[Inhalt]

BREVIER SOPHIENS

Von Peter Torstein Schwanke


(Juni, Juli 2004)


FREUE DICH, MARIA

Freu dich, Gipfel, nahzu unersteigbar,
Freu dich, Tiefe, Dunkel, kaum erzeigbar,
Freu dich, Königsthron, so gold, unsagbar,
Freu dich, Trägerin des Geists untragbar,
Freu dich, Kelch der Sonne, rote Rose,
Freu dich, Lebensfrucht im Jungfraunschoße,
Freu dich, neu wird alle Kreation,
Freu dich, Gottes Weisheit wird dein Sohn,
Freu dich, Mutter mit der Jungfrau Haut,
Freu dich, keusche Nymphe, mystische Braut!

Freu dich, in den Ratschluß Eingeweihte,
Freu dich, Ruhesuchern stille Weide,
Freu dich, Vorspiel wundervoller Sendung,
Freu dich, weiser Weisungen Vollendung,
Freu dich, Himmelsleiter dem Allweisen,
Freu dich, Brücke zu den Sphärenkreisen,
Freu dich, die das Licht von Gott empfangen,
Freu dich, Schamrot auf den schönen Wangen,
Freu dich, offnes, doch verschlossnes Tor,
Freu dich, o Theotokos mit Flor,
Freu dich, über aller Weisen Minne,
Freu dich, Freude aller frommen Sinne,
Freu dich, Frau vom heilgen Geist betaut,
Freu dich, keusche Nymphe, mystische Braut!

Freu dich, Aue mit der Lilienblüte,
Freu dich, Lebensbaum mit Frucht der Güte,
Freu dich, heilger Hain der Wonne, Maid,
Freu dich, Seelenheimat himmelweit,
Freu dich, Leuchte im Gebet der Hora,
Freu dich, Schimmer mystischer Aurora,
Freu dich, Paradies, das glühend graut,
Freu dich, keusche Nymphe, mystische Braut!

Freu dich, unverwelklich schöne Blume,
Freu dich, unbesamte Ackerkrume,
Freu dich, Fruchtbaum, aller Minner Speise,
Freu dich, Busch, du Schatten auf der Reise,
Freu dich, allen Nackten reine Seide,
Freu dich, aller Himmel Augenweide,
Freu dich, Rose mit den süßen Düften,
Freu dich, mit dem Gürtel um die Hüften,
Freu dich, Schönheit mit des Apfels Preis,
Freu dich, Jadejungfrau seidenweiß,
Freu dich, Manna, sinkst du in uns ein,
Freu dich, trunken trinken wir dich Wein,
Freu dich, wenn dein Minner ganz dich schaut,
Freu dich, keusche Nymphe, mystische Braut!

Freu dich, Schoß der Weisheit, voll der Gnade,
Freu dich, unsichtbarer Gottheit Lade,
Freu dich, weiser Vorsicht Brautgemach,
Freu dich, Toren du zu Weisen mach,
Freu dich, Denker nähr mit deinem Busen,
Freu dich, Dichtern Königin der Musen,
Freu dich, Freundin Mystikern und Weisen,
Freu dich, Schönheit, nie genug zu preisen,
Freu dich, Ideal, Idee der Gnosis,
Freu dich, du vermittelst die Theosis,
Freu dich, Gottesmutter im Bekenntnis,
Freu dich, du Erleuchtung der Erkenntnis,
Freu dich, Unbefleckte, schön und jung,
Freu dich, Liebe der Vereinigung,
Freu dich, der sich Jahwe anvertraut –
Freu dich, keusche Nymphe, mystische Braut!




ERSTER TEIL

In tiefer Nacht allein,
Dacht ich an deinen Mund,
Die Rose und den Wein,
Blutrot, von Bissen wund!

Gott Küsse mir versagt,
Doch bald im Paradies
Gewiß die heilge Magd
Wird Küsse küssen süß!

**

O Kommunion der Seelen! Blaue Stunde,
Wenn liebe Seelen ineinander flossen,
Großmutter war und Enkel eins im Grunde
Und zwei mysteriösen Gott genossen,

Wenn Braut und Bräutigam im Sexuellen
Im paradiesischen Gefild vereinigt,
Ein Gott-Mysterium wie Meer und Wellen
Erfuhren, in der höchsten Lust gepeinigt,

Wenn hohe Muse und geringer Dichter
Wie Helena sich sahen und Homeros
Und nachts im Garten in der Glut der Lichter
Verschmolzen selig eins in Gottes Eros,

Wenn Pate anschaut seinen kleinen Paten
Und beide in der Nacht beisammen schlafen
Und Seelenfunken sich und Seelenfunken
Als Gottes Liebe in den Augen trafen.

**

Als ich den kleinen Liebling bracht ins Bett,
Sah er mich an mit Augen voll Vertrauen,
Ob ich des Nachts blieb bei ihm, lieb ihn hätt,
Ich sprach: Der liebe Gott wird nach dir schauen.

Er schmiegte kindlich sich in meine Arme,
Sang leis ein Schlummerlied mit Lippen rot,
Entschlief im Frieden. O mein Gott, erbarme,
So friedlich will ich schlummern in den Tod.

**

Liebe zu dem Kinde brachte
Meine Seele in die Freude,
Daß ich Freudensprünge machte
Bis zum höchsten Weltgebäude,

Da ich einsam war und tanzte
Mit der Schöpferin der Welten,
Die in lichten Blitzen glänzte
Aus den schwarzen Wolkenzelten.

Schön und fruchtbar wie die Bäume,
Frei wie Vögel und der Windhauch,
Nahm die Mutter meine Träume
Und Gedichte von dem Kind auch.

In dem kosmischen Theater
Sprachen Regen, Blitz und Winde
Von dem Sohn, dem Himmelsvater,
Zu dem ehrfurchtsvollen Kinde.

Aber als ich sah das große
Weltallmeer, des Mondes Kutter,
War geborgen ich im Schoße
Der allmächtgen Weltenmutter.

Denn geheimnisvoll verborgen
Ist die Mutter, unergründlich,
Bis ich sie am Weltenmorgen
Küss im Rosenlichte kindlich.

**

Gott macht die Erd dem Himmel gleich
In meinen seligsten Gefühlen,
Denn mit dem lieben Kind zu spielen,
Macht Erde schon zum Himmelreich.

**

Blaue Schwermut in der schwarzen Nacht
Und unstillbar ist das stille Leid
Und beim Mönch an seinem Lager wacht
Mütterlich verliebt die Einsamkeit.

Aber Frau, wie hat dein schwarzes Haar
Mich erschüttert in die Knie gerissen!
Und wie selig meine Seele war
Bei des Knaben und des Säuglings Küssen!

**

Schöne Mutter, nicht nur Milch allein
Deiner Brust entfließt, der Liebe Gut,
Unter Schmerzen auch (wie roter Wein)
Aus der Brust des Herzens strömt dir Blut!

Also der Madonna Mutterschmerz
Sah am Kreuz verbluten ihren Sohn,
Weinte Tränenblut das Mutterherz,
Jungfraunmilch ward Wein der Kommunion.

**

Frauenaugen freundlich schauen,
Voll Erbarmen und Vertrauen,
Alle Schmerzen auszumerzen
Mit dem liebevollen Herzen.

Gott sei Lob für Gottes Frauen,
Die wie milde Mütter schauen
Mit erbarmungsvollem Busen,
Geistesfreundinnen und Musen.

Daß ich Gottes Frauen kröne,
Ihre Milde, ihre Schöne,
Wollte Weisheit mir vertrauen
Freundlichkeit der lieben Frauen.

**

Was meine Freude ist, ich will es sagen,
Es ist die Einsamkeit der Kontemplation,
Gedanken denke ich an langen Tagen,
Seh nachts Sophia in dem Seelenthron.
Das Meditieren, überhäuft mit Lohn,
Zuweilen wird vom Spiele unterbrochen
Mit Jenem, den ich lieb wie meinen Sohn,
Der oft mein Trost, wenn mir das Herz gebrochen.
Ich hab des Geistes Wohlgeruch gerochen,
Das sanfte Hauchen in der Einsamkeit.
So wandeln einsam Stunden, Nächte, Wochen,
Da ich einsiedlergleich dem Geist geweiht,
Da ich in Einsamkeit das Herz ergründe
Und was erkenn ich, dichterisch verkünde.

**

Mutter, meine wehe Seelenwunde
Schreit nach dir mit aufgeplatztem Munde!
Alle die Geschöpfe muß ich fragen,
Frauen, Freunde, Kinder, aber klagen
Muß ich, Liebe läßt sich nirgend fühlen,
Kaum, wenn kleine Kinder mit mir spielen;
Frauen frage ich um Mutterliebe
Und vergötter sie durch meine Triebe,
Aber Frauen immerdar enttäuschen!
Aber in der Einsamkeit der keuschen
Jungfrau nahe ich in den Vigilien,
Schmerzen schwinden unter lauter Lilien!
Schlaf ich ein im Tale ihrer Brüste,
Da sie mich im Paradiese küsste!
Und der Jungfrau Brüste, weiß wie Butter,
Sprechen leise von der Gottheit-Mutter,
Die ich einsam in dem Himmel fühle,
Wenn die Venus in der Abendkühle
Schaut als Auge Gottes von dem Himmel
Durch der Lämmer wolkiges Gewimmel,
Und barmherzig himmlisches Gewölbe
Überwölbt mich, liebe ich dieselbe,
Die ich lang schon liebe, Mutter Jahwe,
Und die Hirtin aller Kinderschafe,
Jahwes eingeborne Tochter, leise
Rufe ich Sophia, sie ist weise
Und erkennt im tiefsten Seelentriebe
Meine Sehnsucht nach der Frauenliebe.

**

Niemand kennt mich, niemand fragt nach mir,
Niemand steht mir bei zur rechten Seite.
Einsam bin ich, eingemauert hier,
Meine liebe Frau ist Herzeleide!

Sei dir selber Mutter, trautes Heim,
Hüte dich, vertreib die Traurigkeit!
Einsamkeit und Weisheit sind ein Reim
Und dem Beter glückt die stille Zeit.

Laß dich nicht von Närrinnen beherrschen,
Welche deiner lang schon überdrüssig.
Mann, allein, denk an die Lippenkirschen
Deiner Herrin Weisheit, süß und küssig!

**

Immanente Mama, all in all
Bist du in des Regens Wasserfall
Und im Wipfellaub und in der Blum
Und in meines Herzens Heiligtum
Und in Andrer Herzen wie Gestirn
(Nicht der Zerrbildgott in meinem Hirn),
Bist du Geist der Freiheit, frei wie Wind,
Wohnst im Säugling, wohnst im kleinen Kind,
Geist der Liebe, Geist der Freudigkeit,
Wohnst in Frauenherzen hoch und weit,
Wohnst in Männerherzen stark und hell,
Quelle aller Schönheit, Lebensquell,
Wohnst in mir, Frau Weisheit, göttlich Kind,
Mama, Alle deine Kinder sind,
Nur der Liebe menschliche Kultur
Feiert deine göttliche Natur,
Die Familie, die Gemeinsamkeit
Feiert Liebe der Dreifaltigkeit.
Weil ich heut in deiner Liebe blieb,
Waren mir die Menschenkinder lieb.

**

Laß das Denken, laß das Dichten,
Selbst das Beten eine Weile,
In der Liebe solcher lichten
Kinderaugen, Seele, heile!

Spiel mit Kindern Kinderspiele,
Um den Schöpfer nicht zu kränken!
Spiele weiß der Schöpfer viele,
Spielerisch das All zu lenken!

Seine Weisheit? Nicht im Hirne
Ist die Weisheit, ist im Spiele!
Siehe tanzen die Gestirne,
Tanze auch zum Lebensziele!

**

Weisheit lernt man manche durch den Schmerz,
Aber achtest du gering die Zofen,
Ist die Einsamkeit des Philosophen
Weisheit ohne Herz!

Niemals ist das Erdeleben schmerzlos,
Nicht allein, nicht in den Menschenkreisen,
Doch vor allem Hochmut macht des Weisen
Einsamkeit nur herzlos!

Magst du mit den lieben Kindern scherzen
Und mit Frauen schaun den Garten Eden,
Darfst auch einsam sein und einsam beten,
Liebe in dem Herzen!

**

Eine Weisheit nennt der Weise weise:
Gott zu lieben über alle Maßen!
Töricht sind die Philosophenkreise,
Die die Menschenliebe gar vergaßen!

Weiser, wie willst du die Gottheit lieben,
Liebst du nicht die Schwestern und die Brüder,
Denen Gottheit in das Herz geschrieben?
Lieb die Menschenkinder immer wieder!

Suche Gottheit in den Angesichtern
Deiner Menschenbrüder, Menschenschwestern,
In der Schrift und in den lieben Dichtern,
Nie darfst du den Gott im Menschen lästern!

Manchmal sehnst du dich nach dem Alleinsein,
Einsam mit Frau Weisheit leis zu sprechen –
Will dann aber Einsamkeit dir Pein sein,
Gehe du, mit Menschen Brot zu brechen!

Nämlich Gott ist überall zugegen,
Alles ist in Allem Gott dem Weisen!
Deine Weisheit sei auf allen Wegen:
Liebe! Dann wird dich die Liebe speisen.

**

Mutter, meine Mutter, einsamer Stern,
Ich verehre sehr dein hochheiliges Bild,
Vor dir litt ich die Leiden des Herrn,
Das Schwert im Herzen, die Marter wild!

Mutter, mein Herz war wund und rot,
Gekreuzigt ward ich als Gottes Sohn,
Ich starb dir den mystischen Liebestod,
Empfing die übernatürliche Freudenkron!

O Mutter, du himmlisch und frei wie der Wind,
Liebkoserin du wie die Jungfrau Sonne,
Ich spielte mit seligen Kindern als Kind
Vor dir, o himmlische Mutter, in Wonne!

**

Traube in der Kelter wird zertreten,
Ähre auf der Tenne wird zerrieben.
Wird zum Wehgeheul dir all dein Beten,
Wisse, Mutter Weisheit will dich lieben.

Diamanten werden scharf geschliffen,
Also schleift das Leiden deine Seele.
Willst du bis zur Bucht der Wonnen schiffen,
Muß du, Heros, durch die Drachenhöhle.

Glaube nicht den Närrischen und Seichten,
Dank Frau Weisheit du für alle Schmerzen!
Nur im Bett des Kreuzes zu erreichen
Ist der Weisheit Hochzeit in dem Herzen!

**

Einsamkeit, Madonna, alle Stunden,
An Lieblosigkeit als wie an Mord bricht
Meine Seele, wund von Kindheitswunden!
Stern der Meere schau ich dich, mein Nordlicht,
Strahlend über uferloser Leere,
Wo ich schiffe durch des Lebens Meere.

Golden sinkt das Licht am Lebensabend,
Goldne Spur zieht mich hinab magnetisch.
Jenseits ist ein Land, da Liebe labend
Unter lauter Lilien poetisch
Meine Seele heilt, bin ich gekommen
In der Liebe Reich, ganz angenommen!

**

Wenn wer auf Menschenliebe baut,
Sein Schicksal blankem Nichts vertraut.
Die Mutterwunde anvertrau
Der Himmelsliebe Lieber Frau!

Wer füllt mit Licht das schwarze Loch,
Das schreit vor Hunger noch und noch?
Nur Sie, der du dich anvertraut,
Madonna, deine liebe Braut!

**

Scharfe Scherben in der Seele, Splitter,
Will ich meine Wunden Jesus weihen.
Mich verwundete ein stolzer Ritter,
Trostlos muß ich nun mein Wundmal schreien!

Ruiniert bis auf der Seele Knochen,
Abgelehnt wie einst von meiner Mutter,
Schreie ich mit jedem Herzenspochen
Zu der Trösterin, der Gottesmutter!

Ah! Warum, warum muß alles immer
So mich stürzen in der Trübsal Trübe,
Warum wird mir Wonne zu Gewimmer
Und zu Liebesleid die Lust der Liebe?

Alles tut mir weh, als wär begeistert
Bös mein Schicksal so von meinen Schmerzen!
Jedes Marterwerkzeug Christi meistert
Mir die Kindheitswunde in dem Herzen!

**

Willst dich der Weisheit weihn,
Mußt lange einsam sein,
Mußt leiden Leid und Pein,
Zu frein das Einig Ein.

**

Jammer klagte Jeremia,
Sterben wollte gern Elia,
Schwert durchbohrte Sankt Maria –
So erlangten sie Sophia.

**

Als mich die Lanze an dem Herzen traf,
Sank schreiend hin ich in Marien Schoß
Und schlief in ihrem Schoß den Todesschlaf,
In ihrem Jungfraunschoße makellos;

Erwach zum Lobgesang im Morgenrot
Vor ihrer Augen femininem Charme,
Am Herzen noch die Wunde von dem Tod,
Tanz ich ins Himmelreich in ihrem Arm!

**

Wird ein Mensch denn jemals weiterkommen,
Als die Wurzeln seiner Kindheit waren?
Heilige sind Kinder, sind die Frommen,
Denen sich die Himmel offenbaren.

Denke ich an meiner Kindheit Weihnacht,
Wars Maria mit dem Jesuskinde.
Ist dem Mann noch in der Minne Mainacht
Christus mit Madonna lieb und linde.

Mütter sagen ihren kleinen Bengeln
Manchmal Märchen, manchmal fromme Worte.
Männer sehn am Abend Glanz von Engeln
Und Sankt Petrus an der Himmelspforte.

Wem als Kind erklungen fromme Lieder
Von Maria, flammten Kerzenlichter,
Der singt noch als Alter immer wieder
Gern der Gottesmutter als ihr Dichter.

**

(für Juri)

Einmal träumt ich einen Traum,
Sonne schien im Himmelsraum.

In der Sonne hoch im Blau
Sah ich eine liebe Frau,

Tanzte auf dem Mond den Tanz,
In den Haaren Sternenkranz,

Hielt die Frau mit Mutterlust
Schön ein Kindlein an der Brust.

Kam von drunten her ein Drach,
Schrecklich sehr, o weh und ach!

Wollte fressen gar das Kind,
Weil die Drachen böse sind.

Mutter Erde, Mutter auch,
Tat der Mutter auf den Bauch,

Führte Frau und Kind ins Land
Weit und breit, in Wüstensand.

Und da kam ein Ritter her,
Schlug den Drachen hart und schwer.

Frau mit Kind nun wieder wohnt
Friedlich auf dem lieben Mond.

**

Dein Gott, Maria, ist der meine,
Dein Volk mein Volk, dein Land mein Land,
Wohin du gingst, ins Einig Eine,
Dahin geh ich an deiner Hand.

**

Wer geht da herauf wie Morgenröte,
Die in Salomonis Sänfte thront,
Welcher David bläst die Hirtenflöte
Zu der Weise Lilien, mild wie Mond?

Herrlich schimmernd wie die Sternenscharen
Nachts die schwarzen Augen ihrer Maidschaft,
Schrecklich denen all, die Feinde waren
Gottes, wie ein Heer in Schlachtbereitschaft!

Frau der Völker, laß dein Antlitz leuchten,
Deine Schönheit über uns erschimmern!
Wende deine melancholisch-feuchten
Augen zu uns, dich um uns zu kümmern!

Schönheit! Schönheit! Dich hab ich gefunden,
Schönster Trost in allen Liebesschmerzen,
Deine Schönheit heilt mir alle Wunden –
Lebt Marien Herz in meinem Herzen!

**

In Jesu Vaterland sind viele Zelte
Und darum auch Marien Brautgemach.
Da fremd mir ist des nackten Logos Kälte,
Doch bei Maria sich das Herz mir schwellte,
Drum grüß ich sie mit Küssen tausendfach!

Der Gottheit Gnade machte dich zur Göttin
Und Mittlerin zur Gottheit-Mutter mir
Und mystischer Erkenntnis Minne-Gattin,
Die führt in Paradieses Himmelsbett hin
Mich in Erkenntnis ihrer süßen Zier...

**

Maid, dein Bett ist blumig rosa
Unterm Sternbild deiner Brüste,
O Maria Amorosa,
Wo ich deine Lippen küsste!

Frau Gemahlin, makellose,
Deine Ruhe will ich rühmen,
Wonne wohnt in deinem Schoße
Mit dem heiligheilen Hymen!

**

Weltenmutter auf dem Lotosthrone
Nennt dich Mutter India, Ikone
Meiner Gottheit, jadene Virgina
Auf dem Monde nennt dich Jungfrau China.

Jungfrau mit demütiger Gebärde
Nennt Amerika dich Mutter Erde.
Schwarze, Jesus nährten deine Brüste,
Nennt dich Afrika in ihrer Wüste.

Schönheit aus Italias Renaissance,
Immaculata, Notre Dame de France,
Blaue Blume in Germanias Aue –
Alle Erde lob die Liebe Fraue!

**

Ausgezogen in den Urlaub bin ich
Mit der apokalyptischen Maria.
Heimgekehrt, versenke ich mich minnig
In die Lilien-Jungfrau Christ-Sophia.

**

Mein Jesuskind, du bist so süß,
Ich hab so sehr dich lieb und gern!
Wie schön spielst du im Paradies
Mit deiner Mutter – Preis dem Herrn!

Aus deinen Augen strahl mich an,
O Kind, und küss mich auf den Mund!
Ich spiel mit dir im Himmel dann
In Gottes grünem Gartengrund!

Ich fliege in den Himmel wie
Ein Königsadler auf dem Wind.
Da lacht die Königin Marie
Und herzt und kost das Jesuskind!

Maria schaut mich minnig an
Von ihrem königlichen Thron:
Nun geh, geliebter Gottesmann,
Geh spielen du mit meinem Sohn!

**

Jesus Christus hat die Kinder gern,
Kinder sind die Freude meines Herrn.
Ging er vor dem Tempel Gottes lang,
Sangen Kinder ihm den Lobgesang,
Hosianna und Hallelujah,
S‘ kommt der Kinderkönig, Gloria!
Waren seine Menschenfischer streng
Und in ihren Männerhirnen eng
Und verwehrten Kindern Jüngerschaft,
Sprach die Gottesweisheit voller Kraft:
Werdet, Männer, erst den Kindern gleich,
Denn sonst kommt ihr nicht ins Himmelreich!
Wer zu schaden meinen Kindern sucht,
Einem dieser kleinen Kinder flucht,
Dem häng ich den Mühlstein um den Hals
Und ersäuf ihn! sprach der Herr des Alls;
Wandte sich den Kindern zu und scherzt,
Lieblinge liebkosend, die er herzt.
Da ward aller Welt die Freude kund,
Gottes Lobpreis aus der Kinder Mund.

**

O Sophia, Jungfrau der Vigilie,
Sternbekränzte auf dem Sichelmond,
In der Hand das Zepter reiner Lilie,
Nie hat dir ein Weiser beigewohnt.

O Sophia, mystische Gemahlin,
Mit dem Vollmond und der Granatfrucht,
Eine, ohne göttliche Rivalin,
Dich der Weise zu erkennen sucht.

O Sophia, Mutter ewgen Lebens,
Die dem Sterbenden ein Neumond scheint,
Dir zu huldigen war nicht vergebens,
Dir der Weise sich im Jenseits eint.

**

„Ich hab dich in die Einsamkeit gelockt
Und mich in dunkler Nacht dir offenbart.
Vor meiner Schönheit dir der Atem stockt,
Als wir im Geist der Liebe uns gepaart.

Ja, singe süß dem Knaben Nazarenus
Und deiner Minne Muse, Maid Maria.
Ich bin’s! Du wirst mich nicht mehr nennen Venus,
Ich, deine Gottheit, deine Braut Sophia!“

**

„Ich lebe in der Poesie der Minne
Und Feier überheiliger Maria
Und bin dem Eros in der Mystik inne
Und bin Vision der ewigen Sophia.

Ich bin die Kraft des Lebens aus der Sonne
Und bin der heiligen Geliebten Reinheit
Und wurde inkarniert in der Madonne
Und heiße deine Freundin, die All-Einheit.“

**

„Auf dem Lotosthrone, darfst du sagen,
Walte herrlich ich von Pol zu Pol,
Meinen Lotos in der Hand zu tragen,
Der Erkenntnis mystisches Symbol.

In der abendländischen Familie
Gieße ich erotischer Befeuchtung
Meinen Tau der Liebe aus der Lilie
In der sophianischen Erleuchtung.“

**

Mir stand der Sinn nicht nach den Büchern
Und nicht nach Studium der Wissenschaft,
Nur nach Madonna in des Schleiers Tüchern
Und Kindlein Jesus in der Liebe Kraft.

Nachts kommst du, Göttliche, zu küssen
Und leuchtend zu erleuchten meine Trübe!
Unwissenden belehrte nicht das Wissen,
Inspiration ward einzig durch die Liebe!

**

Nachts schrie ich: Eloi, Eloi, lama
Sabachthani? Aber am Morgen
Bin ich in Gnaden, o göttliche Mama,
Deiner Barmherzigkeit kindlich geborgen!

Mama, o göttliche Mama! Lobpreise
Ich deine göttliche Weiblichkeit würdig?
Mach mir das Herz und den Lobgesang weise,
Glorreichen Jubels, aus Wehen gebürtig!

All deine Mütterlichkeit ist Erbarmen,
Deine Gebärmutter Liebe und Gnade,
Wonne dein Busen und Lust dein Umarmen,
Daß ich in himmlischer Wollust mich bade!

**

„Nun laß die Tränen sein
Und laß dein Weh und Schrein,
Ich Mutter will des Armen
Mich mütterlich erbarmen.

Ich Liebe, A und O,
Wohl meinem Sohne droh,
Doch sieh das Herz mir brechen,
Von Liebe dir zu sprechen.

Mein auserwähltes Kind,
Ich will mit Liebe lind
Dir deine Sehnsucht stillen!
Nun weißt du meinen Willen.“


ZWEITER TEIL

RUHM

Schreibt meine Lieder ein in Erz,
Mit Griffel schreibt von Diamant!
Ich singe das Marien-Herz
Dem vielgeliebten deutschen Land.

Daß meine Reden aufgeschrieben
In Tafeln würden, um zu dauern!
Ihr sollt der Liebe Gottheit lieben,
Es sei in Freuden oder Trauern.


VANITAS

Alles eitel unter dieser Sonne –
Bitternis in jeder kleinsten Wonne,
Leiden aber sich als Gnaden zeigen –
Besser, wie ein Adler aufzusteigen!


VERLUST

Der Satan kam gleich einem Diebe,
Als ich in Gottheit mich versenkte,
Und raubte mir die Rose Liebe,
Die Christus mir zu Ostern schenkte.

Der Satan kam gleich einem Rächer,
Als ich die Gottesmutter freite,
Und raubte mir den Palmenfächer,
Den Geistkraft mir mit Segen weihte.


AM SABBAT

Ach, Freundin, Bauchtanz willst du tanzen,
Willst, daß ich deine Kleinen hüte.
An deine Freundlichkeit, o Freundin,
Ich denke oft und deine Güte.

Denn was ist Freundschaft? Wenn sich Seelen
Berühren, aber nicht vereinen.-
Ich aber sehne mich nach Liebe,
Muß immer einsam weinen, weinen!

Bei Menschen suche ich die Liebe,
Bei Fraun und Kindern, doch vergebens.
Nun will mich küssen meine Gottheit
Und speisen mit der Frucht des Lebens!

Ja, groß, sehr groß ist Gottes Liebe,
Will mich beseligen im Innern!
Ich will beim heilgen Hochzeitsmahle
Dein, Freundin, betend mich erinnern.


APOSTOLAT

Wenn Frauen, welche Gott nicht kennen,
Und Kinder suchen Gottes Lieb‘,
Gott will ich nicht mit Worten nennen,
Gott, Blicke mir der Liebe gib!

Bin bei der Freundin ich, dem Wirte,
Sieht mich mein Liebling an so klein,
Herr, laß mich wie ein guter Hirte
Apostel deiner Liebe sein!


MISSION

Wenn Gottes Mutterherze bricht
In quellender Barmherzigkeit,
Ich ruh am Busen Gottes dicht
Und trinke Milch der Ewigkeit,

Wenn Gott schaut lächelnd auf mich hin,
Liebkosend mich in Armen hält,
Entläßt das Kindlein von den Knien
Und schickts mit Liebe in die Welt!


WEIHE DES IDEALS

Einst hab ich meiner Träume Sonne,
Die reine Jungfrau mein im Leide,
Die Mondene in weißer Seide,
Dir aufgeopfert, o Madonne!

Nun meinen Traum von Liebespaarung
Mit ihr, die sich ins Herz mir grub,
Sie weih ich deiner Offenbarung,
O Jungfrau von Guadelupe. –

Ob Eva, Paradiesfrau oder
Im Minnefeuer Magdalene,
Mit allem liebenden Geloder
Ich weihe dir die Schönheit, jene.

Komm du geschmückt, mit schwarzem Haar,
Mit Augenglut und Wangenscham,
Ein Hauch auf süßem Apfelpaar,
Und nimm mich auf als Bräutigam!

Was in mir lebt ist alles dein,
Du Auserwählte unter Frauen,
Sei mein, o Wunder Schönheit, mein
Und laß mich deine Liebe schauen!


DIE GELIEBTE

Blind macht die Liebe für die Fehle,
Hellsichtig macht die Liebe schon. –
Ich sah in ihrer reinen Seele
Die schöne Gottheit auf dem Thron.

Ich sang sie in dem Paradeise,
Sie meine minnige Passion,
Ich folgt ihr durch die Sphärenkreise
Zu ihrer Hoheit Himmelsthron.

Ich weihte sie dem Herz Marias,
Schrieb in die Schrift der Liebe Licht,
Vermählte ihren Geist Messias,
Sang sie der Weisheit Angesicht.

Sie aber hat sich abgewendet,
Als ob es nichts als Wollust sei.
Doch einmal, wenn mein Leben endet,
Setzt es in Menschen Liebe frei.


PSALM

Sei all‘ was weiblich ist mir lobgepreist,
Die Nackte in dem primitiven Geist,
Die Tänzerin im süßen Anmutleib,
Die Weltbewohnerin, das schöne Weib,
Das Bild, das Nachts in meiner Seele tagt,
Die Himmelskönigin, die heilge Magd,
Die Weisheit in den Schriften angeschaut,
All‘ preise meine Gottheit, meine Braut!


WEIHE DER WELT

Gerechtigkeit und Friede kosen
Und Gnade küssen sich und Treue.
Frau Weisheit weih, der makellosen,
Frau Welt ich, daß sie sich erneue.


OMA

Neben meine Oma in das Grab
Bettet mich, daß mich die Ruhe lab.
Geht die Seele in das Himmelsglück,
Kenn ich Sie am liebevollen Blick!


PARADIESSEHNSUCHT

Ich bin nun wirklich nur noch Schatten,
Bin meiner Selbst Gespenst und Hauch,
Bin Blüte auf den Blumenmatten
Und schwinde wie der blaue Rauch.

Nun muß ich seufzen und mich sehnen,
Gebettet wie an Lethes Bucht,
Mich sehnen unter Wehmuttränen
Nach Garten, Frau und Lebensfrucht.

Ja, Lebensfrucht und Frau und Garten
Erscheint mir als ein Paradies!
Noch ein paar Tag und Jahre warten,
Dann Wonnen, Ewigkeiten süß!

Wer sucht die Weisheit Salomos,
Will Salomonis Wonnen schauen,
Will ruhn, der Ewigkeit im Schoß,
Im Harem Paradieses-Frauen!

Soll Honig fließen, Milch und Wein,
Soll Dattel mir und Feige frommen,
Will zum glückseligen Verein
In meiner Huris Harem kommen!

Wenn Erdenwonnen aphrodisisch
Mir fehlen, ach, zu meiner Pein,
Soll ewge Wonne paradiesisch
Die Gabe meiner Gottheit sein!


PARADIES

Die Fürstentümer in der Venussphäre
Sind Spenderinnen der Glückseligkeit,
Wo Früchte sind des Lebens, Wonnemeere,
Wo schwarzgeaugt beseligt mich die Maid.


DER SÄUGLING

Du Pfirsich Gottes, Säugling Jesus, weit
Dein Seelenfunke schaut aus Augen mild,
Ich küss dich tausendmal, du bist das Bild
Für Gottes übergroße Zärtlichkeit!


DIE KRANKE SEELE IN LOURDES

Die Seele, krank von der Geburt,
Ein ganzes Leben lang gepeinigt,
Sie ward auch nicht geheilt in Lourdes –
Maria hat sich ihr vereinigt.


THERESE VON LISIEUX

Wir trinken all vom Kelch, dem herben,
Die wir durchbohrte Herzen sind,
Wir wollen wie Therese sterben:
„Nun bin ich ein geheiltes Kind“...


MOSE

Als Mose Sinais Aurora
Und Jahwe in dem Dornbusch sah,
Entsagte er dem Weib Zippora
Und freite Herrin Schechinah.

Die Himmelsdame, die Matrone
War Mutter, Kriegerin und Braut,
Im Offenbarungszelt vorm Throne
Des Herrn hat Mose sie geschaut.


JAKOB

Jakob schaute heilig-heiter
Schechinah mit seiner Seele
Droben auf der Himmelsleiter,
Überm Steinmal mit dem Öle.

Aber weil er Lea, Rachel
Und die Frauenmägde freite,
Aufgestachelt von dem Stachel
Zu der Ehe süßem Leide,

Durfte er mit seiner Seele
Freien erst die Gnadenreiche,
Daß sie ganz sich ihm vermähle,
Nach dem Tod im Himmelreiche.


FRAU SHABBAT

Als Gott in sieben Tagen All
Und Mensch erschuf und Seraphim,
War Seiner Liebe Echohall,
Frau Shabbat, liebevoll bei Ihm.

Frau Shabbat ruft am Abend traut
Das Volk zum göttlichen Gemahl.
O komm, o Braut, o komm, o Braut,
Schenk all uns das Vermählungsmahl!


GOTTESMÄNNER

Zuerst war eins ich mit dem Seher Mose
Und Priester Aaron (Mirjam auch) als wie
In Offenbarungen vom Sinai
Gott sprach und flammte in dem Busch der Rose.

Davidisch ward ich dann, gehetzter Hirte,
Erwählt und eingeweiht mit Salbungsöle,
Um ihn die Männer mit der bittern Seele,
Der wollte, daß ihn Abigail bewirte.

Nun meine Frömmigkeit ist salomonisch,
Ich will in Augen Sulamiths anschauen
Sophias heilgen Geist, im Geist der Frauen,
Die lieb ich marianisch und platonisch.

Wird kommen noch die Frömmigkeit Elias?
Wann werd ich, von der Weisheit so geführt,
Die Ehre geben, dem die Ehr gebührt,
Und wahrlich Jünger werden des Messias?


NEUE EVA

Ich bin Adam, du bist Eva,
Unter uns die Gottheit liebet,
Du Maria, ich dein Kefa,
Liebe uns Sophia gibet.

Ich von Erde, du die Keusche,
Ich der Deine, du die Meine,
Eva, Fleisch von meinem Fleische,
Leben, Bein von meinem Beine.

Ich in tiefen Schlaf verloren,
Du erwacht wie aus der Rippe,
Du aus meinem Traum geboren,
Frau der Frauen, Lipp an Lippe.

Du die Dame vor den Damen,
Nachts zur Seite mir gebettet.
Große Frau, dein Frauensamen
Deines Minners Seele rettet!


IDEALISCHE EVA

Eva ist das Urbild jeder Frau,
Die Geistseele Evas ging hervor
Aus Sophias Mund, wie Hauch, wie Tau,
In des Leibes kosmischen Dekor.

In der Liebsten sucht ich Evas Bild,
Daß ich Eva im Gemüte seh,
Seh ihr Ideal so schön und mild,
Dessen Ursprung ist in der Idee

Aller Schönheit, das ist Sankt Sophie,
Ursprung von Gestalt und Ideal,
Schöne Himmelskönigin ist sie
Und ihr Reich ist der Ideensaal.


MARIEN HAAR

Dein Haar ist schwarz und schön und fein,
Mit einer Spitze deines Haares,
Gehüllt in deinen Schleier ein,
Führ mich zur Hostie des Altares.

Dein Haar ist schwarz und schön und fein,
Wie lang, als du es für mich löstest,
Du hüllst mich in dein Schwarzhaar ein,
Weil so du meine Seele tröstest.

Dein Haar ist schwarz und schön und fein,
Das du mir zu berühren gibest,
Du tauchst mich in die Haarflut ein,
Weil du mich zärtlich bräutlich liebest!



EHE

Was hadern mit dem Rätsel meines Loses?
Ist nur die Liebe Fraue in der Nähe!
Ich bin geweiht der Süße deines Schoßes
Und ganz der Deine, Magd, in unsrer Ehe.


AN DIE LIEBE FRAU

O Liebe Frau, wenn du vom Vater sprichst
Im Schweigen meiner Seele, Mutter mein,
Wie widerhallt in meinem Herzen nichts,
Wie bin ich gottverlassen und allein!

O Liebe Frau, wenn du in meinem Weh
Mit Trostmilch kommst und Fruchtbarkeit der Brüst‘,
Die Liebe Gottes ich im Innern seh,
Wie Gottesliebe Mutterliebe ist!


MORGENANDACHT

Die Seele aus der Gottheit Schoß
Verstrickt sich hier in Menschenfesseln,
Sie sucht umsonst die reine Ros,
Sind all nur Disteln hier und Nesseln.

Wer steigen will in reines Licht
Und Gnade seiner Gottheit schauen,
Der, sagt ein heiliges Gedicht,
Nehm Adlerflügel Unsrer Frauen.

Entreiße mich dem schweren Stoff
Und hebe mich zur Geistessonne!
O Seele, auf die Herrin hoff,
Sie führt dich in die Schau der Wonne!

Gebiert die Gottheit ewig doch,
In ihr Frau Weisheit reicht die Brüste,
Mit Geist begabt, ist sanft dein Joch,
Daß du mich tragen heißest, Christe!


BITTGEBET

Herr, schenk zur mexikanischen Maria
Und zu dem Grabestuch vom Menschensohne
Das Angesicht der Hagia Sophia
Als meiner Gottheit heilige Ikone!


GEBET VOR DER MESSE

O Gottheit, deiner Weisheit Saat
Senk in der Seele Mutterboden,
Daß in Sophias Matriarchat
Ich singe inspirierte Oden.

Das Saatkorn deiner Mutterhand,
Sophia, deiner Huld und Güte,
Reif in der Seele Mutterland
Zur innerlichen goldnen Blüte!


HEILIGE MESSE

Madonna breitet ihren Mantel,
Die Kleinen beten zu Maria.
Frau Weisheit kündet an den Wandel,
Brot wird zum Leibe der Sophia,

Auch sagt die Schrift von Magdalene
Und heißer Liebesglut Marias,
Von süßer Salbe, ihrer Träne,
Gebettet in ihr Haar Messias,

Der Christin wird der Gruß beschieden,
Freimütig fromm grüßt sie zurück,
Die Freundliche wünscht mir den Frieden,
Schalom die Schöne, Heil und Glück,

Gar kommt ins innerste Gemach
Sophia, in den Seelenthron,
Der Liebe Gottheit! – Kirche, ach,
Vom Vater sprichst du und vom Sohn...


MATERIE

Ich bete die Materie an,
Die mich erlöst im Opferfleisch,
Ihr, ich Materie, wahrer Mann,
Bin ich Gemahl, der Mater keusch.


FRAU WEISHEIT

Traurig bin ich sowieso...
Wehmutvoll die Seele schaut
Nach der Weisheit, A und O,
Goldgestalt der Himmelsbraut!

Angesicht von Licht und Gold
Im Genuß der Gottheit lacht!
Ist mir nur Frau Weisheit hold,
Bin gern einsam in der Nacht.


ALTAR

Altares Tisch gestiftet ist
Von meiner Muttersmutter Gnade.
Das Gotteswort verehrt der Christ,
Den Logos in der Bundeslade.

Was Gottes Logos aber spricht,
Ist Frau Sophia, unser Friede,
Sophia Gottes, Lebenslicht
Und Liebe in dem Hohenliede.

Auf dem Altar ist die Ikone,
Von der die Mutter selber schaut:
Die Sonne ist geweiht dem Sohne,
Das All Sophia, meiner Braut.


JÜNGSTER TAG

Sagt ihr nicht auch, ihr Bibelfrommen,
Daß Jesus baut uns unsre Wohnung,
Da wohnen wir nach seinem Kommen?
Ach, sei’s ein Kommen voller Schonung!

Mir im Gebet das Herz sich weitet,
Getaucht aus meiner Trauer Bronne,
Seh ich Sophia schön bereitet
Für den Empfang der Hochzeitswonne!


SOPHIA

Vier Jahre sucht ich dich beim Throne
Des Herrn, bis du dich mochtest zeigen
Im Licht, du göttliche Ikone –
Sei Antwort dir mein mystisch Schweigen.


BÜNDNIS

Ich will ein Bündnis mit dir schließen
Des ewgen Bundes, spricht Sophia,
Doch kommst du zu den Paradiesen,
Komm nicht allein, komm mit Maria!


TAUBENAUGEN

Sophia, deine Augen gleichen Tauben!
Die Hoffnung schwindet hin, der fromme Glauben,
Was aber, o Sophia, mir geblieben,
Ist, deine Taubenaugen sehr zu lieben!


ZWEI TAUBEN

Die Weisheit, welche göttlich ist,
Felstaube, sie ist gern allein.
Die Weisheit, welche menschlich ist,
Haustaube, gern ist im Verein.


SOPHIA

In dich verliebt ich mich, Mysteriöse,
Wollt bringen dich in mystischer Ehe Hafen.
In dem Geheimnis deiner Liebe löse
Vom Fleische mich, dann will ich mit dir schlafen.

Ich will mit allem meinem Innern brennen,
Dein sein in den erotischen Passionen
Und sterben tausendmal, dich zu erkennen,
Den mystischen Liebestod, dir beizuwohnen.


GOTTHEIT UND SEELE

Die innere Vision der Seele
Ist meine Jungfrau Anima,
Geboren, daß sie sich vermähle,
Ist quasi die Ecclesia.

Von droben aber fällt der Strahl
Der Gottheit, ihrer Liebe Gnade,
In meiner Seele Ideal,
Das ist der Weisheit Bundeslade.

Das ist ein Kommunionsverhältnis,
Wo Gottheit in die Psyche steigt
Und Psyche ist wie ein Behältnis,
Das sich ins Meer der Gottheit neigt.


LEID UND LIEBE

Wenn schlürfst du Leid aus dem Behältnis
Der Gnade, einsam hangst am Holz,
Auf dein besonderes Verhältnis
Zur lieben Gottheit sei du stolz!

Die Gottheit will dir Tröstung fächeln
Mit balsamreichem Geisteswind,
Sieh deine Gottheit liebend lächelnd
Wie eine Mutter überm Kind.

Du sahst das Licht in deiner Trübe,
Den Geist erschlossen hat der Schmerz,
Nun künd ich dir der Gottheit Liebe
Und allbarmherziges Mutterherz!


AN GOTT

Alles was mich lehrt die Pein,
Alle Trauer dieser Welt,
Ist: Du sollst mir Mutter sein,
Die mich an den Brüsten hält!


SANCTA TRINITAS

Ich bet dich an, o Sancta Trinitas,
Du meine Dame, meine Domina,
Du wohnst in einer Stadt aus Gold und Glas,
Laß mich bei dir sein, Mutter Ich-bin-da!

Weltarchitektin, Schöpfungskünstlerin,
Werkmeisterin – ich dein Poem – Sophia,
Der Gottheit Wesen, meiner Königin,
Las ich im zarten Herzen von Maria!

Ach Ruach, atme in mir, Odem du,
Lehr lesen mich im dunklen Spiegelglas,
Führ meine Seele in die Seelenruh,
Ins Mutterherz der Sancta Trintas!


URGOTTHEIT

Wohl sagt Gottvater ihr und Gottessohn,
Euch ist Mysterium der Gottheit nennbar.
Die übergöttlich jenseits ruht im Thron,
Urgottheit, wie denn wäre sie erkennbar?

Urgottheit, schon im dunklen Spiegel schön
Und schön dein finstres Licht in meiner Seele,
Du Übergöttliche, mit Leben krön
Im Tode mich, wenn ich mich dir vermähle!


[Inhalt]

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