauer Blumen Keime.

Daher bin ich gekommen, mit dem Schatten
Um meinen Mund, der müd von Bitterkeit,
Und mit der Seele Sehnsucht und dem Leid
Des einsamen Elends komm ich aus der matten

Nacht. – Aber du bist wie die Morgenröte!
Des grünen Meeressternes weiße Taube
Dein Blick, dein Lächeln lieblich wie die Gnade

Des Höchsten. Du bist Schwester mir. Erlaube
Daß ich mein Herz in deiner Anmut bade
Und finde Trost für meines Herzens Nöte.


AN MEINEM FÜNFUNDDREISSIGSTEN GEBURTSTAG

Als ich zur Welt kam, war die Erde kalt
Und hüllte sich ins Totenhemd von Schnee,
Froststerne standen überm starren Wald
Und Einsamkeit lag auf des Nordens See.

Und heut (am Tag der heiligen Karina)
Besucht die Freundin mich im Sonnenschein,
Die Brüder gratulieren, und nach China
Werd ich geladen und an Vater Rhein.

Doch eine Kümmernis betrübt mein Herz,
Daß Sie, die ich so liebe, mich vergaß!
Da fühl ich wieder meines Schicksals Stern.

O Nacht, o Nebel, o vereistes Gras –
O Liebe, o mein Paradies so fern –
O Herr, du bist der Schmerz!


AN SANKT AUGUSTIN

Wie wühlt das nichtige Verlangen meines
Sterblichen Leibes nach den äußern Dingen,
Ich will sie alle fassen und will keines
Vermissen und will alle sie besingen:

Die Haare, Wimpern, Lippen, Arme, Brüste
Des Weibes, keinen Tag ihr Leib mir fehle,
Der schmerzt mich so, weil er verwehrt die Lüste
Und legt mir Toren Trübsal auf die Seele –

Die Seele, welche möchte gern die Reinheit
Der Weisheit und der Ruhe in der wahren
Vollkommnen Liebe schmecken so wie Wein

Des Lebens, will die süße Lust der Einheit
Mit unerschaffner Schönheit, deren Sein
Allein ist Hoffnung auf das Heimwärtsfahren.


SCHUBERT

Ich liebe seine wundervollen Lieder,
Die liebliche Piano-Poesie,
Die meiner Seele Süßes immer wieder
Bereitet mit der Minne Melodie,

Die so verherrlicht die Melancholie,
Die schwere Schwermut, die in Tiefen nieder
Die Seele treibt, daß in den Tiefen sie
Erhebt zu Seligkeiten das Gefieder.

Wie perlt der reine Ton, wie goldne Glocken,
Die klingen in den kühlen Kathedralen
Vollkommener Natur, wie perlt der Ton,

Wie Träume in des Winters weißen Flocken,
Wie eines Mädchens süße Augenstrahlen,
Wie Schwanenlieder vorm Mariensohn.


AN EINEN CHRISTEN

Der Schlaf läßt seine wirr verwischte Spur
Und Bilderchaos aus dem trüben Traum
Zurück, zerwühlt die seelische Natur
Tritt müd und traurig aus dem Innenraum,

Da die Gedanken sind wie schwarze Kreise,
Die trauriger Gefühle wie Spiralen
In Seelenabgrundtiefen treiben, leise
Die Tränen sich auf bleiche Wangen malen.

Mein Freund, sprich du mir nur von Erdnußbutter,
Egal wovon du sprichst, laß mich nur hören
Die Gottesliebe in der klaren Stimme

Und sag mir zu, wenn ich in Tränen schwimme,
Daß (sollst es mir bei Gottes Namen schwören)
Der Ewige tröstet mich wie eine Mutter!


WANN IST MEINE STUNDE?

In mir sind dunkle Tränen, traurig quellen
Sie in die tiefen Brunnen, welche rauschen
In meinen Seelentiefen, in den Zellen
Der bittern Honigwabe. (Seiden bauschen

In meinen Träumen sich.) O laß mich lauschen
Den weisen Worten, heiligen und hellen
(Trotz aller Nacht der Sünden) welche rauschen
An meiner Seele Saum wie weiche Wellen.

Laß, Liebe, in der Schönheit mich verschlungen
Zu Grunde gehn, ach, traurig gehn zu Grunde.
Laß, Liebe, mich mit süßen Engelszungen

Lobsingen, alle die Erinnerungen
Dir weihen, matt mit müdem Munde,
Der blutet. Ah weh, wann ist meine Stunde?


EINSAMKEIT

Im dunklen Raum beim roten Kerzenscheine
Hüllt meine Seele sich in Melodieen.
Zu kühl sind mir der Erde Sympathieen,
Ich bin mit meiner Träumerei alleine,

Gehüllt in dunkle Einsamkeit. Ich weine
Und möcht in wunderliebe Welten fliehen,
Da süßes Licht und Lust und Liebe blühen
Und Honig tropft und Milch und rote Weine

Und wo von weichen Armen warm umschlungen
Im Sonnenschein die Seele weiß zu schwärmen
Von Leidenschaft und heißer Gegenliebe!

Nun hat die Einsamkeit mich ausgewrungen
Und läßt mir mein Gemüt sich herbe härmen
Und meine Tränen tropfen trist und trübe.


AN EINE KATHOLISCHE JUNGFRAU

Nicht leben wissen und nicht sterben wissen,
Von gallenbittrer Einsamkeit umnachtet,
Ein Gras, von keiner Blume Stolz geachtet,
Als Heimat nur ein naßgeweintes Kissen,

Die wundervolle Liebe immer missen,
Das Dornenland hat unser Herz gepachtet
(Das Schicksal wills), und jeden Tag geschlachtet
Wie kleine Lämmer, welche bluten müssen –

Und keine Colombinen, Harlekine
Sind wir, nur Gottes leidende Poeten!
Viel schwerer als zu gehn zur Guillotine

Ist Leben tragen! Laß uns dichtend beten,
Wie Märtyrer, die singen die Terzine,
Wenn Gott sie opfert in den fremden Städten!


WELTFLUCHT

Der helle Tag schlägt so viel wehe Wunden
Mit seinen kalten herzensharten Leuten,
Die Undeutbar-Geheimnisvolles deuten
Mit schneidendem Verstand und alle Stunden

Das laute Lachen haben von Gesunden,
Die den zu Weichen mit der Härte häuten
Und lassen ihre tauben Schellen läuten
Und lassen lachend ihm den Wermut munden.

Mit dem Geschmack flieht er in die Kapelle:
Zu laut, zu deutlich singt man da, zu helle!
(O dunkler Gott, brich du des Lebens Brot!)

Geborgen ist er nicht im Kelch der Rose
Maria mit der Tränen Tau, im Schoße
Der Liebe nicht – ah weh ihm, nur im Tod!


BOTTICELLI

Zephyr und Aura wehten leicht im Lenz
Ans Land den Liebreiz einer reinen Venus:
Betörerin, du Zauber von Florenz!
Wie gab dein Bild für alle Zeit der Genius!

Und wie ein Feuer der Dominikaner
Savonarola kam, Florenz zu zeihen
Des Heidentums, der Wollust Ketzereien.
Doch von der Hand des Papstes starb der Mahner.

Der Maler aber malte das Gesicht
Der Schönsten als Madonna mit der Frucht
Vom Granatbaum (und offen lag der Kern).

Dann malte er das Göttliche Gedicht
Des Jenseits, aber vor der Höllenschlucht
Stand die Beweinung Christi, seines Herrn.


BLUMEN

Zwei welke lila Astern in der Vase:
Die Ältere wie ein gebeugter Mann
(Gebogner Halm wie eine Frauennase)
Und zärtlich schmiegt die Jüngere sich an

Und dennoch beide der Vergänglichkeit
Vom Schicksal dieser Tage unterworfen,
Behandelt von der Zeit wie Nichtigkeit
Und doch erhaben wie der Trauer Harfen.

Zwar kann der Vase Wasser nichts mehr geben
(Es wurde selbst im Gang der Tage Dunst)
Und Wurzeln fehlen und der Erde Nähren –

Was bleibt? Daß sie das dunkelschöne Leben
Aufopfern, hingegeben an die Kunst,
Darin wird ihre Schönheit sich bewähren.


AN EINE HEIMGEGANGENE JUNGFRAU

Als ich in meinen Leiden jener Kunde
Von deinem jähen Tod erschrocken lauschte,
Beneidete ich dein Geschick und tauschte
Im Traume meiner Nacht mit deiner Stunde

Des Sonnenaufgangs. Meiner Seele Wunde
Sich an dem Gift der Weltflucht süß berauschte,
Da schaute ich, wie sich dein Linnen bauschte,
Und pries dich selig mit dem wunden Munde

Und pries dich lebend unter den Erlösten
Und fühlte mich zugleich verloren, sehr
Verloren zwischen Menschen, die nicht trösten.

Und deine Stelle in der Welt war leer.
Und vor Vergessenheit die Menschen flößten
Mir Angst ein, Heilige! Mein Herz so schwer!


FRANZISKANISCHER LOBGESANG

O Schwester Herzerfreuerin, o Sonne
Mit deinem wunderlieben goldnen Lächeln,
O Schwester weiße Mondin, Balsambronne,
Mit deinem Schimmern, dem die Wolken fächeln,

O Schwester Galaxie im dunklen Schleier,
O Schwester Universum, tiefen Sinns,
Plejade und Asträa, Schwan und Leier
Mit deinem Lobgesang des Anbeginns,

O Schwester Eselin, bepackt mit Leid,
Du meine arme wunde Leiblichkeit,
O Schwester Seele (Christus hat dich gern!),

O Mutter Erde mit dem dunklen Schoß,
In dem ich werde meiner Leiden los,
O Mutter Todesstunde – Preis dem Herrn!


SAUL FLEHT UM MUSIK

Mein Haus ist mir so fremd, so schwarz die Nacht,
In mich frißt sich das Glück der Andern ein,
Gleichgültig schimmert nackter Lampen Schein,
Ich hab den Kelch mit Wermut umgebracht,

Die Plage steigt aus meiner Seele Schacht
Und wringt mein Leben aus, ich wein allein,
Benebelt und verblödet wollt ich sein,
Doch kenn ich meinen Schmerz, mein Elend wacht!

Einst werde ich mich stürzen in mein Schwert!
Durch meine Seele weht der kalte Wind
Der kalten Welt, ein Grauen durch mich fährt!

O liebe Seele, nimm die Leier lind,
Mein Herz so deiner Stimme Sang begehrt,
Wie einer Mutter Trost ein kleines Kind!


DER POET

Ich bin der Wahn, in der gesunden Welt
Zuhause nicht, bin unbehaust im Dasein
Des hellen Tages, der mir nicht gefällt,
Und will den wunderschönen Toten nah sein

Mit meiner Seele, die so zag und zart
Und hat so schwer zu tragen an der Schwermut.
Das ist nun einmal meine Art, die Art,
Die trunken wird von Schierling und von Wermut.

Ich gieße meine Tränen ins Poem,
So kann ich Trauer tragen – oder nicht?
Ich übersteh das Dasein im Gedicht,

Das mich bewahrt vorm tödlichen Verzicht
Aus dieses alles, dieser Welt Gewicht.
Ich stürbe - - - wem zuliebe bleib ich, wem?...


KANARISCHE MADONNA

Dies ist die Hymne der Maria Almah:
„Die Liebe führte mich in die Bodega,
Schwang die Bananenblätter von La Palma
Als Liebesbanner, sang wie Lope da Vega

Und ein Kanarienvogel unter Palmen
Und in den Bougainvilla Graja-Dohlen.
Der Nelke zwischen grünen Grases Halmen
Verglich er mich und hat mir gleich gestohlen

Mein Herz. Er nannte mich Marie vom Schnee,
Santa Maria auch von Santa Cruz
Und Lilie zwischen Kaktus und Agave

Und Muschel von Atlantis, an der See
In Lavasand gebettet. Meinen Fuß
Bedeckte er mit Küssen, fünfzig Ave.

Des Sankt Antonius Vulkan sein Weh,
Am Drachenbaume, seinem Herrn zum Gruß,
Aß er des Krebses Fleisch zu Ehren Jahwe!“



ZWEITER TEIL

(Februar 2005)


DER SEUFZER DES KUNG FU TSE

Die Menschen haben gerne ihre Sachen,
Die Dinge, die sie haben aus den Lädchen,
Sie schwatzen gern und hören gern das Lachen
Und Albern der vernarrten hübschen Mädchen.

Ist denn allein das Bücherlesen wichtig,
Des Geistes Flamme, tanzend auf dem Scheitel?
Spricht doch der Weise, ach, daß alles nichtig,
Daß Weisheit und Erkenntnis auch sind eitel!

Den Seufzer hört ich von Konfuzius,
Der wollte baden nur in einem Fluß
Mit Freundinnen und Knaben, perlenzarten.

Der er der Weisheit doch allein vertraute,
Er wollte nur in einem Frühlingsgarten
Ein Lied der Liebe spielen auf der Laute.


INDISCH

Wohl manchesmal versuche ich zu schlafen,
Um auszuruhn von meiner Traurigkeit,
Um auszuruhen in der Träume Hafen
Von all den wilden Stürmen dieser Zeit.

Dort scheinen Archetypen, Ideale,
Urphänomene, Geister und Ideen
In meines Herzens grünem Wäldersaale
Auf wilde Abenteuerfahrt zu gehen.

Da las ich doch im Buche Upanishade
Die Weisheit von des Menschen Seele, die
Im Tiefschlaf ohne Traum in Harmonie

Mit ihrer innerlichen Gottheit steht,
Die Seele ein in ihre Gottheit geht
Und Gottheit in der Gottheit wird aus Gnade.


EITELKEIT

Und glaubst du an die Schönheit von Gedichten,
Die Schönheit deiner Hymnen an die Mutter?
Nein, nicht einmal die Psalmen nachzudichten
Getraust du dich, das tat schon schöner Luther.

Und lächeln Frauen wie die Ewigkeiten?
Vergänglichkeit tanzt über ihrem Scheitel!
Willst du wie Weise um die Weisheit streiten?
Auch Weisheit und Erkenntnis, ach, sind eitel!

Ist alles sinnlos – wende dich zum Wein!
Der dunkle Bruder ist der höchste Tröster,
Er möchte dich mit Geist und Feuer taufen!

Ach, sinnlos alles – außer Wein zu saufen
Und als Betrunkener und Vollerlöster
Vom Ich erlöst ein Seliger zu sein!


LEIDEN

Das Dasein ist wie Blut und Schweiß und Tränen,
Das Dasein des Lebendigen heißt: Schmerzen!
Zu sterben ist allein dein ganzes Sehnen
Und auszuruhn an Gottes liebem Herzen!

Einst glaubtest du, daß Frauen dich erlösen,
Schien ihre Schönheit dir ein Paradies.
Doch alles was verkündet hat ihr Wesen
War Liebesleiden dir und Bitternis!

Zu tief gehörst du in der Leiden Nacht,
Ob du auch denkst, daß dich die dunklen Stunden
Der Nacht zum Weisen und zum Dichter machen,

Bist Opfer du der Nacht, da Tod dir lacht,
Nur Glaube bleibt, daß dir die Seelenwunden
Geschenkt sind, dir dein Eden anzufachen!


ROMANTISCHE DICHTERIN

O dunkle Psyche, voll der Schwermut Schmerzen,
Wie wandelst du im Schattenreiche trübe,
Mit süßester Romantik in dem Herzen,
Mit der Romantik blauen Todesliebe!

Wer selbst sich mordet mit der Wehgebärde
Der tödlichen Verzweiflung, ist gefallen
Im Horror vor dem Terror dieser Erde –
Doch voller Liebe in den Tod zu wallen...!

O Psyche, dabei warest du berufen
Als Hohepriesterin auf Tempels Stufen
Zur Sängerin der Weisheit aus dem Osten!

Den Becher hättst du tapfer sollen kosten!
Nun, tragische Gestalt der schönen Musen,
Das Wundmal ist zu sehn an deinem Busen!


CHINESISCH

Prinzessin, deine Haut ist kühl wie Eis
Und rein wie makellose weiße Jade,
Dein Antlitz ist von Schnee, die Augen heiß
Wie Meteore, voll der Liebe Gnade,

Dein Haar ist schwarz und fließet lang wie Seide,
Wie Porzellan dein Leib, wie eine Vase,
Dein Sommerkleid ist eine Augenweide,
Dein Schleier mich verzücket in Ekstase,

Dein schöner kleiner Mund ist erdbeerrot,
Schön deine Zähne wie Melonensamen,
Die Augenbrauen Fühler einer Motte,

Wie Jadegipfel, Schönste aller Damen,
Dein Busen, und dein Schoß – bei meinem Tod! –
Eisvögel küssen sich in deiner Grotte!


PERSISCH

Die Schönheit Laylas, schön wie schwarze Nacht,
War hochberühmt durch Medschnun, den Poeten.
Der Scheich jedoch sah Layla, sanft und sacht,
War nicht bereit, die Schöne anzubeten.

Der Liebende jedoch die Schönheit fand
Der Schönheit Gottes gleich! Und einsam büßte
Er abgöttische Liebe, schrieb in Sand
Die Reime seiner Liebe in der Wüste.

Der Schönheit gib dich hin, Idee und Liebe,
Weil wahr die Schönheit ist und schön die Wahrheit.
Was fragt nach Narrenbeifall Liebesnarrheit?

Verbirg dich, Lied, vor Lärm und Weltgetriebe,
Denn Ruhm ist eitel! In geheimer Feier
Frau Weisheit sing, die Gottheit in dem Schleier.


DIE SCHÖNHEIT

Die Schönheit lieb ich, Schönem bin ich treu,
Ich lieb allein die Schönheit in den Wesen.
An Schönheit und an Güte dich erfreu,
Dann bist du zu der Menschlichkeit erlesen.

Unschönes lasse nicht als schön bestehen,
Dem Hässlichen verschließ die innern Sinne.
Die Weisheit kann in Menschenherzen sehen,
Die Menschlichkeit hat für die Menschen Minne.

Des Edlen Wesen ist des Edlen Form.
Nimm von der Weisheit an der Schönheit Norm.
Die Ehrfurcht und die Menschlichkeit empfahl

Der Alten Kunst. Die ideale Kunst
Betrachtet nicht, was nichtig ist und Dunst,
Verewigt nur das Schönheitsideal!


KUNST

Die Zeitwelt dieser eitlen Nichtigkeit
Ist mir zuwider wie des Tages Helle.
Ich warte auf die Nacht gebenedeit,
Der Mondin Lächeln über meiner Zelle.

Die Venus von Urbino und Florenz
Und die Sixtina mit dem nackten Bub,
Der Hagia Sophia Evidenz
Und die geliebte Frau von Guadelupe,

Wahrhaftige Musik der Genialen
Und die unsterblich schöne Poesie
Und Weisheit und Gebet von Orientalen

Ist meine Welt der innern Harmonie,
Der innerlichen Seelen-Immanenz
Geliebter Gottheit reinster Transzendenz.


DER GELIEBTE KNABE

Bin ich der Vater auch, doch meine Seele
Ist heilige Marienkönigin,
Die Mutter und das Mädchen ohne Fehle,
Die Tochter Gottes mit dem stillen Sinn,

So nannte selbst im Jammer Jeremia
Vollkommne Schönheit Maid Jerusalem,
So ist in meiner Seele Maid Maria
Die Allerschönste, liebend angenehm.

Ist er der Knabe auch, ist seine Seele
Prinzessin, welche tänzelt durch den Lenz
Der Paradiesesgärten um Florenz,

Prinzessin in dem Schmucke der Juwele,
Prinzessin in der blumenzarten Seide,
Wie Mutter Erde eine Augenweide!


MARIA SPRICHT

Geliebter, manche Frau hast du geprüft
Und manchem wilden Tier bist du erlegen,
Als ihr uneinig beieinander schlieft
Und gingt gemeinsam auf verschiednen Wegen,

Hast manche angeschaut im Ideale,
Ätherische Ideen im Hauch von Schleier,
Und wolltest doch nur im Ideensaale
Zur Gottheit selbst als ein geliebter Freier!

Und wollte dir das Schicksal sie nicht geben,
Mit der du dich vereinigst zur Union,
Sei dennoch traurig nicht und tränentrübe,

Weil du als mein Geliebter und mein Sohn
Mir, der Madonna, schenktest all dein Leben,
Der Königin der Schönheit und der Liebe!


IHRE WIMPERN UND AUGEN

Madonna, deine Wimpern schön geschwungen
Sind lang, sehr lang, und schwärzlich oder braun.
Von deiner Wimpern Schönheit sanft durchdrungen
Bin ich verliebt in dich, du Frau der Fraun!

Und deine Augen sind so dunkel, warm,
Wie Feuer strömt aus ihnen eine Flut,
So liebevoll mit zauberischem Charme,
Wie schwarze Monde, voll der Minne Glut!

Sitz ich allein in meiner Seele Saale
Und sehne mich nach milder Mädchen Minne,
Bin ich allein geweiht dem Ideale.

Wer ist wie du geheimnisvoll und tief
Und wessen Liebe ist so intensiv,
Wie, dornenlose Rose, du mir inne!


LIEBE

Und wenn das Kind, das heilige, geliebte,
Mir offenbart die Seele der Natur,
Und ich, der alte Weise, der Betrübte,
Seh Christus in des Kindes Seele nur,

Und wenn die süße Liebe uns verbindet,
Die zuckersüße, liebend immerzu,
Glückselig ist, wer diese Liebe findet,
Denn diese süße Liebe, Gott, bist du!

Und wenn die Einsamkeit, die Mutter, kommt,
Der Weisheit Mutter, die der Seele frommt,
Und ist Madonna meine Seelenruh,

O Göttliche, o Mutter, meine Liebe,
Einsame Liebe in dem Seelentriebe
Zur Mutter schöner Liebe, das bist du!


VIERGE OUVRANTE

Prinzessin bist du, Unsre Liebe Frau,
Charmante Grazie dein Anmutwesen,
Vollkommne Schönheit, die ich selig schau,
Des Universums Göttin auserlesen!

In deinen Armen und an deinen Brüsten
Ruht meine Seele als wie sündenlos,
Und die geliebte Seele deines Christen
Nimmst du als Eigentum in deinen Schoß!

In deinem Mutterschoß, o Vierge Ouvrante,
Verwirklicht schöne Liebe sich, charmante,
Dreifaltigkeit erscheint in ihrem Thron:

Der Liebe Vater liebt der Liebe Sohn,
Der Sohn den Vater in der Liebe preist,
Vereint sind sie in süßer Liebe Geist!


DIE HIMMLISCHE MUSE

Hochheilge Schönheit, Minne mild und süß,
Ich suche nicht mehr nach antiken Musen
Im irdischen Gewand – im Paradies
Steh ich vor meiner Muse hohem Busen,

Von Reizen tausendfältig schön umhangen,
Dein Busen ist wie Schicksal und Gefahr
(Die Christen sagen Kreuz!) und schwarz umhangen
Bist du verschleiert schön vom schwarzen Haar!

Und herrscht im Erdenland auch grimmer Winter,
In deinem Paradiese nackte Kinder
Als Englein spielen in dem ewgen Mai,

In Eden um die Königin von Eden,
Die singend ich mit minnigen Gebeten
Umwerbend freie – von der Ehe frei.


ELEUSINISCHES MYSTERIUM

So lieb ich dich, o Mutter, einig Eine,
Der Menschheit Mutter, Gottheit Schöne Liebe,
O Himmelskönigin, du Allgemeine,
Du bist die Sehnsucht meiner Seelentriebe,

Geliebte Herrin, göttliche Sophia!
Ich lieb die Jungfrau, deine Tochter, sehr,
Die Braut, die sophianische Maria,
Sie ist die Herrin über meinem Meer!

O Liebe mütterlicher Süßigkeit,
Als Pate liebe ich das heilge Kind,
Das göttliche Marienkind, das liebe,

Das Kind, die Offenbarung in der Zeit,
Daß ich der Gottheit schönes Gleichnis find
In dem Geheimnis süßer Kinderliebe!


DAS MUTTERHERZ

Nun ruh ich am barmherzig warmen Herzen
Der Mutter, Kind an ihrem Mutterbusen,
Glückselig will ich meine Mutter herzen
Und singen ihr zum Saitenspiel der Musen!

Wie still ist meine Seele, ausgeglichen,
Am lieben Mutterherz der Ewigkeit,
Ich schau glückselig auf zur königlichen
Ikone ihrer Schönheit benedeit!

Wie schön bist du! Das sagen keine Worte,
Du Gottheit (Gott und Göttin), meine Liebe!
Heil dem Geliebten, Mutter, und dem Sohne!

In Weisheit spricht dein Geist an allem Orte,
Dein Herz wird offenbar in Menschenliebe,
Schönheit ist deines Angesichts Ikone!


DAS IDEAL

Ich habe die Geliebten all betrachtet,
Die Schönste selbst mit tiefer Sympathie,
Ich habe nichts gesehn – zu tief umnachtet!
Nun auftaucht aus dem Meer des Dunkels: Sie!

Geläutert ist des feinen Goldes Reinheit
In langer Nacht in Trübsals Feuerofen,
Die Schönen alle in der Schönheit Einheit,
Im Ideal, so sagen Philosophen.

Sophia in der Nacht dem Geiste naht,
Sie hält vor ihrer Brust das Weltenrad,
Natur und Geist ruhn aus an ihren Brüsten!

Dich malen könnte kaum ein Tizian,
Und ich darf dir mit meiner Liebe nahn?
Empfange huldvoll du die Huld des Christen!


SCHWARZE MUTTER

Was bin ich nicht in meiner Mutter Schoß
Geblieben, in der warmen Heimat Kammer,
Was riß ich mich von ihrem Schoße los,
Um einzutreten in die Welt voll Jammer?

Sich von der Mutter Schoß, der frommen Höhle
Und heilgen Grotte, nicht so recht zu lösen,
Das ist der Grund der Trauer meiner Seele,
Mein Heimweh dies und meiner Schwermut Wesen!

Drum Schwermutvolle, denen Welt nicht lacht,
Drum Schwermutvolle, denen Zeit ist bitter,
Drum Schwermutvolle, deren Trauer groß,

Sie sehnen sich zur schwarzen Mutter Nacht,
Madonnas Dreistuhl in dem Reich der Mütter,
Und durch das Grab in ihrer Gottheit Schoß!


[Inhalt]

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