[Inhalt]

CARITAS DIVINA


DIALOG DER LIEBE
PHILON
Nun wir uns treffen, Herrin, in Florenz,
Erzähl von Transzendenz und Immanenz.
Ich las den Plato und ich las Plotinos
Und las auch in der Liebeskunst Ficinos.
Nun aber will ich dich, Sophia, fragen,
Weißt du mir, Herrin, Neues anzusagen?
SOPHIA
Die Erde und der Himmel voller Reinheit
Zusammen sind in gottgeschaffner Einheit
Ein schöner Kosmos. Kosmische Kosmetik
Das Weltall macht zum Inbild der Ästhetik,
Die Gott aus schöpferischer Liebesbrunst
Gestaltet als ein Künstler höchster Kunst,
Der Weltbaumeister, Kosmos-Architekt.
Und ich bin seine Muse unbefleckt,
Von Sanftmut und von Demut, rein und mild.
Gott sah mich an und sah sein Spiegelbild,
Und wie er sieht und wie ich wieder seh,
Schuf Gott das Gleichnis meiner Ur-Idee,
Die ich vor seines Geistes Aug gestellt,
Der Schöpfung Urbild ich, Idee der Welt.
PHILON
Was macht die Schönheit dieser ganzen Welt,
Was sie im Innersten zusammenhält,
Die Seele dieser Welt, geheim und pur,
Was ist die Gottesseele der Natur?
SOPHIA
In allem Treiben dieser Schöpfungstriebe
Im Innern waltet die geheime Liebe,
Die da bewegt die Welt, die Welt vereint.
Sie ist das innre Licht in dem was scheint,
Durchdringt des Kosmos Glieder wie ein Hauch.
Das Individuum gestaltet auch
Die Liebe als die Seele der Person.
Die Weltenschöpferin im Weltenthron
Durch ihr erotisches Mysterium
Den Kosmos macht zum Individuum,
Und alles was da flutet hin und wider,
Sind alles Teile, sind des Kosmos Glieder.
Der Kosmos als Person und Kreatur
Erfüllt wird von der Seele der Natur,
Vernünftiger Begierde oder Liebe,
Der Gottesseele aller Schöpfungstriebe.
PHILON
Was aber ist das Ziel des Großen-Ganzen?
Wohin seh ich den schönen Kosmos tanzen?
SOPHIA
Im Kosmos ist ein sehnsuchtsheißes Streben
Nach der Vollkommenheit, ein wahres Leben
Erstrebt die Schöpfung und in Sehnsucht sie
Sehnt sich zum Sphäros schöner Harmonie,
Gleich werden will sie ihrem Ideal,
Schön sein nach goldnem Schnitt, nach Maß und Zahl
(Und nach Gewicht, denn die perfekte Schwere
Macht erst die Schönheit der vollkommnen Sphäre)...
PHILON
Was aber strebt und sehnt sich in der Welt?
Ist da ein Geist, der sich ihr zugesellt?
SOPHIA
Beseelt ist alles, alles was da ist,
Was lebt, das lebt aus Gott, so wisse, Christ,
Es ist in aller der Materia
Als Energie der Sapientia
Ein Geistesstreben, Schönheit zu erreichen,
Der Geist in allen weltlichen Bereichen
Will lieben, will nur in der Liebe brennen!
Wer lieben will, der muß zuvor erkennen.
PHIILON
Wem aber ist in diesem Erdenleben
Erkenntnis als dem Menschen nur gegeben?
SOPHIA
Der Geist des ganzen Daseins, Lebenswelle,
Im Menschen wird er intellektuelle
Erkenntnis. Menschengeist voll Liebesglut
Will wissen, was er liebt, das sei auch gut.
Darum erkenne, in dem Geist erkenne
Der Mensch das Gute, daß er liebend brenne.
Dann wird die Liebe in ihm brennen, glühen,
Dann wird die Liebe in ihm schäumen, sprühen,
Dann wird er lieben bis in Ewigkeit
Allein die Schönheit in Vollkommenheit!
PHILON
Die Menschen aber in der Erdenwelt,
Sie lieben aber Wollust, Macht und Geld.
SOPHIA
Die Liebe aber, die Sophia preist,
Das ist die Liebe zu dem höchsten Geist.
PHILON
Doch lieb ich es, in Liebe anzuschauen
Die Grazie geliebter schöner Frauen.
SOPHIA
Im Gleichnis einer holden schönen Frau
Allein die Schöne Liebe Gottes schau!
Vom Abbild einer Frau, die schön und mild,
Zieh ab das Urbild, Gottes Ebenbild.
Die Frau ist Widerschein von Gottes Licht,
Schau Gottes mütterliches Angesicht!
PHILON
Sophia, seh ich dich nur, unbefleckt!
Was aber sagst du mir vom Intellekt?
SOPHIA
Von Plato lerntest Liebe du perfekt,
Von Aristoteles den Intellekt.
Der Intellekt, den meine Weisheit preist,
Das ist der allerhöchste reine Geist.
Der allgemeine Geist, wer ihn erkannt,
Der Geist erleuchtet menschlichen Verstand.
Die menschliche Vernunft muß, wie du weißt,
Erleuchtet werden von dem höchsten Geist.
Wird die Vernunft sich mit dem Geiste paaren,
Vernunft wird forschen, Geist sich offenbaren!
PHILON
Wirkt denn der Geist mit feuerheißer Brunft
Der Liebe auf die menschliche Vernunft?
SOPHIA
O Philon, wohl, du hast es so erfahren?
Das tat der Geist dir selber offenbaren.
Der Geist erweckt im menschlichen Verstand
Die Weisheit, die er in dem Innern fand.
Der Geist als Zeuger voll der Liebe Brunft
Erregt die Weisheit tief in der Vernunft,
Daß die Vernunft sich mit der Weisheit ziert,
Erweckt wird Weisheit, aktualisiert
Die Innewohnende im Seelenschoß.
Ich mein, du kennst sie wohl, die makellos.
Wenn Weisheit aber im Verstande blüht,
Die Liebe glüht im Willen, im Gemüt,
Dann wird die Seele rein und unbefleckt
Vereinigt mit dem Geist, dem Intellekt.
PHILON
Wenn Geist und Seele lieben sich voll Zucht,
Was bringt die Seele dann hervor als Frucht?
SOPHIA
Der höchste Geist, das ist die Gottheit ja,
Ist nun der Mensch dem Geist der Gottheit nah,
In der Vereinigung (ein Narr, wer spottet)
Des Menschen Seele wird vom Geist vergottet!
PHILON
Wird die Vereinigung im Morgenrot
Der Ewigkeit geschehen erst, im Tod?
SOPHIA
Vereine dich in mystischer Ekstase
Schon heute mit der Gottheit Hypostase!...
(Schweigen)
PHILON
Sophia, alle meine tiefsten Triebe
Erglühen: Rede du mir von der Liebe!
SOPHIA
Du sahest einst doch Diotima heiter
Verkündigen der Liebe Himmelsleiter,
Da Eros zu der Schönheit strebt voll Glut,
Der Schönheit Ur-Idee, dem Höchsten Gut!
Wohlan, verfolge diese Wege weiter
Und steige auf und ab die Himmelsleiter
Zu der Idee der Schönheit, deiner Braut.
Auch Jakob hat die Leiter einst geschaut
Und was er droben auf der Leiter sah,
War Herrlichkeit der Gottheit, Schechinah!
Die Gottheit, sagte Aristoteles,
Die kann man innig lieben wohl, indes
Die unbewegte Gottheit liebe nicht
Die Kreaturen. Doch Sophia spricht
Und schwört bei ihrem Lilienzepter-Stab:
Die Gottheit steigt aus Liebe selbst herab,
Aus ihrer Göttlichkeit so herrlich-heiter
Die Gottheit steigt herab die Himmelsleiter
Und tritt aus ihrer göttlichen Natur
Aus purer Liebe in die Kreatur!
PHILON
So spenden mir der Weisheit Mutterbrüste
Die Inkarnation des Sohnes, Jesu Christe!
SOPHIA
Die Gottheit ist als schöpfrisch anzusehen
Das Weltall nach dem Urbild der Ideen.
Die Gottheit als die große Künstlerin
Der Welt die Ewigkeit legt in den Sinn.
Die künstlerische Kreativität
Der Gottheit in den Kreaturen steht,
Die existieren in der Gottheit Denken,
Begierlich, in die Gottheit sich zu senken.
PHILON
Die Gottheit als die göttliche Natur,
War sie im Anbeginn der Schöpfung nur?
SOPHIA
Dreifaltig ist der Gottheit Wesen, ja,
Am Anbeginn war sie als Urschoß da,
Dem alle Welt und Kreatur entquillt,
Im Dasein ist sie wie das innre Bild
Der Welt, die übersteigt die Welt enorm,
Die ist doch alles Stoffes innre Form,
Am Ende aber dieses Lebensspieles
Die Gottheit wartet mit dem Kranz des Zieles,
Daß in die Gottheit deine Seele flieg
Und findet dort den Kranz, des Wettlaufs Sieg,
Wenn deine Seele heilig makellos
Am Ziele eingeht in der Gottheit Schoß.
Der Anfang ist die Liebe, Lebensspende,
Der Weg ist Liebe, Liebe ist das Ende.
PHILON
Dreifaltig, sagst du, sei der Gottheit Wesen,
Sei Anfang, der von Ewigkeit gewesen,
Sei innrer Pfad und sei des Lebens Ziel.
Ich hörte von Drei-Einheit oft und viel,
Die Christen sagen, wie du sicher weißt,
Als von dem Herrn: dem Vater, Sohn und Geist.
SOPHIA
Dreifaltigkeit ich dir im Bilde schenke.
Nur immer an der Gottheit Liebe denke!
So wie der Denker das Gedachte denkt,
Gedachtes sich im Denken Denkern schenkt,
So ist die Gottheit Liebende allein,
Senkt sich in die geliebte Gottheit ein
Und ist in der Vereinigung der Triebe
Der Liebenden und der Geliebten Liebe!


CARITAS DIVINA

„Dea mater caritas est...“

Wie liebe ich das große Meer der Friesen,
Den blanken Hans, den gottgezeugten Riesen,
Wie liebe ich die deutsche Muttersprache,
Ja, Luthers Bibeldeutsch ist meine Sache,
Wie liebe ich die deutschen Denker, Lichter
Der Ideale, und die deutschen Dichter,
Vom Heliand bis zu dem Sang der Minne,
Und Goethes Geist ist ganz nach meinem Sinne,
Wie lieb ich meinen heiligen Beruf,
Diktiert die Muse den Prophetenruf,
Wie liebe ich der reinen Kinder Schöne,
Die Gott mir anvertraut, die Seelensöhne,
Ich komme mit Liebkosung, nicht mit Rage,
Dem Ritter folgt der Knappe und der Page,
Des Lebens tragikomisches Theater
Den Vaterlosen machte selbst zum Vater,
Der fühlt zutiefst im innern Seelentriebe
Die Allbarmherzigkeit der Mutterliebe!
Die Macht der Liebe aber muß ich preisen,
Der Liebe, Herrscherin in Sphärenkreisen,
Die meinem Blut im wunden Herzen inne,
Das ist die Übermacht der Frauenminne!
Wie sklavisch ich die schöne Herrin schau,
Die göttingleiche Gloria der Frau!
Bin so in Liebe zu der Frau versunken,
Als hätt ich rituell ihr Blut getrunken!...
Begehrenswert der reizbegabte Leib,
Ein Engel ist die Seele in dem Weib,
Sie, die den Märtyrer der Minne peinigt!
Ein Himmel ist es, bin ich ihr vereinigt!
Der Eros, der des Menschen Geist begeistert,
Wie eine Allgewalt die Seele meistert,
Und fühlt man ihn wie Feuerflammen rasen
Und reißen hin in trunkenen Ekstasen,
Wir dann, die Eros mächtig wüten sahn,
In Raserei uns stürzen und in Wahn!
Der Wahnsinn Seelen übermeistert wie
Ein schlimmes Schicksal, Eros wie ein Vieh
Steht jenseits von dem Guten und dem Bösen,
Als Sturm und Glut die Glieder uns zu lösen,
Daß wir von Eros‘ Fackel voller Brand
Verlieren unsern menschlichen Verstand,
Daß Eros wie ein Vieh in heißer Brunft
Zerrüttet unsre Weisheit und Vernunft,
Daß wir nun Mönche sind in Eros‘ Orden
Mit dem Martyrium, sich selbst zu morden -
Und sterbend noch in Wahnsinn und Umnachten
Nach der Geliebten seufzend zu verschmachten!
Den Griechen ist er Erster aller Götter.
Selbst Zeus, der Götterkönig in dem Wetter,
War Eros sklavisch untertan,
Selbst Zeus verfiel in Eros‘ Liebeswahn.
Am Anfang war die Jungfrau-Mutter Nacht,
Mit ihr der Geist des Windes voller Macht,
Die zeugten einst den Urkeim dieser Welt;
Die Welt im Innersten zusammenhält
Der Eros zwiegeschlechtlich. In dem Kern
Der Schöpfung schaute Griechenland als Herrn
Den Eros, in dem Urkeim eingestaltet,
Als Schöpfermacht die Schöpfung er entfaltet.
Gott Eros war der Freier auch, zu buhlen
Mit Tempelhuren oder Hierodulen.
Die göttingleichen Huren zu erkennen,
Hieß in des Eros Göttermacht zu brennen.
Die Huren schenkten wilde Raserei,
Der Tempelhurer ward durch Wollust frei.
Als geiler Esel, trunkener Silenus,
Der Götzendiener schlief mit seiner Venus,
Befriedigte die Göttin völlig nackt
Durch seines Götzendienstes Liebesakt,
Erlangte von der Göttin in dem Rausch
Die göttliche Glückseligkeit zum Tausch,
Erleuchtung in dem tiefsten Seelentriebe
Vom Paradies der Göttin freier Liebe!
Nur Einen Augenblick im Paradies,
Im Schoß der Venus voller Wollust süß,
Der Götzendiener in des Eros Macht
Sank wieder in des Todesschattens Nacht
Und stieg ernüchtert von der Göttin Bette,
Im Tiefsten bang, wer ihn vom Tode rette?
So aber wird die Sexualität
Geachtet nicht als heilig wie Gebet,
Sie wird verschleudert und vergeudet nur.
Der Schoß der Hure ist die hohle Spur
In des Vergessens Land und Totenreich.
Der Mensch ist menschlich nicht, dem Tier nur gleich,
Nicht fromme Inbrunst, sondern geile Brunst
Auslebend, schwindet er in eitlen Dunst,
Beraubt der Menschenwürde, seinem Adel,
Die bloße Wollust erntet nur den Tadel
Des inneren tiefmenschlichen Gewissens.
Wie nichtig ist der Liebeskrieg des Kissens,
Wenn lieben nicht der Geist auch und die Seele
Persönlich die Geliebte ohne Fehle.
Nicht einzig mit dem Fleische nur zu scherzen,
Nein, sich vereinigend von Herz zu Herzen
Im Liebesbette als Altar und Thron
Der Liebe zur persönlichen Person.
Die Toren aber nennen Brunst der Triebe
Die revolutionäre freie Liebe
Und sehn nicht, daß sie die Natur verachten,
Nicht die Natur des Menschen wahrhaft achten,
Die Leib und Seele ist in tiefer Einheit,
Daß nur der Liebesganzhingabe Reinheit
Den innern Liebestrieb des Menschen adelt,
Daß nicht ihn das Gewissen richtend tadelt.
Die freie Liebe aber ist wie Kot
Des Fleisches Sklaverei und führt zum Tod.
Der Mensch ist Leib und Geist, ist Schoß und Schädel,
Allein die ganze Menschheit erst ist edel,
Der Mensch ist einig Odem und Schamott.
So ist es auch nichts anderes als Spott,
Als grüßte einst ein Philosoph ein Weib:
O Weib, die du bist die Natur, der Leib!
Da wars auch Spott, als dieses Weibchen preist
Den Mann: O Mann, du bist der reine Geist!
Erst Leib und Geist in innerlicher Einheit
Des Menschen Menschenwürde ist in Reinheit.
Will Eros göttliche Glückseligkeit
Und schöne Liebe in der Ewigkeit,
Des Menschen Eros wird, ich mein den reinen,
Für immer lieben und allein den Einen
Und sagen: Du bist die Geliebte mein,
Das ganze Leben lang und du allein!
Dann wird der Eros nicht allein genießen
Und nicht allein genießend überfließen,
Der Eros gibt sich selbst als Opfergabe
Selbstloser Liebe in der Ganzhingabe.
Dann wird der Eros lernen zu verzichten,
Er wird den eitlen Egoismus richten,
Und finden wird er seine Seelenruh
Nicht in dem eignen Ich, vielmehr im Du.
Er wird sein Leben schenken und verlieren,
Raffgierig nicht nach eignem Leben gieren,
Wird seinen Egoismus überwinden
Und also erst das wahre Leben finden,
Des Lebens Fülle und Lebendigkeit,
Wenn Eros ganz sich der Geliebten weiht
Und sterbend sich zu der Geliebten wendet,
Sein Leben auferstehend erst vollendet!
Solch einen Eros lebte Christus vor,
Den Eros Gottes preist der Engel Chor,
Sich in die Erde senkend und ersterbend
Und so zuletzt der Ernte Kranz erwerbend.
Dies Weizenkorn senkt sich in Erde ein,
Und stirbt es nicht, so bleibt es ganz allein,
Doch stirbt es, wird es bringen reiche Frucht.
So heilig Eros ist in Gottes Zucht.
So lehrte einst die weise Diotima
Von der Urania von Paphos-Ktima:
Du schaust mit einemmal ein schönes Weib,
Die Traumgeborene im jungen Leib,
Du liebst des Leibes Schönheit ohne Fehle
Und bist bezaubert tief von ihrer Seele,
Du siehst die Seele in der Traumvision
Als Seelenfrau in deinem Seelenthron,
Dann wirst du allen holden femininen
Verklärten Seelenfrauen minnend dienen,
Die Seelenfrauen im Ideensaal
Dir offenbaren so dein Ideal,
Im Geiste die Idee der Frauen seh,
Der höchsten Schönheit ewige Idee,
Schau die platonische Urania,
Der Offenbarung Sapientia,
Du schaust das Höchste Gut, das ohne Spott
Urschönheit der Urgottheit ist, ist Gott!
Übst du dich, mit dem Eros aufzusteigen,
Wird Caritas sich gnädig zu dir neigen.
Taucht Caritas aus der kristallnen Welle
Des Himmels, bleibe keine taube Schelle
Und bleibe keine Glocke du von Lehm,
Kommt sie vom himmlischen Jerusalem
Herab in ihrer Gloria des Lichts,
So weißt du, ohne sie bist du ein Nichts,
Und hättest du auch felsenfesten Glauben
Und tät man dich als Marterzeugen schrauben
Und hättest dich als Seher aufgeschwungen
Und redetest im Geist mit Feuerzungen,
Wie nichtig wär und eitel alles das,
Wär nicht in dir die Mutter Caritas!
Es schwinden selbst die Hoffnung und der Glaube,
Doch Mutter Caritas als Turteltaube
Wird ewig girren in dem Paradies,
Die Liebe macht allein vor Gott dich süß.
Schau Mutter Caritas sich gnädig neigen,
Dann mit dem Jüngling Eros aufzusteigen,
So schreiten auf und ab die Himmelsleiter
Die Seraphim der Gottesminne heiter,
Hinab zur Welt, hinan zu Gottes Thron.
Die Himmelsleiter ist der Menschensohn,
Denn Jesus Christus ist in Wahrheit das:
Ist Amor-Kind und Mutter Caritas!...
Drum, wer die Liebe immer schenken will,
Muß Liebe selbst empfangen, darum still
Den Herrn schau an mit deinen Seelenaugen,
Am Mutterbusen Liebe nur zu saugen.
Die Mutterbrust der Mutter Caritas
Einflößt dir Liebe ohne Unterlaß.
Geöffnet sieh dem Herrn in Kreuzesschmerzen
Das Herz, drum heilig von dem Jesusherzen
Empfange du der Liebe lichte Flut,
Der Liebe Feuer und der Liebe Blut.
Wirst du in dieser Liebesflut versinken
Und Jesu Blut wie Wein im Geiste trinken,
So überwallend Welle über Welle
Dich überströmt der Liebe Lebensquelle,
Und durch des Trinkens seliges Genießen
Wirst du von schöner Liebe überfließen,
Und wirst mit dieser Fluten Überfüllen
Die Herzen armer Menschenkinder stillen.
Zum Vorbild sieh die Heiligen dir an,
Den Seher Mose schau, den Gottesmann,
Der immer war im Offenbarungszelt
Und schaute an, geschieden von der Welt,
Die Herrlichkeit des Herrn, die Schechinah,
Die seine Braut war, Gloria von Jah,
Daß ganz von ihrem Lichtglanz, Gottes Licht,
War übergossen Moses Angesicht,
Daß Mose strahlte wie des Dornbusch Flamme,
Nur so ward er des armen Volkes Amme
Und trug mit mütterlichem Allerbarmen
Die armen Kinder Gottes auf den Armen.
Schau Jesus an, den Herrn gebenedeit,
Er betete so oft in Einsamkeit,
Zu Gottes Reich und Herrlichkeit und Macht
Gebetet Jesus oft die ganze Nacht,
Und so gesegnet von dem Herrn und Vater
Ging er zum tragikomischen Theater
Der armen Welt hinab, um schlimme Sünder
Zu wandeln um in fromme Gotteskinder,
Die alle Gottes Liebe von ihm tranken,
Die Kinderlein, die Dirnen und die Kranken.
Schau Paulus an, der wurde einst entrückt
Zum dritten Himmel, wo er sprach verzückt
Mit Engeln von Messias Namen süß
Und wandelte im Geist im Paradies
Und kehrte aus des dritten Himmels Orden
Zur Welt, wo Allen Alles er geworden,
Daß Juden sahen seine Wunderzeichen,
Die Griechen seine Weisheit ohnegleichen,
Wo er wie eine Mutter Wehen hatte:
Ecclesia sei Braut, den Gott ist Gatte!
Aus Liebe nur schuf Gott die Kreatur.
In Ewigkeit die göttliche Natur
Goß ihre Gottesliebe benedeit
In Allerheiligste Dreifaltigkeit.
Der Vater ist die liebende Person
Und das geliebte Wesen ist der Sohn
Und beider Liebe heilig wird gepreist
Als Gottesliebe oder Heilig Geist.
Die liebende Person und die geliebte
Person und die Person der Liebe liebte
So sehr die Gottheit in Dreieinigkeit,
Daß Liebe überfloß gebendeit,
Der Gottheit Liebe wie im Jubilus
Die Schöpfung schuf im schöpferischen Kuß.
Die Gottheit schuf die ewigweibliche,
Die Jungfrau, sie, die unbeschreibliche,
Die eint als Antlitz alles Seiende,
Als Ideal der Schöpfung weihende
Fürsprecherin ist sie vor Gottes Thron.
So lieben sehr der Vater und der Sohn
Und beider Geist die ganze Kreatur
Als Liebesakt der göttlichen Natur.
Die zweite der Personen aber ist
Als Hagia Sophia oder Christ
Ur-Menschheit in der göttlichen Idee.
Im Geist ich Hagia Sophia seh,
Das Ideal der Menschheit in dem Geist,
Die meine Seele Übermenschheit preist,
Gewissermaßen Gottheit-Menschheit pur,
Ist Mensch im Bild der göttlichen Natur.
Nach dieser göttlichmenschlichen Idee
Sophia, die ich übermenschlich seh,
Von Gott dem Schöpfer ist der Mensch geschaffen.
Ein Ebenbild sind aber nicht die Affen,
Der Mensch jedoch in menschlicher Vernunft
Objekt der Liebe ist der Gottes-Brunft,
Weil Gott geschaffen dieses Werk aus Liebe,
Dem Menschen Gott wohnt in dem tiefsten Triebe,
Weil Gott ihm Gottes Ebenbildnis gibt,
Drum Gott selbst Gott im Bild des Menschen liebt!
So sah nicht Aristoteles den Gott.
Die Menschenweisheit ist vor Gott ein Spott.
So hoch ihn führte seiner Weisheit Kunst,
Er wußte doch nicht von der Gottheit Brunst.
Ihm war die Gottheit nur die Erstursache,
Die Quelle allen Lebens, in der Sprache
Der Menschen wird die Quelle Gott genannt,
Beweisbar mit dem menschlichen Verstand,
Bewundert man das schöne Firmament
Und wenn der Seele Tiefen man erkennt.
Die Gottheit weiß den Kosmos zu bewegen,
Selbst unbewegt, kann aber nichts erregen
Den Gott des Philosophen, der geliebte
Beweger selber keine Seele liebte.
Nicht aber so der Gott der Offenbarung,
Der große Freier zu der Liebespaarung,
Der sich ein Volk der Menschheit auserwählt,
Wo er war gegenwärtig in dem Zelt,
Dem Volke Israel inmitten wohnt,
Mit Lindigkeit das Volk vorm Zorne schont,
Der Jungfrau Israel die Liebe bot:
Ich bin dein Bräutigam, Herr Zebaoth,
Ich bin dein Herr nicht nur, ich bin dein Gatte!
O Jungfrau Israel, dem Gott dich gatte,
Dem Herrn im Ehebunde trau dich an,
Du Liebe Frau, der Herr dein Ehemann!
Die Liebe Gottes zu der Jungfrau war
Ein Segen für die Menschheit offenbar,
Da Gott sich seiner Jungfrau Zion paarte,
Der Herr der Welt sich liebend offenbarte:
Gott liebt die Welt und nicht nur einen Stamm,
Die Welt ist Braut, der Herr ist Bräutigam!
So spricht der Herr: O Maid Jerusalem,
Den Eltern warest du nicht angenehm,
Dein Vater war ein heidnischer Hethither
Und deine Mutter Kind der Amoriter.
Als du, o Maid, geboren worden bist,
Da lehnte man dich ab mit Lug und List,
War keiner, in die Windeln dich zu wickeln.
Man warf dich auf das Feld zu den Karnickeln.
Da sah ich dich in deinem Blute zucken
Und hilflos wie ein Waisenkindlein gucken.
Da sagte ich: O Kindlein, du sollst leben,
Als Schöpfer will dein Leben ich dir geben
Zum zweiten Mal, doch nicht in der Familie,
O Maid, du sollst mir sein wie eine Lilie,
Wie eine reine Lilie auf dem Feld.
Da sah ich dich, der Schöpfer dieser Welt,
Wie groß dein Busen war, wie schön und bloß,
Wie dicht das Schamhaar war vor deinem Schoß.
Doch, liebe Maid, du warst noch immer nackt.
Ich aber schloß mit dir den Gottespakt.
Es war der Maienmond, der Mond der Minne,
Da wurdest du des Schöpfers Liebe inne,
Da unter Zedern und Zypressenwipfel
Ich deckte deine Nacktheit mit dem Zipfel
Des Seelengatten. Tauben mit Geruck
Uns gurrten mütterlich. Ich gab dir Schmuck,
Ich gab dir an die Arme goldne Spangen,
Dir goldnen Spangenschmuck mit Bronzeschlangen,
Ohrringe gab ich dir an deine Ohren
Und habe dir die Perle auserkoren
Für deinen Nabel, an die Füße, Mädchen,
Ich tat mit kleinen Zimbeln Silberkettchen,
Und gab, jungfräuliche Jerusalem,
Den Stern der Venus dir zum Diadem.
Du wurdest eine Königin. Ich kröne
Dich als die Majestät der Himmelsschöne.
Wie schön du bist, die Menschenkinder raunen,
Die Völker alle vor der Herrin staunen!
So spricht der Herr: Ich will mein Mädchen führen,
Die liebe Frau verlocken und verführen
Und will sie locken in die öde Wüste,
Wo sie des eitlen Götzendienstes büßte,
Das Unglückstal verwandle ich ins Hoffen,
Weingärten stehen der Geliebten offen,
Die Landschaft mach ich ihr zum Garten Eden,
Dort will ich freundlich liebend mit ihr reden:
Du nennst mich nicht mehr Eheherr und Baal,
Geliebten nennst du mich nun und Gemahl!
Hier will ich geistlich mich mit dir verloben,
Hier wirst du mich erkennen und mich loben,
Ich traue dich mir an in Huld und Treue,
Am Jahwe deiner Minne dich erfreue! -
Dich, Israel, dich macht der Herr zum Weisen,
Gott wird dir deine Ehegattin weisen,
Du wählst Sophia dir, das A und O,
Zur Ehefrau wie weiland Salomo.
Frau Torheit nicht und nicht die fremde Frau:
Frau Weisheit in der bloßen Gottheit schau!
Berausche dich an ihren runden Brüsten,
Sie ist allein Geliebte deinen Lüsten,
Berausche dich an ihren Liebeswonnen
Und sauge Liebeslust aus ihrem Bronnen!
Sophia, Gottheit in Gestalt der Göttin,
Ist dir intim vertraute Seelengattin!
Die Göttin-Herrin bete an als Sklave,
In ihr vereinigst du dich liebend Jahwe!
Sophia, Göttin in der Transzendenz,
Sophia, Göttin in der Immanenz,
Die Schöpferin, die Retterin der Welt,
Die Mutter, die uns in den Armen hält,
Schutzengel dieser Welt in klarer Reinheit,
Das höchste Wesen ewiger All-Einheit,
Du Anbeginn der Schöpfung, Liebesspiel,
Du Liebe als der Weg und als das Ziel,
Du Seele allen menschlichen Vereins,
Du Ewigseiende, du einig Eins,
Allein lebendige und wahre Göttin,
Du Weisheit, Liebe, Schönheit, meine Göttin!
Du bist zugleich die innerliche Braut,
Dem Weisen im Geheimnis anvertraut,
Der Wahrheit-Schönheit und der Liebe Göttin,
Die mystische Verlobte, Seelengattin!
Propheten leben in intimer Nähe
Mit ihrer Herrin in geweihter Ehe.
Wir wallen durch der Minne Peinigung
Zum Paradiese der Vereinigung,
Der Göttin Weisheit menschlich beizuwohnen
In Liebeswollust ewige Äonen!
O große Göttin voll Potenz und Akt,
Ich nackt in Ewigkeit, die Gottheit nackt!...
So ist der Mensch als Mann und Frau gemacht,
Wie Gott geordnet hat auch Tag und Nacht,
Gott schnitzte Eva so aus Adams Rippe,
Bis Lippe küssend lag sie an der Lippe.
Der Mann den Vater und die Mutter läßt
Und hängt an seinem Weibe dicht und fest,
Da werden beide in der Liebe keusch
Ein Herz und eine Seele und ein Fleisch.
So war im Anbeginn der Mensch auch rund,
Erst durch den Zorn des Zeus der Mensch ward wund,
Seit Zeus den Menschen zornig mußte fluchen,
Die halben Menschen sich zur Ganzheit suchen.
So führt der Eros also in die Ehe,
Da Adam selig lebt in Evas Nähe,
Da Mann und Frau zur Ganzheit sich ergänzen,
Ein einig Fleisch auf dieser Erde glänzen.
Doch dies Mysterium Caritatis ist
Für einen Auserwählten oder Christ
Unmittelbar zu Gott auch zu erfahren.
Der Mensch verschmäht das fleischliche Sich-Paaren,
Unmittelbar die Gottheit selbst zu freien,
Zu Braut des Gottgemahles sich zu weihen.
So Jesus Christus ist der Bräutigam
Der Kirche und der Seele. Gottes Lamm
Als Bräutigam am Kreuz gekreuzigt worden,
Die Mystik stiftete im Minne-Orden.
Wie Jesus Christus an dem Kreuz gepeinigt,
Sich Unsrer Lieben Frau am Kreuz vereinigt,
Da Christus standen offen seine Wunden,
Maria war mit ihm ans Kreuz gebunden,
Da Jesus Christus nackt war, da nur kurz
Das Glied verhüllte ihm der Lendenschurz,
Lag Unsre Liebe Frau an seinem Herzen,
In Ganzhingabe ihrer Minneschmerzen
War Unsre Liebe Frau als Augenweide
Sophia in der feinsten weißen Seide,
So flog das selige Erlöserpaar
Ans Kreuz gefesselt mit dem schwarzen Haar
Durch dunkle Nacht, die Welt von allem Bösen
Durch ihre Eheliebe zu erlösen!
So wenn du eintrittst in die dunkle Nacht
Und trägst dein Kreuz fromm unter Gottes Macht,
So wirst du Gott erkennen, wirst vom Bösen
Mitleidend dich und auch die Welt erlösen,
Wenn du in Christus als der Gottessohn
Als Andrer Christus leidest die Passion,
Wirst du gekreuzigt in den Minneschmerzen,
Lebt Unsre Liebe Frau in deinem Herzen.
Du sollst an deinem Kreuz die Mutter grüßen,
Die Mutter wird die Kreuze dir versüßen.
Sie steigt hinab in deine dunkle Nacht,
Erfüllt die Finsternis mit Licht und Pracht,
Preist du am Kreuz die Dame aller Damen,
Sie gießt in deine Wunden die Balsamen
Und hat für alle Leiden deiner Seele
Den besten Wein und allerbeste Öle,
Und wenn du meinst, dein Leiden sei zu groß,
Und stirbst du gar – du ruhst in ihrem Schoß!...
Wenn du in Christus bist am Kreuz gepeinigt,
Wirst in der Nacht Maria du vereinigt.
Im hochzeitlichen Brautgemach der Nacht
Die Miterlöserin, die Frau dir lacht.
Wirst du im Leiden dich der Mutter weihen,
Wirst du dich auf dem Seelengipfel freuen,
Und stirbst du in Maria deinen Tod,
Die Frau trägt deinen Geist zu Zebaoth,
Wo du vereinigt als Marien Sklave
Der mütterlichen Gottheit wirst, Gott Jahwe! –
Als Unsre Liebe Frau der Völker kam
In der Erscheinung einst zu Amsterdam,
Da sprach sie zu den christlichen Germanen,
Zum Werk der Caritas sie zu ermahnen.
Auch Jesus Christus sprach zu einem Dichter:
Als Caritas bin ich der Seelenrichter,
Ich richte selbst als Herrin Caritas,
Die Caritas ist selbst der Waage Maß,
Ich schaue dann, ob meine Menschen liebten
Und ob sie Tröster waren den Betrübten
Und ob sie Kranken dienten, Kleinen, Armen,
Ob mütterlich mit herzlichem Erbarmen
Sie kleine Kinder nährten, kranken Frauen
Die Hilfe weihten, Christus anzuschauen
In Kranken, Leidenden und Todgeweihten,
Denn Christus ist das Kreuz in allen Leiden!
Denn Gott spricht zu den auserwählten Christen:
Da Caritas dich nährte mit den Brüsten,
Sollst du von Milch des Trostes überfließen,
Daß alle Menschenkinder sie genießen!
Zwar konntest du nie Gott den Schöpfer schauen,
Doch die Geschöpfe Gottes, liebe Frauen
Und liebe Kinder schaue fromm dir an
Und lieb die Seelen dann als Gottesmann,
Die Gottheit liebe in dem Seelenkern
Der Menschen, Liebe schenke Gott dem Herrn
Mit aller Leidenschaft von Überwindern,
Indem du Liebe schenkst den Menschenkindern!
Hör dir Teresa von Kalkutta an,
Wie Arme sie und Kranke liebgewann
Und sprach mit mütterlichem Allerbarmen:
Ich halte Jesus selbst in meinen Armen,
Wenn ich am Herzen bette arme Sünder,
Die kranken, todgeweihten Menschenkinder,
Ich schaue Jesu heilig Antlitz schon,
Das Antlitz Gottes hier in der Passion,
Wenn ich den Kindern schaue in die Augen,
Sie mir am Busen des Erbarmens saugen!
Bonhoeffer höre auch, was er dir sagt:
Es ist genug nicht, wenn der Fromme klagt
Um seine eignen Leiden, nein, als Held
Er sorg sich um die Leiden in der Welt,
Das Leiden Gottes in der Welt, denn das
Ist Jüngerschaft am Kreuz der Caritas.
So sieh auch Ephraim den Syrer an,
In seiner Höhle sang der Gottesmann
Als Heilgen Geistes Zither fromme Hymnen,
Die Jungfrau Gottesmutter hoch zu rühmen,
Und zu studieren weise Exegeten
Saß er in immerwährenden Gebeten
In seiner Eremitenhöhle still.
Doch als die Not ihn rief, sprach er: Gott will,
Ich soll die Eremitenhöhle nun
Verlassen, nicht mehr mystisch schweigend ruhn,
Weil eine Katastrophe ausgebrochen,
Nun muß ich helfen Stunden, Tage, Wochen
Und Mond um Mond den armen Menschen dienen.
Ich diene Jesus Christus, dien ich ihnen,
Ich preise Christus ohne Unterlaß
Durchs tätige Gebet der Caritas,
Bis wieder kommt zu mir des Heilands Ruf
Zum Dienst der Weisheit, wie der Herr mich schuf.
Da kehre ich zurück in meine Höhle
Und weihe Unsrer Lieben Frau die Seele!
Die Heiligen zum Vorbild schau dir an.
Du diene Caritas als Gottesmann,
Dann wirst du Caritas den Lobpreis singen
Wie Bernhard oder Hildegard von Bingen.
(Heut ist der Feiertag der Poesie,
Am ersten Tag des Frühlings preis ich Sie,
Die Minne Gottes, Mutter Caritas,
Die Göttin sing ich ohne Unterlaß!)
Ich sah und siehe was ich sah war das:
In makelloser Schönheit Caritas
Am Himmel leuchten in des Lichtes Kleide,
Ihr Haar so schwarz wie Nacht und glatt wie Seide,
Ihr Antlitz weiß wie Milch und voller Mond,
War unvergänglich schön, vom Tod verschont,
Ihr Mund war eine Rose rot wie Glut,
Ihr Kuß wie lichter Tau auf Rosenblut,
Sie hielt in ihrem mütterlichen Arm
Ein liebes schönes Kind am Herzen warm,
Das war der Sohn der Mutter Caritas,
Es war der Heiland Jesus Christus das.
O süßer Jesus, o wie lieblich lind,
Du Schönstes aller Menschenkinder, Kind,
Die Augen klar vom reinsten Seelentriebe,
Das Antlitz strahlend licht von Menschenliebe,
Die Lippen wie erblühte Maienrosen
Geschaffen sind, die Menschheit zu liebkosen,
Wie Hochzeitsfreudenwein in Überflüssen
Die Süßigkeit von Jesu Liebesküssen!
Ob man mir glaube oder glaube nicht,
Die Wahrheit zu verkünden ist mir Pflicht,
Ich trank die Milch des Trostes süßer Lust
Von Christus, an des Jesuskindes Brust
Sog ich den Trosttrank süßer Liebe ein,
Der mehr entzückte als des Nachts der Wein.
Dann sah ich Mutter Caritas allein,
Sie war die Ewige, mein einig Ein,
Das reine Sein vor aller Kreatur,
Weltseele in dem Innern der Natur,
Ich sah ihr Frauenantlitz in der Luft
Und ihr Parfüm war wie der Frühlingsduft
Und war mir daß die Herrin hold sich neige
In Grazie aus dem Blütenblust der Zweige
Und war im Frühlingsgarten der Natur
Die göttliche Genossin süß und pur
Und war mein angebornes Ideal
Und ich der Göttin geistiger Gemahl!
Die Prophetissa aber sagte daß
Die Ehefrau des Herrn sei Caritas,
Die Gottes-Hypostase oder Göttin,
Der Mensch anbete sie als Gottes Gattin,
Durch deren Liebe uns der Schöpfer rette,
Die Königin in Gottes Ehebette
Sei Herrin mit dem Herrn in Herrlichkeit!
Der Freier, der der Caritas geweiht
Die Minne seiner Ganzhingabe, sprach
Die Prophetissa, in das Brautgemach
Der Caritas tritt solch ein Minner ein
Und einigt sich im liebenden Verein
Der Herrin Gottes, daß sie ihn errette,
Und wohnt ihr bei in Gottes Ehebette!!!


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