[Inhalt]

Peter Torstein Schwanke
 
DAVID
 
 
1
Gott, laß mich einmal singen das Poem
Von David, gebe mir Geduld und Geist;
Vollendet sei das Kind von Bethlehem;
Daß der Psalmist mich selber unterweist
Und leitet zu dem Ziele angenehm,
Ist mir schon lang mein Wünschen und es heißt,
Bitten erfüllt der Gott. Dann will ich ruhn.
Muse von Zion, sing von Davids Tun.
 
2
In Bethlehem ward David einst geboren,
Wo Isai ein kleines Haus gebaut
Und wohnte mit der Liebsten auserkoren,
Mit Miriam im Hause, seiner Braut.
Wohl sieben andre Kinder traumverloren
Hat Miriam des abends angeschaut,
Des morgens aber David als das achte,
Als sie von einem süßen Traum erwachte.
 
3
Und als er jung war, ging er auf die Weide
Und hütete die Schafe und die Lämmer
Und sang so manchen Psalm in seinem Leide,
Um seine Seele war es sanfter Dämmer.
Da blühte an dem Felsenhang die Heide
Und an dem Firmament das Sterngeflämmer
Erschien ihm so wie der Hebräer Lettern.
Gott redete mit David in den Wettern.
 
4
Zu der Zeit kam zum Priester Samuel
Das Wort Jehovahs und er sprach mit Macht:
Ergieße du das königliche Öl
Auf einen Sohn von Isai; er wacht
In Bethlehem; da gibt es eine Höhl,
In der ich einst in wunderbarer Nacht
Ein Wunder wirke... Aber geh dahin
Und wahre stets mein Wort in deinem Sinn.-
 
5
Und Samuel kam in den kleinen Ort
Und hatte mit zum Opfer eine Kuh,
Auf daß er Isai zum Opfer dort
Einlade. Und es kamen auf ihn zu
Die Ältesten und sprachen dieses Wort:
Bedeutet uns dein Kommen süße Ruh?-
Sprach Samuel: Ich komme mit dem Kalbe
Und wichtiger noch: mit Jehovahs Salbe.-
 
6
Da saßen Miriam und Isai,
Der Reihe nach die sieben schönen Söhne.
Der Priester sah sie an und dachte: Sieh,
Ich meine, daß ich Eliab jetzt kröne.-
Jehovah aber sprach: Ich sehe nie
Auf das worauf ein Mensch sieht, auf die Schöne;
Ich sehe mir den Geist des Herzens an.
Gott ist gefällig wohl ein Schmerzensmann.-
 
7
Abinadab, auch du bist nicht erwählt,
Schamma, auch du sollst nicht der König sein.-
Die Söhne Isais sind schon gezählt,
Zu allen sieben sprach Jehova: Nein,
Ich habe mich mit ihnen nicht vermählt.-
Sind das die Knaben alle?- Da ist ein
Jüngling mit unsern Schafen auf der Weide,-
Sprach Miriam mit einem stillen Leide.
 
8
Sprach Samuel: So sendet, daß der Hirt
Zu diesem Haus die raschen Schritte nimmt.
Wir bleiben stehen, bis er kommen wird.
Wir wollen beten, wenn Jehovah grimmt,
Ein Danklied singen, wenn er Trost gebiert.-
Wo David eben seine Harfe stimmt,
Um aufzuwecken sanft die morgenrote
Frühe des Tages, kam zu ihm ein Bote.
 
9
Mit dir sei Friede! Komme in die Hütte
In Bethlehem, ein Priester wartet da.-
Und David sprach: Wenn meine Seele litte,
So wäre in Jehovah Tröstung nah.
So sei es.- Und sie lenkten ihre Schritte
Zum Hause Isais. Und David sah
Die Mutter Miriam im Tore stehn
Und nach dem meistgeliebten Kinde sehn.
 
10
Und Samuel sah David einmal an,
Jehovah sprach: Der ists, den salbe mir.-
Und Samuel, der auserwählte Mann,
Nahm jetzt das Ölhorn, reich geschmückt mit Zier,
Und goß das Öl auf David aus und dann
Sprach Samuel: Jehovah sei mit dir
Und bleib sein Geist nach diesem Salbungsbade
Auf dir und in dir bleibe Gottes Gnade.
 
11
Du sollst ein König sein, du junger Hirte,
So ists verheißen, so ists prophezeit.
Erringe dir die Stadt, die dir gebührte,
Empfange Liebeströstung nach dem Leid,-
Sprach Samuel; der jetzt die Schritte führte
Nach Rama. Aber David wurde weit
Die Seele und er sang dem Gott sein Danke:
O, deine Liebe ist ein Glückgedanke!-
 
12
Zu der Zeit war der Juden König Saul,
Der war geängstigt von dem bösen Geist
Von Gott, so manchmal schäumte ihm das Maul,
Die Finsternis an seiner Seele reißt.
Da kam ein Diener an auf einem Gaul
Und sprach: Mein König Saul, Jehovah weist
Dir einen Tröster zu, der kommen wird:
David, der Harfespieler und der Hirt.-
 
13
Da sandte Saul nach jenem Knaben Boten,
Auf daß er komm zum königlichen Hofe.
Gott! singen dir dein Lob denn auch die Toten?-
Begann jüngst David eine neue Strophe.
Und Stille war am Königshof geboten,
Denn Saul war müde. Da ging eine Zofe,
Die Königstochter Michal schön zu schmücken,
Die war begnadet hold in allen Stücken.
 
14
Und David kam von Bethlehem herüber
Und hielt in seiner Hand das Saitenspiel
Und sang so vor sich eine Weise über
Die schöne Jugend und vom Glaubensziel
Seligen Lebens immerdar. Viel lieber
Wär er jetzt schon im Haus Jehovahs, viel
Beglückungen sind in der Ewigkeit.
Doch David war geduldig in dem Leid.
 
15
Er setzte sich auf einen Stuhl und sang,
Der König lauschte ihm von seinem Thron.
Zum Saitenspiel der liebliche Gesang
War dem Betrübten eine Tröstung schon,
Der war in seiner Seele schrecklich bang.
Ich hab dich lieb wie meinen eignen Sohn,
Wie meinen Jonatan hab ich dich lieb,-
Sprach Saul, als David Herrlichkeit beschrieb.
 
16
Ich mache dich zu meinem Waffenträger,
Jetzt aber möcht ich mit dir fröhlich sein.
Ein gutes Fleisch hab ich von meinem Jäger,
Köstliches Brot und von der Traube Wein.-
Dem König aber nahte der Verkläger
Und Saul fing wieder schrecklich an zu schrein,
Er wurde grimmig und er wurde grob.
Und David sang für Gott ein Lied zum Lob.
 
17
Da ward der König wieder sanft und stille
Und schlummerte auf seinem Bette ein.
Und David sang: Geschehe Gottes Wille,
Jehovah mir vergibt die Schuld allein.-
David war so gespannt wie eine Zwille,
Und siehe, Michal kam geschmückt herein
Und sprach mit süßer Stimme David zu:
Dich kenne ich noch nicht, wer bist denn du?-
 
18
Und David hatte Sonne im Gesicht
Und war gestaltet wie ein junger Baum
Und seine Augen waren honiglicht
Und auf den Wangen blühte noch kein Flaum,
Melodisch seine süße Stimme spricht
Und ist wie Lobgesang im stillen Raum:
Schön bist du, Königstochter, hold und fein,
Ich wünsch, du wolltest meine Freundin sein.-
 
19
Zu jenen Zeiten zog Saul in den Krieg
Und mit dem König war ein großes Heer,
Philister sammelten sich, um sich Sieg
Im Kampfe zu erringen. Aber wer
Hat jetzt Jehovahs Gnade? Bote, flieg,
Dieweil die Kämpfer wogen wie ein Meer,
Und führe Gottes Macht Mahanajim
Zum Lager Israels, Efes-Dammim.
 
20
Da hatten die Philister in der Tat
Sich aufgestellt auf einem Felsenthron,
Da kam der freche Riese Goliat,
Sprach Israel und seinem König Hohn,
Spottreden führte da der Mann von Gat:
Der Fels wird rot sein, aber nicht von Mohn!
Was will sich Israel zum Kampfe rüsten?
Ich will mich aber meines Sieges brüsten!
 
21
Vermögt ihr der Philister Heer zu schlagen,
So werden wir wohl eures Königs Knechte;
Sonst werdet ihr erneut in Knechtschaft klagen,
Wenn Israel versklavt ist,- sprach der Schlechte.
Gebt mir nur Einen Mann in diesen Tagen
Zu dem Entscheidungskampf, und meine Rechte
Soll ihn erschlagen hier auf diesem Fels.-
Da bangten alle Männer Israels.
 
22
Und David war zu der Zeit auf der Weide
Und hütete die Schafe als ein Hirte.
In Bethlehem stand eine Trauerweide
Und an dem Raine duftete die Myrthe,
Efrata hieß der Ort einst, wo im Leide
Jakob die süßgeliebte Rahel führte
An seiner Hand, und sie gebar ein Kind:
Benoni, Unglückskind, hat Rahel lind
 
23
Das Kind genannt, doch Jakob sagte so:
Benjamin, Glückskind. Rahels Denkmalstein
Stand immer noch da in Efrata, wo
Jetzt Bethlehem begann am Myrthenrain
Und wo die Hindin vor dem Jäger floh.
Auf Hügeln in der Sonne wuchs der Wein,
Die Schafe weideten auf grünen Hügeln,
Wo Turteltauben schlugen mit den Flügeln.
 
24
O Juda, auserwählt ist dein Gefilde,
Die Engel gehen in dir ein und aus,-
Sang David zu dem Saitenspiele milde
Und ging zurück in seines Vaters Haus,
Wo Miriam mit ihrem Ebenbilde
Von der Vollendung ihres Tempelbaus
Geträumt. Und Isai kam von dem Wald
Und sagte leis: Ich bin zum Krieg zu alt.
 
25
Acht Söhne habe ich, die kämpfen sollen,
Beistehn dem König Israels in Not.
Wenn Schamma und Abinadab nur wollen
Und Eliab, dann finden Feinde Tod.
Bedenkt, daß sich die Sternenwelten rollen
Alleine auf das Wort von Zebaoth,
So laßt Gebete zu Jehovah fliegen
Und Israel wird in dem Kampfe siegen.-
 
26
Und David mitging in das Lager hin
Und ließ die Schafe an dem Wüstenrand,
Der König aber, Angst in seinem Sinn,
Versprach dem Sieger seiner Tochter Hand.
Und David kam zu Saul und sprach: Ich bin
Gekommen als Befreier in das Land;
Will Eliab verzagen, mein Geschwister,
Ich aber kämpfe gegen den Philister.-
 
27
Da sagte König Saul, zu David lugend:
Dem Sieger will ich meine Tochter geben,
Ich sehe aber dich in schlanker Jugend
Und muß im Herzen bangen um dein Leben,
Denn Goliat ist in der Waffentugend
Bewandert und die festen Berge beben
Vor seinem Riesenschritt, im Erzgewande
Kam der Eroberer in unsre Lande.-
 
28
Und David sprach: Bin ich auch nur von Erde,
Ich kämpfte oft mit Löwen und mit Bären,
Wenn sie mir raubten eines von der Herde.
Doch Goliat sprach Hohn dem Herrn der Sphären,
So daß ich ihn im Zorn erschlagen werde.
Die Feinde gehen um, die Fluch gebären,
Und machen jeden Abend ihre Runde
Und bellen wie zum Monde junge Hunde.-
 
29
Saul sprach: Nimm meine Rüstung ganz von Erz
Und schreite herrlich in den Kampf als Held,
So gürte jetzt dich mit dem Gold des Schwerts
Und flehe zu dem Herrn im Sternenzelt,
Daß er dir Mut und Kraft geb in das Herz,
Zu überwinden diese böse Welt.-
Die Rüstung war sehr schrecklich anzusehn,
Doch David sprach: Ich kann darin nicht gehn.-
 
30
Er tat die Rüstung mit dem erznen Schein
Von sich und ging zu einem schmalen Bach,
Nahm seine Hirtentasche leinenfein
Und hob aus jenem Wasserlaufe flach
Vier glatte Steine, einen fünften Stein.
Mit einmal ward der Träumer David wach,
Sang einen Psalm dem Gotte Israels:
Du meine Rettung, feste Burg und Fels!-
 
31
Da ging er also mit dem Felsenspat
In seiner Hirtentasche zu dem Feind.
Schon vierzig Tage Hohn sprach Goliat.
Das ganze Lager Juda aber weint
Vor Angst und vor Beschämung. Der von Gat
Fing an zu lachen: Ob der Jüngling meint
Mich wie ein Füchslein so mit einem Stecken
Und einem Stabe in den Sand zu strecken?-
 
32
Sprach David zu sich selber: Ich bin stille
Und harre meines Gottes in der Not.-
Da nahm er einen Stein und eine Zwille,
Der glatte Stein war aber morgenrot,
Und legte ihn hinein und sprach: Der Wille
Geschehe meines Gottes Zebaoth.-
Er schoß den Stein und hörte noch sein Schwirrn
Und traf den Riesen mitten in die Stirn.
 
33
Da fiel der Riese auf sein Angesicht
Und der Philister Goliat war tot!
So überwand ihn David im Gericht
Mit einem glatten Steine morgenrot.
Der Hirte hatte nur die Steine, nicht
Ein Schwert in seinen Händen golden loht.
Da ging er hin, sonst Hirte auf der Weide,
Und zog des Feindes Schwert aus blanker Scheide.
 
34
Da schlug er Goliat das Haupt ab, gab
Ihm einen zweiten Tod; wie nie zuvor
Geschehen, gab er seinen Feind dem Grab.
Die Männer Israels sind bis ans Tor
Von Ekron hingezogen und am Stab
Sang David vor und Israel war Chor:
Das Heereslager von Mahanajim
War siegreich bis zum Ort Schaarajim!-
 
35
Und Israel ging bis hinab nach Gat
Und hat an Ekrons Tor sich aufgestellt.
Und David nahm das Haupt von Goliat
Und brachte es zur Hauptstadt aller Welt:
Jerusalem! Und seinen Waffenstaat
Tat er als die Trophäe in sein Zelt.
Und Abner führte David in die Stadt
Zu König Saul, der war wie meistens matt.
 
36
In seiner Mattigkeit und seiner Angst
Sprach König Saul zu David dieses Wort:
Wer bist du, wessen Sohn, der du nicht bangst
Zu kämpfen?- David saß beim König dort
Und seufzte: Meine Seele, die du sangst,
Bist Gottes Kind! (Und sprach) Ich bin vom Ort
Efrata, bin geborn in Bethlehem,
Daß ich mich meiner Eltern nimmer schäm:
 
37
Ich bin der Sohn von Isai, dem Knecht
Des Königs; meiner Mutter Miriam,
Die ist von einem würdigen Geschlecht.
Ich weidete bei Bethlehem das Lamm
Und nenne Psalmensänger mich zu Recht
Und bin von Juda auserkornem Stamm.
Gott zog mich aus dem Mutterschoß und führte
Mich bis hierher, Jehovah ist mein Hirte.-
 
38
Als David nicht mehr zu des Königs Schmerz
Die sanften Tröstungsworte sprach, da sahn
Sich David und der Königssohn. Im Erz
Des Volkes war ein Goldstein Jonatan.
Und da ging über liebevoll das Herz
Des Königskinds zum Herzen Davids. Schwan
Vom Jordan, David, der die Psalmen schrieb!
Der junge Jonatan gewann dich lieb!
 
39
Und David wohnte jetzt in dem Palast
Von König Saul und kam nicht mehr zurück
In seines Vaters Haus, das von der Last
Befreit war und gesegnet mit dem Glück.
Und Jonatan sprach dieses Wort: Du passt
Zu mir, so wie das Lid zum Augenblick,
So wie mein Herz zu mir, so wie zum Mund
Die Zunge. Komm, wir schließen einen Bund!-
 
40
Und Jonatan zog das Gewand vom Leib
Und gab es David, Linnen, weiß wie Wogen.
Und gab das goldne Schwert und sprach: Beschreib
Sieg über alle Feinde, die gelogen.-
Und gab ihm einen Gürtel, den ein Weib
Wohl gerne leiden möchte, und den Bogen.
Dies alles gab dem David gerne hin
Die Seele Jonatan im Liebessinn.
 
41
Mit Rüstung und mit Schwert, mit Pfeil und Bogen
Der Jüngling David führte recht die Kriege
Des Herrn Jehovah, in der Kämpfe Wogen
War er ein Fels und Unterpfand dem Siege.
Er ist in das Philisterland gezogen
Und sang: Gott gib, daß ich nicht unterliege.-
Saul setzte David über große Massen,
Daß er vernichte, die Jehovah hassen.
 
42
Und David kam zurück von seinem Sieg
Und Frauen aus den Städten Israels
Empfingen ihn; der König aber schwieg.
Die Frauen in Gewändern weiß wie Schmelz
Sangen Gesang: Jehovahs ist der Krieg,
Er ist ein Gott-Held und ein fester Fels.-
Sie gingen mit Gesang und Ringelreigen,
Mit Jauchzen um des Königs langes Schweigen.
 
43
Mit Pauken und mit Zimbeln, alten Geigen
Und Saitenspielen sangen so die Frauen
Und tanzten dazu einen Ringelreigen:
Saul hat erschlagen tausend in dem Grauen,
Doch David schlug zehntausend!- Aus dem Schweigen
Fuhr Saul auf, grimmig war er anzuschauen:
Sie sangen jenem David mehr an Ruhm,
Ich fürchte, bald ist sein mein Königtum.-
 
44
Und Saul sah David scheel an von dem Tage
Und über ihn geriet der böse Geist
Und er geriet in Raserei: Ich trage
Geschwür an mir, ein Löwe an mir reißt.-
Und David sang zur Harfe eine Klage
Und mit den Melodieen unterweist
Er Saul. Und David saß auf einem Vlies
Und König Saul hielt in der Hand den Spieß
 
45
Und zückt den Spieß und wollte David spießen
An das Gemäuer. David aber wich
Ihm zweimal aus geschickt. Und da ergießen
Sich ihm die Trauertränen inniglich:
Was hab ich denn getan? Ich hab auf Vliesen
Gesessen und gesungen minniglich.-
Der König, an der Seite den Verkläger,
Sprach so zu David: Du mein Waffenträger,
 
46
Ich setzte dich zum Obersten der Mannen,
Recht ausgerichtet hast du all dein Tun.
Dein gutes Harfen weiß von mir zu bannen
Den bösen Geist, läßt meine Seele ruhn.-
Dieweil dem David noch die Tränen rannen,
Dachte für sich der Juden König: Nun,
Wie sangen ihm doch Ruhm die schönen Frauen?-
Und Saul beganns vor David jetzt zu grauen.
 
47
Doch Israel und Juda liebten sehr
Den David, jenen Krieger mit den Harfen,
Denn er zog aus und ein vor ihnen her,
Den Gottes Feinde nimmer unterwarfen.
Die Seele wogte ihm so wie ein Meer,
Er gürtete sich herrlich mit dem scharfen
Schwert, gürtete sich herrlich wie ein Held
Und sang die Psalmen unterm Himmelszelt.
 
48
Der König Saul sprach so zu David eben:
Sieh, meine erste Tochter Merab will
Ich dir zu dem vertrauten Weibe geben;
Vollführe, was von dir Jehovah will,
Du sollst dich in das Netz der Kämpfe weben.-
So sprach der König, denn er dachte still:
Der Jüngling wird sein Leben lassen müssen
Und stirbt im Kämpfen und stirbt nicht von Küssen.-
 
49
Und David floß die Rede von der Lippe
Vor Saul, der ruhte auf dem Königsthron:
Wer bin denn ich? Und was ist meine Sippe?
Daß du mich wählst zu deinem Schwiegersohn?
Mein Leben ist wie Samen auf der Schippe,
Doch Merab blüht wie in dem Mai der Mohn.-
Und David gingen seine Augen über,
Heimlich war doch dem Jüngling Michal lieber.
 
50
Und Merab hatte in den Augen Tau
Und hatte eine Trauer in der Seel.
Der König gab das Töchterlein zur Frau
Dem Manne aus Mehola, Adriel,
Der sagte nämlich zu dem Mädchen: Schau,
Des Schatzes auserlesenes Juwel
Bist du mir und ich gebe dir die Welt.-
Doch Michal hatte David lieb als Held.
 
51
Und Michal sprach mit einer süßen Stimme,
Die goldnen Haare waren wie ein Schleier:
Mein Vater, lasse ab von deinem Grimme,
Gewähre mir der Liebe Friedensfeier,
Daß ich vor Lust nicht an der Seele glimme.
Ich will dem lieben David sein die Leier
Und er sei mir mein singender Gemahl,-
Sprach Michal in dem hohen Königssaal.
 
52
Und David sprach: Ich bin ein armer Mann,
Wie werde ich des Königs Schwiegersohn?
Und halte Michal in den Armen dann
So wie mein Saitenspiel vorm Königsthron?-
Die Großen aber sagten David an
Den Brautpreis, Arbeit um den süßen Lohn,
Durch Michal ausgezahlt, da warens hundert
Vorhäute. David aber war verwundert.
 
53
Vorhäute der Philister sind verlangt
Von Saul allein, damit sie David töten.
Weil aber Davids Herz an Michal hangt,
Wie oftmals seine Lippen an den Flöten,
So zog er hin mit seinen Männern, bangt
Und zittert ängstlich in den Morgenröten,
Und hats vollbracht! Und gab den Preis der Braut,
Da wurde Michal David anvertraut.
 
54
Als Saul sah und bemerkte, daß der Segen
Des Herrn Jehovah über David war
Und daß er Michal wußte zu erregen
Und sie ihn innig liebte offenbar
Und David Michal liebte wild verwegen,
Da fürchtete sich Saul noch mehr: Gefahr
Ist David mir geworden, ich bin bang.-
Er wurde ihm sein Feind sein Leben lang.
 
55
Sooft die Fürsten in den Kampf gezogen,
Philister gegen Juda, richtete
David den Sieg aus, der in Kriegeswogen
Noch mit der Seele Psalmen dichtete.
Da ist die Rühmung ihm vorausgeflogen,
Daß er der Feinde Reihen lichtete.
Sauls Seele aber wurde voll von Neid,
Er wünschte dem beliebten David Leid.
 
56
Saul aber redete mit Jonatan:
Ich werde diesen Jüngling David töten.-
Da reifte in dem Königssohn ein Plan.
Er kam zu David, der sich neue Flöten
Aus Buchsbaum eben schnitzte. Freund, ich mahn,
Du bist umgeben von Gefahr und Nöten,
Saul will dich töten! Hüte dich am Morgen,
Verstecke dich, mein Freund, und bleib verborgen!
 
57
Du siehst mich bei dem König aufgestellt
Von dem Versteck aus und ich werde sprechen
Mit meinem Vater auf dem weiten Feld
Von dir. Ich will dir nicht das Herz zerbrechen,
Du sollst es alles hören, doch die Welt
Ist böse mit den neidgetränkten Flächen.-
Und David zitterte in seiner Seele,
Verbarg sich rasch in einer Felsenhöhle.
 
58
Zum König sprach die Seele von dem Kinde,
Zu Saul sprach so die Seele Jonatan:
Es komme über dich nicht eine Sünde,
Denn David ist dir herzlich zugetan.
Daß ich dich nicht mit Blut besudelt finde
Nach der Vollendung von dem dunklen Plan!-
Da hörte Saul die Stimme seines Erben
Und sprach: Jehovah! David soll nicht sterben!-
 
59
Und Jonatan ging zu dem David hin
Und sagte leise ihm ein jedes Wort
Und sprach zu dem Verborgenen: Ich bin
Fürsprecher dir gewesen an dem Ort,
Wo ich mit meinem Vater stand, im Sinn
Als auch im Geist hab ich geredet dort
Für dich und an den König kam der Hauch.-
Und David diente Saul wie vorher auch.
 
60
Zu der Zeit standen die Philister auf,
Doch David zog hinaus und überwand
Und kam als Sieger wieder von dem Lauf.
Der böse Geist kam aber in das Land
Zu König Saul, der an des Schwertes Knauf
Legte die zitternde erbleichte Hand,
Das half nicht und er wurde bang und bänger.
Er saß in seinem Haus und rief den Sänger.
 
61
Und David spielte die Gittit vor ihm:
Jehovahs Stimme ist wie Bergebeben,
Ist wie das Wasserrauschen bei Kittim,
Erregt die Hindinnen mit neuem Leben,
Ist wie der Honig von Mahanajim
Und rauscht wie der gelobte Bach der Reben,
Die Wälder zittern auf dem Libanon,
Die Sterne strahlen über Sirion.-
 
62
So sang die Seele David auf dem Vlies,
Er strich die Saiten sanft mit seiner Hand.
Doch König Saul hielt in der Hand den Spieß
Zu spießen David an die Zimmerwand,
Er schleuderte den Spieß, er wollte dies,
David zu senden in das Schattenland,
Auf daß er seine Psalmen sing den Toten.
David entrann. Saul sandte nach dem Boten.
 
63
Saul sandte Boten jetzt zu Davids Hütte,
Auf daß sie es die Nacht bewachen ließen,
Auf daß sie ihn am Morgen töten. Bitte,-
Sprach Michal, Davids Frau, zum Honigsüßen:
Glaub mir, ich höre schon des Todes Schritte.-
Die Tränen Michal aus den Augen fließen:
Willst du dich nicht in diesen Stunden retten,
Wirst du dich morgen bei den Toten betten.
 
64
So fliehe aus dem Fenster an der Seite!-
Sie ließ ihn leis hinab und David schwand.
Schweigsame Nacht lag dunkel auf der Weite.
Und Michal winkte ihm noch mit der Hand,
Dann blies sie Feuer an auf einer Scheite
Und nahm das Götzenbildnis unverwandt,
Das war von einem Steine der Natur
Und hatte eine menschliche Figur.
 
65
Da legte sie das Götzenbild zu Bette,
Da nahm sie ein Geflecht von Ziegenhaaren
Und hing es an das Haupt mit einer Kette
Und deckte alles ein mit einem raren
Linnenen Tuche, daß an dieser Stätte
Die nächtlich eingedrungnen Königsscharen
Vermeinten David in dem Schlaf zu schauen.
So dachte Michal, Inbegriff der Frauen.
 
66
Als in der Nacht die Königsboten kamen,
Da meinten sie nun, David wäre krank,
Und gingen fort. Und Michal, wie Zyklamen
So blass, sie sang Jehovah Preis und Dank.
Als nun des Königs Ohren dies vernahmen,
Daß David in dem Bett gelegen, trank
Er eine Schale Wein, sprach zu dem Boten:
Holt David mir und bringt ihn zu den Toten!-
 
67
Da drangen jetzt die Königsboten wild
In Davids Hütte ein, sahn an der Stätte
Mit Ziegenhaaren nur das Götzenbild
Im linnenen Gewande in dem Bette;
Da sagten sie es Saul. Der König schilt:
Wie sagte meine Tochter denn: Ich rette
Den Feind des Königs, lasse ihn entrinnen!?
O Tochter Michal, bist du denn von Sinnen?
 
68
Du hast den König Israels betrogen
Und ließest seinen schlimmsten Feind entweichen!-
Doch Michal wurde sanft vom Geist bewogen,
Zu Saul zu reden: Bei dem wahren Zeichen,
Er ist wie eine Taube fortgeflogen!-
Sie hatte Schimmer in den Augenteichen:
Laß du mich gehen in die Morgenröte,
Sprach David, daß ich anders dich nicht töte!-
 
69
Und David floh und kam zu Samuel
Nach Rama, wo sie miteinander reden,
Der alte Priester und die junge Seel:
Vertrieben sind wir alle aus dem Eden!
Wenn Saul auch König ist von Israel,
Bei seinem Hause blühen die Reseden,
So hat er mich doch ungerecht vertrieben,
Von Michal mußt ich lassen, meiner Lieben.-
 
70
Sie sprachen diese Worte in Najot.
Da sendete der König seine Boten,
David zu fangen in dem Morgenrot
Und ihn zu schicken in das Land der Toten.
Doch David sang die Rühmung Zebaoth
In seinem Purpurmantel, golden-roten.
Die Boten aber sahen heilig beten
Den Samuel und Scharen von Propheten.
 
71
Und da kam Gottes Geist auch auf die Boten
Des Königs, sie gerieten in Verzückung.
Sie sprachen von dem Auferstehn der Toten
Und von der Ewigkeit und der Beglückung,
Von einem Mehrungswunder an den Broten,
Von Wein als Blut Jehovahs... In Entrückung
Sind ihre Seelen in Begeisterungen
Geschwebt und überglänzt von Feuerzungen!
 
72
Als König Saul vernommen von den Wonnen
Der Boten, ging der König selbst hinab
Und kam in Sechu zu dem großen Bronnen
Und fragte dort an seinem Hirtenstab:
Wo sind jetzt Samuel und David?- Sonnen
Erfreuten diese Namen. Antwort gab
Ein Menschenkind: In Rama, in Najot
Sie loben laut Jehovah Zebaoth!-
 
73
Und da ging Saul die Straße nach Najot
In Rama und der Geist kam über ihn
Und die Verzückung vom Herrn Zebaoth,
Verzückt sah man den König weiterziehn
Bis nach Najot, wo er im Morgenrot
Ankam und niedersank und sprach: Ich dien
Jehovah!- Nackt sah man den König beten,
Und sprach: Ist Saul auch unter den Propheten?
 
74
Und David floh vorm König aus Najot
Und warf den Umhang um aus Saffian.
Der weiße Abendstern im Abendrot
Schimmerte lieblichlicht auf seine Bahn.
Die Seele war betrübt bis an den Tod
Und David redete zu Jonatan:
Was habe ich getan? Worin gesündigt,
Daß König Saul mir seine Freundschaft kündigt,
 
75
Dein Vater mir nach meinem Leben trachtet?-
Und Jonatan sprach Davids Seele zu,
Der bange war, das Augenlicht umnachtet:
Mein lieber David, das sei ferne, du
Sollst doch nicht sterben. Ich hab stets geachtet
Auf jedes Wort, daß König Saul in Ruh
Und Aufregung geredet hat und spricht
Und sprechen wird, und ich verschweigs dir nicht.
 
76
Mein Vater tut nicht Großes und nicht Kleines
Und tät es mir nicht, seinem Sohne, kund.
Warum denn sollte er verbergen deines?-
Da floß die Rede David von dem Mund:
Verbergen wollte wohl der König meines
Vor dir, weil du mir aus des Herzens Grund
Mit deinem süßen Herz bist zugetan.
Saul wollte nicht bekümmern Jonatan.
 
77
Wahrlich, so wahr Jehovah lebt, so wahr
Du lebst, mein Lieber: Es ist nur Ein Schritt
Zwischen dem Tod und mir!- Und David war
Betrübt, der Schrecken an der Seele litt,
Bis hin zu jenem Tag, wo offenbar
Die Gnade Gottes wird im Lichte mit
Dem Menschensohn und seiner Engel Schar
Erscheinen. Jonatan sprach: Ich will tun,
Was du begehrst, dein Herze möge ruhn.-
 
78
Und David sprach: Es ist der Neumond morgen,
Ich sollte mit dem König an dem Tisch
Zu Tafel sitzen. Laß du mich verborgen
Im Felde sein und ist die Nacht auch frisch,
Bis zu des dritten Tages Abend. Sorgen
Wird Zebaoth für mich, daß nicht dem Fisch
Gleich ich geangelt werde um zu sterben.-
So sagte David zu des Königs Erben.
 
79
Sag einfach, daß ich hingegangen bin
Nach Bethlehem, denn dort ist jedes Jahr
Ein Opferfest. Wenn Saul in seinem Sinn
Zu dir so redet: Das ist gut; so war
Umsonst mein Herz geängstigt immerhin.
Ergrimmt er aber, so wird offenbar,
Daß bei dem König Böses ist beschlossen.-
So sagte David zu dem Liebgenossen.
 
80
Tu nun Barmherzigkeit an deinem Knecht,
Du schlossest in Jehovah einen Bund
Mit deinem Knechte, das ist wahr und recht.
Kam aber Übles mir aus meinem Mund
Und lud ich Schuld auf mich (bei dem Geschlecht
Von Juda) töte deinen Diener und
Vertilge mich. Dann will ich nicht mehr singen.
Was willst du mich zu deinem Vater bringen?-
 
81
Sprach Jonatan zu David: Das sei ferne,
Daß nicht ein jedes Wort ich zu dir sage,
Das ich von meinem Vater höre, gerne
Tu ich Barmherzigkeit an jedem Tage.-
Im Herzen war das Licht vom Morgensterne
Und David sprach mit dem Gemüt der Klage:
Wer sagt mir an, was König Saul gefällt?-
Sprach Jonatan: Wir gehen auf das Feld.-
 
82
Sprach Jonatan zu David an dem Fels,
Der einsam stand auf einem weiten Feld:
So wahr der Herr lebt, der Gott Israels,
Jehovah Zebaoth vom Himmelszelt!
Daß nicht mein Herz wie eine Kerze schmelz,
Ich sag dir an, was König Saul gefällt,
Es sei nun Böses oder lieber Gutes,
Bei aller wahren Liebe meines Blutes!
 
83
Du aber wollest die Barmherzigkeit
Jehovahs an mir tun, so lang ich lebe;
Und wenn ich sterbe nach ertragnem Leid,
Mit der Barmherzigkeit und Gnade schwebe
Du selig über meinem Haupte weit.
O daß Jehovah deine Feinde gebe
In deine Hände schließlich, Mann um Mann!
Man nenne Jonatan mit David dann.
 
84
So schwöre mir bei deiner wahren Liebe,
Ich hab dich lieb so wie mein eignes Herz.
Wenn morgen um den Mond ein Schatten trübe,
Das Mondgold sich verbirgt im Schattenerz,
Dann wird man dich vermissen, denn es bliebe
Dein Tisch am Platze leer. Ich weiß vom Schmerz,
Ich muß mit meinem Herz von Schmerzen wissen,
Am dritten Tage wird man dich vermissen.
 
85
Komm an die Stätte, wo du dich verborgen
Am Tag der Tat, und setz dich bei dem Steine.
Ich werde aber wandeln in dem Morgen
Und bei mir ist der Knabe, jener kleine,
Mit Pfeil und Bogen. Mach dir keine Sorgen
Und sei nicht traurig, Liebling, wenn ich weine.
Drei Pfeile will ich schießen, nicht sehr viele,
Als ob ich schösse trefflich nach dem Ziele.
 
86
Ich will alsdann den kleinen Knaben schicken
Und sag zu ihm: Geh, suche du die Pfeile.
Ein jedes Unternehmen wird dir glücken,
Wenn ich zum Knaben red in kurzer Weile:
Da sind die Pfeile. Aber Not wird drücken,
Wenn ich zu reden zu dem Knaben eile:
Hier sind die Pfeile. Jener, dem ich dien,
Jehovah sagt dir so: Du mögest fliehn.
 
87
Geh hin, verberge dich an jenem Ort,
Da sind zu deinem Schutze viele Steine.
Für jedes lieblich ausgesprochne Wort
Von dir zu mir und mir zu dir ist eine
Zeugin die Gottheit Israels, ein Hort
Und eine Zuflucht, Tröstung wenn ich weine:
Jehovah!- sprach zu David Jonatan.
Und David sang: Gott segne unsre Bahn!-
 
88
Er hatte sich verborgen auf dem Feld
Und spielte da die Harfe nur sehr leise.
Als nun der Neumond stand am Himmelszelt,
Ein schwarzer Schleier vor dem Sternen-Eise,
Ward in dem Königshause aufgestellt
Der Tisch der Festlichkeit zu Trank und Speise.
Da setzte sich der König allbekannt
Auf seinen Platz, den Rücken zu der Wand.
 
89
Und gegenüber Saul saß Jonatan,
Feldhauptmann Abner saß zur rechten Seite.
Sie hatten süßen Wein aus Kanaan
Und Manna da. Es war nun schon der zweite
Tag jener Festlichkeit. In seinem Wahn
Sprach König Saul: Ihr Männer, liebe Leute,
Wo ist der Sohn von Isai geblieben?-
Und Michal seufzte innig nach dem Lieben.
 
90
Da sagte Jonatan: Er bat mich sehr,
Daß ich ihn wandern laß nach Bethlehem,
Weil heute dort die Opferfeier wär
Seines Geschlechtes: Bin ich angenehm
Vor deinen Augen mit dem Tränenmeer,
So laß mich gehen, bin ich auch nur Lehm,
Der Odem seufzt in mir nach meinen Frommen...
So ist er nicht zum Königstisch gekommen.-
 
91
Da flammte auf in König Saul der Zorn:
Du Sohn von einer Mutter ohne Ehre!
Ich weiß wohl, daß du David dir erkorn,
Und wenn er auch der Feind des Königs wäre,
Dir und der Mutter, die dich einst geborn,
Zur Schande! Denn solange an dem Meere
Und auf der Erde David hat den Ruhm,
Bestehst du nicht und nicht dein Königtum.
 
92
So sende hin und laß mir David holen,
Er ist ein Kind des Todes! Ich ermahn
Mein Kind, daß du vollziehst, was ich befohlen.-
Da sprach zu seinem Vater Jonatan,
Die Augen plötzlich so wie Feuerkohlen:
Was soll er sterben? Was hat er getan?-
Und Saul hat seinen Spieß ins Holz geschossen:
Der Tod des Königsknechtes ist beschlossen!
 
93
Da sprach zu seinem Vater Jonatan:
Warum soll denn dein Diener David sterben?
Was soll er sterben? Was hat er getan?-
Da ward die Seele von dem Königserben
Ergrimmt und zornig und es war ein Wahn:
So sehr um ihn die süßen Speisen werben,
Er ißt am Tage nach dem Neumond nichts.
Zur Trauer kam der Mangel mondnen Lichts.
 
94
Denn seine Seele neigte sich in Trauer
Um David, und was Saul ihm angetan.
Zur Frühe aber, nach dem Morgenschauer
Des Bades, ging der Jüngling Jonatan
Aufs Feld. Da wanderte ein alter Bauer
Vorbei auf dem besäten Erdenplan.
Schon aufgeweckt war leis und lieb der Morgen
Und David stand bei einem Fels verborgen.
 
95
Zu Seiten Jonatans ging jener Knabe
Mit Pfeil und Bogen, so an jenem Tage.
Such mir den Pfeil, den ich geschossen habe,-
Sprach Jonatan, die Stimme klang wie Klage:
Hier liegt der Pfeil!- Das war geheime Gabe
Und David eine Antwort auf die Frage,
Was nun der König wollte an ihm tun.
O weh, wo soll jetzt meine Seele ruhn?-
 
96
So seufzte David leise daseinsmatt.
Da schickte Jonatan den kleinen Knaben
Mit Pfeil und Bogen wieder in die Stadt.
Die Liebenden, die ein Geheimnis haben,
So wie Jehovah eins mit Juda hat,
Sie wollen sich am Wiedersehen laben.
Die Seele suchte David bei den Steinen
Und Jonatan und jene Seele weinen.
 
97
Und David fiel mit seinem Angesicht
Zur Erde nieder, die er dreimal küsste.
Dann lag auf Jonatan sein Augenlicht:
O daß dein Herz von meiner Liebe wüsste!
Ich selber zähle meine Tränen nicht!
O daß ich bei der Gottheit nicht vermisste
Jegliche Träne in den Krug gezählt,
Die selber mich mit Traurigkeit beseelt!-
 
98
Und Jonatan sprach so: Geh hin in Frieden,
Jehovah hörte, wie wir uns geschworen,
Nachkommen wahrens immerdar hienieden
Und Kind und Kindeskinder, die geboren:
Ein jedes Wort.- Darauf die Seelen schieden.
Und David ging in seinen Traum verloren
Dahin des Weges, er war seltsam matt,
Und Jonatan ging wieder in die Stadt.
 
99
Als David, der von Tränentau benetzte,
Zum Priester kam, Ahimelech mit Namen,
Und der den Menschen ansah, da entsetzte
Er sich und säte so des Wortes Samen:
Wie kommt daher die Seele, die verletzte?-
Da zittern an dem Raine die Zyklamen.
Und fragte ihn: Warum kommst du allein?
Will denn kein Mensch mit deiner Seele sein?-
 
100
Und David sagte zu dem Priester da:
Der König hat mir etwas anbefohlen
Und sprach zu mir: Es sei dir niemand nah,
Du sollst mir die geheime Sache holen.
Doch niemand möge wissen, was geschah,
Und gingest du darum auf Feuerkohlen.
Ich schickte meine Leute an den Ort.
Der König sprach geheimnisvoll das Wort.
 
101
Hast du nun etwas bei der Hand, wie Brot,
Das mögest du mir in die Hände geben.-
Der Priester in dem Dienst von Zebaoth
Sprach aber so: Bei meinem eignen Leben,
Ich habe kein normales Brot zum Tod,
Ich hab nur Manna und den Saft der Reben.
Das darf ich nur den Männern anvertrauen,
Die sich enthielten vom Genuß der Frauen.-
 
102
Sprach David zu dem Priester: Sicher, Frauen,
Sie waren uns schon lange Zeit verwehrt.
Ich will dir aber auch mein Herz vertrauen,
Ich hielt die Liebste lieber als ein Schwert.
Nichts Reineres ist aber anzuschauen,
Als jene Leute sind am Leib. Geehrt
Sein Samuel und seine Mutter Hanna!-
Da gab der Priester David von dem Manna.
 
103
Schaubrote gab er ihm von dem Altar,
Die sonst nur für die Priester sind bestimmt,
Nur weil Ahimelech barmherzig war
Und weil der Herr Jehovah nicht ergrimmt,
Wenn einer Gutes tut, denn offenbar
Verlangte David, der das Manna nimmt,
Nach diesem gottgeweihten Himmelsbrot
Mehr als nach einer Frau im Morgenrot.
 
104
Und David sagte zu dem Priester jetzt:
Ist hier bei dir ein Spieß, vielleicht ein Schwert?-
Das Schwert, mit dem du Goliat verletzt
Zu Tod im Eichgrund, ist als Wert
Gehüllt in einen Mantel hingesetzt
Gleich nach dem Efod.- Ists von dir geehrt,
So nimms, es schützt vielleicht einmal dein Leben.
Kein bessres gibts, du mögest dies mir geben.-
 
105
Und David floh vor Saul an jenem Tage
Und kam zu Achisch, der ein König war.
Da sprach man: Geht von David nicht die Sage,
Von dem im Reigen sangen Frauen gar:
Tausenden gab der König Niederlage,
Zehntausenden der David offenbar?-
Und David nahm die Worte sich zu Herzen
Und hatte Angst und wußte nicht zu scherzen.
 
106
Er tat, als überkomme ihn der Wahn,
Der König Achisch stand dort mit dem Rohr,
Und David tobte wie ein Ozean
In ihren Händen, prallte an das Tor,
Dieweil von Gat die Großen alles sahn,
Der Sabber floß in seines Bartes Flor.
Da sagte Achisch in dem Duft von Myrrhe
Zu seinen Großen: Seht, der Mann ist irre.
 
107
Warum habt ihr ihn nur zu mir gebracht?
Wahnsinnig ist er! Seht, am Himmel oben
Ist eine seltsam sternenlose Nacht.
Wahnsinnige hab ich genug, die toben
Und wallen auf in der Umnachtung Macht.
Soll der in meine Hallen kommen?- Loben
Begann jetzt David: Zebaoth, laß ab!
Schickst du mich zu den Schatten in das Grab?
 
108
Vorübergehn laß deinen Grimm und Zorn,
Du überwältigst mich mit solchen Schrecken!
Mein Gott, hast du mich darum nur geborn,
Auf daß ich leiden muß? Mein Stab und Stecken,
Ich bin ein Stein, verworfen und verlorn,
Zum Ärger manchem und um anzuecken.
Du aber thronst in Zion auf dem Berge
Und siehst den Glauben mehr an als die Werke.-
 
109
Am Himmel ging vorüber eine Flamm.
Und David ging von da hinweg. Gott rette
Mich sicher in die Höhle Adullam!-
Und seine Brüder liefen um die Wette
Zu ihm und seine Mutter Miriam
Und Isai, sein Vater, an die Stätte,
Und auch die Magd des Hauses, alle kamen
Zu Davids Höhle in Jehovahs Namen.
 
110
Es sammelten sich Männer um ihn her,
Vierhundert Männer kamen aus der Not,
Auf ihnen lagen große Schulden schwer,
Verbitterung am Herzen war zum Tod.
Und David wurde jetzt ihr Oberster
Und war ein Knecht der Gottheit Zebaoth.
Vierhundert Schafe waren um das Lamm
Versammelt bei der Höhle Adullam.
 
111
Und David ging von da nach Mizpe fort
Ins Land der Moabiter und er sagte
Zum König von ganz Moab dieses Wort:
Laß meinen Vater, den das Alter plagte,
Und meine Mutter bei euch an dem Ort,
Die oftmals in der Angst um mich verzagte,
Bis ich erfahr, was Gott an mir vollzieht.-
Er sang dem Leid des Alters jetzt ein Lied:
 
112
Jehovah, Gott, bei dir bin ich geborgen
Vom Mutterschoße an, du bist mein Hort.
Sie werfen auf die Gottheit alle Sorgen,
Barmherzigkeit bist du nach deinem Wort.-
Und David ging von Moab fort im Morgen,
Die Eltern aber blieben in dem Ort
Beim König, solang wie ihr Kind auf der
Bergfeste war mit seinem kleinen Heer.
 
113
Doch der Prophete Gad sprach dieses Wort
Zu David: Bleibe nicht in deiner Höhle,
Der Feste im Gebirge, deinem Hort;
Geh in das Land von Juda, deine Seele
Ist eigentümlich angesiedelt dort.-
Er folgte dem prophetischen Befehle
Und ist alleine angekommen in
Jaar-Heret, sah es an mit Geist und Sinn.
 
114
Und Saul ward offenbar in einem Traum,
Daß manche von dem jungen David reden
Und seinen Männern unterm Sternenraum.
Und in Gibea blühten die Reseden
Und Saul saß unterm Tamariskenbaum,
Wie Adam beim Erkenntnisbaum von Eden,
Auf einer Höhe, weich auf einem Vlies
Und hielt in seiner rechten Hand den Spieß.
 
115
Da sagte Saul zur Schar, die bei ihm stand,
Die Großen um den schlichten Hügelthron:
Hört her, Benjaminiter, mit Verstand,
Wird euch des Isai verworfner Sohn
Weinberge geben oder Ackerland,
Gibt er euch Würde überm Heer zum Lohn?
Ihr habt euch alle gegen mich verschworen
Und niemand brachte etwas mir zu Ohren.
 
116
Ich hab euch alle nicht für treu erfunden.
Mein Sohn alleine brachte mir die Kunde,
Der selber doch mit David sich verbunden.
Will niemand denn von euch, daß ich gesunde,
Und grämt sich niemand über meine Wunden?
Warum sagt niemand mir mit seinem Munde:
Den Knecht hat aufgereizt dein eignes Kind,
Daß er dir nachstellt wie mit Schwingen Wind!?-
 
117
Und Doeg sprach, ein Hirt und Edomiter:
Ich schaute David, er kam an in Nob.
Mein Herr und König, Saul, Benjaminiter,
Dein David sang dort mit den Priestern Lob.
Dann ging er in das Land der Moabiter.
Ahimelech befragte Gott selbst, ob
Des Davids wär das Schwert von Goliat.
Und David ging zum Königtum von Gat.-
 
118
Saul schickte hin und ließ den Priester rufen,
Ahimelech, die andern Priester auch.
Bei Gottes Fingern, die die Sterne schufen,
Was bist du gegen mich? und gabst dem Bauch
Von David Brot von des Altares Stufen?
Und gabst das Schwert des Riesen mit dem Hauch
Des Weihewortes David in die Hände?
Befragtest Gott für ihn, Beginn und Ende?-
 
119
Ahimelech sprach nun: Wer ist so treu,
Wie David, König, könnt ihr mir das sagen?
Er ist dein Schwiegersohn und keusch und scheu,
Er konnte vor dir die Philister schlagen,
Er singt Jehovah Psalmen immer neu,
Steht deiner Leibeswache vor. Ertragen
Muß er viel Leid, der seine Frau entbehrt.
Von deinen Kindern ist er hochgeehrt.
 
120
Ich ging wohl, Gott für David zu befragen,
Doch erst seit heute? Das sei von mir ferne!
Der König möge seinen Knecht nicht schlagen.-
Der König aber, Glut im Augensterne,
Sprach so: Du mußt dem Leben jetzt entsagen,
Vom Granatapfel iß die Todeskerne.-
Der König sprach zu seiner Leibeswache:
Tötet die Priester, das ist meine Rache!
 
121
Jehovahs Priester tötet; ihre Hand
Half David auf der Flucht. Dem Tod erkoren
Ist diese Priesterschaft voll Unverstand.
Sie brachten mir ihr Wissen nicht zu Ohren.-
Die Männer aber standen unverwandt.
Und Doeg kam, in Edom einst geboren,
Und schlug sie tot. Im Priesterschurz von Leinen
Hinsanken sie. Man sah den Himmel weinen.
 
122
Auch Nob, die Priesterstätte, schlug er schwer
Mit Schwertes Schärfe wie ein Überwinder.
Da lagen in dem Blute wie im Meer
Die Männer, Frauen, Säuglinge und Kinder.
Getötet wurden durch des Königs Heer
Die Schafe und die Esel und die Rinder.
Nur einer floh, der Sohn des Priesters war,
Zu David flüchtete sich Abjatar.
 
123
Und David lag am Hügel seiner Feste,
Blutbuchen standen da, er lag im Haine
Und träumte. Und er sah am Tisch die Gäste,
Den Vater Isai sah er alleine
Und Miriam, die junge Magd, im Weste.
Da ging er hin und sammelte die Steine
Aus einem Bachbett und er kam zum Hügel
Und zeichnete die Stirn mit einem Siegel.
 
124
Da sah er Saul mit Weh im Angesicht
Und sah den bösen Geist ihn nachtumschatten.
Jehovah!- rief er aus, da ward es licht.
Er wandelte bei blauen Blumenmatten,
Da sah er Michal, deren Seele spricht
In seine Seele sanft, die guten Gatten
Sind sich mit innigem Gefühle lieb.
Sie sah, wie er die Lilienpsalme schrieb.
 
125
Dem Menschen David aber kam zu Ohren,
Daß die Philister nach Keila zogen.
Keilas Tennen waren schon verloren.
Da ist zum Haus Jehovahs hingeflogen
Die Seele Davids, die war auserkoren:
Nehm ich jetzt in die Hände Pfeil und Bogen?-
Geh hin, schlag die Philister an den Stätten
Mit deinem Schwert, du wirst Keila retten!-
 
126
Die Männer Davids sprachen so zu ihm:
Sieh, Herr, wir sind ja schon in Juda bange,
Ist mit uns denn das Heer Mahanajim?-
Doch David schaute an die ehrne Schlange,
Befragte den Jehovah, sprach sublim:
Der Herr ist mit uns, also nicht mehr lange
Und der Philister Heere sind geschlagen,
Keila wird der Freiheit Friede tagen.-
 
127
Sie zogen nach Keila jetzt herab
Und David war zu Seiten Abjatar.
Und David sang: Mein Stecken und mein Stab!
Gewähre mir das Leben immerdar!
Erhebe meine Seele aus dem Grab,
Gewähre mir das Leben immerdar!-
Mit ihnen war der Efod auf dem Zug,
Vor dem Jehovah David oft befrug.
 
128
Als Saul vernahm vom Boten mit den Flügeln,
Daß David in Keila angekommen,
Da dachte er auf einem von den Hügeln:
Gott hat fürwahr mein Beten angenommen,
In einem Ort mit Toren und mit Riegeln
Ist David eingeschlossen.- Augen glommen
Dem König und er sprach: Das ist sein Ende,
Denn Gott gab David mir in meine Hände.-
 
129
Und Saul berief jetzt seine ganzen Heere,
Um David in Keila zu bedrängen.
Und David merkte dies, so wie die Meere
Die Mondbewegung merken. In den Engen
Des Lagers sagte David: Herr der Ehre,
Was soll ich machen?- Bei den Zeltgestängen
War aufgestellt vom Priester Abjatar
Der Efod, welcher ein Geheimnis war.
 
130
Gott Israels! Wird Saul herunterkommen,
Wie ich gehört?- Jehovah sagte: Ja.-
Gott Israels! Hab ich das recht vernommen
Und ist mein Unglück wieder einmal nah?-
Die Seele zitterte erschreckt dem Frommen:
Werden die Männer von Keila da
Mich überantworten in seine Hände?-
Der Herr Jehovah sagte: Ja, behende.-
 
131
Da zogen David und die Seinen fort,
Ließen Keila hinter sich zurück
Und streiften durch die Gegend da und dort
Und David sang die Sehnsucht nach dem Glück.
Als König Saul vernahm an seinem Ort,
Daß David in dem gleichen Augenblick
Keila rasch verlassen, da ließ er
In seiner Königsstadt sein ganzes Heer.
 
132
Und David barg sich wieder in den Festen
Der Berge, immer blieb er im Gebirge
Der Wüste Sif. Der Wind kam leis von Westen
Und hob die Körner Sand in dem Bezirke.
Die Eulen saßen traurig auf den Ästen,
Die Schleiereule auf der Schleierbirke.
Doch Saul, so sehr er suchte, fand ihn nicht,
Denn David war verhüllt von Gottes Licht.
 
133
Das Menschenkind blieb in der Wüste da,
Der König trachtete nach seinem Leben.
Und Jonatan kam jetzt nach Horescha,
Um David einen Glaubenstrost zu geben:
Jehovah sagte einmal zu dir Ja!
Und wirst du auch in Todgefahren schweben,
Hab keine Angst, du wirst ein König sein.
Und ich bin neben dir, dem Felsen, Stein.-
 
134
Sie schlossen miteinander einen Bund
Vorm Herrn Jehovah, mit des Mundes Wort.
Im Orte Horescha blieb David und
Der Jüngling Jonatan ging wieder fort.
Doch die Sifiter gaben einmal kund
Dem König: David ist an einem Ort
Der Wüste Sif, bei Gibea-Hachila,
Nach Jeschimon kam er vom Ort Keila.
 
135
Und ists nun, König, dein Verlangen,
So geben wir ihn dir in deine Hände.-
Da sagte Saul, in seiner Seele Bangen:
Gesegnet seid vom Anfang und vom Ende,
Jehovah, daß ihr solches angefangen.
Geht hin und gürtet des Gemütes Lende,
Schaut, wo der Aufenthalt von David ist,
Der selbst ein Füchslein übertrifft an List.
 
136
In Juda werde ich mein Opfer finden!
Erkundet jeglichen versteckten Ort,
Sucht in den Felsenhöhlen, hohlen Linden,
Und schautet ihr ihn, redet mir das Wort,
So will ich hinziehn, ihn zu überwinden.-
Und David weilte in der Wüste dort
Mit Namen Maon, in der Steppe südlich
Von Jeschimon wars einmal ihm gemütlich.
 
137
Und in der Wüste Maon ist ein Fels,
Da ging jetzt David, dem ward angesagt:
Dir folgt bereits der König Israels.-
Da hat er in der Seele aufgeklagt
Und hüllte sich in seinen Bärenpelz
Und seufzte einmal noch nach seiner Magd,
Dann eilte er, dem König zu entgehen:
Jehovah! Werd ich den Messias sehen?-
 
138
Doch Davids Leute waren schon umstellt
Von Saul und seinen Männern. Sind wir Tote
Und nah dem Eingang in das Himmelszelt?-
So fragten Davids Leute. Und ein Bote
Kam jetzt zu Saul, dem Herrscher dieser Welt:
Philister übertreten die Gebote
Und sind ins Land von Juda eingefallen.
Komm eilends wieder in die Königshallen!-
 
139
Saul ging davon im ersten Morgenrot.
Am Tage war der Fels so weiß wie Schmelz,
Da sagte David: Sela-Machlekot
Nenn ich die Stätte, das heißt Trennungsfels.
Ich danke mit Gesängen Zebaoth,
Jehovah, Gott der Kinder Israels!
Er brachte uns zusammen, der uns müd fand,
Wie er die Bäche sammelt auch im Südland.-
 
140
Und David zog hinauf jetzt in die Wüste
En-Gedi, und mit ihm die freien Leute.
Und Saul vernahms und sprach: Daß er das büßte,
Mein Königtum wird David nicht zur Beute,
Der einmal meine Tochter Michal küsste!-
Und da zog König Saul mit einer Meute
Von Kriegern eilig zu den Steinbockfelsen.
Die Geier schwebten mit gebognen Hälsen.
 
141
Saul sprach: Wenn ich nur David fing, ich würde
Den Frieden mir bereiten an der Seele.-
Da war an dem Gebirge eine Hürde
Der Schafe und am Wege eine Höhle,
Da legte sich der König in der Würde
Zum Schlaf. Nach seinem eigenen Befehle
Die Männer saßen in der Höhle hinten
Und vor der Höhle standen Terebinthen.
 
142
Jehovah sprach, so daß die Berge beben,
Zu seinem Liebling David: Siehe, ich
Will deinen Feind in deine Hände geben,
Das du ihm tust, was dir gefällt, was dich
Erfreut.- Und David ging, sein Gang war Schweben,
Und sang dem Herrn unhörbar inniglich,
Und schnitt vom Rock des Königs einen Zipfel.
Da zitterte vom Steinbockfels der Gipfel.
 
143
Und David sprach in seiner sanften Seele:
Jehovah sei mein Zeuge, das sei fern,
Und wär es möglich auch in dieser Höhle,
Daß ich die Hand anlegte meinem Herrn;
Auf seinem Haupte glänzen Salbungsöle
Von Zebaoth, vom Herrn, vom Morgenstern,
Mehr als die Himmelskönigin Ashtarot,
Der König ist gesalbt von Zebaoth!-
 
144
Und Saul ging fort und David ging ihm nach
Und rief: Mein Herr und König!- Und zurück
Sah König Saul auf ihn und David brach
In seine Kniee vor des Königs Blick,
Worauf er mit der Demut Stimme sprach:
Glaubst du, ich suchte etwa nicht dein Glück?
Ich hab dich heut verschont in dieser Höhle,
Weil du gesalbt bist mit Jehovahs Öle.
 
145
Den Zipfel deines Rockes abgeschnitten
Hab ich, doch gab ich dich nicht in den Tod.
Sieh daran, daß nicht böse Schlangen glitten
Von meinen Händen. O bei Zebaoth!
Ich hab in der Verfolgung oft gelitten,
Mein König wurde mir zu meiner Not,
Du wolltest meinen Tod. Doch Gott ist Richter
Und wird ein Rächer sein dem Psalmendichter.
 
146
Wen jagtest du, mein hoher Herr? Wem ging
Der König Israels im Grimme nach?
Du haschtest nur nach einem Schmetterling;
Ein Füchslein, das im Tod zusammenbrach,
Hast du gejagt im Morgen, wie ich sing.
Jehovah ist gerecht und wird gemach
Mir Recht verschaffen, König, wider dich.-
Und Saul vernahms und weinte bitterlich.
 
147
Sprach Saul: Mein David, das ist deine Stimme,
Bin ich auch böse nur, du bist gerecht.
Du tötetest mich nicht in deinem Grimme
Und warest deinem König treuer Knecht.
Wo ist ein Mensch wie du und sieht die schlimme
Feindschaft und übt die Gnade vor dem Recht?
Jehovah aber dir vergelte Gutes,
Das bet ich mit der Leidenschaft des Blutes.
 
148
Nun sieh, ich weiß, du wirst der König werden,
Das Königtum wird durch dich ewig sein.
So schwöre mit der frömmsten der Gebärden:
Vertilg nicht meinen Namen, sondern mein
Haus lasse auf der zukünftigen Erden
Beständig sein in Zebaoth allein.-
Und David schwor es bei dem Demiurg
Und ging davon zum Berg, in seine Burg.
 
149
Und Samuel verstarb an jenem Tage,
Da kamen all die Kinder Israels
Und hielten dreißig Tage Trauerklage:
Wenn ich in dem Gebein wie Wachs zerschmelz,
Den Todesschatten länger nicht ertrage,
Dann rufe ich zu der Erlösung Fels:
Mein Gott, mein Gott, erlöse mich vom Tod!
Gib Ewigkeit, Jehovah Zebaoth!-
 
150
Und David zog hinab nach Maon, da
Traf er ein Menschenkind in einem Tor,
Er hatte viele Schafe, die man sah,
Und Ziegen an der Hänge kargem Flor.
Und David kam dem Menschenkinde nah,
Der seine dreimaltausend Schafe schor,
Der Mann hieß Nabal und es war in Karmel.
Und David sammelte sich weißen Marmel.
 
151
Und Abigajil war die Anvertraute
Vom Schäfer. Sie war schön von Angesicht,
Wie David mit gesenkten Augen schaute,
Sie sprach verständig und wie ein Gedicht.
Wenn Geist und Licht zusammen niedertaute,
Dann war es Abigajil ähnlich. Licht
Und Geist ward einverkörpert in der Schönen,
Daß David seine Saitenspiele tönen.
 
152
Und David sandte Nabal seine Boten,
Die sprachen also: Friede dir und deinen!
Wir hörten daß du Schafschur hast.- Im roten
Dämmernden Morgen sah man Sternglanz scheinen.
Nun waren seine Hirten, wie mit Toten,
Mit Davids Leuten. David mußte weinen
Vor Dank. Solange sie in Karmel waren,
Gab es viel Gutes und viel gute Waren.
 
153
Laß meine lieben Leute Gnade finden
Vor deinen Augen, denn wir sind gekommen
Zum Festtag. Mögest du dich unterwinden,
Zu geben deinem Sohne David.- Glommen
Die Sonnenstrahlen überm Hain der Linden
Und Nabal hat den Redestab genommen:
Wer ist denn David, hat er einen Thron?
Wer ist denn von dem Isai der Sohn?
 
154
Davongelaufen sind jetzt viele Knechte.
Soll ich mein Wasser nehmen und mein Brot
Und geben und das Lammfleisch: Sinds Gerechte,
Denen es zukommt? O bei Zebaoth,
Kenn ich die Würde nicht von dem Geschlechte,
So wird das Geben mir vielleicht zum Tod?-
Die Leute Davids gingen auf den Wegen
Zu ihm und sagtens ihm; er gab den Segen.
 
155
Da sagte David jetzt zu seinen Mannen:
Ein jeder gürte sich sein Schwert um nun.-
Der Zeder folgten so vierhundert Tannen,
Bereit so manche gute Tat zu tun.
Doch Abigajil und ein Engel sannen,
Wo jetzt wohl David war, wo wird er ruhn,
War er schon in Vergessenheit bei Toten?
Doch David sandte zu dem Mädchen Boten.
 
156
Ach, David hat die Botschaft hingesandt
Und grüßte sie und grüßte ihren Herrn;
Der aber hat die Seinen unverwandt
Geschlagen und die Sanftmut war ihm fern.
Und Abigajil im gelobten Land
Sprach und sie war ein Morgenstern:
Des David Leute waren uns doch gut,
Taten uns nichts, vergossen auch kein Blut.
 
157
Solange wir umhergezogen sind
Mit ihnen oder auf dem Felde waren,
Ergings uns gut. Wie eine Wand im Wind
Sind sie gewesen. Wie auf Lämmerhaaren
War Ruhe. Wenn wir auf den Weiden lind
Die Schafe hüteten, da warens Scharen
Himmlischen Schutzes: Bei dem Karmel-Fels
Die Leute Davids, Heerschar Israels!
 
158
Bedenke nun und siehe zu, was du
Zu tun gedenkst. Ein Unheil ist gewiß
Beschlossen über unsern Herrn und zu
Vollziehn am ganzen Haus. Oh, ich vermiß
David,- gestand sie: wie die ewge Ruh.-
Heilloser Nabal, dem am Herzen riß
Die Torheit! Niemand wußte es zu wagen
Ihm etwas Besserwissendes zu sagen.
 
159
Und Abigajil eilte hin allein
Und hatte bei sich zweimalhundert Brote,
Zwei Krüge köstlichen gereiften Wein,
Fünf Schafe und es waren duftend tote,
Fünf Epha Röstkorn, wohl gemahlen fein,
Hundert Rosinenkuchen, rosenrote,
Zweihundert Kuchen mit gereiften Feigen.
Sie lud es Eseln auf und zog im Schweigen.
 
160
Und Abigajil sprach zu ihren Leuten:
Geht vor mir her, ich will gleich nach euch kommen.-
Sie wollte ihrem Manne nicht bedeuten,
Wohin ihr Traumgedanke schon geschwommen.
Sie ritt auf einem Esel hin, da freuten
Sich ihre Augen, als die Sterne glommen,
Und ritt im Schutz des Berges hin und siehe,
Da sah sie David in der Morgenfrühe.
 
161
Und David dachte: Hab ich nun geweidet
Umsonst des Fremden Schafe in der Wüste?
Ich hab ihm nicht sein reiches Gut geneidet,
Nicht daß nach seinem Schatze mir gelüste.
Warum denn meine Seele so sehr leidet?
Ob diese Last ein Unschuldiger büßte?
Und er vergilt mit Bösem mir das Gute!-
Und David stieß auf sie, die Wohlgemute.
 
162
Gott tue David dies und noch viel mehr,
Wenn ich ihm Einen Mann noch übrig lasse.-
Im lichten Morgen ists von Blut ein Meer.
Des Mannes Schenkel und des Rosses Rasse
Ist hin und nimmer spricht von ihnen wer.
Als Abigajil nun, die lilienblasse,
Den Hirten David sah, da stieg sie eilend
Vom Esel. David wirkte auf sie heilend.
 
163
Vor David nieder fiel sie zu den Füßen
Und beugte sich zur Erde und sie sagte:
Ach du mein Herr, ich will es alles büßen.
Tu auf das Ohr, wie meine Seele klagte,
Als Mädchen wollte ich den Heiland grüßen:
Erbarm dich meiner Seele, die geplagte
Ist lauter Flehn und elend und in Not!
Hilf mir der Herr, Jehovah Zebaoth!-
 
164
Und Abigajil sprach: Erreg dich nicht,
Mein Herr, mein Mann ist namentlich ein Tor,
Wie Nabal wirklich oft in Torheit spricht.
Ich hörte aber nicht mit meinem Ohr
Von deinen Leuten und vor mein Gesicht
Ist keine Schar gekommen. Ich verlor
Mich in der Einsamkeit der Berggefilde.-
Und David lächelte zur Schönen milde.
 
165
Sprach David: Wäre doch mein Werk verbrannt
Und ich in meinem Daseinsleid erschlagen!-
Sprach Abigajil, Schönste in dem Land:
So wahr Jehovah Licht ist allen Tagen,
Daß du dir helfest nicht mit eigner Hand,
Dir Blutschuld auflädst! Also laß dir sagen:
Hier ist die Segensgabe deiner Magd.
Ich weiß, mein Herr hat lange Zeit geklagt.
 
166
Vergib mir, David, die Vermessenheit!
Der Herr wird meinem Herrn ein Haus begründen
Von Diamanten der Beständigkeit.
Nichts Böses möge man an dir je finden;
Und wenn dich wer verfolgen wollte weit,
So möge Gott dich in das Bündlein binden
Der Lebendigen. Bei dem Gott der Magd
Und deinem Gott Jehovah seis gesagt.
 
167
Wenn du den Juden aber wirst zum Fürsten,
So wirst du frei sein von der eignen Schuld
Des Blutvergießens. Du wirst in der Tür stehn
Des Hauses Juda, gold in holder Huld.
Dann mögest du der Magd gedenken, dürsten
Wird sie nicht mehr, die Früchte der Geduld
Sind dann gereift, die Granatäpfel rot;-
Sprach Abigajil: Lob sei Zebaoth!-
 
168
Sprach David: Lob der Gottheit Israels,
Die heute Abigajil mir gesandt!
Gesegnet deiner Klugheit weiser Fels,
Gesegnet dein Gemüt und dein Verstand,
Gesegnet deine Schönheit, weiß wie Schmelz.
Du hast zurückgehalten meine Hand,
Daß ich mir selber nicht ein Unheil tat
Und so in Blutschuld vor dem Herrn gerat.
 
169
So wahr Jehovah lebt, der mich beschützte,
Der alle meine Feinde von mir wehrt:
Wenn du nicht angekommen wärst, nichts nützte,
Ich hätte aufgehoben wohl mein Schwert,
So daß das Blut von Nabals Männern spritzte
Und bis zum lichten Morgen wär geleert
Das Feld, sie lägen alle bei den Toten.
O Lieblichste von allen Freudenboten!-
 
170
Und David nahm aus ihrer weißen Hand,
Was Abigajil ihm gebracht zur Speise.
Er sprach: Nun zieh mit Frieden in dein Land,
Ich hörte deine Stimme süß und leise,
Der ich sehr licht und schön dein Antlitz fand,
Die du zudem bist auch sehr klug und weise,
Dein Angesicht sei wiederum erhoben,
Zusammen wollen wir die Gottheit loben.-
 
171
Und Abigajil kam zu Nabal wieder,
Siehe, zu einem königlichen Mahl.
Sein Herz war guter Dinge, frohe Lieder
Sang er betrunken in dem weiten Saal.
Da sank er bis zum lichten Morgen nieder,
Da redete sie Worte ohne Zahl,
Da ging sein Herz in seinem Leibe ein,
In seiner Torheit wurde er ein Stein.
 
172
Zehn Tage später schlug Jehovah ihn
So daß er starb. Und Abigajil klagte.
Als die Gerüchte nun zu David ziehn,
Sprach er: Jehovah Lob und Preis, der tagte
Gerecht als Richter; mir hat er verziehn,
Daß er dem Frevelnden den Sieg versagte.-
Zu Abigajil sandte David nun,
Er wolle treu an ihrer Seite ruhn.
 
173
Da ließ er dies durch seine Knechte sagen,
Sie sagten ihr, er wolle sie zur Frau.
Man sah den Stern des Morgens eben tagen
Und auf den Falterflügeln etwas Tau,
Da sah man hoch den Karmel-Felsen ragen,
Den Schemel vor dem hohen Himmelsbau;
Da kniete Abigajil hin, die Süße,
Und wusch den Knechten Davids ihre Füße.
 
174
Und Abigajil zog auf David zu,
Auf einem Esel, und es gingen mit
Fünf Mägde, einer innerlichen Ruh,
Dieweil die Herrin an der Seele litt.
Sie kam zu David und sie ward im Nu
Vertraut mit ihm, im Sitzen wie im Schritt.
Wie Morgenröte über weißem Marmel
War Abigajil von dem Berge Karmel.
 
175
Auch hatte David Ahinoam sich
Zur Frau genommen, die von Jesreel
Gekommen, und er liebte inniglich
Die Frauen mit der liebevollen Seel.
Die Tochter Michal aber minniglich
Vergab der König von ganz Israel
An Palti, Lajischs Sohn aus Gallim. Diese
Sind alle später einst im Paradiese.
 
176
David verbarg sich aber auf dem Hügel
Haschila, gleich genüber Jeschimon.
Da legte Saul ans Roß den goldnen Zügel
Und zog von Gibea hinab, vom Thron
Hinab zur Wüste Sif mit raschem Flügel,
Dreitausend Männer bei dem Menschensohn.
Und David sandte Boten aus der Wüste,
Zu sehn, ob Saul ihn als sein Opfer grüßte.
 
177
Und David kam hinab und sah Saul liegen
Im Lager, Abner als sein Feldhauptmann
War ihm zur Seite, wo sich ringsum biegen
Die Kreise der Soldaten. David dann
Sprach so zu Abischai, die Worte fliegen
Zum Sohne der Zeruja also: Wann
Ich in das Lager geh, als wie ins Grab,
Wer geht mit mir zu König Saul hinab?-
 
178
Sie kamen also in die Lagerstätte.
Sprach Abischai: Gott hat nun deinen Feind
Gegeben dir in deine Hände. Hätte
Ers nicht gewollt und hätt ers nicht gemeint,
So wärs nicht so. Kein Menschenwesen rette
Jetzt Saul, um den die Tochter schon geweint,
Weil ich ihn mit dem Spieße spießen werde
Mit Einem Mal zum Tod auf dieser Erde.-
 
179
Sa sagte David: Lege deine Hand
An den Gesalbten nicht, Jehovahs Sohn.
Er ist ein König über unser Land
Und findet wohl für seine Taten Lohn.
Er stirbt dereinst im Kriege unerkannt,
Vielleicht wird er geschlagen auf dem Thron;
Von mir Jehovah lasse ferne sein,
Daß ich den König träf mit einem Stein.
 
180
Nimm nun den Wasserkrug und nimm den Spieß
Vom König und Gesalbten, laß uns gehn.-
Sie schliefen und auch Saul auf einem Vlies
Und merkten nichts und konnten sie nicht sehn.
Vom Kelch des Schlafes Milch des Traumes fließ
Und Engelsschwingen mögen um die wehn,
Die tun mit Macht des Herrn Jehovah Willen
Und sind wie Schweigen in der Nacht, der stillen.
 
181
Und David stellte sich auf einen Gipfel
Und rief von ferne zu dem Königsvolke.
Und Abner stand im Lager unterm Wipfel
Der Buche, eingehüllt in eine Wolke,
Und rief: Was zerrst du an des Königs Zipfel?-
Und David sprach: Bist du von Seim und Molke
Und schützest nicht den König als sein Mann
Und zogest um das Lager keinen Bann?
 
182
Kinder des Todes seid ihr! Nicht bewacht
Habt ihr den König, den gesalbten Herrn.
Beinahe hätte ihn wer umgebracht,
Der lag im Lager wie im Obst der Kern.
Wo ist der Wasserkrug in dieser Nacht,
Wo ist der Spieß, bei diesem lichten Stern?-
Da merkte König Saul in seinem Grimme:
Bei Zebaoth, das ist doch Davids Stimme!-
 
183
Da sagte David: Was verfolgst du mich?
Was ist denn Böses nur in meiner Hand?
Reizt gegen mich der Herr Jehovah dich,
So riech er Speiseopfer überm Land;
Sinds Menschen, seien sie verflucht. Ja, ich
Sag dir, sie hetzen meinen Herrn bekannt
Zum Kampfe gegen seinen Knecht auf, sagen
Er diene Göttern nun in diesen Tagen.
 
184
So fließe nun mein Blut nicht auf die Erde
Fern von dem Angesichte Zebaoth!
Der König Israels, der Hirt der Herde,
Zog gegen mich, zu geben mir den Tod,
Wie gegen einen Schmetterling. Ich werde
Gejagt so wie ein Hirsch im Morgenrot.
So jagt man mich die Berge auf und nieder.-
Saul sprach: Ich hab gesündigt, Sohn, komm wieder!-
 
185
Und David sprach: Hier ist des Königs Spieß,
Es komme einer her und hole ihn.
Jehovah wird vergelten überdies
Jedes Gerechtigkeit. In Treue dien.
Ich legte meine Hand nicht an das Vlies,
An den Gesalbten, der hat mir verziehn.
Er hat mein Leben heute wert geachtet
Und rette mich, bin ich einmal umnachtet.-
 
186
Saul sprach zu David: Mit dir sei der Segen
Jehovahs und du wirst es wohl vollenden.-
Und David zog dahin auf seinen Wegen,
Ein goldnes Schwert in seinen reinen Händen.
Aus seinen Augen floß ein Tränenregen,
Er wußte kaum, wohin sich jetzt zu wenden,
Und zog den Weg dahin. Bei einer Palme
Sang er zur Harfe eine Jugend-Psalme.
 
187
Doch David dachte: Eines Tages falle
Ich in des Königs ausgereckte Hand,
Vor dem ich sang in seiner Königshalle.
Ich flieh am besten ins Philisterland,
Er stellt mir länger nicht mehr eine Falle
In Israel, wenn ich dahin verschwand.-
Und David machte sich nach Achisch auf,
Zum Herrn von Gat nahm er den raschen Lauf.
 
188
Und David blieb in Achisch, blieb in Gat,
Sechshundert Leute waren mit ihm da.
Mit David aber waren in der Tat
Die beiden Frauen, die sein Auge sah:
Von Jesreel kam Ahinoam spat
Und Abigajil kam vom Karmel nah.
Die Liebe war so wie ein weites Meer.
Saul aber suchte David nun nicht mehr.
 
189
Und David sprach zu Achisch: Fand ich Gnade
Vor deinen Augen, gib mir eine Hütte
Wo auf dem Lande, daß ich mich da bade
In der Natur. Wie sollt ich in der Mitte
Der Königsstätte ganz von Gold und Jade
In Ruhe wohnen und in reiner Sitte?-
Da gab der König Achisch an dem Tag
Dem David, der ihn bat, den Ort Ziklag.
 
190
Und David fiel in manche Länder ein,
Ließ weder Mann noch Frau noch Kinder leben;
Und Schafe, Rinder, Esel traf der Stein
Und raubte viel von linnenen Geweben.
Er kam zu Achisch dann zurück allein,
Und fragte der ihn dann mit Stimmenbeben
Wo er gewesen war, den er jetzt müd fand,
So sagte David nur: Ich war im Südland.-
 
191
Und niemand kam nach Gat, durch Davids Macht,
Er dachte wohl, sie könnten ihn verraten.
Und Achisch glaubte David, wie zur Nacht
Den Sternen, himmlisch ausgesäten Saaten:
Er hat sich selber in Verruf gebracht,
Bei seinem Volke Israel, mit Taten;
So ist er nun auf immerdar mein Knecht.-
So dachte Achisch, fast war er im Recht.
 
192
Und Samuel war schon zu Gott verschieden
Und Israel sang ihm die Totenklage.
Im Himmelreiche sei mit ihm der Frieden
Und sei es licht um ihn so wie am Tage,
Sein Staub find aber Ruh im Grab hienieden
Bis zu dem Jüngsten Tag der Judensage.
Sie sangen: Lama asabtani, lama?-
Begruben Samuel im Orte Rama.
 
193
Saul aber bangte vor den großen Scharen
Philister und er fragte selbst das Los,
Doch weder Licht noch Recht will offenbaren,
Was er jetzt tun soll. In dem Traum die Ros
Schwieg still, Propheten mit Gebaren
Zornigen Schweigens ließen ihn nicht los.
Da ging er zu dem Weibe von En-Dor,
Sie schaute es voraus und stand im Tor.
 
194
Es war ein Weib, das Tote konnt beschwören,
Saul ging verkleidet zu ihr nach En-Dor.
Wahrsage, weil du Geister kannst betören,
Ruf mir herauf nun durch des Todes Tor
Die Seele, dessen Namen du wirst hören.-
Das Weib sprach aber in dem schwarzen Flor:
Geisterbeschwörer, Zeichendeuter sind
Von Saul vertrieben worden,- durch den Wind.
 
195
Soll ich anjetzo selbst getötet werden?-
Saul aber schwor: So wahr Jehovah lebt,
Der Herr über die Himmel und die Erden,
Unschuldig sollst du sein. Mein Wesen strebt,
Den Priester Samuel zu sehn.- Gebärden
Machte das Weib, wie eine Spinne webt,
Schrie plötzlich laut aus zähnelosem Maul:
Warum betrügst du mich? Ja, du bist Saul!-
 
196
Der König sprach jetzt: Fürchte du dich nicht.
Was siehst du aber?- Sie sprach dieses Wort:
Ich sehe einen Geist aus weißem Licht
Aufsteigen aus dem glutumflossnen Hort.-
Wie sieht er aus, wie ist sein Angesicht?-
Ein alter Mensch im Priesterrock steht dort.-
Da wußte Saul, daß Samuel gekommen;
Ihm wurde kalt, doch seine Augen glommen.
 
197
Zu Saul sprach Samuel: Warum hast du
Gestört mir meine Ruh und läßt mich steigen
Vom Tal des Schlafes?- Saul sprach: Ich bin nu
Bedrängt und Gott will mir nicht länger zeigen
Den Weg, durch Träume weder in der Ruh,
Noch durch Propheten, die mir immer schweigen.
Was soll ich tun mit den Philistern, sag!-
(Und David schlief zu der Zeit in Ziklag.)
 
198
Sprach Samuel: Was soll ich tun, vom Herrn
Ward dir dein schönes Königtum entrissen,
David gegeben, unserm Morgenstern!
Du wolltest selber von Jehovah wissen,
Was nun zu tun ist; wolltest doch nicht gern
An Amalek vollstrecken den gewissen
Göttlichen Zorn Jehovahs, der im Grimme
Geredet hat zu dir mit seiner Stimme.
 
199
Dein Königtum wird David nun gegeben!
Und Israel fällt den Philistern zu.
Morgen wirst du mit deinem ganzen Leben
Bei mir sein, in der ewiglichen Ruh.-
Und Saul fiel auf die Erde, ganz ein Beben,
Und große Furcht kam über ihn. O du,
Geist Samuels, du hast es nun geschafft,
Ich habe keine Kraft mehr, keine Kraft!-
 
200
Das Weib sah aber Saul an unverwandt,
Wie er in bebender Bestürzung lag:
Mein Leben ist in deiner hohlen Hand.
Ja, deine Magd wird tun, was sie vermag.
Ein andrer aber wird in diesem Land
Der König sein (und kennen Abischag).
Nun aber nimm ein Stück von meinem Brot
Und wandle deines Wegs im Morgenrot.-
 
201
Saul aber sprach: Ich möchte jetzt nicht speisen.-
Doch seine Diener und auch jenes Weib,
Sie drangen in ihn. Und mit einem Eisen
Sie schlachteten ein Kalb und dessen Leib
Gebraten gaben sie dem König. Leisen
Tons dankte Saul für Wein und für den Laib
Von Kuchen ungesäuert; Mehlteig backt
Dem König jene zauberhafte Magd.
 
202
Saul und die Diener speisten jenen Kuchen
Und gingen in der frühen Nachtzeit fort.
Muse von Zion, David jetzt zu suchen,
Nimm du den Flug und rede du dein Wort.
Zikade von Ziklag, im Hain der Buchen
Sangst du dein Lied in Frieden lieblich dort.
Amalekiter aber sind im Süden,
Mit Fackeln überkamen sie die Müden.
 
203
Sie führten fort die Frauen und die Kinder,
Sie brachten aber niemandem den Tod.
Als David in die Stadt kam, wo ein linder
Wind wehte, rief er laut zu Zebaoth,
Dem Herrn der Himmelsscharen Überwinder:
Ruf du herauf des Friedens Morgenrot!-
Die vielen fortgeführten Frauen bangen,
Die Söhne und die Töchter sind gefangen.
 
204
Und David und das Volk, das mit ihm war,
Begann zu weinen und noch mehr zu weinen
Als Kraft in ihnen war: Ach nun sind gar
Die beiden Frauen fort, die beiden meinen,
Die Ahinoam mit des Blickes Aar
Und Abigajil in den weißen Leinen;
Die eine war von Jesreel ein Marmel,
Die Perle war die andere vom Karmel.-
 
205
Und David kam in eine große Not,
Steinigen wollten ihn die vielen Leute:
Du brachtest unsern Kindern fast den Tod
Und unsre Frauen wurden Raub der Meute.-
Da stärkte David sich durch Zebaoth:
Sei du wie immer eine Hilfe heute.-
Da sprach er zu dem Priester Abjatar:
Den Efod bring, Orakel immerdar.-
 
206
Und David, er befragte Zebaoth
Jehovah, seinen Gott, im Efod lebend:
Geb ich den Plünderern verdienten Tod?
Eil ich, mit Flügeln an den Füßen schwebend,
Und hol sie ein, zu ihrer eignen Not?-
Die Gottheit sprach, dem Efod Worte gebend:
Ja, jage ihnen nach!- Da ward befreit
Die liebe Magd und auch die liebe Maid.
 
207
Sie kamen zu dem Wildbachtal Besor,
David und die sechshundert Mann mit ihm.
David zog weiter und mit ihm im Chor
Vierhundert Männer ritten hin sublim.
Die andern blieben in dem Tal im Flor,
Zweihundert Mann und manche von Schittim.
Die Wogen sprangen Well an Welle vor
Im wasserreichen Wildbachtal Besor.
 
208
Zweihundert Männer blieben in Besor,
Im Wildbachtale blieben all die Müden.
Sie sangen einen friedensreichen Chor,
Sie lobten also Himmelreich und Frieden
Und drangen vor bis zu dem Himmelstor
Mit ihren Stimmen, ruhig in dem Süden.
Muse von Zion, rede fließ vom Maul
Dir von dem Ende und dem König Saul.
 
209
Im Kampfe schlugen die Philister hart
Ganz Israel auf dem Gebirg Giboa.
Da ward der Todesengel offenbart
Dem schönen Königssohne Malkischoa;
Dem Königssohn Abinadab mit Bart;
Dem sündelosen so wie einstmals Noah:
Dem Königssohne Jonatan ward nun
Der Tod geoffenbart: Er möge ruhn.
 
210
Die Kämpfe wurden schwer, der König rief
Zu seinem Waffenträger: Ich will sterben!
Dein scharfes Messer steche in mich tief,
Daß nicht die Unbeschnittnen in mich kerben
Ihr Schimpfwort.- Doch der Waffenträger schlief,
Er wollte nicht. Der König aller Erben
Nahm sich das Schwert und stürzte sich hinein.
Das warme Königsblut floß auf den Stein...

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