[Inhalt]

Peter Torstein Schwanke

PERSISCHER DIWAN

„Wunderlichstes Buch der Bücher
Ist das Buch der Liebe;
Aufmerksam hab ichs gelesen...“
(Goethe)

(Herbst 2001/Herbst 2002)


ERSTER TEIL
ENIS ADJELIS

„Aus tausend Nächten wähl ich Eine Nacht: Ich bin
Verliebt in eine wunderschöne Perserin.“


In Bassorah der König - Allah hab Erbarmen -
Die Bettler liebte er, die Elenden und Armen,
Er herrschte in dem reichen blühenden Gefilde
Mit wahrer Güte und mit wundervoller Milde:
Der König Mohammed, der Sohn des Suleiman,
War mit dem Turban hoher Würde angetan.
Der König hatte zwei Wesire, die um ihn
Geschart zu allen Zeiten: Fadel und Muin.

Und Fadel war von einem reinen lautern Blut
Und einem freien, offnen Geist, sein Herz war gut.
Hartherzig war Muin und böse und verschlagen
Und bauernschlau und dumm, nicht auszusagen.
Er war der Bastard einer Hure, die ein Hund
Begattet hatte, treulos wie ein Vagabund,
Gezeugt von Flohbesitzern und verlausten Streunern,
In Schwarzer Messe Nacht von indischen Zigeunern,
Die sittenlos und brünstig wie die Hasen hoppeln.
Von seiner Bosheit zeugte seines Kinnes Stoppeln.

Und König Mohammed, der Sohn des Suleiman,
Sah voller Liebe den Wesiren Fadel an:
O Glaubensheld! ein Mädchen möchte ich besitzen,
Dem aus den Grotten dämmerblaue Augen blitzen,
Die schlankeste Zypresse, in der feinsten Seide,
Die Mädchentaille schlank wie eine Schleierweide,
Der Busen lieblich gleich geschwollnen Euphrats Welle,
Die Schenkel zitternd wie die Flanken der Gazelle,
Die Haut so rein wie in dem Bach das Mondenlicht
Und schöner als die Mondin selbst ihr Angesicht!
Sie möge freundlich sein, geschmackvoll und zutraulich,
An Leib und Herz und Seele sanft und süß und fraulich
Und mit der ganzen Schönheit unverwelkter Jugend,
Ein bunter Strauß von Blumen blütenreicher Tugend!

Da sprach die Schar von Dienern, die am Throne waren:
Ein solches Mädchen wird von zehntausend Dinaren
Kaum aufgewogen werden, o des Landes Zier!
Da gab der König die Dinare dem Wesir.

Am nächsten Morgen eilte gleich der gute Fadel,
Zu suchen eine Sklavin mit der Schönheit Adel,
Das allerschönste suchte er, das klügste Mädchen,
Ein Mondenangesicht in Seidenschleiers Fädchen,
Sie sei wie Sulamith dem Salomon, die Braune,
Sei eine Luna für des Völkerhirten Laune,
Sei eine Blume in der Anmut ihrer Glieder,
Ein Thema für Arabiens Nachtigallenlieder.

Die Sklavenhändler schickten tausende Agenten
Ins weite Land, die tausend schöne Frauen senden.
Die einen haben Augen groß und mondentauen,
Die andern haben sichelmondne Augenbrauen,
Die eine wie die Lilie des Mondes küsste,
Die andre hebt die Mondgranatenbrüste.
Doch keine war der Inbegriff der höchsten Wonne,
Des guten Königs wert, der schönsten Schönheit Sonne.

Doch eines Tages ritt gerade der Wesir
Des Weges, als ihn einer ansprach: O du Zier
Des Glaubens, du in deinem hohen Edelmut!
Ich fand der Schönheit Ideal in Fleisch und Blut,
Ich fand der Schönheit allerlieblichste Idee;
Schlank wie die Silberbirke an dem Flötensee,
Der Leib gebogen schön wie eine Schwanenleier,
Glühende Wangen unter brauner Haare Schleier,
Und Augen: Sterne blitzen durch den Abenddämmer,
Die Seelen schmelzen vor der Kerzen Glanzgeflämmer,
Und lieblicher als am verbotnen Wein zu nippen
Ist süß der Zuckertau der Dattelfeigenlippen!

Und der Wesir befahl dem Sklavenhändler gleich,
Die Grazie zu bringen in des Königs Reich,
Daß sie dem König spende allerhöchste Wonne.
Ah, ihre Schönheit machte schwarz die lichte Sonne,
Die lichte Mondin ging vor ihr in Sack und Asche!
Sie glühte wie der Wein in der smaragdnen Flasche,
Durchsichtig war das grüne Glas dem Feuerwein,
Im Schein der Augen glühte ihrer Seele Sein,
Erleuchtend allumher des Königreiches Dunkel
Mit ihrer Schönheit Glanz und ihres Blicks Gefunkel.

Und für die Perserin, die rosige und rare,
Bezahlte der Wesir die zehntausend Dinare.
Doch war sie mehr noch wert, die Mehrung allen Mehrern,
Die Allerlieblichste, die Lehrerin den Lehrern.
Die langen Locken röter als Rubin im Turban,
Die sanfte Stimme süßer als der Geist im Koran!
Der Balsam, der ihr tröpfelte von ihrem Munde,
Heilsamer als die Weisheit aller Heilungskunde!
Die Augenlichter, die wie Sternenflammen flogen,
Mehr offenbarten als der Geist der Theologen!
Wie eine Peri-Fee in einer Houri Leibe,
Mehr märchenhaft als aller Märchenschreiber Schreibe!
Des Mundes Lebensatem, duftend wie Reseden,
War spiritueller als der Weisen Weisheitsreden!
Bevor sie küsste mit der Lippen Morgenröte,
Auftönte schon vor Seligkeit die Jadeflöte!

Da sprach der alte Sklavenhändler zum Wesiren:
Mußt diese Sklavin nicht sogleich zum König führen.
Sie ist durch die Strapazen ihrer langen Reise
So matt an ihrem schönen Leib, da wärs nicht weise,
Die matte Schönheit deinem König schon zu zeigen,
Mußt erst, daß du sie ihm erworben, noch verschweigen.
Behalt sie von der Sichel bis zum vollen Mond
In deinem Haus, daß sie sich in der Ruhe schont
Und stärkt die schönen Glieder und erfrischt die Seele
In einer Wanne mit dem Bad der Rosenöle,
Da wird sie selbst ein Tropfen sein von Rosenöl,
Wie eine Rose von Rubin, wie ein Juwel,
Dann wasche ihre Jadeglieder ihr mit Tau
Und mit Gazellenmilch und hüll die bloße Frau
In einen Seidenschleier und Gewand von Gaze
Und bring dem König sie zu herrlicher Ekstase!

Da brachte der Wesir die junge Perserin
In seinen edelsteinernen Palast, da hin
Und her Eunuchenvolk und Mohrensklaven hasten
Und Dienerinnen an der Sklavin Glieder tasten
Und sie mit Aloe- und Myrrheölen salben
Das braune Haupt und alle Glieder allenthalben.
Da glänzte ihrer Schönheit mondengleicher Schimmer
Auf Perserteppichen im goldverzierten Zimmer.
Man brachte ihrem Gaumen braungeratnes Huhn
Und roten Wein in blauer Abendstunde Ruhn.
Und da sie lagerte im Kissen auf dem Lager,
Las man ihr Liebesverse vor der Liebesklager.
So ging bei Liebespoesie und Saitenspiel
Die Zeit der Sklavin hin in schönem Wohlgefühl.

Nun hatte der Wesire einen holden Sohn,
Schön wie der Vollmond, blühend wie der rote Mohn,
Des Augen wie des blauen Mohnes Blüten blicken
Und senden Licht wie Mondenschimmer zum Entzücken
Der Mädchen seines Landes und der jungen Schenken
Und auch die jungen Mütter sich darein versenken
Und sind betört, wenn er sich wie ein Baumzweig wiegt
Und sich an das Gekose lauer Lüfte schmiegt,
In seiner Anmut glänzend wie das reine Gold,
Das Haupt von rabenschwarzem Lockenhaar umrollt,
Das schöne Angesicht in wundervollem Glanze
Getragen auf des schlanken Leibes langer Lanze,
Sein ganzes Wesen Grazie und Honigsüße,
Ein Strom von Milch und Honig aus dem Paradiese.
Sein Herz so treu wie Diamant und fest und bieder
Und himmlisch zärtlich die Bewegung seiner Glieder.

Nun war die wunderschöne Perserin gerad
Mit ihren himmlisch-schönen Gliedern in das Bad
Gestiegen, um in lieblich duftenden Essenzen
Wie eine Blüte im Gekos der Luft zu lenzen.
Die holden Dienerinnen, allesamt Gazellen,
Begossen sie mit Rosenöl und warmen Wellen,
Das Blut ihr zu beleben, Woinne zu erregen
Und zu vermehren gar der Schönen Schönheitssegen.
Dann trat sie aus dem Bade mit dem bloßen Fuß,
Da reichte man ihr ein Gewand aus einem Guß,
Das war aus Seide Chinas und wie Gaze fein,
Mit Blumenmuster: Edelstein an Edelstein,
Das barg und offenbarte ihrer Schönheit Schimmer.
So trat die Sklavin ein in ihrer Herrin Zimmer.

Die Gattin des Wesirs begrüßte sie sogleich:
O wundervoll Gebadete, so anmutreich,
Ein wunderanzuschaun, ein Mond der Finsternis,
Gott hat dich reich gesegnet, Enis Adjelis!
Die Sklavin süßer Stimme sprach, nicht eine Närrin:
Gott mehre deine Seligkeit, o holde Herrin!
Und da empfand die Herrin ebenfalls Verlangen,
In warmes Wasser und in Rosenöl zu langen.
Da sprachen ihre Dienerinnen, lieblich lugend:
Das Wasser sehnt sich, Herrin, sehr nach deiner Jugend!

Da lag nun in den Kissen die vom Bad entzückte,
Verschönerte und mit dem Hauch von Kleid geschmückte,
So anmutvolle Sklavin ganz allein und ruhte.
Da kam der Sohn des Hauses an, der schöne gute
Nureddin, und er stand vor ihres Zimmers Pforte
Und wandte an die Dienerinnen seine Worte,
Die vor des Ruhezimmers Pforte sittlich wachten,
Die manches schwatzten, aber allzuwenig dachten.
Da hörte Enis Adjelis auf ihren Kissen
Nureddins Stimmenklang. Ich möcht zu gerne wissen,
Wie aussieht wohl des Herren und der Herrin Sohn,
Vor dessen Schönheit mich ein Mädchen warnte schon.
Und da erhob sie sich aus ihren weichen Kissen
Und ließ an Anmut und an Grazie nichts missen
Und öffnete des Zimmers Türe und erblickte,
Was sie im ersten Augenblick sogleich entzückte:
Nureddin war so herrlich wie der goldne Mond,
Wie er im Onyxthron der schwarzen Mittnacht thront
Und überall unendlich süßes Licht verbreitet.
Da fühlt die Sklavin, daß sie Liebesmacht erleidet.
Da hatte aus den aufgesperrten Augentoren
Sie ihre schöne Seele schon an ihn verloren.
Nureddins Herz war ebenso ein trockner Zunder,
Darein die Flamme ihrer Schönheit wie ein Wunder
Mit Liebesallmacht fiel, sein Herz ihm zu verzehren:
Und da war er nur noch ein einziges Begehren,
Der alle Liebeskräfte seiner Seele weiht
Dem Inbegriff der Schönheit, dieser süßen Maid.
So fing die beiden ein der kleine blinde Götze
Mit seinem weltumspannend weiten Liebesnetze.

Nureddin fragte, ob sie jene Sklavin sei,
Die der Wesir für ihn erwarb, sein Wonnemai,
Sein Paradies, in dem er herrsche wie ein Schah?
Und Enis Adjelis gab sanft zur Antwort: Ja,
Entflammt ist mir mein Herz von deinem Seelenfunken,
Mein Rubinmund ist nur von deinem Weine trunken
Und sterbe ich, bist du mein Himmel allenfalls!
Und da umschlang Nureddin der Geliebten Hals.

Die Gattin des Wesirs trat laut ins Ruhezimmer
Und sah den Sohn und sah der Sklavin Schönheitsschimmer
Und ihn gleich einem Hirsch und sie gleich einem Rehen
Und fragte herrisch: Sklavin, was ist hier geschehen?
Und Enis Adjelis gab sanft zur Antwort ihr:
Der Jüngling fragte, ob ich sei als Sklavin hier
Für ihn erworben, ihm alleine zu gehören.
Da sagte ich zu diesem Hirsch: O mein Betören,
O meines Herzensreiches gottgesalbter Schah,
Ich bin die Deine immerdar und ewig, ja!
Da sprach die strenge Herrin: Mehr ist nicht geschehen?
Muß ich dich hier doch so im leichten Kleide sehen
Und glänzen wie von Liebestau die Rosenlippen.
Und lächelnd ließ die Sklavin ihre Füße wippen...

Als schließlich aber Fadel vom Geschehen hörte,
Wie Enis Adjelis Nureddin so betörte,
Wie sie verrückt vor Wollust und vor Liebe toll,
Schlug er sich so, daß Blut aus seiner Nase quoll
Und riß sich eine Handvoll Haare aus dem Bart:
O weh! Wesir Muin ist so von Herzen hart,
Er wird zu unserm wundervollen König treten
Und sagen so: O König, dir bestimmt aus Eden
Ist eine Houri, ist ein Paradiesesmädchen;
Doch rührte Fadels Sohn an ihres Saumes Fädchen
Und hob den Schleier, um die Wangen anzufassen,
Nun will sie Fadel seinem Sohn überlassen,
Weil sie zu schön für seinen König ihm erscheint!
Muin wird derart reden, weil ers böse meint.
Der König hält sich dann für einen Lustberaubten
Und wird Wesir und Sohn und Perserin enthaupten!

Doch dann besann sich der von Herzen gute Fadel,
Der sah in allen Liebenden den Seelenadel,
Der sprach aus Herzenfrömmigkeit nach langem Denken:
Geliebter Sohn, ich könnte dir sie Sklavin schenken,
Genieße ihres Leibes Schönheit und erfreue
An ihrer Seele Schönheit dich und halt die Treue
Ihr als der Einzigen, die deine Kissen teilt
Und in der Nacht an deines Traumes Seite weilt.
Ich schenke dir die allerschönste Kreatur,
Schwörst du ihr treu zu sein.- Nureddin sprach den Schwur.
So blieb der Täubrich mit der Schönsten der Zypressen.
Der König hatte sein Verlangen schon vergessen.

Ein Jahr lang sprach die schöne Lieblingin: Mein Lieber!
Da trat mit einmal Fadel aus dem Bad mit Fieber,
Er legte sich ins Kissen, konnte doch nicht schlafen,
Ward schwach und schwächer, ahnte schon den ewgen Hafen,
Da seines Schiffes Lebensreise enden sollte.
Da rief er seinen Sohn: Mein Sohn, nimm deine Holde,
Den Inbegriff der Schönheit, Schüchterne und Scheue,
Und halte wie versprochen ewig ihr die Treue.
Sei treuer Liebender, dann muß ich mich nicht schämen.
Mich möge Allah in sein Paradies aufnehmen!

Mit diesen Worten ist verschieden der Wesir,
Des Landes gute Sonne, jeder Tugend Zier;
Kein Todesengel möge seine Seele rauben,
Der über jegliches Verdienst geglaubt den Glauben.
Die Kinder weinten in den Schulen, und die Männer
In den Moscheen, und wahren Lebens weise Kenner
Beim Weine in den Schenken, und die schönen Frauen
Im Hain, gleich traurigen Zypressen anzuschauen.
Nureddin ehrte seinen Vater bis zum Grabe
Und netzte Grabes Staub mit seiner Tränen Gabe.

Er trauerte und Finsternis war ihm die Erde,
Bis eines Tags Nureddin nahte ein Gefährte,
Der küsste seinem Freunde freundschaftlich die Hand:
Mein Freund, es bleibet ja nicht in der Toten Land,
Wer einen Sohn auf dieser Erde hinterläßt.
Nureddin hörte es und feierte ein Fest
Mit Freunden und mit Frauen auf den weichen Kissen,
Da sie nicht Saitenspiel und Tänzerinnen missen
Und nicht den Wein, der strömte über Kelches Rand,
Und nicht des Zuckerbächers rosa Zuckerkand.

Doch eines Tags trat zu Nureddin leis ein treuer
Verwalter seines Goldes, Zahler seiner Steuer,
Und sprach zu ihm: O edler Herr, wer immer spendet
Und rechnet nicht, zuletzt am Bettelstabe endet.
Nureddin sprach: Wer morgens hat zu essen,
Der darf die Sorgen um das Abendbrot vergessen.
So lebte er in seinem Leichtsinn immer weiter,
Verschenkte Gärten, Häuser, Bäder, Salben heiter
An Freunde ohne Widerruf, die gerne nahmen
Und gern, um mehr zu nehmen, immer wieder kamen.

Und eines Tags trat wiederum zu ihm der treue
Verwalter: Lust ging hin, es bleibt die bittre Reue,
Kein Dirkam ist mehr übrig von den reichen Schätzen,
Um deiner Seele Wohlbefinden zu ergötzen.
Nureddin aus den Augenveilchen Tränen flossen,
Da flüsterten die vielesnehmenden Genossen:
Nureddin müssen wir in tiefer Armut sehen,
Da bleibt nur eines übrig, Freunde, laßt uns gehen!

Geliebte! können wir noch irgendwas verkaufen
Von Silber oder Teppichen mit goldnen Schlaufen?
Wir haben nichts mehr! sprach die schöne Perserin,
Doch hast du mich ja noch, Geliebtester, ich bin
Wohl zehntausend Dinare wert und den Betrag
Bekommst du auf dem Markt für mich an Einem Tag.
Und wenn uns auch der Sklavenhändler trennen kann,
Bestimmte dich das weise Schicksal mir zum Mann,
Durch Gottes Führung werden wir uns wiederfinden,
Dann wird das Schicksal ewig uns zusammenbinden.
O Enis Adjelis, ich kann es kaum ertragen,
Dich nicht zu sehen Einen nur von Gottes Tagen,
Kann missen deine Schönheit auch nicht Eine Stunde,
Wär gern mit dir vereint im ewgen Liebesbunde!
Da sprach die Schöne: Ich auch werd gewaltig leiden,
Kann ich mich immer nicht an deinem Anblick weiden,
Doch eigene Gesetze hat die bittre Not,
Wie Schlangengift, ist bitterer als süßer Tod.

Ausrufer Hadschi Hasan hatte schöne Fraun,
Kakao aus Afrika, wie Mitternächte braun,
In vollen Lippen Perlenreihn von Elfenbein
Und große runde Augen wie der Mondenschein
Und überm vollen Mund mit breiten Nasenflügeln Nasen;
Chinesinnen, wie schlanke zarte Jadevasen,
Blauschwarzer Haare Lack, mit Augen schmal wie Mandeln,
Chinesinnen, die sich in feine Seide manteln;
Und Südfranzösinnen, die Lieblichsten von allen,
Mit langer dunkelblonder Locken Mähnenwallen
Und Brüsten, wie Reichsäpfel für die Potentaten,
Wie Marmordome oder reifende Granaten,
Und mit verführerischer süßer Lippen Lächeln,.
Im Reigen sah man Enis Adjelis sich fächeln
Die Glut von ihren braunen Wangen mit dem Fächer:
Der Wein der schönen Liebe in dem Jaspisbecher,
Betrunken machte er die schauende Gemeinde,
Die baden wollte in dem Blut der Glaubensfeinde,
Um diese schwarze Kaaba zu befrein von Mekka,
Den allersüßsten Zuckerkand vom Zuckerbäcker,
Und die Orange Edens einmal nur zu kosten:
Sie war die allerswchönste Frau im ganzen Osten!

Nureddin schaute Enis Adjelis im Kreis
Der Sklavinnen und dachte nicht mehr an den Preis
Und riß sie aus der schönen Sklavinnen Gedränge
Und eilte eilig mit ihr fort durch Volkes Menge
Und kam zum Tigris, wo ein Schiff im Hafen lag
Und Anker lichtete, da sich erhob der Tag,
Und sprang mit der Geliebten auf das Schiff. Wohin?
In des Kalifen Stadt ich erst im Frieden bin,
Und darum reisen wir nach Bagdad im Iran,
Das überall mit Gottes Golde angetan.

O hier ist Bagdad! wahren Friedens wahre Stätte,
Da glänzen in der Morgenröte Minarette,
Der Frühling zieht herauf mit seinen roten Rosen
Und Mondennächten und der Nachtigallen Kosen,
In Blüte stehn Narzisse, Nelke, Tulipan,
Die blauen Bäche rieseln durch den Wiesenplan.
Das diamantne Licht des Abendsternes legt
Sich auf den Garten, der begossen und gepflegt.
Da breitet sich die Ruh von blauen Ruhebänken
Und an Spalieren grüne Rankgewächse hängen.
Und vor den Beiden war ein Gitterwerk aus Rohr,
Sie traten in den Garten durch das Rosentor.
Dies ist ein Ort von wundervoller Lieblichkeit
Und Schönheit, deiner ähnlich, und von Herrlichkeit,
Geliebte, laß uns kosen, nicht mehr länger reden!
Geliebter, laß uns ruhen, ruhen hier in Eden!
Ein linder Schlummer in dem Hain umfing sie da.
Gepriesen ewig sei, der niemals schläft, Allah!

Dies war der Garten des Kalifen Al-Raschid,
In dem Gefild das irdische Entzücken blüht,
Und in der Mitte der Zerstreuungen Palast,
Der zehnmal hunderttausend schöne Bilder fasst,
Achthundert Fenster und in jedem Fenster eine
Papierne Chinalampe spendet gelbe Scheine.
In diesem Schloß war Harun al-Raschid zumeist,
Wenn er die süße Muße suchte seinem Geist.
Dann sangen Sklavinnen ihm persische Gesänge
Von Liebespein, von Frauenlob im Prachtgepränge.

Scheich Ibrahim war Wächter im Kalifengarten
Und sah im Mondenschein die beiden sehr aparten
Verliebten unter einem Feigenbaum auf Kissen
Gelagert leicht und lose und sich immer küssen.
Scheich Ibrahaim, ein gutes Herz in Seidenhemden,
Gedachte göttlichen Gebotes, alle Fremden
Mit Achtung und mit Ehre würdig zu behandeln
Und Gottes Liebe nicht zu schänden und verschandeln.
Und diese beiden Fremden waren solche Schönen,
Die Liebliche vor allem wert, die Welt zu krönen
Als Diadem der Venus, Herrscherin am Morgen,
Zumal die Reize ihrer Schönheit kaum verborgen.

Nureddin wandte seine liebstrunknen Augen
Von Enis Adjelis, um einen Kuß zu hauchen
Scheich Ibrahim auf seine faltenreiche Hand,
Und fragte: Wem gehört dies wonnereiche Land,
Des irdischen Entzückens heimisches Gefilde,
Da süßer Nachtigall die süße Rose milde
Und kein Gewölk die silberreine Mondin trübt
Und die Geliebte dem Geliebten sich ergibt,
Wem ist ein solches wundervolles Land zu eigen?
Scheich Ibrahim sprach da nach nachdenklichem Schweigen:
Mir ist es eigen, es ist meines Vaters Erbe.
Dies sprach er nur, damit die Liebliche nicht sterbe,
Wenn sie den furchteinflößenden Kalifennamen
Vernähme, welchem untertan Arabiens Damen.

Sie schritten alle drei in einen Gang von Lauben,
Behangen von den blauen und den grünen Trauben,
Rubinen schimmerten die purpurroten Reben,
Wie Ebenholz die schwarzen an den Zweigen beben.
Dann traten sie zu einem Kiosk frischer Früchte,
Der süße Saft gereift vom süßen Sonnenlichte.
Im laubigen Gezweig erklang der Vögel Schall,
Ein schmelzendes Gekose sang die Nachtigall,
Die Tauben girren, die in süßer Wonne schwimmen,
Die Amseln flöteten wie feine Menschenstimmen,
Wie Menschen klingen, wenn sie jauchzen weinestrunken
Und Lobeshymne sich ergießt aus Seelenfunken.
Die hohen grünen Bäume mit belaubten Zweigen
Die Zweige schwer von reifen Früchten niederneigen,
Die Mandelbäume schauten zu den roten Rosen
Und zu den weißen Lilien sahn die Aprikosen,
Von süßen Liebeswonne zeugten süße Pflaumen,
Die manches Mädchen teilte für des Mannes Gaumen.
Die roten Kirschen (daß sie nicht ein Bettler stehle)
Paarweis am Bommel, Labsal der betrübten Seele.
Und ein Verweis auf eines, wert des Mannes Schweigen,
Wie Enis Adjelis so schön, die süßen Feigen.
Die Blumen, die im ganzen Meer des Gartens wallen,
Wie lilienweiße Perlen, rosige Korallen,
Die Rosen glühender als Wangen einer Braut,
Wenn sie beim Wein dem Liebsten in die Augen schaut,
Die Nelke trug erhaben ihre Feuerkronen,
Zephyre kosten Buschwindröschen, Anemonen,
Blutrote Tulipan wie ein Soldat im Händel,
Wie violette Jade blühte der Lavendel,
Die Hyazinthen ließen wallen ihre Locken,
Eitle Narzissen läuteten die Osterglocken.
Orangen waren goldne Paradiesesbecher,
Zitronen glühten golden in dem Laubgefächer,
Und seufzend säuselte die Luft in blauen Blümchen,
Die dufteten wie Enis Adjelis’ Parfümchen.

Nureddin sprach zu Ibrahim: Bring uns zu trinken!
Wir aber wollen nicht in Zuckersaft versinken,
Ertrinken wollen wir in Roten Meeres Wellen,
Wie Pharao mit den ägyptischen Gesellen,
Des Roten Meeres Flut soll unsre Lippen teilen
Und gottbegeistert wollen wir hinübereilen
In das gespriesne Land mit seinen Rebenlauben,
Da hängen an den Bäumen riesenhafte Trauben,
Die Nun und Kaleb kaum vermochten herzutragen,
Was Moses kümmerte zu bitterlichsten Klagen,
Er wußte doch, daß in dem roten Feuerregen
Wie in dem Manna selber ruhte Gottes Segen!

Scheich Ibrahim entsetzte sich: Es ist verboten
Muslimen, von dem Wein zu trinken, von dem roten,
Die Flüche des Propheten treffen alle diese,
Die Wein genießen vor der Zeit im Paradiese!
Da sah er in der Augen lichte Finsternis
Der allerwunderschönsten Enis Adjelis,
Verschleiert von den langen braunen Wimpernfädchen:
Ich bin im Paradies! Ein Paradiesesmädchen
Beseligt mich und Gottes Schönheit ich erschau
Zu ewiger Glückseligkeit in dieser Frau,
Das Licht des Lebens durch der keuschen Wimpern Fächer;
Drum her mit Paradiestrank und goldnem Becher!

Da holte er aus des Kalifen Vorratshalle
Die besten Becher, die da glänzten wie Kristalle,
Und brachte Früchte mit, beim Mahle nicht zu missen.
Da lagerte sich Enis Adjelis ins Kissen,
Da sie wie eine himmlische Sultanin thront
In allerhöchster Schönheit, schöner als der Mond,
Und weiß die Mondin noch so wundervoll zu prangen.
Wein rötete wie Feuer jener Schönen Wangen
Und ihre braunen Locken fielen hold verwirrt,
Darum auch in dem Laub die Turteltaube girrt.
Und alle drei ergötzten an der Purpurpracht
Des Rebenkönigs sich bis in die tiefe Nacht.

Und Enis Adjelis mit ihrem süßen sanften Herzen
Erleuchten wollte diesen Hain mit tausend Kerzen,
Sie mußte Ibrahim nicht lang am Saume zwackeln,
Da schaffte her der Scheich an hunderttausend Fackeln.

Nun hatte Allah es in Vorsicht so bestimmt,
Daß der Kalif den Garten, der im Lichte schwimmt,
Den Garten irdischen Entzückens, Ast an Ast,
Erblickt vom Fenster aus dem fürstlichen Palast.
Der Garten in dem hellen Glanz und Fackelschein
Verdunkelte des vollen runden Mondes Schein,
Zum Himmel loderte die Fackelflammenglut
Und malte rot wie Wein des breiten Tigris Flut.
Verloren hatte Harun al-Raschid den Frieden
Der Seele gleich, da rief er seinen Barmekiden:
Hyäne unter den Wesiren, o Djafar!
Erlaubtest du es, daß in meinem Garten gar
Ein Freudenfest gefeiert würde ohne mich?
Djafar gab dem Kalif zur Antwort: Sicherlich
Gibt Ibrahim, der Wächter deines Freudenhains,
In der Gemeinschaft wonnetrunkenen Vereins
Und unterm Duft von Myrrhebusch und Ros und Lilie
Ein Freudenfest für seine herrliche Familie!
Da sagte der Kalif: Wie ich mir hin- und her-wisch
Auf meiner Stirn, so denk ich, mancher Scheich und Derwisch
Wird nun in meinem Garten Wasserpfeife rauchen
Und Mädchen kosen, wo die Nachtigallen hauchen,
Da will ich eines nur und mich zu ihnen setzen
Und Weisen lauschen und an Mädchen mich ergötzen!

So traten der Kalif und der Wesir herzu,
Doch lag der Freudenhain in tiefer stiller Ruh
Und gar nichts wies auf Freudenfestes Lärmen hin,
Das wollte Harun al-Raschid nicht in den Sinn.
Er kletterte in einen Maulbeerfeigenbaum,
Der mächtig sich erhob an jenes Gartens Saum
Und hob die Krone hoch auf breitem Stamme stark,
Da schaute der Kalife über seinen Park.
Da schaute er auf weichen Kissen einen Mann
Von auserlesner Jünglingsschönheit, aber dann
Erblickte er ein Mädchen allerhöchster Schöne -
Auch ein Kalif an Wunder nimmer sich gewöhne
Und möge vor den Wunderwerken immer staunen -
Ein Wunder von den Füßen zu den Augenbraunen
War Enis Adjelis, ein Wunderwerk an Schöne,
Wohl wert, daß sie das ganze Morgenland bekröne,
Den Himmel zier, den Morgenstern als Diadem,
Der Mund die Perlenpforte von Jerusalem,
Die Augensterne glänzender als der Orion,
Vom Himmel stammte dieses Bild der Tochter Zion
Und sank als Edelstein an dieses Tigris Küste,
Aus Kaabastein gestaltet, trug sie ihre Brüste
Und reichte sie, gehüllt in leichte Chinaseide,
Dem Winde dar als eines Mannes Augenweide,
Da buhlerisch der Wind begehrte sie zu kosen,
Die Nachtigallen schmachten, heißer glühen Rosen!

Und dennoch bebte im Kalifen Zorn und Grimm,
Daß seines Gartens Wächter, dieser Ibrahim,
In seinen Garten fremde Leute eingelassen.
Gerad begann der Kaiser Ibrahim zu hassen,
Als Ibrahim zu Enis Adjelis sich wandte:
O allerhöchstes Bild der Schönheit, Gottgesandte!
Wer deine Schönheit ansieht, kann nicht mehr begehren,
Und doch kannst du mit Schönheit deine Schönheit mehren,
Wie Lerchenlied verschönt den Glanz der Morgenröte,
Stimmst du ein Lied an mit der Stimme Zauberflöte
Und singst mir aus der Süßigkeit der Seele
Von schöner Liebe eine persische Ghasele.
Und Enis Adjelis, aus ihres Busens Drang,
Hob an und sang von Liebe lieblichen Gesang:

Ich trink der Liebe Feuerwein
Und schwärme bis zum Morgenschein
Und aller Liebe tolle Lust
Ward meinem Herzen volle Pein!
Geliebtes Wesen flößte mir
Der Liebe Gift und Balsam ein.
Da starb ich tausendfachen Tod!
Da hört ich der Gequälten Schrein
Und loderte in Flammenglut
Und floh hinauf zum Freudenhain
Und fand dort auch die Liebe - ach!
Denn ewig ist der Liebe Sein -
Da gebe Gott der Liebe Lust!

Als Harun al-Raschid die Stimme, die da tönt,
Vernahm, war sein erzürntes Herz sogleich versöhnt,
Denn uns versöhnen die Gesänge wahrer Dichter,
Und Talismane gegen allzugrimme Richter
Sind wunderschöner Frauen wunderschöne Stimmen:
Die Göttin muß man lieben, kann dem Weib nicht grimmen.

Da sprach die Göttin in der Schönheit ihres Leibes,
An Leib und Seele die Vollkommenheit des Weibes:
Ehrwürdiger betrunkner Greis! dem Weibe tische
Zu ihres Gaumens Freude auf gebratne Fische!
Als Ibrahim das hörte, war er gleich verzweifelt,
Da sprach er zu der Frau: Die Lage ist verteufelt,
Ich muß mich meiner allzugroßen Schwäche schämen,
Woher soll ich in dieser Stunde Fische nehmen?

Das hörte Harun al-Raschid und er beschloß,
Zum Tigrisstrom zu gehn, der unter seinem Schloß
Vorüberfloß, um an der Stelle Ibrahims
Den Fisch zu bringen. Und so kam er zu Kherims
Des Fischers Angelplatz und sprach den Fischer an:
Gib die verlausten Lumpenkleider mir, zieh an
Die prächtigen Gewänder des Kalifen hier,
Dann überlasse auch den Korb mit Fischen mir,
Sie sollen Köder sein zu einem reichen Fang.
Dann ging er wieder zu dem Garten stromentlang.

Dann trat er mit den Fischen in den Freudengarten,
Um Enis Adjelis mit Fischen aufzuwarten.
Die Wunderschöne sprach: Bei des Kalifen Ehre,
O Fischer, wenn der Fisch nur schon gebraten wäre!
Da sagte der Kalif in Lumpen: Bin erbötig,
Den Fisch zu braten, Herrin, seid ihr nur so gnädig,
Den Fisch aus eines Lumpen Händen anzunehmen.
Sie sagte: Du mußt deiner Armut dich nicht schämen,
Was hülfe Gold und Silber, wenn ich hungrig bliebe?
Ich nehm die Fische an als Zeichen deiner Liebe!

Und so ging der Kalif zu einer Gartenhütte,
Um zu erfüllen jener Wunderschönen Bitte,
Da briet er in der Pfanne, in dem Öle Fische,
Betropfte die Gebratnen mit Zitronenfrische
Und zierte sie mit länglichem Bananenblatt,
Das er gepflückt von der Bananenstaude hat.

Da brachte fröhlich er die Gaumenfreudengabe
Der wunderschönen Perserin als Herzenslabe,
Sie dankte ihm mit einem Lächeln, zum Betören!
Da sagte der Kalif: Ich möcht nur einmal hören
Von Liebesleid aus deinem Munde Liederschall!
Da sang so süß sie, daß die liebe Nachtigall
Herbeigeflogen kam, betört von holdem Hauch
Und setzte sich und lauschte in dem Rosenstrauch,
Daß jemand übermeistre sie, ein wenig bang,
Und doch beglückt, zu hören solchen süßen Sang:

Ich bin ganz hingegeben, Schönheit,
An dein geliebtes Leben, Schönheit!
Ich muß mit meinem Herzen zittern
Und mit dem Herzen beben, Schönheit,
Vor deiner Anmut Allmacht, siehe,
Ich will mich in dich weben, Schönheit,
Und speisen will ich deinen Manna
Und trinken deine Reben, Schönheit,
Und will mit meiner Seele Schwingen
Zu deinem Throne schweben, Schönheit,
Ich will dir alles schenken, schenken
Mit ihren hundert Toren Theben, Schönheit,
Dir sollen Hügel, Berge, Gipfel
Zu deinen Füßen streben, Schönheit,
Ich will der Sterne lichten Kosmos
Vor deine Augen heben, Schönheit,
Ich will mein Nest wie eine Schwalbe
An deine Hütte kleben, Schönheit.
Friß mich! ich bin verstrickt in deinen
Fatalen Spinngeweben, Schönheit!
Werd ich von deinem Bisse sterben,
Ist Tod mir Wonne eben, Schönheit!

Da sagte der Kalif in Lumpen: Sehet her,
Ich bin ein Fischer nur in Lumpen, aber wer
Bin ich in Wahrheit? und die Wahrheit, sie ist tief!
Wer kennt des Herzens Adel? Ich bin der Kalif!
Ich frage euch, ihr schönen Menschen, wer seid ihr,
Erhabner Jüngling und du Maid in holder Zier?
Und als sie ihm von ihren Schicksalswirren klagen,
Begann soeben gold der Morgenstern zu tagen,
Da sagte der Kalif: Und ich bestimme euch
Zu Sultan und Sultanin von Bassorah gleich.
Dich, Mädchen, schmück ich mit der Venus Diadem,
Du, Jüngling, herrsch vom Indus bis Jerusalem,
Das über euch stets nur und immer Einer bliebe,
Und alles, was ihr denkt und tut, sei alles Liebe!

Gott ist nur Einer, wahrlich, sonst ist keiner mehr,
Er ist der Herr, Er ist der Herr, Er ist der Herr.



ZWEITER TEIL:
MADSCHNUN UND LEYLA

Ich lasse meine Liebespoesien
Frei mit dem Winde zur Geliebten fliehen.

1

Ein Beduinenfürst Arabiens lebte,
Der über ein gewaltiges Volk geboten.
Ihm in das Land der Frühling Rosen webte,
Und zu den allerfernsten Horizonten
Der Wind mit seines Ruhmes Düften schwebte.
Ein Sultan war er durch der Tugend Werke
Und weil nach Gott er alle Stunden strebte.
Er glich dem Krösus Persiens an Reichtum.

Doch war er herrlich auch auf seinem Thron
Und war berühmt er durch Barmherzigkeit,
Ein Schatten lag auf seiner Wange Mohn
Und eine Traurigkeit in seinem Herz,
Denn Eines fehlte ihm: ein lieber Sohn,
Daß er ihm seine Herrlichkeit vererb,
Wenn er entschwebt zu Paradieses Lohn,
Daß seine seele in ihm weiterleb.

Denn stürzte die Zypresse einmal hin,
Wo sollte der Fasan des Glückes nisten?
Umsonst die Lippen um die Gnade schrien
Und ganz vergebens alle die Gelübde.
Wo war der Vollmond, der für ihn nur schien?
Er ging nicht auf an seinem Lebenshimmel!
Umsonst aussäte Samen von Jasmin
Der Mann, denn keine Blume wollte blühen.

Und alle Freuden sanken ihm zurück
Ins schwarze Loch des Nichts, weil Eines fehlte!
Doch beugen muß ein jeder das Genick
Und sich in Herzensdemut fromm verneigen,
Denn in des Höchsten Hand liegt das Geschick
Und alle Lose und der ganze Faden.
Und wenn du heute missen mußt ein Glück,
Ist es vielleicht der Schlüssel dir zur Freude...

Doch da erwies der Herr ihm seine Gnade
Und schenkte das Juwel, das er begehrte,
Die Muschelperle aus dem Meeresbade,
Den Knaben, ähnlich einer weißen Rose,
Die über Nacht erblüht, und rein wie Jade
Vom Gipfel des Himalaya entstammend
Und lachend wie die purpurne Granate
Und schauend wie die reinsten Edelsteine!

Dann gab er jenes Kindlein einer Amme,
Die säugte er mit süßer Milch der Liebe,
Da sie sich selber nährte von dem Lamme,
Die trug in seinem Busen ein die Treue
Mit roter Tinte, ähnlich einer Flamme,
Die ihr die Zoroasterpriester schenkten.
So wuchs er auf gleich dem Zypressenstamme,
Darin die Nachtigallen Liebe singen.

Lichtstrahlen jener Liebe ihn durchdrangen,
Juwelenblitzen gleich, ihm seinen Körper.
Wie Moschus dufteten die Lockenschlangen,
Die sich im Flötenspiel des Windes regten.
Und auf des Jünglings Tulipanenwangen
Der erste veilchenblaue Bartflaum blühte.
Und wer ihn sah in seiner Schönheit Prangen,
Bat Gott um Segen für den schönen Jüngling.

2

Der Jüngling lernte in der Schule reden,
Als ob ihm Perlen von der Zunge tropften,
Und keiner wußt wie er so schön zu beten,
Weil Gott den Herrn der Sprache Schönheit ehrte.
Er lernte unter blühenden Reseden,
Da edle Mädchen in der Schule waren.
Doch da erschien der Rosenstrauch von Eden:
Ein wunderschönes Mädchen war gekommen!

Die Augen waren Augen der Gazelle,
Des Körpers Schlankheit Schlankheit der Zypresse.
Ein Blick aus ihres Auges Feuerwelle
Durchbohrte wie ein Blitzen tausend Seelen.
Ein Wimpernzucken mit des Dolches Schnelle
Zum Mörder würde an der ganzen Menschheit.
Die schwarze Iris in des Auges Helle
Verfinsterte den Mond und auch die Sonne.

Sie war wie eine Mondin anzuschauen,
So silbrig war ihr Blick und weiß ihr Antlitz,
Sie war die Mondin von Arabiens Gauen
Und auch ein Herzdieb wie ein Schenke Persiens.
In ihres Haares schwarzen Schattenauen
Ging um das Angesicht wie eine Fackel;
Die Haare, Schwingen schwarzer Rabenfrauen,
Umflatterten des Angesichtes Mondschein.

O welche Süßigkeit von solchem Mund,
Der war wie eine Quelle goldnen Honigs
Und machte doch wie Galle liebeswund,
Denn dieser Zucker kann ein Herr vernichten!
Die Lippen ohne Schminke rot, gesund
Und frisch und süß wie eine Dattelfeige!
Sie war ein Wunder höchster Schönheit und
Ihr Name war die „Nacht“ der Liebe: Leyla!

Wer glühte nicht in Sehnsucht und Begehr
Beim Anblick dieses wunderschönen Mädchens?
Der Jüngling stürzte in ein Liebesmeer,
Der er an Leyla schon sein Herz verschenkte
Und gab es ihr für alle Zeiten her
Und jener Leyla ging es da nicht anders.
Wie sollte die nicht lieben, die so sehr
Geliebt von dem, in dem sie Liebe weckte?

Die Sonne glühte nieder auf die Dächer,
Einander hatten Feuer sie entzündet
Und waren Widerschein einander, Zecher
Des Weines, welcher nüchtern trunken machte,
Einander waren sie wie Wein und Becher
Und trunken, ohne diesen Trank zu kennen,
Und naschten Zucker von dem Zuckerbäcker,
Der da der Gottesschelm und kleine Herzdieb!

Gekostet hatten sie der Blume Duft,
Der fremden, doch so zaubervollen Blume.
Sie tranken Blumenwein in Tagesluft
Und träumten von der Liebe alle Tage.
Sie tranken Blumenwein in Nächtegruft
Und träumten von der Liebe alle Nächte.
Da wurden taub sie beide für den Schuft,
Den man den menschlichen Verstand genannt hat.

3

Doch hockte Unheil schon in schwarzer Tonne.-
So wie der Liebling Jakobs, Träumer Josef,
Gezogen worden aus der dunklen Bronne,
So stieg am Morgen auf die Goldzitrone,
Die Freudenspenderin, des Himmels Sonne.
So war an jedem Morgen frisch auch Leyla,
In ihres Lebens Morgenrot war Wonne,
Sie Freudenspenderin für den Geliebten.

Und gaben Liebling und Geliebte hin
Einander ihre Träume alle Tage
Als wechselseitig blühenden Gewinn,
So sahen doch auch andre junge Männer
Der Schönen Grübchen im Zitronenkinn,
Und da sies sahen, barsten sie im Herzen
Wie Granatäpfel vor Begier im Sinn,
Und so fiel auf die Liebenden ein Schatten.

Wenn noch so sehr die vielen Menschen schwätzen
Im Hof der Schule und auf dem Basar
Und Schenken, Pagen, Bettler, Alte, Metzen
Sich über sie zerreißen ihren Mund;
Sie hatten aneinander ihr Ergötzen
Und wollen sich ergötzen ganz allein
In Einsamkeit, die Abgöttin am Götzen
Und Götze einsam an der Abgöttin.

Wie aber gäbe es da Heimlichkeit,
Wo herrschte solcher Liebe Allgewalt?
Der Hirsch von seiner Lebensquelle schreit
Und kann verheimlichen nicht Durst und Trank.
Die Sonne dringt durch dichter Wolken Kleid
Und offenbart der Erde ihre Glut.
Des Jünglings Seele immer prophezeit
Als wie ein Spiegel Leylas Grazie nur.

Wie sollte jener Jüngling sie denn meiden,
Da sie ihm seines Herzens Ruhe war?
Wenn ihn die Welt von Leyla wollte scheiden,
Schied seine Seele sie von seinem Gott!
Und war er fern, dann wollte er sich weiden
An seiner Augenweide, seiner Lust.
Und so zerriß das Schicksal ihn! Und Leiden
Des „Wahnsinns“ haben „Madschnun“ ihn getauft.

Und Madschnun war wie ein zerstörter Baum,
An dessen kranken Wurzeln Würmer nagen.
Er war ein Steppenwolf, am Maule Schaum,
Der nur noch redete von seinem Lämmlein.
Am hellen Tag von seiner Seele Traum
Allüberall erzählend, ging er närrisch.
Der Wahnsinn legte seines Schleiers Saum
Aus „Nacht“ gewoben ihm um seine Seele.

Da machte die Familie sich Sorgen,
Daß Leylas Ruf geschädigt werden könnte.
Da haben Leylas Leute sie verborgen,
So daß sie Madschnun nicht mehr sehen durfte.
Sie wollte ihrer Schönheit Reichtum borgen
Dem Liebenden und war zu Geiz genötigt.
Da weinte alle Nächte, alle Morgen
Und alle Abende die schöne Leyla.

4

Und weinte Leyla heimlich ihre Tränen,
So weinte Madschnun öffentlich vor allen,
Getrieben von dem Blut in seinen Venen
Und von dem kranken Herzen irrte Madschnun,
Die Haare wuchsen ihm zu Löwenmähnen
Und Kamm und Schere sah nicht mehr das Barthaar.
Stattdessen sang er voller wehem Sehnen
Von seinen Liebesleiden Liebeslieder.

Entzweigespaltner Frucht glich ihm sein Herze,
Auf seinem Antlitz lag des Herzens Brand,
Der ihn verbrannte wie den Wachs die Kerze.
Wer sah nicht strömen seines Herzens Blut?
Nicht schlafen ließ ihn seiner Seele Schmerze,
Er nährte Leib und Seele nur mit Leid.
Aus dem Verließ des Leids mit schwarzem Erze
Floh barfuß er und barhaupt in die Nacht.

Und sah er nicht der Liebsten Augenlichter,
War um so mehr er ihr Gefangener.
Sein Stern ward ihm zum Unstern und Vernichter
Und seine Wonne ward ihm seine Pein,
Barmherzigkeit und Gnade ward zum Richter
Und seine Liebe mordete sein Herz -
Und auferstanden war sein Herz als Dichter,
Der sang zur Liebesharfe seine Qual!

O Zephyr, mach dich auf zur Morgenfrüh
Und streichle meiner Leyla Moschuslocken
Und flüstre ihr, daß mehr als Sympathie
Ich für die heißgeliebte Seele hege
Und daß ich sechsmal täglich bet für sie
Und hier im Staub vor ihrer Schwelle liege
Und daß mir ihres Wesens Melodie
Die Harfe stimmt zu meiner Liebesklage!

Geliebte, dir hab ich mein Herz geweiht
Und meine Seele zittert vor Verlangen!
Mein Herz im Feuer meiner Seele schreit,
In diesem Purgatorium der Sehnsucht!
Die Sonne, die die Welt so weit und breit
Erleuchtet, wird versengt von meinen Seufzern!
Nachtfalter bin ich mit bestäubtem Kleid,
Verseng mich nicht, du meiner Seele Flamme!

Dein Blick ward meinem Herz in Einer Stunde
Zu seines innersten Geheimnisses Schicksal
Und deine Augen wie des Mondes Runde
Bereiten meinen Augen sieben Tode!
Das Leid um dich ist meines Herzens Wunde
Und auch mein Trost und meine Letzte Ölung!
Ach spend die Salbe mir mit deinem Munde,
Daß ich vor deinem Antlitz auferstehe!

5

Die junge Sonne, Königin der Welt,
Trug ihren leichten seidnen Morgenrock.
Die Sonne hat als Ohrgeschmeid erhellt
Die Locken jungen Tages und sein Ohr.
In flammendem Zinnoberrot zerschellt
Das Silber der gezierten Sternenschar.
Da eilte Madschnun heimlich zu dem Zelt
Der Vielgeliebten, auf daß er sie säh.

Stets löoderte nach ihr sein Seelenfunken
Und schrie nach ihr die Stimme seines Herzens!
Er war vom Feuerwein der Sehnsucht trunken
Und wirr vom Fieber der geheimen Hoffnung!
Das Licht ist auf das Zelt herabgesunken,
Das Licht der Liebe ließ das Zelt erglühen,
Und unverschleiert hat sie ihm gewunken
Mit einem Fächeln ihrer langen Wimpern.

Und Madschnun stöhnte auf, des Herzens Siegel
Wie Wachs vor ihrer Augen Flamme scmolz.
Sie war wie Mondschein über einem Hügel
Und nicht verbarg ihr Angesicht Gewölk.
In ihrem Antlitz wie in einem Spiegel
Und sie in seinem, sahn sie all ihr Leid!
Mit Zärtlichkeit der Stimmen und dem Flügel
Der Seele tauschten süße Klagen sie.

Und Leyla war wie eine schöne Laute
Und Madschnun schwang wie eine Lautensaite!
Sie war ein Garten, den der Mond anschaute,
Und Madschnun war die Sehnsucht nach dem Garten!
Sie war die Rose, die vom Tau betaute,
Der Tau der Rose waren Madschnuns Tränen!
Sie war wie eine Fee, die blühend blaute,
Und Madschnun war die Fackel dieser Göttin!

Verzaubern konnte Leyla mit dem Schein
Der Augensterne zwischen Moschuslocken
Und Madschnun tanzte Derwisch-Ringelreihn
Vor ihr und warf sich in den Staub als Sklave.
Und Leyla hielt den rosenroten Wein
Und hielt im Becher Wein mit Duft von Moschus,
Und Madschnun hatte nicht getrunken, nein,
Doch war er von dem Moschusduft betrunken!

Nur flüchtig war der Liebenden Begegnen
Und eine Schau gegönnt nur aus der Ferne
Und Madschnun floh mit Eile des Verwegnen
Aus Furcht vor der Familie Sittenwächtern.
Aus seinen Augentulpen Tränen regnen
Und seine Freude wandte sich ins Unglück.
So floh er dann vor Leyla, sie zu segnen,
Sie in der Ferne sehnsuchtsvoll zu suchen!

6

Und bitter ward die Welt und schwarze Nacht,
Man hatte Madschnun aus dem Glück verstoßen.
Ein Fremdling war er in des Diesseits Pracht
Und nicht zuhaus in Jenseits Paradiesen!
Das Haupt hat er zum Amboß sich gemacht,
Auf den er schlug mit seiner Fäuste Hammer.
Ein Toter ruht in Grabes Heimat sacht,
Doch Madschnuns Seele hatte keine Heimat.

Es weiß nur der Barmherzige allein,
Wie sich der Unglückselige bemeistert,
Daß er nicht tritt durch eigne Schuld hinein
In das ersehnte Reich der ewgen Ruhe!
Denn Gut und Böse fehlt ihm, Ja und Nein
Und Tod und Leben sind ihm ganz gleichgültig,
Und alles, was er weiß, hört man ihn schrein,
Es ist allein der Name Leyla, Leyla!

Wenn Madschnun dann ein Lied der Liebe sang
Und Verse seiner Herzensklage sprach,
Sein Herzensfeuer auf die Lippe drang,
Die Zunge glühend und beredsam ward,
Dann schlug von seiner Seele Überschwang
Die Stimmung aller guten Menschen um
Und alle wurden zag und zart und bang
Und jeder weinte über Madschnuns Los.

Doch ihm wars gleich, ob Segen oder Fluch,
Ob Tadel oder Lob die Menschen sprachen.
Er war gestrichen aus des Daseins Buch
Und stand nicht mehr im Buch der Welt geschrieben
Und gab nicht mehr des Lebens Wohlgeruch
Und roch auch noch nicht nach des Modes Myrrhe.
Bald hatte Madschnun nicht mehr Kraft genug
Und sank zum Staub und betete und weinte.

Gehorsam bin ich der Geliebten, die
Die Eigentümerin ist meiner Seele!
Und sagt sie mir: Sei trunken! will ich nie
Mehr nüchtern sein und kaltes Wasser trinken!
Und sagt mir Leyla: Sei verrückt! dann wie
Vor Achisch David soll mein Speichel schäumen!
Wer so zertrümmert ist wie ich - nur sie
Und niemand sonst kann je mich auferbauen!

Ach Leyla, Leyla, dich hält man gefangen,
Doch mich soll man wie einen Tollen fesseln!
O fessle mich mit deinen Lockenschlangen,
Doch um den Hals zerriß mir deine Locke
Und trotzdem bin ich nur von dir gefangen!
O hilf mir doch! Ich elendiger Sklave!
Laß küssen deine Milch- und Rosenwangen,
Stell deinen Fuß auf mich, daß ich ihn küsse!

O du mein Seelenfriede, wo bist du?
Was raubest du, o Leyla, mir mein Leben
Und meine Ewigkeit und Seelenruh?
Ich kann nur immer um Vergebung flehen
Zu dir Erbarmungsvollen immerzu
Und hab doch keine Schuld, als daß ich liebe!
Von tausend dunklen Mitternächten, hu,
Schenk mir nur Eine Mondennacht der Liebe!

Mir blieb als mein Gefährte nur mein Schatten,
Ihn aber wag ich nicht, nach dir zu fragen,
Weil wir vielleicht dieselbe Liebe hatten,
Er war vielleicht mein bitterster Rivale!
Ach wäre, Leyla, nur dein holde Schatten
Bei mir, doch du hast dich mir weggenommen
Und auch mein Herz, und in den Blumenmatten
Von Eden hab ich nimmer eine Seele!

Doch nichts kann mir aus diesem Herzen
Die Leyla-Liebe, nichts sie je entfernen!
Bei meiner Mutter Wehen, ihren Schmerzen
Und mit der Milch sog ein ich diese Liebe.
Sie stand in Flammen in den Sternenkerzen
Und schrieb mit Flammenschrift in meine Seele
Die Liebe - aber nicht ein Liebesscherzen,
Vielmehr ein endeloses Liebesleiden!

7

Wallfahrte Madschnun nach Jerusalem,
Der Stadt der Christen, Juden, Muselmanen,
Er ging zur Klagemauer, auf dem Lehm
Des Bergs Moria stand die Klagemauer.
Es war im frühen Frühling, angenehm
Der Frühlingsregen fiel, wie neue Tränen
Des Schmerzensmannes, Kind von Bethlehem,
Den die Muslime ehrten als Propheten.

Und Madschnun weinte vor der Klagemauer
Und weinte vor dem Gotte des Erbarmens:
O Gott, du siehst die Tränen meiner Trauer,
Sei mir barmherzig, wie du warst zu Abram!
Die Süße seines Leibes war schon sauer
Und hundert Jahre zählte seine Sara,
Da zündest du der Liebe Feuerschauer
Und schenkest ihnen ihrer Liebe Erben!

Gedenke mein, wie du an Josef dachtest,
Als er die schöne Asenat bekam,
Due schätztest ihn, weil du die Keuschheit achtest,
Mit der er Potifera abwies keusch,
Weil du ja über ihn mit Gnade wachtest
Und schenktest gnädige Barmherzigkeit,
Als du da Asenaths Geliebten machtest
Zum Vater zweier Söhne Israels.

Stimm meine Harfe mir wie Davids Psalter,
Mit der in den Palast von Elfenbein
Die Königin er rief, schön wie ein Falter,
Holdselige Jungfrauen um sie fein.
Und wenn ich warten soll, dann wie im Alter
Laß mich mit Abischag von Schunem sein,
Und ist mein Körper dann auch schon ein kalter,
Will trinken ich doch Liebes Feuerwein!

Erhör mich wie den weisen Salomon,
Dem du die schöne Sulamith gegeben,
Die weiß wie Mohnmilch, rot wie Purpurmohn
Und duftete wie süße Myrrhebüschel
Und gab mit Küssen ihren Minnelohn,
Mit ihren Küssen süßer als der Süßwein.
Und werd ich alt, dann mich mit Gnade schon,
Daß ich mich nicht zu eitlen Götzen wende!

Sieh meine Tränen an wie Jesu Tränen,
Die ich dir weine an der Klagemauer.
Laß mich an Mirjams weiße Schulter lehnen
Und möge sie für meine Seele bitten,
Denn schwarz ward mir das Blut in meinen Venen
Und schwarz die Leber mir und schwarz die Galle,
Weil unerfüllt ist all mein Seelensehnen,
Und gebe Jesus mir die schöne Leyla!

Dann will ich fliegen wie einst Mohammed
Auf einem Flügelesel in den Garten
Des Paradieses, das ist mein Gebet.
Dort laß ich jede keuschblickende Houri,
Vor der des Mosleminen Latte steht,
Und schweb vorbei an allen Engelinnen
Und eile nur zu Leyla: Liebe stet
Und immerdar soll sein im Paradiese!

8

Die weißen Blüten lachten an den Bäumen
Und dufteten wie Wohlgeruch der Freude;
Die roten Tulpen von dem Blute träumen,
In welchem schwimmen Heilige der Leiden;
Die gelben Rosen mit den goldnen Säumen
Im Lichte funkeln Glroie der Sterne;
Und grüne Gräser mit den Blütenschäumen
Verbreiten sich wie Grün des Paradieses.

Die Rosenknospe gürtet ihre Lenden
Und spitzt zum keuschen Kampf die Dornenspieße,
Die Wasserlilie legt mit weißen Händen
Den Schild der Jungfrau auf den Teichesspiegel,
Die Hyazinthe will der Biene spenden
Ambrosia und öffnet ihre Kelche.
Und alle Blumen lieben aller Enden
Die Sonne, goldne Königin des Himmels!

Der Buchs kämmt seine Locken und es sprühten
Die Blätter in der Luft wie grüner Schaum,
Es sehnen sich die Granatapfelblüten
Nach roter Granatäpfel runder Pracht,
Inwendig feurig die Narzissen glühten
Wie Fieberkranke glühn im Fiebertraum.
Und alle nur die Königin von Süden
Verehren mit der Schönheit Blütenkranz!

Wildrosen waschen sich in Silberquellen,
Jasmine schäumen ihren Silberquell.
In den Platanen Täubchen mit Gesellen
Vereinigt gurren ihre Liebesmärchen,
Und oben schluchzet in dem grünen hellen
Platanenlaub die Nachtigall und schluchzet
Und schluchzt elegisch in melodschen Wellen
Um ihre rote Rose - wie um Leyla!

Und Leyla ging wie eine keusche Maid
Des Paradieses in dem grünen Garten,
Doch nicht um in der Blumen Fröhlichkeit
Mit ihren hübschen Freundinnen zu scherzen,
Nein, sondern um hier in der Einsakeit
Zu reden mit der Nachtiagll von Liebe
Und zu beweinen rosenrotes Leid
Und Trost zu finden - Paradieseshoffnung!

Bei der Zypresse saß die Nachtigall
Und klagte Liebesklagen ihrer Rose:
O edler Jüngling, Lieblichster von all
Den Jünglingen der Erde, mein Geliebter,
Sieh meiner Trauertränen Wasserfall
Und komm, versiegle meiner Trauer Bronnen!
Sieh meiner Sehnsucht Feuerflammenschwall
Und heil das Brandmal mir in meinem Herzen!

Und während sie so saß in Tränen bang,
Ertönte eine Stimme vor dem Garten,
Ein Wanderer ein Lied von Madschnun sang:
Ah! weh und wund ist Madschnun von der Liebe,
Und spitze Dornenpfeile bohren schlank
Sich in mein rosenrotes Herz, das blutet,
Da schreit mein Blut zu Gott: Wie lang, wie lang
Muß ich noch um die Liebe Leylas leiden?

Da Leyla hörte von den Liebespeinen
Des vielgeliebten Madschnun seine Klage,
Da mußte sie wie eine Quelle weinen
Und schluchzen wie die Nachtigall der Rose.
Was half ihr da der Sonne goldnes Scheinen,
Da Trauer spendete ein Nächtedunkel?
O wann wird Gott die Liebenden vereinen
Und ihnen Paradieses Pforte öffnen?

9

Und Madschnun stob dahin auf seinem schnellen,
Windschnellen Pferde in die heiße Wüste.
Da sah er ferne Punkte flimmern, Stellen
In dem ätherischen Gefild der Lüfte,
Und als er näher kam, sah er Gazellen,
Die sich im Schlingennetz verfangen hatten,
Bei ihnen einen kräfigen Gesellen,
Der die Gazellen fing und schlachten wollte.

O laß die Tiere frei! rief durch den Wind
Mit lauter Stimme Madschnun zu dem Jäger;
Sieh doch, wie lieblich die Gazellen sind,
Die Augen gleichen denen der Geliebten,
Keuschblickenden, sie schaun so keusch und lind,
Und diese Brüste sind und diese Schenkel
Zum Fressen nicht bestimmt! So laß geschwind
Die lieblichen Gazellen in die Freiheit!

Da sprach der Jäger: Daß sich Gott erbarm!
Ich bin ein Jäger nur mit Weib und Kindern
Und wir sind arm, wir sind so bitter arm,
Und sollen meine Kinder Hunger leiden?
Zwar die Gazellen schaun mit keuschem Charme,
Doch geben sie auch gutes Fleisch zur Speise,
Und facht man Feuer, wird das Wasser warm,
Dann munden wohl gekocht Gazellenschenkel.

Und Tränen Madschnun aus den Augen flossen,
Als er vom Hunger jener Kinder hörte
Und von dem guten Weibe des Genossen,
Da sah er daß auch dieser Jäger liebte.
Da gab das schnellste Roß von allen Rossen
Dem Jäger Madschnun gleich, den eignen Renner,
Auf dem der Jäger ist davongeschossen
Und ließ zum Tausch die lieblichen Gazellen.

Und Madschnun beugte keusch und zart sich nieder,
Und ohne Angst gewährten die Gazellen,
Daß Madschnun küsste ihre Augenlider,
Die keuschen Schleier vor den Onyx-Augen,
Und zärtlich küsste Madschnun immer wieder
Die zärtlichen Gazellen, die es litten,
Dann sang er ihnen süße Lobeslieder
Auf ihre und der Vielgeliebten Augen:

O Lider seidensanft, o Wimpern sacht,
Die ihr verschleiert wie mit keuschem Schleier
Der Augen wundervolle Neumondnacht,
Laßt sehen mich die nachtverwandten Augen,
Die Gott der Ewige so schön gemacht,
Denn sie erinnern mich an Leylas Augen!
O Nacht, o Stern, o Seelenfunke! Pracht
Nächtlichen Kosmos’ ruht in Leylas Augen!

Und weil ihr Süßen mich erinnert habt
An meiner Vielgeliebten Neumondaugen,
Weil die Erinnerung mich sehr gelabt
Und mir beinahe meine Sehnsucht stillte,
Weil Gott euch so mit Grazie begabt,
Drum spend ich gern euch meinen frommen Segen,
Ihr holden lieblichen Gazellen: Trabt
Wie Zwillingssterne in das Reich der Freiheit!

Barfuß ging durch das Wüstenland hienieden
Und arm wie eine Maus von Mekka Madschnun.
In seiner Seele suchte er den Frieden
Des Paradieses, aber seine Seele
Ging in der Wüste glühenden Gebieten,
Da unbarmherzig glutenheiß die Sonne
Den Saft in Madschnuns Hirne bracht zum Sieden
Und glüher Sand ihm seine Sohlen brannte.

Gott der Allmächtige hat angefacht
Die Flammensonne überm Wüstenland,
Er ist es, der sie abends kühler macht
Und hüllt in dunklen Purpur alten Tag
Und in das blaue Kleid der Mutter Nacht,
Bestickt mit eines Sternes Diamant:
Die Mondin zieht am Firmament so sacht,
Die ihre Leuchte von der Sonne leiht.

Und da der Sterne glitzernde Juwele
Ihm schwarzen Samt des Himmels funkelten,
Da trat der Wanderer in eine Höhle
Und weinte weh wie ein Verwundeter:
Verwundet war er ja an seiner Seele.
Er las die Nacht in seinem Lebensbuch,
Das netzten seiner Liebestränen Öle
Die ganze Nacht, die schlaflos ihm zerrann.

10

Von China stieg die Sonne schön empor,
Wie rote Jade aus dem Reich der Mitte.
Und Madschnun ging und sang sich Lieder vor,
Die er auf seiner Wanderung gedichtet,
Und was er in der Tränen Schleierflor
Einsam gedichtet, würde balde singen
Des ganzen weiten Morgenlandes Chor,
Das Morgenland schätzt seine Liebesdichter!

Und als er ging in roten Abendröten
Und dachte voller Traurigkeit an Leyla
Und liebte sie in seinen Seelennöten
Wie seinen Tod und Gottes Paradiese
Und wie er ging mit traurigen Gebeten,
Da sah er ferne einen Jäger stehen,
Der wollte den gefangnen Hirschbock töten,
Der vor ihm stand voll Sehnsucht nach der Hirschkuh!

Hyänengleicher böslicher Tyrann!
Rief Madschnun zornig jenem Jäger zu,
Bist du denn ohne Gnade, böser Mann,
Daß du die schwache Kreatur so quälst?
Er, der nur stets in zarter Liebe sann,
Wie er die schöne Hindin wiederfind,
Den willst du töten? Denk doch, wie wird dann
Der schönen Hindin wohl zumute sein?

Die schöne Hindin, die so bange scheute,
Die wird vor Elend gar zugrunde gehen!
Denk nur, du seist der Hirsch, du seist die Beute,
Und jener stolze Hirschbock sei dein Jäger!
Was soll ich machen? sprach der Jäger, heute
Fing ich ein Mahl, mein Dasein mir zu fristen,
Sonst frißt mich gar des Hungers Hundemeute
Und reißt mich wie Hyänen und Schakale!

Da gab ihm Madschnun ein geweihtes Stück
Von Chrysolith, das war ein Talisman,
Er schützte sicher vor dem bösen Blick
Und war in Gold gefasst und wertvoll sehr,
Er gabs dem Jägersmann und wünschte Glück
Und Speise ihm für seinen leeren Bauch.
Der Jäger kehrte wieder in die Stadt zurück
Und ließ den wunderschönen Hirschbock frei.

Und Madschnun dankte seinem Gott geschwind
Und neigte sich zu jenem stolzen Tier,
Wie sich ein Vater neigt zu seinem Kind,
Liebkosend seinen schlanken braunen Hals:
Getrennt sind wir von der Geliebten, sind
Getrennt von der Geliebten, Elende!
Du Steppenläufer, schneller als der Wind,
O wie erinnerst du mich doch an Sie!

Geh, Hirschbock, eile, suche deine Braut,
Die Gott dir gab, die treuliche Gefährtin,
Die sehnsuchtsvoll nach ihrem Hirsch ausschaut,
Und geh zu ihr und ruh in ihrem Schatten
Und schlummere bei ihr, wenn Mondschein taut,
Und leg den Kopf auf ihre schlanke Flanke
Und kos mit deinen Nüstern ihre Haut
Und weide dich am Hügel ihrer Brüste.

Und wenn du auf dem Weg zu deiner Schönen
An Leylas blauem Zelt vorüberkommst,
So mögest du vor ihr voll Inbrunst stöhnen
Und bringen kummervolle Botschaft ihr:
Du, bist du traurig? Madschnun schwimmt in Tränen!
Du, bist du einsam? Madschnun ist es auch!
Du, sehnst du dich? Auch er vergeht vor Sehnen!
Du, willst du sterben? Madschnun ist schon tot!

Und über Madschnun zogen Karawanen
Von Sternen, abertausenden, einher,
Geordnet alle auf bestimmten Bahnen,
Orion doch getrennt vom Siebenstern,
Der schimmernden Plejade, und vom Schwan
Getrennt die Jungfrau aus der goldnen Zeit.
Da schwamm der Mond in silberfarbnen Kahnen
Hindurch des himmlischen Ägypten Nil.

Und Madschnuns Augen zu den Sternen dringen,
Allein er mußte auf der Erde bleiben,
So wie ein Vogel mit zerschnittnen Schwingen,
Doch aufgerichtet grad wie eine Kerze,
Die auch im Stehn verbrennt. Und unter Singen
Von Klageliedern wanderte er weiter,
Entblößt von Hoffnung und von allen Dingen,
Bis auf den blutenden Rubin des Herzens!

11

Die liebe Leyla, Madschnuns ganzes Leben,
Von ihrem Vater wurde sie verkauft,
Von ihrem Vater einem Mann gegeben,
Der eine Herde von Kamelen gab,
Doch Leyla hat sich niemals ihm ergeben,
Und nahte ihr der Gatte in der Nacht,
So weigerte sie ihm der Brüste Beben,
Verschlossen hielt den Schoß jungfräulich sie.

Das wusste Madschnun nicht, er wußte nur,
Daß Leyla eines Gatten Braut nun war.
Da ging er einsam in der Wüste Spur
Von streunenden Schakalen jammervoll,
Und dachte: Sie ist doch auch nur Natur
Und ihre Liebe gab sie hin dem Trieb,
Doch meine Liebe gilt der Kreatur,
Die Gott am sechsten Tag für mich gemacht!

Der Kummer machte dünn ihn wie ein Haar,
Kaum war noch Existenz und Atem in ihm,
Doch singen mußte er und wunderbar
Sang er von seiner Leyla-Liebe immer,
Und seiner Verse tausendfache Schar
Gab er dem Wind, daß der sie Leyla bringe,
Die Madschnuns Liebe immer, immerdar,
Doch Leyla hörte nimmer seine Lieder.

Geliebte, du hast einen Bund geschlossen
Mit einem Anderen als Madschnun? Weh mir!
Ein Anderer hat deine Frucht genossen
Und die Magnolienblüten deiner Brüste
Und ihm ist deiner Küsse Quell geflossen
Und mir nicht, sondern ich muß immer darben,
Obwohl mich Gott bestimmte zum Genossen
Und dich zu meines Paradieses Eva!

Einst war im grünen Garten ich ein Knabe
Und an der Palme reifte meine Dattel,
Daß sie mir spende ihre süße Labe,
Doch jetzt bin aus dem Garten ich vertrieben
Und an der Dattel pickt und pickt ein Rabe;
Werd diese Dattel ihm zu einer Distel,
Daß er statt Süßigkeit nur Dornen habe,
Und aus des Dornes Born ihm ströme Galle!

An jenem Tag, da ich mein Herz dir gab,
Da ich mein Herz für immer dir gegeben,
Was meinest du, geliebte Leyla, hab
Ich da geahnt mit meiner Seele Schwanen,
Daß deine Liebe würde mir zum Grab?
O schämst du dich nicht, schlankeste Zypresse,
Daß du nun einen Fremden labst? O lab
Doch deinen Madschnun nur mit der Jasminbrust!

Was ich gelitten und was ich gesungen,
Das wird auf Erden nimmerdar vergessen,
Denn meiner Traurigkeit ist es gelungen,
Sehr lobenswert der Liebe Lob zu singen,
Vor fernen Völkern ist mein Lied erklungen
Und die es hörten, weinten bittre Tränen
Und weinten süße Tränen, wehdurchdrungen,
Und alle sagten: Ihr gehört zusammen!

Wohl trug der Wind die Verse Madschnuns fort,
Doch Antwort brachte dieser Bote keine.
O Tränenkelch der Liebe, siehe dort
Ist auch das Aschenbrot einsamer Liebe!
Und zweifelte an ihrer Liebe Wort
Und Treue Madschnun auch, doch nicht an seiner
Zu ihr, der allerhöchsten Schönheit Hort,
Die seine Seligkeit und all sein Schmerz war!

Solang ich lebe, kann ich nur bekennen,
Geliebte, ich bin ganz und gar der deine,
Und niemand kann uns voneinander trennen,
Ich bin dir treu. Und quälst du mich - so sei es,
Ich werde immerdar in Liebe brennen,
O du mein Tod, o du mein ewges Leben!
Der Ewige wird uns zusammen nennen
An seines Jüngsten Tages ewgem Urteil!

12

Ein Jäger traf den einsamen Verwegnen
In einer Abendstunde in der Wüste:
Hier also muß ich, Madschnun, dir begegnen,
In dieser Wüste, ferne von den Deinen?
Willst du denn niemand außer Leyla segnen
Und nicht an Vater, nicht an Mutter denken?
Was wird wohl Gott dir im Gericht entgegnen,
Vor dessen Thron dein Vater jüngst getreten?

Du hörtest recht: dein Vater ist verschieden!
So geh, so eile hin zu seinem Grab
Und ehre seiner Seele ewgen Frieden
Und seiner Seele ewge Seligkeit
Am Grab, da seine Glieder ruhn hienieden
Bis zu Millionen Toter Auferstehn!
Da sollst du dem Erbarmer Gruß entbieten,
Gott bitt, daß er dir deine Schuld vergibt!

Und Madschnun eilte in den Abendstunden
Gleich fort und eilte gleich die ganze Nacht,
Bis er des guten Vaters Grab gefunden
Und warf sich nieder vor dem Marmorstein
Mit Weh des Herzens und der Seele Wunden
Und da verließ ihn der Besinnung Geist
Und kaum war Hoffnung noch auf ein Gesunden,
So war er krank vor Herzens Not und Qual!

Er krallte seine Finger in den Staub
Und weinte laut, vor Schmerz gepeitscht, gegeißelt,
Allen erfundnen Trostesworten taub
Ergab er ganz sich elender Verzweiflung
Und trieb im Sturm der Qual wie Herbsteslaub
Und ward vom Sturm der Seelennot geschüttelt
Und selber nahezu des Todes Raub,
Wenn Gott ihn nicht am Leben lassen wollte!

Ach Vater, ach, zu wem kann ich jetzt reden
Von meiner Not, da du nicht mehr auf Erden,
Du, der mich lehrte, in der Not zu beten,
Weil Freude mir nicht ward, im Glück zu beten,
Ich hätte auch im Glück gebetet jeden
Tag unsres Herrn zu unserm Gott der Gnade,
Der möge öffnen dir das Tor nach Eden,
Damit dich dort beselige die Houri!

Begleitet hast du stets mich und beschützt,
Doch ich bin dir ein schlechter Sohn gewesen.
Was hat mir all mein Wissen denn genützt,
Wenn ich dir damit keine Freude machte?
Ach ich verlorner Sohn, der weinend sitzt
Im Staube einsam, ohne seinen Vater,
Und aus den Augen Tränen nur verspritzt,
Weil ich allein muß auf der Erde bleiben!

Ich bleibe hier, doch du bist fortgegangen,
Ach Vater, wäre es doch andersrum!
Nun beißen mich der Reuequalen Schlangen,
Weil dich mein Leben nicht genug geehrt.
Ach könnt ich küssen deine bärtgen Wangen
Und dir die Hände küssen ehrfurchtsvoll!
Warst du denn stolz auf meiner Verse Prangen?
Die Lieder sind doch alles, was ich kann!

Licht spenden aber nicht der Verse Kerzen,
Kein Licht, das dir im Jenseits leuchten könnte,
Doch mögen die Gebete meiner Schmerzen
Und alle Frömmigkeit der Seelennöte
Und Gott der Herr in meinem armen Herzen
Erlösung stiften deiner ewgen Seele,
Auf daß du mögest mit der Houri scherzen
Vorm Throne Gottes in dem Garten Eden!

Im Garten Eden ist nun deine Heimat,
Der du den trauervollen Sohn verlassen,
Der auf der Erde findet keine Heimat
Und sich nur Gottes Gnade übereignet,
Daß Gott der Herr ihn führe in die Heimat,
Auf daß er lebe mit der lieben Leyla
Vor Gott, die seiner Seele wahren Reim hat,
Der ohne Leyla halb nur ist vor Allah!-

13

Und dann ging Madschnun wieder in die Wüste
Und blieb in grenzenloser Einsamkeit
Als wie ein Eremit, der Sünden büßte,
Und seine Sünde war die Liebe nur,
Sein Leid, daß Leyla einen Andern küsste,
Und dennoch glühte Liebesflammenglut
Und Liebeswogenschwall der Meeresküste
In ihm für seine Leyla ganz allein.

Da sang er hunderttausende Ghazelen
Und reihte sie wie Perlen an der Schnur
Und alle hatten Schönheit von Juwelen,
Doch streute er die Blätter in den Wind.
Und die im Morgenland, die schönen Seelen,
Die liebten schöne Liebespoesie,
Die fischten jedes Blatt, keins durfte fehlen;
Doch Madschnun ward das Los der Traurigkeit.

Er lebte als ein Wilder auf der Erde,
Als Wilder in der Wildnis ganz allein,
Alleine, doch so frei wie wilde Pferde,
Und doch in seiner Wildnis Einsamkeit
Fand er Gefährten, denn er ward Gefährte
Der Tiere. Wenn er in den Höhlen schlief,
Vertrieb er nie die Tiere. Auf der Fährte
Der wilden Tiere ging er als ihr Freund.

Geriet ein Tier in eines Jägers Falle,
Befreite Madschnun es mit zarter Hand.
Er liebte alle und er strich sie alle
Liebkosend mit der schönsten Zärtlichkeit.
Sie wurden ruhig, wenn mit Redeschwalle
Und stillem Flüstern er zu ihnen sprach.
Und all der Kampf und Krieg vom Sündenfalle
Ließ nach in Madschnuns schönem Friedensreich.

Und bald gewann der Tiere Schar ihn lieb
Und sie gewöhnten sich an seine Nähe,
Er zog sie an, und manches bei ihm blieb
Und kauerte sich gern in seinen Schatten,
Weil er kein Tier von seiner Seite trieb,
Er hatte alle gern an seiner Seite,
Wenn er im Sand der Wüste Verse schrieb,
Die bald der heiße Wüstenwind verwehte.

Und schließlich ging ein Löwe Schritt und Tritt
An Madschnuns Seite auf den Wanderungen,
Ging friedlich wie ein Hirtenhündchen mit
Und wachte über Madschnun als ein Lämmlein
(Ein schwarzes Lämmlein, das da bitter litt)
Und bald kam auch der Purpurfuchs der Wüste
Und auch der Hirschbock durch die Steppe glitt
An Madschnuns Seite. Alle hielten Frieden.

Er war ein König wie einst Salomon,
Der da verstand den Sang der lieben Vöglein.
Ein Felsen in der Wüste war sein Thron
Und friedlich scharte sich um ihn das Tiervolk
Und alle dienten, dienten nicht um Lohn,
Und waren sich gewiß doch Madschnuns Gnade.
Und jedes Tier war Tochter ihm und Sohn
Und er der Tiere König oder Kaiser.

Der Wolf riß nicht das Lamm, und von der Flanke
Der Eselin zog sich zurück der Löwe,
Und die Gazelle, die zypressenschlanke,
Bekam die Milch gespendet von der Löwin,
Und der Schakal begrub das sündenkranke
Gefecht mit dem verhuschten Wüstenhasen.
Und alle ließen sündiges Gezanke
Und folgten Madschnun auf den Wanderungen.

Und wollte Madschnun schlafen in der Nacht,
Bot ihm der Hirsch den Schenkel an zum Kissen,
Die Hindin koste seine Füße sacht,
Der Panther kreiste sichernd um das Lager
Und Wolf und Löwe hielten sorgsam Wacht.
Und Madschnun lebte unter den Geschöpfen
Als wie ein Engel voller Seelenpracht
Und doch ein Engel mit gebundnen Flügeln.

Je mehr er ward ein Herr und Freund den Tieren,
Um desto seltener ihm Menschen nahten.
Die Tiere aber Madschnuns Grafschaft zieren
Und bald verstand er auch der Tiere Sprache.
Und seine Lieder sich im Wind verlieren,
Nur manchmal schrieb er sie auf lose Blätter
Und übergab den Winden............................
....................................................................

(Der Rest ging verloren).



DRITTER TEIL:
RUMIS HEILIGE TÄNZE

Wir wollen an der Hand der Liebe tanzen
Bis in den Einen, in den Großen-Ganzen!


I

Horch mit dem Ohr der Seele, o du Seele,
Im Grün, Grün der Juwele, o du Seele,
Dem Ruf der Liebe voller heißer Inbrunst!
Die Perlenschnüre zähle, o du Seele,
Die Schnüre eines aufgelösten Kleides!
Im Rausche fort dich stehle, o du Seele,
Und schau im Rausch der Liebe Himmels Schöne!
Und der Plejade Kehle, o du Seele,
Sie singt im Fliehen vor Orions Werben!
Die Welt dir nicht verhehle, o du Seele,
Wie aufgewühlt die Schöpfung durch die Liebe!
Von Tugend und von Fehle, o du Seele,
Ist rein der himmlisch-reine Rausch der Liebe!
Wo bleibt denn Philomele, o du Seele,
Wenn trunken jauchzt im Morgenrot die Lerche?
Mit Trübsal nicht verfehle, o du Seele,
Den Weg des Lebens, schau zur frohen Güte!
Ich schweige, sprich du Seele, o du Seele,
Du Seele in der Seele meiner Seele!
Wenn ich in Gluten schwele, o du Seele,
Verglüht mir alle Glut in deinem Feuer!


II

Gab gestern abend einem Stern, mein Himmel,
Den Liebesbrief, denn du bist fern, mein Himmel:
Ich biete meine Dienste meinem Monde,
Den Dienst der Liebe, meinem Herrn, mein Himmel,
Ich dien der Sonne, die mit ihrem Brennen
Vergoldet eines Felsen Kern, mein Himmel.
Und ich entblößte meinen wunden Busen,
Des roten Herzens Ordensstern, mein Himmel.
Die Liebe trinkt von meines Herzens Blute!
Ich schwanke, schwanke, insofern, mein Himmel,
Als wie ein Kind im Schoße seiner Mutter,
Und wie ein kleiner Junge lern, mein Himmel,
Ich von der Mutter sanftem Auge Frieden.
Der Weisheit Milch hab ich so gern, mein Himmel,
Und schlürfe oft die Honigmilch der Tröstung.
Des Herzens Heimat in der Fern, mein Himmel,
Ist deine Stadt - doch ich bin in Verbannung!
Ich trink aus schmutzigster Zistern, mein Himmel,
Verlorenheit, so fern des Lebens Quelle!
Nun lasse mich in die Tavern, mein Himmel,
Mach Schönheit trunken meines Auges Schmachten!


III

O Garten! seine Röselein, Geliebter,
Sie sollen dir erblühte sein, Geliebter,
Erblühte Rosen für die Auferstehung!
Mein Götze! Beide Welten sei’n, Geliebter,
Betört von deiner anmutvollen Schönheit!
Der schöne König geht allein, Geliebter,
Auf Jagd nach der Gazelle früh am Morgen;
Mög seines spitzen Pfeiles Pein, Geliebter,
Mit Schmerzen peinigen die andern Leute!
Wie kommt aus seiner Augen Schein, Geliebter,
Ein Evangelium in meine Augen!
Aus seiner Augen Edelstein, Geliebter,
Entspringe mir der Feuerglanz der Freude!
In eines Büßers Kämmerlein, Geliebter,
Bin ich getreten in der Nacht. Er sagte:
Es sei das ganze Leben mein, Geliebter,
In Schwermut tief verlassen und verloren!
Doch durch sein nüchternes Latein, Geliebter,
Ist mir mein Herz verlassen nicht und friedlos,
Ich habe doch der Liebe Wein, Geliebter,
Sei Gott der Ewige meiner Liebe gnädig!
Mein Leib ist gleich dem Mondenschein, Geliebter,
Dem kühlen Monde gleich, der schmilzt vor Liebe!
Mein Herz und meine Seele rein, Geliebter,
Sind wie die Harfe und die Harfensaite,
Wie David will ich benedein, Geliebter,
Den ewigen Gott, der da die Liebe heißet!
Will meine Harfe Schreie schrein, Geliebter,
Sieh an nicht die Zerrissenheit der Saiten!
Schau an die Süße meiner Pein, Geliebter,
Und seien meine Schmerzen tausendfältig!
Die Seele ist ein Jungfräulein, Geliebter,
Erfrisch die Anmut ihres Angesichtes
Der Erde menschlichen Verein, Geliebter!
Schau nicht die Haut der Wange an der Jungfrau
Beim liebevollen Stelldichein, Geliebter,
Schau an die Rosenwangen ihrer Seele
Und ihres Geistes Feuerschein, Geliebter,
Wie Herz und Seele lieblich sind der Jungfrau!
Des Menschenleibes Opferstein, Geliebter,
Er gleicht dem schwarzen Raben und dem Winter,
Doch sollen lichte Blümelein, Geliebter,
Im ewgen Lenz der schönen Seele blühen!
Erd, Wasser, Luft und Feuerschein, Geliebter,
Sind nicht die Seele - ewig ist die Seele!


IV

In Venus’ Rosenländerei, o Schönheit,
Lehrst du der Liebe Neckerei, o Schönheit,
Der schönen Sternin lose Liebeskünste!
Der Venus Aug voll Zauberei, o Schönheit,
Hält offen all des Himmelreiches Augen.
Was immer auch gescheh und sei, o Schönheit,
Ich bin vereint der Liebe und sonst niemand!
Zuerst gebar mich aus dem Ei, o Schönheit,
Die Liebe, ihr gab ich mein Herz als Letzter.
Ergebe dich der Tänzerei! O Schönheit,
So sprach zu mir der Liebe Lockenspitze.
Der Kerzenwange Konterfei, o Schönheit,
Begehrte eine Motte für die Flamme!
Ohne des Feuers Raserei, o Schönheit,
Halt ich es nimmer aus, zum Brand geschaffen!
Aus dieses Glühens Sakristei, o Schönheit,
Errettet nicht einmal der Quell des Lebens!


V

Ging je ein Baum mit Füßen, würd er nicht
Die Säge dulden. Käm die Sonne nicht
Mit Flügeln, würd die Erde nicht erhellt.
Und steig mit seinem Salz das Wasser nicht,
Wie würd es regnen auf den grünen Hain?
Und trennte sich vom Meer der Tropfen nicht,
Gäbs keine Perle in der Muschel Schoß.
Ging Josef weinend von dem Vater nicht,
Er wär nicht Herrscher nach dem Pharao.
Und dennoch wählte deine Seele nicht
Den Weg in deines Herzens Rubinschacht?
Und wanderst du nicht in dich selbst und nicht
Zum Grund des Herzens, findst du nie das Gold.
Aus allem Bittern kommst du anders nicht,
Als durch die Süßigkeit des Inneren.
Schaust du die Sonne deiner Liebe nicht,
So grünt dir niemals wahren Lebens Baum!


VI

Ich schrie im Herzen wild um Mitternacht:
Im Herzen ist ein Bild um Mitternacht!
Die Liebe trat zu mir und sprach: Ich bins,
Die dir im Herzen quillt um Mitternacht!
Von meiner Schönheit ist der Mond beschämt,
Die Mondin im Gefild um Mitternacht!
Doch was ist deines Herzens stilles Haus
Mit Bildern angefüllt um Mitternacht?
- Ach, das sind die Gedanken über dich,
Die Liebe anmutmild um Mitternacht.
- Und was ist das da, rot von Herzensblut?
- Gedankliches Gebild um Mitternacht,
Das ist mein wundes Herz, das weint im Staub.
- Die Seele war gewillt um Mitternacht,
Als Gläubige der Liebe sich zu weihn.
Schön wie das Mondenschild um Mitternacht,
Tat auf die Liebe ihr bewimpert Aug.
Die Seele ungestillt um Mitternacht
Nach dem geliebten Wesen streckt die Hand.
Das liebe Wesen brüllt um Mitternacht
Und schreckt das Herz mit seiner Grausamkeit;
Die Grausamkeit enthüllt um Mitternacht
Der wahren Liebe Sanftmut rein und süß.
Wie heißest du das Bild um Mitternacht?
Reib dir die Augen - schau des Herzens Bild!


VII

Was nimmt die Seele sich nicht Flügel vor? Komm!
Denn Gottes Gegenwart haucht dir: Empor! Komm!
Wie sollte Fischlein nicht vom Ufer schlüpfen,
Trifft frischer Wogenflut Gesang sein Ohr: Komm!?
Wie sollt der Weise nicht den Tanz beginnen
Wie Sonnenstäubchen in der Sonne Flor - komm! -
Wenn er vernimmt im Licht der Ewigkeiten
Neunfältig gottergebner Engel Chor: Komm!?
O Gnade! Lieblichkeit! der Schönheit Leben!
Welch Elend, wenn die Schönheit wer verlor! Komm!
O komm zu der Lebendigkeit der Schönheit!
Der Vogel aus dem Lande, wo er fror, komm,
Er fliege in das Südland süßer Sonne!
Willst du zum süßen Freudenhain, zuvor komm
Du fort aus dem Gefild der Bitterkeiten!
Vom Lande von Philister und von Tor komm
Zum wahren Land des Glaubens und der Weisheit!
Die Welt das arme Lämmlein Seele schor; komm
Auf deines Hirten quellenreiche Auen!
Komm von der Erde ödem Korridor, komm
Ins prächtige Gefild des Himmelreiches!
Die Seele ist der Fürst, der Leib der Mohr; komm,
O Herz, ins Fürstentum der wahren Liebe!


VIII

Ich bin ein Maler und ich mal geschwind
Und jeden Augenblick ein Bild ich find
Und lösche sie in deiner Gegenwart.
Erscheinung um Erscheinung lieb und lind -
Einflöß ich allen Geist von deinem Geist.
Und seh ich dich vor mir erscheinen, find
Ich jegliche Gestalt des Feuers wert.
Bist der du, dessen Schönheit ich empfind,
Der Schenke mit dem Flammenwein im Kelch?
Bist du der Gegner, dem ich mich verbind,
Der Gegner aller öden Nüchternheit?
Bist du der Krieg, der heiße Wüstenwind,
Der meine Hütte und mein Land verheert?
In deinen Geist mit meinem Geist verschwind
Ich ganz, in deiner Seele meine schmilzt.
In meiner Seele ich mich wohlbefind,
Weil meine Seele von der deinen stammt.
Blutstropfen, der aus meiner Wunde rinnt,
Ist eis mit deiner Liebe Feuerrot.
Im Haus aus Lehm und Wasser ich mich wind
Und trostlos ohne dich ist mir mein Herz.
O Herzenskönig! nimm mich zum Gesind,
Ansonsten flieh ich aus des Herzens Land!


IX

O wenn wir uns besitzen, du und ich,
Und im Palaste sitzen, du und ich,
Die Liebe uns in Eine Seele schmilzt
In doppeltem Erhitzen! Du und ich!
Die Sonne spendet uns Unsterblichkeit,
Wenn wir im Garten schwitzen, du und ich.
Wie Edelsteine schaun uns Vögel an,
Und unter Baumes Spitzen: du und ich.
Wir werden zu des Himmels Sternenschar
Als neue Sterne glitzen, du und ich.
Wir hängen an Marien Mutterbrust,
Der Mondin weißen Zitzen, du und ich,
Und werden wie die Mondin selber sein.
Wir werden nicht zerschnittne Skizzen, du und ich,
Wir werden wie ein Bild der Einheit sein.
Ein Wunder wird uns schützen! Du und ich,
Trotz aller Ferne sind wir doch vereint.
Mög unsre Liebe blitzen! Du und ich!
In Mekka du, ich in Jerusalem!
Und doch zusammen sitzen du und ich
In unsrer Herzensliebe Freudenhain!


VIERTER TEIL:
NACHDICHTUNGEN AUS DEM KORAN

Poete sah die Huri schon hienieden,
Prophete rufet: Frieden, Frieden, Frieden!


I

Es betete, die da gebar Maria:
O Herr! in meinem Schoße war Maria,
Die war in meinem Schoß, will ich dir weihen,
So nimm du zu dir immerdar Maria!
Du bist der Wissende, du bist die Weisheit! -
Und als die Mutter sie gebar, Maria,
Sprach sie: Ich hab geboren eine Jungfrau!
Da sah, der sein wird, ist und war, Maria,
Daß Imrans Weib geboren eine Jungfrau.
Ich nenn die Schönste aus der Schar Maria
Und weihe dir die Magd und ihren Samen,
Daß du die Jungfrau wunderbar, Maria
Und ihren Samen, vor dem Satan schützest!

II

Die Engel sprachen: O Maria, Maid,
Erwählte du, von Gott gebenedeit,
Gott machte dich zur Reinsten aller Fraun!
Maria, sei du Gott dem Herrn geweiht
Und bete an mit deiner Stirn im Staub!
- War ich im Jünglingskreis zu jener Zeit,
Als jeder um Maria warf das Los,
Und als sie stritten ihren Männerstreit,
Wer da die Jungfrau frein darf als Gemahl? -
Die Engel sprachen aus der Ewigkeit:
Maria, Gott verkündet dir sein Wort,
Messias Jesus, Sohn der reinen Maid,
Geliebt auf Erden und im Reich bei Gott!
Und wenn ein Kindlein in der Wiege schreit,
Spricht Jesus diesem Kindlein Gnade zu...
Maria sprach, die immerwährende Maid:
Wie, da ich keinen Mann erkennen werd,
Wie wird mir da der Sohn der Ewigkeit?
Gott sprach: Ich schaffe, was ich will! Ich red
Das Wort: Es sei! Da ist es in der Zeit.-
Gott gibt Torah und Evangelium,
Gott sendet seine Weisheit in die Zeit,
Ihm glauben möge all das Volk der Schrift.


III

Gedenke auch im Himmelsraum Maria,
Gedenke auch im Erdenraum Maria,
Die einsam lebte in dem Land des Ostens,
Verschleiert von dem Schleiersaum, Maria.
Da sandte Gott als Bräutigam die Taube,
Den Heiligen Geist in ihren Traum Maria.
Ich nehme meine Zuflucht zum Erbarmer!
Sprach frommen Wortes hörbar kaum Maria.
Da sprach der Heilige Geist, die sanfte Taube:
O Tropfen aus dem Meeresschaum, Maria,
Gebären wirst du Jungfrau einen Knaben!
Da schattete der Taube Flaum Maria,
Da sie den Sohn des Ewigen empfangen.
Da trat zu einem Feigenbaum Maria,
Da hat die Maid den Feigenbaum umschlungen.
Da quoll dir einer Quelle Schaum, Maria,
Und ließ dich reines Lebenswasser trinken.
Du schütteltest den Feigenbaum, Maria,
Da warf er in den Schoß dir eine Feige.


IV

Der Ewige sprach sein Gebot: O Jesus,
Du Sohn Mariens, Rose rot, o Jesus,
Mit dir und deiner Mutter ist die Gnade,
Weil ich den Heiligen Geist dir bot, o Jesus,
Dir meine Kraft gesandt als sanfte Taube!
Aussätzige von ihrer Not, o Jesus,
Die Armen und die Elenden erlöse
Und weck die Toten aus dem Tod, o Jesus,
Gib ihnen Leben du von meinem Leben! -
Du sprachest, Sohn der Rose rot, o Jesus,
Dein Wort zu Gott, dem Ewigen der Gnade:
Gibst du der Welt des Lebens Brot? - O Jesus,
So fragtest du den Ewigen der Gnade?
Du selber bist des Lebens Brot, o Jesus,
Und Gott im Himmel hat den Tisch bereitet!


V

Und Jesus kam mit offenbaren Zeichen
Herab aus seinen sieben Himmelreichen:
Zu euch gekommen bin ich mit der Weisheit,
Was wollt ihr anderes dem Herrn vergleichen?
Gott ist der Weg, die Wahrheit und das Leben,
Ihr möget nie von Gottes Wegen weichen!
So tretet ein in eure Freudengärten
Zu Paradiesesfrauen, freudenreichen!
Fürsprecher haben euch den Weg bereitet.


VI

Verlockend sind den Menschen anzuschauen
Die Kinder und die Freude an den Frauen
Und Rassepferde, Gartenland und Silber.
Dies wird der Gnädige der Welt vertrauen
Auf Erden. Doch der Himmel ist die Heimat
Der Heiligen. Dort wandeln sie in Auen
Bei den kristallnen Bächen unter Rosen
Und finden in den Paradiesen Frauen -
Das ist des Allerbarmers Wohlgefallen!


VII

In Edens Gärten werden die gelangen,
Die Offenbarung glaubensvoll empfangen.
Sie werden an den reinen Bächen wandeln,
Die schlängeln sich wie unschuldvolle Schlangen.
Die Heiligen des Himmels, reine Frauen,
Sie werden dort geschmückt mit goldnen Spangen.
Sie werden lebensgrüne Leinen tragen
Und jadeschön in feinster Seide prangen.
Die Dichter werden auf dem Diwan ruhen
Mit Paradiesesmädchen, die sie sangen.
Ja, dies ist Gottes Liebe, Gottes Gnade,
Die werden nur die Glaubenden erlangen,
Der schönsten Wonnen ewige Ruhestätte!


VIII

Dem reinen Diener Gottes aber sei
Prophetenhimmel mehr als Phantasei,
Dort wartet seiner eine süße Frucht,
Im Wonnegarten immer duftet Mai,
Auf Kissen kost er da mit einer Frau!
Der Freund auch seiner Freude sei dabei,
Der Becher kreise, voll mit bestem Wein,
Auf Erden tröstete die Melancholei
Der Wein, im Himmel sei er eingeschenkt!
Und Mädchen schauen schöner Schelmerei
Und herzen gerne Gottes treuen Knecht.
Das Aug der Einen wie ein Zauber-Ei,
Die seine Lieblingin im Paradies!


IX

Die Throne in dem weiten Himmelsraum
Stehn alle um des Lebens Lotosbaum.
Da lagern wir uns leicht und lässig hin
Und reden vom verflossnen Erdentraum
Mit schönen Jünglingen, wie Perlen zart.
Da tauchen herrlich aus dem Quellenschaum
Die Schöngeaugten in dem Seidenkleid,
Mit Funkelblicken unterm Wimpernsaum,
Vermählen sich mit uns in ewiger Lust!


X

Den Gottesfreunden Garten neben Garten,
Mit Maienblumen, Rosen aller Arten,
Mit duftenden und blütenreichen Zweigen.
Und alle, die auf Gottes Gnade warten,
Die werden trinken von den frischen Quellen.
Sie werden Früchte finden aller Arten,
Granaten, Datteln, Feigen und Jampusen.
Sie lehnen sich auf Lager in dem Garten
Und in die weichen Kissen von Brokaten.
Keuschblickende erscheinen in den zarten
Gewändern duftend hingehauchter Seide,
Kein Mensch noch Engel hat die ganz aparten
Keuschblickend-Schöngeaugten je entjungfert!
Sie gleichen rosigen Korallenarten,
Auch Onyx, Lapislazuli und Jade.
Was sollte sonst ein Gläubiger erwarten?
Auf Erden wird er stets entgegenschmachten
Der süßen Liebesstunde, lang erharrten,
Mit seiner Haura in dem Himmelszelte!


XI

Die da gegangen sind auf Gottes Wegen,
Erlangen einen ganz besondern Segen:
Sie werden ruhen in dem Wonnegarten
Und in des Weinbergs fruchtenden Gehegen,
Und Mädchen werden mit den hübschen Brüsten
Sich zu den Männern in die Kissen legen,
Gleichaltrig wie die Männer sind die Mädchen,
Die Mädchen, die die Trinkenden erregen,
Sind schön wie Eva einst im Garten Eden!


XII

Posaunen haben Jüngsten Tags begonnen,
Da gingen aus den Nächten vor die Sonnen,
Da gingen aus den Gräbern vor die Toten.
Gott ist gerecht und ist euch wohlgesonnen,
Die festgehalten habt am wahren Glauben.
Im Paradiese lebt ihr lauter Wonnen
Und werdet spielen wie der Weisheit Kinder
Und trinken besten Wein aus tiefen Bronnen
(Kopfschmerzen aber werdet ihr nicht kennen).
Und Weiber warten auf den Hochzeitsthronen
Auf ihre nimmermüden Ehegatten.
Und Frieden! Frieden! rufet die Madonne,
In Schmuck von Ofirgold vor Gottes Herzen.


FÜNFTER TEIL:
SALOMO UND DIE KÖNIGIN VON SABA

Fürst Salomon, der Fürst der Juden,
War König über alle Guten,
Die alle dienen, alle beten,
Die alle wert des neuen Eden,
Obs läge auf dem Berge Sion,
Ob auf dem Siebenstern Orion,
Wo schweben die astralen Engel
Und tragen Leiern, Lilienstengel
Und Schwerter, Scharen Michaelis,
Die treuen Boten Jahwe Eli’s.

Doch waren auch von Strahlenthronen
Geworfen Lucifers Dämonen
Und schwirrten nun durch Luft und Äther,
Um zu versuchen Juda’s Väter
Und Mütter auch, wie Eva weiland,
Von der doch kommen soll der Heiland.

Auf den Messias immer warten
Sah man Fürst Salomon im Garten,
Da schritt er einsam seine Runde
In stiller blauer Dämmerstunde.
Der Engel Salem, ewig lebend,
Umgab ihn unsichtbar und schwebend.
Ein Schimmer glänzte um die Krone
Dem gottgeliebten Davidssohne.
Da stand er in orangnen Mohnen
Und dachte über die Dämonen
Und wie sie zu beschwören seien.
Es war zur Abendzeit im Maien,
Da Salomon die Kunst begehrte
Der Dschinn-Beschwörung, und beschwörte:

O dunkler Geist der Wissensschätze,
Des Goldes der geheimen Plätze,
Tritt du zu meinem moosnen Kissen
Und bring von der Magie dein Wissen,
Von Sterne, Steinen, Sprüchen, Zahlen.
Im letzten Gold der Sonnenstrahlen
Und bei dem Abendruf vom Tauber:
Lehr Weisheit mich und Liebeszauber!
Weißt du die Liebe zu beschwören
Und schöne Frauen zu betören,
Dann komm und töne tausendtönig!
Doch bleib ich allezeit dein König,
Ich werde nicht in Zauberakten
Mit einem bösen Geiste pakten,
Du sei mein Knecht, du sei mein Sklave,
Doch über mich allein herrscht Jahwe!---

Und ein asketisch hagres Männchen
Trat leis mit einem Weihrauchkännchen
Zu Salomon, im Duft vom Öle
Und Schimmer in der Augenhöhle,
Und sagte zu dem Judenfürsten:
Vernommen habe ich vom Dürsten
Nach Weisheit und Magie und Wissen
Und dien dir fleißig und beflissen.
Hier hab ich Staub aus Adams Urne,
Den Gott schuf unter dem Saturne,
Hier hab ich Stachel von Skorpionen,
Die hoch auf dem Skorpione wohnen.
Schau, über die Skorpionenstiege
Ich ungeflügelt zu dir fliege.
Ich flog am Ischtar-Stern vorüber,
Und was ich sah und schaute, Lieber,
Im Spiegel auf dem Ischtar-Sterne?
Das Weib schmückt schon sich in der Ferne!
So sprach der Dschinn und war verschwunden
Wie Füchse fliehen vor den Hunden.

Und Salomon ging ganz alleine
Auf die Terrasse, um beim Weine
Allein zu beten, zu betrachten.
Er sah die Nacht ihn rings umnachten,
Er sah der Bäume Sinnlichkeiten
Und fühlte seiner Seele Leiden,
Wie Sehnsuchtsfernen in ihm glühten,
Er sah die Sterne schön wie Blüten,
Wie Himmelsblumen voller Düfte.
Und da umarmte er die Lüfte,
Der Bäume Blühn, der Gräser Sprießen.
Er wollte nur den Wein genießen
Und auch den scharfen Trank der Feigen
Und lange schweigen, einsam schweigen,
Um in dem Himmelreich zu weilen,
Wo göttliche Balsamen heilen.
Er sprach mit Abraham, mit Jakob
Und mit dem Himmlischen vom Jabbok,
Den Patriarchen und den Engeln.
An Tugend arm und reich an Mängeln,
Vertraute er auf Rat von oben.
Da hat sich sanft zu ihm geschoben
Die schwarze Pharaonenkatze
Auf ihrer sammetweichen Tatze.
Sie schaute zärtlich, schaute zage,
Sie tänzelte so weich und vage,
Sie ging in einer schönen Scheue,
Daß er sich ihrer Sanftheit freue.
Da führte er den Wein zum Munde
Und hörte das Geheul vom Hunde,
Der da zum hohen Monde heulte
Und dann in einen Garten eilte.
Schakale waren in der Wüste,
Delphine an der Meeresküste,
Um hohe Berge flogen Aare,
In Wipfeln ruhten Taubenpaare,
Es flogen Palästinas Möwen
Und ferne jagten Sabas Löwen.
Und Salomon zur Nacht alleine
Sah alle Welt in seinem Weine,
Die Schöpfung sah, die ganze gute,
Er wie in Jahwe’s Purpurblute.- -
Oh daß ich in den Lüften bade
Wie neugeboren durch die Gnade!
Oh daß die Sterne allenthalben
Mit dem astralen Tau mich salben!
Daß die Gazellen mir vergeben
Mit ihrer Brüste keuschem Beben!
Daß mich die grenzenlose freie
Süßwarme Nacht zur Liebe weihe!
Daß ich des Kosmos sieben Kreise
Als wie das Fleisch der Weisheit speise! - -

Und da er Harfen, Saitenspiele,
Die Dschinn von ihrem Feuerpfühle,
Die Tiere alle eingeladen,
Zu feiern Gottes große Gnaden,
Da kam beim frommen Gottesmann
Als letztes Tier der Hudhud an,
Der Wiedehopf, der Liebesbote.
Fürst Salomon sang eine Note,
Er konnte Vogelsprache sprechen,
Nicht nur barbarisch radebrechen,
Er konnte flöten, trillern, singen.
Und Hudhud hob die schönen Schwingen
Und ließ die Federn plustern, bauschen,
Und stellte sich, dem Herrn zu lauschen:
Schon kam die Mitternacht geschwommen,
Was bist du erst so spät gekommen,
Mit mir zu feiern Gottes Gnaden?
Ich hab die Tiere eingeladen,
Nur Hudhud wollt sich nicht beeilen?
Wo wolltest du so lange weilen?

Sprach Hudhud mit dem Räuspern edel,
Mit klugen Augen in dem Schädel
Und mit der Füße Paar Stolzieren
Und mit der Rede Prunk und Zieren:

O Majestät der Majestäten,
Du Zweiter Adam, Herr von Eden
Und von Jerusalem und Sion!
Ich war in Galilee und Dion,
Ich war im unteren Ägypten,
Umflog die Sphinxen und die Krypten,
Ich war in Kusch und war in Ofir
Und sah Granit und Gold und Porphyr,
Ich flog entlang der Skylla-Riffe,
Begleitete die Tarsis-Schiffe,
Begleitete ein Schiff von Schittim,
Fuhr nach Elischa, fuhr nach Kittim
Und schaute Jawans Inseln alle,
Flog weiter überm Edenballe
Und eilte durch die Sonnenmilde
Kleinasiatischer Gefilde,
Ich nistete in einer Zeder
Bei Susa in dem Land der Meder,
Vernahm das Streiten kontroverser
Dispute in dem Land der Perser,
Flog überm Euphrat trotz der Welle
Bis an des Euphrat hohe Quelle,
Am Kaukasus, dem Patriarche
Der Berge, schaute ich die Arche,
Ich flog mit Lust des Vogelsanges
Nach Hindostan und bis zum Ganges,
Sah China, der Chinesen Mauer,
Die Vögel dort im Vogelbauer,
Ich aber vogelfrei, ich habe
Den Weg gesucht zu Adams Grabe.
Und alle Länder, die ich schaute,
Die Gott zu sehn mir anvertraute,
Sie alle loben laut und ehrlich
Die Weisheit Salomonis herrlich,
Und alle weihen sich dem Ruhme
Von Sions Jahwe-Heiligtume! -
Jedoch - - Ich wag es kaum zu sagen,
Und denk ich drüber, muß ich klagen,
Es gibt ein Land, schön zum Ergötzen,
Da dienen alle noch den Götzen,
Die Königin ist eine Schöne,
So schön, daß ich vor Wollust stöhne,
Bilkis ihr Name, Sabas Herrin!
.................................................

Und Salomon vernahm die Töne
Und sprach: Du lobtest ihre Schöne?
An Schönheit will ich mich ergötzen
Und sie bekehren von den Götzen
Zum wahren Gott, der Schönheit Quelle.
Sag, ist sie dunkel oder helle?

Sprach Hudhud: Viele sah ich, viele,
Geeignet für der Liebe Spiele,
Ich sah der Griechen hübsche Nymphen
Mit bloßen Füßen, nicht mit Strümpfen,
Ich sah in maienem Aroma
Die holden Herrinnen von Roma,
Sah schwarzgeaugte Perserinnen
Und göttergleiche Inderinnen,
Prinzessinnen sehr süß in China -
Doch Sabas herrliche Regina,
An Schönheit nimmer übertroffen!
Als stünd das Reich der Himmel offen!
Wenn ich in ihre Augen sehe,
Fühl ich der Ewigen Weisheit Ehe! - -
.......................................................

Sprach Salomon: So fliege eilig
Und spanne deiner Flügel Segel,
Du Erster aller meiner Vögel,
Und nimm das Briefchen in den Schnabel:
Jerusalem, der Erde Nabel,
Will feiern Gottes schöne Gnaden,
Bilkis in meine Halle laden!
Da sollst du zirpen, sollst du tändeln,
Mit Sabas Herrin anzubändeln,
Sollst huldigen und Weisheit heucheln,
Vor allem ihrer Schönheit schmeicheln,
Solange sie mit Worten kosen,
Bis schamhaft glühn die Wangenrosen,
Bis daß sie kennt nur Ein Begehren:
Die weite Wüste zu durchqueren
Und durch das Rote Meer zu fahren,
Die Schönheit mir zu offenbaren!
Weil Weisheit sich in Schönheit zeiget,
Der Weise sich zur Schönen neiget!

Die afrikanische Madonne
Früh betete zur Morgensonne,
Da flog durchs offne Fenster leise
Der kleine Wiedehopf im Kreise,
Und zu Bilkis das Briefchen tragend,
Sah zu ihm Sabas Herrin fragend:
Von wo bist, Hudhud, du gekommen?
Sprach er: Bin durch die Luft geschwommen
Von meinem König Salomone,
Der sandte mich zu deinem Throne,
Bilkis, du schöne Königinne,
Er rufet dich zur Jahwe-Minne!
Er will die Weisheit mit dir preisen,
Gottgleiche Gattin aller Weisen!
Er will dich seine Weisheit lehren,
Du wirst die Tochter Sion ehren,
In der die Weisheit wollte wohnen,
Sie wollte in dem Tempel thronen
Der Maid Jerusalem voll Gnade,
Ihr Wort bewahrt die Bundeslade
In Gottes dunklem Tabernakel,
Denn Tochter Sion ohne Makel
Allein ist wert und auserkoren,
Ihr hat sich Jahwe zugeschworen!

Bilkis sprach sanft mit ihrer leisen
Jungfrauenstimme: Gott zu preisen
Weiß Salomon die rechte Weise?
Ist gottesfürchtig, fromm und weise?
Ich will ihm reiche Gaben senden,
Ihm Elfenbein und Silber spenden,
Zu sehn ob er sich läßt bestechen
Und läßt sich kaufen wie die frechen
Weltweisen dieser Welt und Erde.
Ja, hör, daß ich ihn prüfen werde!

Gepriesen unsre Königinne!
Rief Sabas Volk in großer Minne:
Der Jungfrau Lob, des Volkes Mutter!
Die Haut wie Schokoladenbutter,
Die Zähne weiß wie Elfenbeine,
Die Augen gleich dem Mondenscheine,
Wie schwarze Perlen die Pupillen,
Die großen, träumerischen, stillen,
Wir preisen Sabas Windessäuseln
In ihrer dunklen Locken Kräuseln,
Wie kleine goldne Samenkerne
In ihrem Haar des nachts die Sterne,
Ihr Purpurmantel Sonnengluten,
Die Stoffe geistig sie umfluten,
Die Welt im Mondschein findet Ruhe,
Legt Saba sich vor ihre Schuhe
Und ruht Arabien zur Rechten
Und links Äthiopien in den Nächten
Und badet sie im Roten Meere,
Wo Schilfes Rohre stehn wie Speere,
Die Wasser nicht Bilkis befeuchten,
Kristallne Tropfen um sie leuchten
Wie Perlen, Diamantgeschmeide,
Tritt sie in dunkler Haare Seide
Ans Ufer jenes Meers, des roten,
Dann reift die Frucht von Affenbroten,
Johannisbrote in den Bäumen
Von Afrikas Ernährung träumen,
Du Mutter Afrikas, du linder
Traum aller kleinen schwarzen Kinder,
Dich preisen alle Spatzenjungen
Und seligen Arabiens Jungen,
Jungfrauen folgen dir jungfräulich,
Der holden Herrin traut und treulich,
Umschwärmt von Roten Meeres Möwen,
Begleitet von Äthiopiens Löwen,
Führn Jungfraun dich zu deinem Ziele,
Zur Mündung streben sieben Nile
Von unerkannter Ursprungsquelle,
Und Saba in der Morgenhelle
Von Kilimandscharo-Schnee und Mohne
Versammelt sich vor deinem Throne,
O Königin des Südens! Sterne
Vom Kreuz des Südens kränzen ferne!

An Salomon, den Unbekannten,
Hier einen goldnen Elefanten,
Daneben sieben goldne Affen,
Dir hundert Jungfraun, tausend Waffen,
So will ich deinem Briefe danken!

Kamele durch die Wüste wanken,
Eunuchen treten zu dem Throne
Des Herrn und sagten Salomone:
Dies alles sendet Sabas Herrin,
Die keine Törin, keine Närrin,
Die selber doch nicht kommen wollte
Und gab dir diesen Schatz vom Golde
Und sprach: Nun geht, ihr meine Mädchen,
Lebt froh fortan in Sions Städtchen,
Ich sandte euch, ihr schwarzen Schönen,
Saba und Sion zu versöhnen.

So also sprachen die Eunuchen
Und niemand hört den König fluchen,
Vielmehr von seinem Löwenthrone
Erhob die Stimme Salomone
Und hob sie zu Jehowah droben:
O Ewiger! Ich will dich loben,
Ich will dich preisen, lieber Abba!
Ich weihe dir das Reich von Saba
Und dir das Herz von Sabas Herrin!
Doch spricht sie nicht wie eine Närrin?
Und handelt so! will sie mir bringen
Geschenk von tausend schönen Dingen,
Von Fraun, die sich in Seide bauschen,
Und naht doch selber nicht, zu lauschen
Der Weisheit, die Du mir gegeben,
Du meine Wahrheit und mein Leben!

Bilkis der Königin im Süden,
Sei Gottes Gunst und Huld und Frieden!
Dir schreibt von seinem Löwenthrone
Der Geist des Königs Salomone,
Der alle Weisheit aus dem Osten
Dich lehren will, dich lassen kosten
Die Weisheit, die ihm Gott gegeben!
Ich will nicht Reichtum, langes Leben,
Ich wollte Weisheit nur empfangen!
Sie möchte nun zu dir gelangen,
Dein Herz erobern, neugebären,
Auf daß du lebst, den Herrn zu ehren,
Den wir im Geist und in der Wahrheit
Anbeten in der dunklen Klarheit
Des Tempels, in dem Tabernakel!
Bilkis, o Schöne ohne Makel,
Dich selbst will ich nach Sion laden
Und weihen dich Jehowahs Gnaden!

Und Königin Bilkis, die wahre
Gebieterin, sie fuhr drei Jahre
Hoch auf dem Rücken der Kamele,
Mit Wißbegier in ihrer Seele,
Durch Wüsten und Oasenplätze
Trug herrliche Geschenke, Schätze,
Reichtümer sie und reiche Gaben,
Den König Israels zu laben.

Der saß in ihren Wanderzeiten
Auf seinem Thronstuhl, dem zu Seiten
Die Löwen standen und die Wächter,
Fronvögte, Offiziere, Pächter.
Da rief der Fürst mit einem leisen
Ruf seines Landes alte Weisen,
Sich mit den Weisen zu beraten,
Die alle ganz bescheiden taten,
Von seiner Weisheit übertroffen.
O Freunde, sprach er, ich will hoffen,
Daß wir die Königin empfangen,
Wie es gebührt den braunen Wangen,
Den schönen dunklen Wangenbeeten,
Auf daß vor Freude sie erröten!
Was ratet ihr mir, daß ich tue?

Sprach einer so: Sie liebt die Ruhe,
Sie liegt auf einem Diwan immer
In ihrem Innern Purpurzimmer,
Auf weichen Polstern, weichen Kissen.
Bequem will sie erlangen Wissen
Und Weisheit und vom Höchsten Kunde.
Drum rate ich in dieser Stunde,
Ihr Thronbett, herrlich wie Orion,
Zu pflanzen in das schöne Sion.
Hier sollen Geister es verklären
Mit Gold und Glanz und Sternensphären,
Ob sie es wieder wird erkennen
Und es ihr eignes Thronbett nennen.
Dann mag bequem sie darin lagern,
Da wirst du sagen von den Sagern
Der Weisheit und sie übertreffen
Und alle Afterweisheit äffen,
O unser Weiser, denn du bist erleuchtet!

Die Lippen Salomon befeuchtet
Und hob die Stimme zum Gebete:
Erzengel, der zur Jungfrau wehte,
Eil du nach Saba, mir zu bringen
Ihr Thronbett her auf deinen Schwingen
Und es mit Vollmacht deiner Worte
Als Poesie erlesner Sorte
Zu Glanz zu bringen, zu verklären.
Gott tat nach Salomons Begehren
Und sandte Engel Gabriele
Wie später zu der Jungfraunseele.

Tochter Sion! Schau, ich bringe
Tauben, an den Füßen Ringe,
Die wir dir zur Treue banden,
Königliche Elefanten
Mit dem weißen Elfenbeine,
Edelkeit der Edelsteine
Bringen weiße Elefanten,
Rotes Gold und Diamanten,
Orang-Utan, Paviane,
Einen Dolch vom Tigerzahne,
Schwarzgefleckte goldenhelle
Schöne Leopardenfelle,
Bringen dir mit grün und blauen
Federschweifen stolze Pfauen,
Lassen sie in stolzen Zieren
Königlich vor dir stolzieren,
Freu dich auch am Spiel der Affen
Und am Waffenklang der Waffen
Und am Schwertgeklirr der Schwerter,
Bringen sollen schwarze Wärter
Afrikanische Rubine,
Silber aus der Silbermine,
Lapislazuli, Smaragde,
Tanz der Tänzerin im Takte
Soll dich freuen, Schwung der Hüften,
Jemens Weihrauch soll dir düften,
Räucherwerk der Wüstendürre,
Onych, Galbanum und Myrrhe,
Stakte, Aloe und Narden
Sollen blühn in deinem Garten.

Und Salomon in seinem Warten
Erbaute in dem schönsten Garten
Für Sabas Herrin eine Halle,
Für sie allein und nicht für alle.
Dem Waldhaus gleich im Libanone
Und schöner baute Salomone
Zum Preis der Weisheit diese Räume,
Wie sie gezeigt ihm seine Träume.
Den Boden aber mit den Wegen
Mit blauem Glase auszulegen
War seine Freude, ihr zum Ruhme,
Die da der Weisheit blaue Blume,
Da glich der Boden blauen Meeren.

Dann ging er hin mit seinen Heeren,
Bilkis mit schönen braunen Wangen
Im schönsten Sion zu empfangen.
Die Perle kam, die schwarze Jade.
Die salomonische Parade
Geleitete sie zum Palaste.
Die Weisen und die Priesterkaste
Und auch das Volk in seinem Trubel
Empfingen Sabas Stern mit Jubel.

Da trat sie in die Hallenräume
Und sah der Säulen Zedernbäume
Und sah die gläsernen Gestade.
Die Perle nun, die schwarze Jade,
Hielt diesen Boden für ein Wasser.
Der Fürst von Ephraim und Asser
Erheitert lächelt voller Gnaden.
Sie hob den Rock bis zu den Waden,
Daß naß nicht würden ihre Säume,
Die waren herrlich, schön wie Träume,
Die Beine wie die Nacht, wie Onyx,
Gesalbt mit Aloe und Onych
Und glatt rasiert - wie die Chronisten
Behaupten und Äthiopiens Christen!

Salomone, Salomone
Führte nun zu seinem Throne
Königin Bilkis alleine.
In dem goldnen Gnadenscheine
Goldner Sonnen allerorten
Tat er weithin auf die Pforten.
Sonne in der Halle leuchtet
Und mit Tau des Lichts befeuchtet
Zedern- und Zypressenwände.
Salomons Gesicht spricht Bände,
Als er Sabas Herrin leitet
Und zu seinem Throne schreitet.
Cherubinen hör ich rufen
Weisheit von des Thrones Stufen,
Sechsgeflügelt Seraphinen
An des Thrones Treppe dienen.
Salomone lächelt heiter
Vor der neuen Himmelsleiter.

In dem Diwan, auf dem Pfuhle,
Auf dem goldnen Gnadenstuhle
Saß auf seinem Königsthrone
Der geliebte Salomone.
Seine Adler um ihn gleiten,
Darauf saß er oft zu reiten,
Seine Adler laut verkünden
Die Erlösung von den Sünden,
Tragen in den Adlermunde
Pergament mit froher Kunde,
Sahen in das Aug der Sonne
Afrikanischer Madonne,
Die, von Jahwes Huld gereinigt,
Mit der Weisheit sich vereinigt.

Schönste Weisheit will ich nennen:
Gottes Liebe zu erkennen!




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