[Inhalt]

BIBLISCHE POESIE
 
Deutsch von Peter Torstein Schwanke
 
übersetzt mit Hilfe des Hebräisch-englisch-Wörterbuches der Online-Bibel,
unter Zuhilfenahme verschiedener deutscher Übersetzungen.
 
Oldenburg in Oldenburg, im Jahre 2000
 
 
DAS BUCH QOHELETH - DER RUF DER WEISHEIT
 
I
 
1) Worte des Weisheitslehrers, Sohnes Davids, Königs in Jeruschalajim.
2) Hauch, Hauch, spricht der Weisheitslehrer; Hauch, Hauch, alles ist Hauch!
3) Welchen Gewinn zieht der Mensch aus seiner Arbeit, die er unter der Sonne wirkt?
4) Eine Generation vergeht, eine Generation kommt auf; die Erde besteht bis in lange Zeiten.
5) Die Sonne geht auf, die Sonne geht unter, sie keucht zu ihrer Region, von dort wieder aufzubrechen.
6) Es wandert der Wind nach Süden und wendet sich nach Norden, der Wind wendet sich im Kreis zurück.
7) Die Flüsse wandern ins Meer, doch wird das Meer nicht voll. Zur Region, von wo die Flüsse ausgehn, gehen sie zurück.
8) Alle Worte sind so ermüdend! Nichts vermag ein Mensch zu sagen! Der Augen Schauen ist nie befriedigt, der Ohren Lauschen nie zufrieden.
9) Was gewesen, das wird sein. Was getan ward, das wird getan werden. Es gibt nichts Neues unter der Sonne.
10) Ist ein Ding, von dem zu sagen wäre: Siehe, das ist neu? Es ist bereits gewesen in den alten Zeiten, die vor uns waren.
11) Erinnerung gibt es nicht mehr an die Früheren, an die Späteren wird man sich nicht erinnern bei den Nachkommen.
12) Ich, Weisheitslehrer, war Jisraels König in Jeruschalajim.
13) Ich gab mein Herz hin, zu suchen und zu untersuchen mit Weisheit die Taten, die man tut unter der Sonne. Üble Jobs hat Gott den Menschenkindern gegeben, sich damit zu quälen.
14) Ich sah die Werke, die getan werden unter der Sonne: Alles Hauch und vergebliches Seufzen des Geistes!
15) Was krumm ist, kann nicht gerade gemacht werden. Gezählt werden kann nicht das Fehlende.
16) Ich sprach in meinem Innern: Weise ward ich und bedeutend und reicher als die, die vor mir gewesen in Jeruschalajim; mein Herz ward voll vielfältigster Weisheit, und Wissen erkannt ich.
17) Mein Herz gab ich hin, Weisheit weise zu erkennen, zu erkennen Wahnsinn und Unvernunft. Ich lernte aber die Kenntnis, daß auch dies vergebliches Seufzen des Geistes ist.
18) Wo vielfältige Weisheit ist, da ist vielfältiges Weh. Wer mehr lernt, muß mehr leiden.
 
II
 
1) Ich sprach in meinem Innern: Auf! ich will versuchen, froh zu sein und Gutes zu sehen.
2) Aber siehe, auch das ist Hauch. Ich erklärte dem Lachen: Du bist närrisch! und dem Jubel: Was schaffst du?
3) Mein Herz versuchte, meinen Leib zu laben mit Wein: Möge mich dabei mein Herz mit Weisheit lenken! Unvernunft wollt ich fassen, bis ich sah, was den Menschenkindern gut ist und was sie tun sollen alle Zeiten ihres Lebens unter dem Himmel.
4) Ich tat herrliche Taten und baute Häuser und pflanzte Weingärten,
5) schuf Gärten und Parkanlagen und pflanzte fruchtbare Bäume mit vielerlei Früchten,
6) schuf Teiche, daraus zu tränken mit Wasser den Wald der wachsenden Bäume,
7) besaß Diener und Hausmädchen und Kinder des Hauses, hatte reicheren Besitz an Rinderherden und Schafherden als alle, die vor mir gewesen in Jeruschalajim,
8) sammelte Silber und Gold und seltene Schätze von den Königen und Provinzen, legte mir Sängerinnen und Sänger zu und die Wonne der Menschensöhne: einen Harem von Konkubinen.
9) Herrlicher ward ich als alle, die vor mir gewesen in Jeruschalajim; und meine Weisheit stand mir bei.
10) Wonach es meinen Augen verlangte, das nahm ich, und verwehrte meinem Herzen keine Lust. Möge mein Herz nur fröhlich sein, bei aller Arbeit, denn das sei mein Anteil in meiner Mühsal.
11) Ich wandte mich zu den Werken, die meine Hände geschaffen, all die Arbeit hatte mir Mühe gemacht. Siehe, das war Hauch und vergebliches Seufzen des Geistes und war kein Gewinn mir unter der Sonne.
12) Und ich wandte mich, zu schauen nach der Weisheit, nach Wahnsinn und Unvernunft. Was kann der Mensch tun, der nach dem König kommt? Nur das, was bereits getan ward.
13) Ich sah, daß die Weisheit besser ist als die Unvernunft, wie das Licht besser als die Finsternis.
14) Der Weise hat Augen im Kopf, der Narr geht in der Finsternis. Jedem geschieht sein Schicksal.
15) Da sprach ich in meinem Innern: Also geschieht das Schicksal dem Narren, besser ist da weise sein. Da sprach ich in meinem Innern: Das ist auch nur Hauch.
16) Nicht immer erinnert man sich an den Weisen, wie auch an den Narren nicht. Bald schwinden die Tage ins Vergessen. Es stirbt der Narr seinen Tod, der Narr wie der Weise.
17) Da haßte ich mein Dasein! Die Taten waren böse, die unter der Sonne getan wurden. Alles ist Hauch und vergebliches Seufzen des Geistes.
18) Ich haßte meine Mühsal, der ich mich mühsam abmühte unter der Sonne. Alles muß ich lassen einem Menschen nach mir.
19) Weiß man, ob er ein Weiser oder ein Narr sein wird? Er wird doch herrschen über meine Arbeiten, die ich weise erarbeitet habe unter der Sonne. Das ist auch nur Hauch.
20) Da wandte sich mein Herz zur Verzweiflung über all die Arbeit, die ich wirkte unter der Sonne.
21) Da war ein Mensch, der seine Arbeit mit Weisheit und Kenntnissen und Geschicklichkeit tat, sie einem andern zum Erbteil zu lassen, der sie nicht erarbeitet hat. Das ist auch nur Hauch und ein gewaltiges Übel.
22) Was wird dem Menschen von all seiner Mühsal und dem Streben seines Herzens, der er sich abmüht unter der Sonne?
23) Alle Tage hat er Schmerzen und Mühe und Übellaune. In der Nacht, da liegt sein Herz mit Mißmut nieder. Das ist auch nur Hauch.
24) Es ist gut dem Menschen, zu essen und zu trinken und seine Seele Gutes sehen zu lassen bei all der Arbeit. Dies sah ich, daß solches aus Gottes Händen kommt.
25) Denn wer kann essen und wer kann genießen ohne ihn?
26) Er gibt dem Menschen, der ihm gefällt, ihm gibt er Weisheit und Kenntnisse und Freude. Aber dem ihn Verfehlenden gibt er Geschäftigkeit, zu sammeln und anzusammeln und doch es zu geben einem, der Gott gefällt. Auch das ist Hauch und vergebliches Seufzen des Geistes.
 
III
 
1) Alles zu seiner Zeit! Jeder Plan unterm Himmel hat seine Gelegenheit.
2) Die Schwangerschaft hat ihre Zeit und der Tod hat seine Zeit. Das Pflanzen hat seine Zeit und das Ausreißen des Gepflanzten hat seine Zeit.
3) Die Zerstörung hat ihre Zeit und die Heilung hat ihre Zeit. Das Zerbrechen hat seine Zeit und das Bauen hat seine Zeit.
4) Das Weinen hat seine Zeit und das Lachen hat seine Zeit. Die Trauer hat ihre Zeit und der Tanz hat seine Zeit.
5) Das Steinewerfen hat seine Zeit und das Steinesammeln hat seine Zeit. Die Umarmung hat ihre Zeit und das Fernsein von Umarmung hat seine Zeit.
6) Das Suchen hat seine Zeit und das Verschwinden hat seine Zeit. Das Bewahren hat seine Zeit und das Wegwerfen hat seine Zeit.
7) Das Zerreißen hat seine Zeit und das Nähen hat seine Zeit. Das Stillesein hat seine Zeit und das Sprechen hat seine Zeit.
8) Die Liebe hat ihre Zeit und der Haß hat seine Zeit. Der Krieg hat seine Zeit und der Friede hat seine Zeit.
9) Man tut wie ein Arbeiter, aber hat doch keinen Gewinn dadurch.
10) Ich sah die Jobs, die Gott den Menschenkindern gab, daß sie sich damit quälen.
11) Er macht es alles schön, schön zu seiner Zeit. Er gab die Ewigkeit in ihren Sinn. Nicht kann der Mensch erfassen das Werk, das Gott geschaffen von Anfang bis Ende.
12) Da wußte ich, da ist nichts Besseres, als voll Freude zu sein und Gutes zu tun im Leben.
13) Jeder Mensch soll essen und trinken und Gutes sehen bei seiner Arbeit, denn das ist ein Geschenk Gottes.
14) Ich sah, daß alles, was Gott tut, für lange Zeit besteht; nichts kann man hinzufügen, nichts kann man hinwegnehmen. Dies alles tut Gott, auf daß man ihn respektiere und ehre.
15) Was war, das ist nun, und was sein wird, das war schon. Gott verlangt nach dem Kommenden.
16) Ich sah unter der Sonne Gerichtssäle, dort herrschte Bosheit, und sah Hallen der Gerechtigkeit, dort herrschten Boshafte.
17) Da sprach ich in meinem Innern: Gott wird den Gerechten richten, den Gerechten und den Schuldigen. Denn jeder Plan und jede Tat hat seine Zeit.
18) Ich sprach in meinem Innern: Es ist wegen der Menschenkinder, daß Gott sie reinigt, und daß sie erkennen mögen, daß sie wie Tiere sind.
19) Der Menschenkinder Schicksal ist wie das der Tiere: jenen der Tod und diesen der Tod, sie haben alle Einen Atem, so daß der Mensch dem Tier nicht überlegen ist. Denn alles ist Hauch und ein Schicksal.
20) Es geht alles an Einen Ort, denn alles ist aus Staub und kehrt zum Staub zurück.
21) Wer weiß vom Atem des Menschen, daß er aufsteigt, und vom Atem des Tieres, daß er zur Erde sinkt?
22) Darum: ich sah, daß es nichts Schöneres gibt, als daß ein Mensch sich freue bei seiner Arbeit, denn das ist sein Anteil. Wer wird ihn dahin bringen, zu schauen, was nach ihm sein wird?
 
IV
 
1) Ich wandte mich und sah die Unterdrückung, die unter der Sonne geschah. Siehe, da waren Tränen der Unterdrückten und kein Trost. Die Hände der Unterdrücker waren zu mächtig, darum war kein Trost.
2) Da rühmte ich die Toten, die schon tot sind, mehr als die Lebenden, die noch leben.
3) Besser als beiden geht es dem Nochnichtseienden, der nicht schaut des Bösen Taten, die unter der Sonne getan werden.
4) Ich sah die Mühsal und den Erfolg bei allen Werken, und daß jeder Mensch auf den andern eifersüchtig ist. Das ist auch nur Hauch und vergebliches Seufzen des Geistes.
5) Ein Narr legt die Hände in den Schoß und frißt sein eigenes Fleisch.
6) Besser eine Handvoll in aller Ruhe, als beide Hände voll mit Mühsal und vergeblichem Seufzen des Geistes.
7) Ich wandte mich und sah die ganze Sinnlosigkeit unter der Sonne.
8) Da ist einer allein, kein Anderer bei ihm, er hat keine Kinder und keine Geschwister; aber seine Mühsal ist ohne Ende, seine Augen werden nimmer satt des Reichtums: Für wen denn arbeite ich, für wen denn fehlt meiner Seele das Gute? - Das ist auch nur Hauch und ein übles Geschäft.
9) Besser zwei als einer, darin liegt ein schöner Lohn für die Arbeit.
10) Stürzt einer, so hilft ihm sein Gefährte auf. Ach über den, der allein ist! Wenn er stürzt, ist kein Anderer, der ihm aufhilft.
11) Auch, wo zweie liegen, da wirds warm; kanns aber einem Einsamen warm werden?
12) Einen kann man überwinden, aber zweie leisten Widerstand, und ein dreifaches Band zerreißt nicht so schnell.
13) Ein armer Junge, der weise ist, der ist besser als ein alter König, der närrisch ist und sich nicht raten läßt.
14) Einer kommt aus dem Gefängnis und wird König, und ein zum König Geborener wird arm.
15) Ich sah die Lebenden unter der Sonne wandeln mit dem Jungen, der aufstehn und an des Andern Stelle treten sollte.
16) Schließlich war des Volkes, das ihm nachging, kein Ende. Doch seine Nachkommen hatten an ihm keine Freude. Das ist auch nur Hauch und vergebliches Seufzen des Geistes.
 
V
 
1) Achte auf deine Füße, wandelst du zum Tempel Gottes. Nahe dich, zu lauschen, und spende nicht Narrenopfer, denn Narren wissen nicht, was sie Böses tun.
2) Sei nicht schnell mit der Zunge. Laß deines Geistes Rede nicht hasten, Worte hervorzubringen vor Gott, denn Gott ist im Himmel, du aber auf der Erde, drum mach du wenig Worte.
3) Viele Träume kommen durch viele Mühsal. Wo viele Worte sind, da schwatzen Narren.
4) Schwörst du Gott einen Schwur, so zögere nicht, ihn zu halten. Er hat ja keine Freude an Narren. Was du schwörst, das halte auch.
5) Besser, keinen Schwur zu schwören, als den Schwur nicht zu halten, den du schworest.
6) Gewähre deiner Zunge nicht, dein Fleisch in die Irre zu führen. Sag dem Engel nicht: Es war ein Versehen. - Gott könnte zornig werden über deine Stimme und die Werke deiner Hände vernichten.
7) Wo viele Träume sind, da ist viel Nichtigkeit und viel Gerede. Du aber ehre Gott!
8) Siehst du Unterdrückung der Armen und Raub der Gerechtigkeit in den Provinzen, wundre dich darüber nicht. Es ist ein Hoher über den Hohen, der sie beaufsichtigt, und es sind Höhere über ihnen, die auf Gerechtigkeit achthaben.
9) Das ist ein Gewinn für ein Land, wenn der König sich kümmert um die Felder, auf denen gearbeitet wird.
10) Wer Silbermünzen liebt, wird nimmer satt an Silbermünzen; wer den Reichtum liebt, nicht des Einkommens. Das ist auch nur Hauch.
11) Wo des Guten viel wird, da werden es Viele fressen. Welchen Gewinn hat der Eigentümer, wenn er es nicht behalten kann und nicht anschaun mit den Augen?
12) Wer dient, dem ist süß der Schlaf, ob er viel oder wenig gegessen. Des Reichen Sattheit aber gibt ihm nicht die Ruhe des Schlafes.
13) Es ist eine böse Krankheit, die ich sah unter der Sonne: Reichtümer, aufgehäuft zum Unheil des Eigentümers.
14) Jene Reichtümer zerrinnen bei bösen Geschäften. Zeugte der Reiche einen Sohn, so hält der ein Nichts in Händen.
15) Nackt kam er aus seiner Mutter Schoß, und nackt, so wie er gekommen, geht er dahin.
16) Welchen Gewinn denn brachte seine Arbeit, die er für den Wind gewirkt hat?
17) Alle Tage im Finstern, aß er mit viel Ärger und Zorn und Krankheit.
18) Ich sah für gut und schön an, wenn einer ißt und trinkt und sieht Gutes bei aller Arbeit, die er wirkt unter der Sonne, in den Tagen seines Lebens, die Gott ihm gibt, denn das ist sein Anteil.
19) Dem Menschen, dem Gott reiche Schätze gibt und die Fähigkeit, davon zu zehren und seinen Teil zu nehmen, daß er voller Freude ist bei aller seiner Arbeit, dem ist dies ein Geschenk Gottes.
20) Er bedenkt nicht die Kürze seiner Lebenszeit, weil Gott ihm Glück des Herzens schenkt.
 
VI
 
1) Es ist ein Übel, welches ich unter der Sonne sah, das ist groß bei den Menschen:
2) Da gab Gott einem Menschen Schätze, Reichtum und Ruhm, seiner Seele fehlte nichts von alledem, wonach ihn verlangte, und doch gab Gott ihm nicht die Fähigkeit, dies alles zu genießen; ein Fremder konsumierte das Seine. Auch das ist ein Hauch nur und eine böse Krankheit.
3) Zeugte ein Mensch auch hundert Kinder und hätte viele Jahre zu leben, viele Tage und Jahre, aber seine Seele wäre nicht zufrieden mit dem Guten, auch würde ihm kein Grabmal werden; über solchen Menschen sag ich: eine Todgeburt ist besser dran.
4) Wie ein Hauch kommt sie und geht in die Nacht, ihr Name wird von Nacht verborgen,
5) auch sah sie nicht den Sonnenaufgang und wußte nicht von der Sonne; diese hat mehr Ruhe, diese hat mehr Frieden als Jener.
6) Lebte er auch zweimal tausend Jahre, nichts Gutes sehend, so geht doch alles schließlich an Einen Ort.
7) Alle Arbeit des Menschen ist für seinen Schlund, aber die Seele ist nie befriedigt.
8) Was hat ein Weiser Besseres als ein Narr? Das was ein Armer hat, der recht zu wandeln weiß vor den Lebenden.
9) Besser das, was vor Augen ist, als der Seele ziellose Sehnsucht. Jenes ist denn auch nur Hauch und vergebliches Seufzen des Geistes.
10) Das was sein wird, ist bereits mit Namen genannt. Bekannt ist bereits, was ein Mensch sein wird. Er kann nicht streiten mit dem, der ihm zu mächtig ist.
11) Es gibt zuviele sinnlose Dinge. Welchen Gewinn hat ein Mensch dadurch?
12) Wer weiß, was gut und schön für den Menschen zu seinen Lebzeiten ist, für die Tage seines Daseins in der Nichtigkeit, das er verbringt wie ein Schatten? Wer macht dem Menschen bekannt, was nach ihm sein wird unter der Sonne?
 
VII
 
1) Ein guter Name ist besser als erlesenes Öl. Der Tag des Todes ist besser als der Tag der Geburt.
2) Besser ist es, ins Haus der Totenklage zu gehen, als ins Haus, da man feiert; in jenem ist das Ende des Menschen, das nehme sich zu Herzen der Lebende.
3) Trauern ist besser als Lachen, denn durch Traurigkeit wird das Herz gebessert.
4) Das Herz des Weisen ist im Haus der Klage, das Herz des Narren im Haus der Lustigkeit.
5) Besser ist es, zu hören auf die Ermahnung des Weisen, als zu lauschen den Liedern der Narren.
6) Das frivole Spottgelächter der Narren klingt wie des Brennholzes Knistern unter den Kochtöpfen. Es ist sinnlos.
7) Unterdrückung macht den Weisen verrückt. Bestechungsgeschenke verderben die Gesinnung.
8) Der Ausgang einer Rede ist feiner als der Anfang. Ein Geist der Geduld ist besser als ein Geist des Stolzes.
9) Sei in deinem Geist nicht schnell zum Zorn, denn Zorn sitzt im Herzen des Narren.
10) Sage nicht: Warum waren die früheren Zeiten besser als diese? Du fragst dies nicht in Weisheit.
11) Weisheit ist schön mit einer Erbschaft, das ist Gewinn für die, welche die Sonne sehen.
12) Die Weisheit schattet schützend, auch Silbermünzen schatten schützend, aber der Vorteil der Klugheit ist, daß Weisheit ihrem Besitzer Leben spendet.
13) Schau auf die Werke Gottes! Wer ist mächtig, das zu begradigen, was Gott gekrümmt hat?
14) Zur schönen Zeit, da laß es dir gutgehn. Die üble Zeit sieh so an, daß Gott sie zu dem Schluß geschaffen hat, daß der Mensch nicht kennen kann das Kommende.
15) Manches sah ich in den Tagen meiner Nichtigkeit. Da ist ein Gerechter in seiner Gerechtigkeit vernichtet worden, aber ein Schuldiger lebte lang in seiner Bosheit.
16) Sei nicht zu gerecht und nicht zu weise, damit du nicht einsam wirst.
17) Sei nicht so sehr boshaft und sei kein Narr, damit du nicht sterben mußt vor deiner Zeit.
18) Gut ist, das eine zu fassen und das andere nicht aus den Händen zu lassen. Wer Gott in Ehrfurcht begegnet, entgeht dem allem.
19) Die Weisheit macht den Weisen mächtiger als zehn Mächtige aus der Stadt.
20) Auf der Erde ist kein Mensch so gerecht, daß er nur Gutes tut und nie fehlgeht.
21) Gib deine Aufmerksamkeit nicht allen gesprochenen Worten, damit du nicht das Fluchwort deines Dieners hören mußt.
22) In deinem Herzen weißt du, daß auch du oft Andern fluchtest.
23) Dies alles hab ich mit Weisheit geprüft. Ich sagte: Ich will die Weisheit gewinnen,- aber sie blieb distanziert.
24) Was distanziert ist, das ist in weiter Ferne und von geheimnisvoller Tiefe. Wie soll ichs ergründen?
25) Ich wandte mein Herz, zu suchen und kennenzulernen und zu erforschen die Weisheit und die Vernunft. Ich wollte wissen von der Dummheit der Falschen und dem Unverstand der Idioten.
26) Ich fand heraus, daß bitterer als der Tod eine Frau ist, deren Herz wie Fessel und Fangnetz ist und deren Hände Ketten sind. An wem Gott Gefallen hat, der wird vor ihr gerettet; aber der Unreine wird durch sie gefangen.
27) Siehe, dies fand ich heraus, spricht der Weisheitslehrer, eins ums andere, und ich fand Vernünftiges.
28) Was meine Seele suchte und nicht fand: Unter Tausenden fand ich Einen Mann, aber eine Frau fand ich nicht unter ihnen.
29) Siehe, allein fand ich heraus, daß Gott den Menschen zur Aufrichtigkeit geschaffen, aber die Meisten suchen viel nach Erfundenem.
 
VIII
 
1) Wer gleicht dem Weisen? Wer kann die Worte deuten? Die Weisheit eines Menschen läßt sein Antlitz leuchten, die Härte seines Gesichtes wird verwandelt.
2) Bewahre die Worte des Königs, tu dies wegen des Gottesschwures.
3) Geh nicht so rasch von seinem Angesichte fort, beharre nicht auf bösen Worten, denn er schafft, was ihm gefällt.
4) Das Wort des Königs ist eine Macht. Wer darf zu ihm sagen: Was tust du da?
5) Wer die Weisung beachtet, wird keine bösen Worte kennenlernen. Der Geist des Weisen kennt Zeit und Gericht.
6) Für jeden Plan gibt es Zeit und Gericht. Die Bosheit des Menschen ist groß.
7) Er kennt nicht das Kommende; und wer macht ihm bekannt, wann es kommen wird?
8) Der Mensch hat über den Wind keine Macht, er kann den Wind nicht bändigen, er hat auch über die Todesstunde keine Macht, aus diesem Kriege gibt es keine Entlassung. Die Bosheit rettet den Bösen nicht.
9) Das alles sah ich. Mein Herz gab ich hin an alle Werke, die gewirkt werden unter der Sonne. In dieser Zeit beherrscht ein Mensch den andern zu seinem eigenen Unheil.
10) Darum: ich sah Boshafte, die begraben wurden und fuhren dahin, sie gingen fort von heiliger Stätte und wurden vergessen in der Stadt; auch das ist Sinnlosigkeit.
11) Weil nicht rasch ein Richtspruch gesprochen wird über die bösen Taten, darum sind die Herzen der Menschenkinder voll davon, Böses zu tun.
12) Wenn auch ein Unreiner böse Taten tut und lebt doch lang, so weiß ich dennoch, daß es wohlergehen wird denen, die Gott respektieren, die ehren seine Person.
13) Aber dem Boshaften wirds nicht wohlergehen, auch sollen seine Tage nicht lange währen, sondern fliehen wie ein Schatten, denn er gibt Gott die Ehre nicht.
14) Dies ist eine Sinnlosigkeit auf der Erde: Gerechte werden geschlagen, als täten sie Taten der Boshaften; Schuldigen aber geschieht, als hätten sie der Gerechten Werke vollbracht. Da sagte ich: Auch das ist nichts als ein Hauch.
15) Darum rühmte ich die Freude. Nichts Schöneres gibt es unter der Sonne für den Menschen, als zu essen und zu trinken und sich zu freuen. Dies möge sich zu ihm gesellen, bei aller Mühsal in der Zeit seines Lebens, das Gott ihm gibt unter der Sonne.
16) Mein Herz gab ich hin, kennenzulernen die Weisheit. Ich bemerkte die Geschäftigkeit auf der Erde und daß Tag und Nacht der Schlaf den Augen eines Menschen flieht.
17) Ich sah die Werke Gottes alle. Ein Mensch kann das Werk nicht ergründen, das gewirkt wird unter der Sonne.
18) Wenn ein Mensch sich auch müht, es zu untersuchen, er wird seinen Grund nicht finden. Und selbst wenn der Weise spricht: Ich weiß! - so hat er doch die Macht nicht, es zu fassen.
 
IX
 
1) Dies liegt mir am Herzen, daß ich erkläre: Der Gerechte und Weise und sein Werk liegt fest in Gottes Händen. Die Persönlichkeit des Menschen kennt wahrlich nicht die Liebe und wahrlich nicht den Haß im Vorhinein.
2) Das selbe Schicksal für alle: für den Gerechten und für den Schuldigen, für den Guten und Reinen und für den Unreinen, für den Opfernden und für den Garnichts-Opfernden. Wie es dem Guten ergeht, so ergeht es dem Frevler; wie es dem Schwörenden geht, so auch dem, der Angst hat vorm Schwur.
3) Es ist ein Übel mit allem, was getan wird unter der Sonne; da ist Ein Schicksal für alle. Die Herzen der Menschenkinder sind voll des Bösen. Wahnsinn wohnt in ihren Seelen ihr ganzes Leben lang, und schließlich müssen sie sterben.
4) Darum: für den, der mit dem Lebendigen eins ist, gibt es Hoffnung. Denn ein lebender Hund ist mehr wert als ein toter Löwe.
5) Die Lebenden wissen: sie müssen sterben. Die Toten wissen nichts mehr. Sie bekommen keinen Lohn mehr, niemand erinnert sich mehr an sie, sie sind in Vergessenheit geraten.
6) Vorzeiten schwand ihre Liebe und ihr Haß und ihre Eifersucht, sie haben keinen Anteil mehr an den alten Zeiten und an dem, was getan wird unter der Sonne.
7) So wandle auf deinem Weg und iß dein Brot mit Freude und trink deinen Wein mit freudigem Herzen, denn Gott hat schon lang an deinem Werke Wohlgefallen.
8) Deine Kleidung möge immer reinlich sein und deinem Haupt nie Salbe mangeln.
9) Genieße das Leben mit dem Weibe, das du liebst für alle Zeiten deines nichtigen Daseins, welches Gott dir gab unter der Sonne, alle Zeiten deiner Eitelkeit. Denn das ist dein Anteil am Leben, bei aller Arbeit, die du unter der Sonne schaffst.
10) Was deine Hände zu schaffen finden, das schaffe mit Kraft. Da ist keine Vernunft und kein Werk, nicht Wissen noch Weisheit im Grab, dahin du wandelst.
11) Ich wandte mich und sah unter der Sonne: das Wettrennen wird nicht dem Schnellen, die Schlacht nicht dem Starken, die Speise nicht dem Weisen, der Schatz nicht dem Verständigen und die Grazie nicht dem Schönen; sondern Zeit und Schicksal geschehen.
12) Der Mensch kennt seine Stunde nicht. Der Fisch wird gefangen im bösen Netz, der Vogel in die Schlinge gelockt, und die Menschenkinder werden bestrickt in der bösen Zeit, die jäh hereinbricht.
13) Diese Weisheit sah ich unter der Sonne, diese erhabene:
14) Da war eine kleine Stadt mit wenigen Menschen; da kam ein mächtiger König und umrundete sie und baute riesenhafte Belagerungstürme gegen sie.
15) Gefunden ward in ihr ein armer, ein weiser Mann, der das Dorf hätte retten können durch seine Weisheit, aber niemand dachte an diesen armen Mann.
16) Da sprach ich: Weisheit ist besser als Macht, aber Weisheit des Armen verachtet man und hört auf seine Worte nicht.
17) Das Wort des Weisen wird vernommen in der Stille. Das ist besser als das Brüllen eines Herrschers inmitten von Dummköpfen.
18) Weisheit ist besser als Rüstung des Krieges, aber schon ein einziger Irrender kann viel Gutes zerstören.
 
X
 
1) Tote Fliegen fermentieren und machen stinkend die Salbe des Apothekers, so ist der Einfluß der Torheit auf den Ruhm der Weisheit.
2) Das Herz des Weisen ist an seiner rechten Seite, das Herz des Narren ist an seiner linken Seite.
3) Wenn des Narren Herz auf seinem Irrweg wandelt, fehlt ihm Weisheit, und seine Rede verrät den Narren.
4) Erhebt sich der Geist des Herrschenden gegen dich, verlasse deine Stelle nicht, denn innere Ruhe wehrt dem Angriff.
5) Da ist eine Misere, die ich sah, das ist die Ignoranz der Regierenden.
6) Ein Narr sitzt an hoher Stelle, ein Reicher wohnt in den Niederungen.
7) Diener sah ich auf hohen Rossen reiten und Prinzen wie Sklaven über die Erde gehen.
8) Wer andern eine Grube gräbt, fällt selbst hinein. Wer eine Mauer durchbricht, wird von einer Schlange gebissen.
9) Wer Steine wegträgt, den wird es schmerzen. Wer Bäume fällt, gefährdet sich.
10) Wenn das Eisenschwert stumpf wird und keiner die Schneide schleift, dann braucht der Benutzer mehr Kraft. Weisheit wäre da ein reicher Gewinn.
11) Ein Meister der Zunge bringt nicht mehr Gewinn als eine Schlange, die vor der Beschwörung zubeißt.
12) Die Worte aus dem Mund des Weisen sind voller Anmut, aber die Lippen des Narren vernichten ihn selbst.
13) Seiner Rede Anfang ist Albernheit, seiner Rede Ausgang übler Wahn.
14) Ein Narr macht große Worte. Aber ein Mensch kennt das Kommende nicht, und wer macht ihm bekannt, was später sein wird?
15) Des Narren Mühe macht ihn müde, und er weiß nicht einmal in die Stadt zu gehen.
16) Weh dem Land, dessen König ein Knabe ist und dessen Fürsten am frühen Morgen schon tafeln!
17) Gesegnet das Land, dessen König ein Edler ist und dessen Fürsten zu rechter Stunde speisen und sich nicht betrinken!
18) Durch Faulheit verfallen Gebäude, und wegen der trägen Hände tropft es durchs Hausdach.
19) Sie haben Brot zum Lachen, der Wein läßt die Lebenden jauchzen. Das Geld ist ihnen Antwort auf alle Fragen.
20) Fluche nicht dem König in deinem Herzen, und dem Wohlhabenden fluche nicht in deinem Schlafzimmer, denn die Vögel der Lüfte lassen deine Worte wandern, die Eigentümer von Schwingen machen deine Stimme bekannt.
 
XI
 
1) Sende deine Brote übers Meer, du wirst sie wiederfinden nach langer Zeit.
2) Gib eine Portion an sieben Leute oder acht, denn du weißt nicht, welches Unheil noch über die Lande kommt.
3) Wenn die schwarzen Wolken voll sind, dann entleeren sie sich im Regenschauer überm Lande. Wenn die Bäume stürzen, so fallen sie nach Süden oder Norden; aber wohin ein Baum gestürzt ist, dahin ist er gestürzt.
4) Wer auf die Winde achtet, wird nicht säen; und wer auf die Wolken achtet, wird nicht ernten.
5) Du weißt die Wege des Windes nicht und nicht wie die Glieder gestaltet werden im Schoß der Schwangeren, so auch kannst du Gottes Werk nicht ergründen.
6) Am Morgen säe die Saat aus, am Abend laß ruhen die Hände. Du weißt nicht, ob reifen wird dies oder das und ob eines davon auch gut sein wird.
7) Das Licht ist lieblich, und den Augen ist es angenehm, die Sonne zu sehen.
8) Lebt lang ein Mensch, lebt viele Jahre, dann mög er sich allezeit freuen und sich erinnern der dunklen Stunden, derer viele waren, und daran denken, daß das Kommende nur ein Hauch ist.
9) Freu dich, junger Mensch, freu dich deiner Jugend! Deine Seele soll jubeln in deiner Jugendzeit. Wandle den Weg deines Herzens, wandle nach deiner Augen Verlangen. Wisse, daß Gott dich für alles vor seinen Richterstuhl wird kommen lassen.
10) Wende Mißmut ab von deinem Herzen, und tu ab das Böse von deinem Fleisch. Die schwarzen Haare der Kindheit und Jugend verschwinden wie ein eitler Hauch.
 
XII
 
1) Denk an deinen Schöpfer in den Tagen deiner Jugend, bevor die unangenehme Zeit hereinbricht und die Jahre dich schlagen, über die du sagen wirst: Ich hatte kein Verlangen danach;
2) bevor die Morgenröte und das Tageslicht und Mond und Sterne dunkel werden und schwarze Wolken nach dem Schauer wiederkommen;
3) bevor die Zeit ist, da die das Haus hüten zittern, da die Starken gebeugt gehn, da die Müller die Schinderei beenden, weil ihrer wenige wurden, da die Fensterguckerinnen trübe werden,
4) da die Pforten der Pfade geschlossen werden, da verstummen die Stimmen der Mühlen, da man mit den Liedern der Lerchen erwacht, wenn sich neigen der Sangestöchter Singstimmen,
5) da man sich fürchtet vor der Felsenhöhe und auf der Straße erschrickt, da zwar die Mandelbäume blühen und die Grashüpfer süß sich beladen und die Kapernbeeren der Wollust aufbrechen - aber der Mensch geht dahin, wo er lange wird wohnen müssen, wo die Weinenden stehen am Wegesrand;
6) bevor zerreißt die Silberschnur und zerbeult der Goldkrug und zerscherbt der Topf an der Quelle und zerbricht das Schöpfrad am Brunnen.
7) Denn der Staub muß zur Erde zurück, von wo er genommen. Aber der Geist kehrt zu Gott, der ihn gegeben.
8) Leere Nichtigkeiten! spricht der Weisheitslehrer, das alles ist nichts als ein sinnloser Dunst!
9) Und mehr noch lehrte der Weisheitslehrer Weisheiten, lehrte das Volk viel Wissenswertes und erwog und untersuchte und reihte eine Menge Sprichwörter.
10) Der Weisheitslehrer suchte, bis er schönste Worte fand, da schrieb er wahrhaftig Worte der Wahrheit.
11) Die Worte der weisen Männer treiben an wie ein Sporn und sitzen fest wie ein Nagel. Sie wurden gepflanzt von den Meistern der Sammlungen, weitergegeben von einem Hirten.
12) Laß dich durch diese Sprüche weiterhin ermahnen, mein Kind. Des vielen Büchermachens ist kein Ende, das viele Studieren ermüdet das Fleisch.
13) Lausche dem erlauchten Schluß der Sprüche: Ehre Gott und bewahre seine Weisungen! Das ist Alles dem Menschen.
14) Denn Gott wird alle Werke vor seinen Richterstuhl kommen lassen, sie seien gut oder böse, und auch die verborgenen.
 
 

DAS LIED DER LIEDER
 
Der Sang Schelomohs.
Schulammyth:
Küsse mich mit deines Mundes Küssen. Denn dein Lieben ist besser als Wein.
Die Töchter Jeruschalajims:
Es duften deine Öle lieblich, dein Namen ist wie Balsamen-Salbe ausgeschüttet. Darum lieben dich die Mädchen.
Schulammyth:
Zieh mich zu dir, so eilen wir. Der König zog mich in sein Zimmer.
Die Töchter Jeruschalajims:
Wir jubeln über dich und freuen uns an dir. Wir erinnern uns an deine Liebe lieber als an Wein. Die Gerechten lieben dich.
Schulammyth:
Ich bin schwarz und sehr schön, ihr Töchter Jeruschalajims, wie die Zelte Qedors, wie die Draperien Schelomohs. Schaut mich nicht an, daß ich so schwärzlich bin: die Sonne hat mich so angeschaut. Meiner Mutter Söhne brennen wegen mir. Sie setzten mich zur Gärtnerin der Weinberge, aber meinen eigenen Weinberg hab ich nicht gepflegt. - Sprich zu mir, du, den meine Seele liebet, wo du ruhest, wo du liegst am Mittag, daß ich nicht irren muß bei den Herden deiner Genossen.
Schelomoh:
Weißt du es nicht, du Schönste der Frauen, so geh hinaus zu den Spuren der Schafe und füttere deine jungen Ziegen bei den Hirtenhütten. Du, meine Geliebte, bist wie ein Roß vor Pharaos Wagen. Deine Wangen sind so hübsch mit den Strähnen, dein Hals mit dem Muschelkettchen.
Die Töchter Jeruschalajims:
Wir wollen dir goldene Ringe gestalten mit silbernen Perlentropfen.
Schulammyth:
Als der König sich zu mir wandte, gab meine Narde Aroma. Mein Geliebter ist mir ein Bund Myrrhe, der zwischen meinen Brüsten ruht. Mein Geliebter ist mir ein Hennastrauch in den Weinbergen von Eyn Gediy.
Schelomoh:
So schön, meine Geliebte, du bist so schön, so schön bist du. Deine Augen sind Tauben.
Schulammyth:
Sehr schön, mein Geliebter, du bist sehr schön und lieblich. Unser Lager ist grün. Zedern sind die Balken unseres Hauses, die Bretter Zypressen. - Ich bin eine Rose aus Scharon und eine Lilie im Tal.
Schelomoh:
Wie eine Lilie zwischen Dornbüschen, so ist meine Geliebte inmitten der Töchter.
Schulammyth:
Ein Apfelbaum unter Waldbäumen ist mein Geliebter inmitten der Söhne. Ich sitze im Schatten dessen, nach dem mich verlangt, und seine Frucht ist meinem Gaumen süß. Er lädt mich zum Schaumwein in den Keller. Die Liebe ist seine Fahne über mir. Er ruht mit mir bei Rosinenkuchen und breitet mich inmitten von Äpfeln. Ach, ich bin elend vor Liebe! Sein linker Arm ruht unter meinem Haupt, sein rechter Arm umfängt mich. Ich beschwör euch, ihr Töchter Jeruschalajims, bei den Gazellen oder den Hirschkühen auf dem Lande, daß ihr meine Liebe nicht aufstört noch aufwühlt, bis sie selber es mag. Da ist die Stimme meines Geliebten. Siehe, er kommt, über die Berge springt er, über die Hügel hüpft er. Mein Geliebter ist wie ein Gazellenbock oder ein junger Hirsch. Siehe, da steht er hinter der Mauerwand und starrt durchs Fenster und blickt durchs Fenstergitter. Mein Geliebter gibt Antwort und spricht mir zu:
Schelomoh:
Erhebe dich, o meine Geliebte, o meine Schöne, und komm! Sieh, es schwand die Regenzeit, die Schauer vergingen und sind fort. Die Blüten blicken umher auf der Erde, die Zeit ist gekommen, zu hören ist die Turteltaube im Lande. Die Feige hat Knospen entfaltet, die Weinstöcke geben Aroma und stehen in Blüte. Erhebe dich, o meine Geliebte, o meine Schöne, und komm! Meine Taube im Schlupfwinkel, in der Felsspalte, laß mich schauen deine Erscheinung, lauschen deiner Stimme, denn deine Stimme ist süß und deine Erscheinung ist schön. Fangt uns die Füchse, die kleinen Füchse, die die Weinberge uns zerstören, denn unsere Weinberge stehen in Blüte.
Schulammyth:
Mein Geliebter ist mein und ich bin sein, er weidet in den Lilien. Wenn der Tag sich aushaucht und die Schatten fliehen, dann wende dich her und sei gleich einem Gazellenbock, mein Geliebter, oder gleich einem jungen Hirsch auf den Scheidehügeln von Bether. - In der Nacht, in meinem Bett, da schaut ich aus nach dem, den meine Seele liebet. Ich schaute aus nach ihm, ich fand ihn aber nicht. Ich wollte mich erheben und in der Stadt umherstreifen, auf den Plätzen und Straßen Ausschau halten nach dem, den meine Seele liebet. Ich schaute aus nach ihm, ich fand ihn aber nicht. Es fanden und sahen mich die Wachtmänner, die in der Stadt umherstreiften. Sahet ihr den, den meine Seele liebet? Kaum war ich an ihnen vorüber, da fand ich den, den meine Seele liebet. Ich fasse ihn und lasse ihn nicht und bring ihn zu meiner Mutter in der Mutter Haus, in das Zimmer derer, die mich einst empfangen.
Schelomoh:
Ich beschwör euch, ihr Töchter Jeruschalajims, bei den Gazellen oder den Hirschkühen auf dem Lande, daß ihr meine Liebe nicht aufstört noch aufwühlt, bis sie selber es mag. Wer ist sie, die heraufsteigt aus der Wüste, wie eine Säule Rauches, wie Räucherwerk von Myrrhe und Weihrauch und aromatischem Puder des Händlers?
Die Garde Schelomohs:
Rund um den Diwan Schelomohs sind sechzig Mächtige von den Mächtigen Jisraels. Schwerter tragen sie alle, Schwerter, und sind unterrichtet im Kampf. Ein jeder Mann trägt sein Schwert an seiner Seite, gegen den Terror der Nacht. Der König Schelomoh ließ sich eine Sänfte bauen aus Holz vom Libanon: die Säulen sind gefertigt aus Silber, die Stützen aus Gold, die Sitzkissen sind aus rotem Purpur. Geschmückt ist das Innere, liebevoll geschmückt, ihr Töchter Jeruschalajims. Töchter, kommt heraus und schaut, ihr Töchter von Zion, schaut den König Schelomoh mit dem Kranze, mit dem ihn kränzte die Mutter am Tag seiner Hochzeit, am Tage des Jubels seines Herzens!
Schelomoh:
So schön, meine Geliebte, du bist so schön, siehe, sehr schön bist du! Deine Augen unter deinem Schleier sind Tauben. Deine Haare sind eine Herde junger Ziegen, die am Berge Gilad lagern. Deine Elfenbeinzähne sind eine Herde geschorener Schafe, die aus dem Wasser heraufsteigen, schön gepaart, und keines fehlt. Deine Lippen sind eine scharlachrote Linie, dein Mund ist schön. Deine Schläfen unter deinem Schleier sind Scheiben vom Granatapfel. Dein Hals ist wie Davids Turm, Davids, gut gebaut: Waffen und tausend Schilde, Waffen und Schilde der Mächtigen hangen daran. Deine beiden Brüste sind Hirschkühe, sind Gazellen, die in Lilien weiden. Wenn der Tag sich aushaucht und die Schatten fliehen, wandle ich zum Myrrhenberge und zum Weihrauchhügel. Du bist schön, o meine Geliebte, ganz makellos! - Vom Libanon, meine Braut, vom Libanon komm, mit mir vom Libanon, komm herbei vom Gipfel des Amanah, vom Gipfel des Shenyr und Chermon, von den Lagerplätzen der Löwen und den Bergen der Leoparden. Du hast mir geraubt mein Herz, o meine Schwester, o meine Braut, mit einem einzigen Blick, mit einer gewissen Halskette deines Halses. O wie schön ist deine Liebe, meine Schwester, liebe Braut! Dein Lieben ist besser als Wein. Das Aroma deiner Öle übertrifft alle Balsamdüfte. Deine Lippen, liebe Braut, sind tropfender Wabenhonig. Milch und Honig sind auf deiner Zunge. Der Duft deines Kleides duftet wie der Duft des Libanon. O Schwester, o Braut, du bist ein verschlossener Lustgarten, ein verschlossener Brunnen, eine versiegelte Quelle. Deine Pflanzung ist ein Paradies von Granatapfelbäumen mit köstlichen Früchten, Henna und Narde, Narde und Safran, Kalmus und Zimt, Weihrauchsträuchern und Aloe, Myrrhe und allerbestem Balsam. Eine Quelle, eine Welle lebendiger Wasser, die vom Libanon fließen, bist du. Erwache, Nordwind, und komm, du Südwind, und hauch in meinen Garten, daß meine Balsamen tropfen.
Schulammyth:
Mein Geliebter, komm in den Garten und iß die köstlichen Früchte.
Schelomoh:
In den Garten kam ich, liebe Schwester, o Braut, in den Garten. Myrrhe und Balsam pflückt ich, Seim und Waben aß ich, Milch und Süßwein trank ich. - Eßt, meine Lieben, und trinkt, meine Gefährten, und werdet trunken vor Liebe!
Schulammyth:
Schlafend war ich, mein Herz jedoch war wach. Da war die Stimme meines Geliebten:
Schelomoh:
Öffne, meine Geliebte, o Schwester, o Täubchen, o du Vollkommene! Mein Haupt ist voll Nachttau, meine Locken voll Nachttropfen.
Schulammyth:
Mein Unterkleid hab ich schon ausgezogen, sollt ichs wieder anziehn? Meine Füße hab ich schon gebadet, sollt ich sie wieder beschmutzen? - Mein Geliebter streckte seine Hand durchs Loch der Pforte, meine Inneres war sehr aufgewühlt. Ich erhob mich, meinem Geliebten zu öffnen. Meine Hände tropften von Myrrhe am Riegel des Schlosses. Ich öffnete meinem Geliebten, tat ihm auf, da hatte sich abgewandt mein Geliebter, hatte sich abgewandt und war fortgegangen. Meine Seele war außer sich, als er gesprochen. Ich suchte ihn, ich fand ihn aber nicht, ich rief ihn, aber er gab keine Antwort. Mich fanden und schlugen die Wachtmänner, die umherstreiften in der Stadt, sie schlugen mir Wunden, die Wachtmänner auf der Mauer, sie raubten mir meinen Schleier. Ich beschwör euch, ihr Töchter Jeruschalajims: Findet ihr meinen Geliebten, dann erklärt ihm, daß ich elend bin vor Liebe, elend!
Die Töchter Jeruschalajims:
Wie ist dein Geliebter inmitten der Lieben, o du Schönste der Frauen? Wie ist dein Geliebter inmitten der Lieben, daß du uns derart beschwörst?
Schulammyth:
Mein Geliebter ist glühend und frisch, Erster unter Myriaden. Sein Haupt ist reines Gold. Die Locken seines Hauptes sind gelockt wie Dattelrispen und schwarz wie Raben. Seine Augen sind Tauben an Wasserbächen, sie sind in Milch gebadet, sie sitzen am Teichrand. Seine Wangen sind Gartenterrassen, wo Balsam blüht. Seine Lippen sind Lilien, tropfend von fließender Myrrhe. Seine Hände sind goldene Ringe mit gelbem Jaspis. Sein Inneres ist kunstreich geziertes Elfenbein mit eingelegtem Lapislazuli. Seine Beine sind Marmorsäulen auf Fußgestellen aus fein geläutertem Gold. Seine Erscheinung ist wie des Libanons erwählte Zeder. Sein Gaumen ist Süßigkeit, sein Mund begehrenswert. So ist mein Geliebter, mein Geliebter ist so, ihr Töchter Jeruschalajims.
Die Töchter Jeruschalajims:
Wohin ist denn dein Geliebter gegangen, o du Schönste der Frauen? Wohin hat sich dein Geliebter gewandt? Wir suchen ihn mit dir.
Schulammyth:
Mein Geliebter ging hinab zu den Gartenterrassen, zu den Blumenbeeten, zu weiden im Garten und Lilien zu pflücken. Ich bin meines Geliebten und mein Geliebter ist mein, der in den Lilien weidet.
Schelomoh:
Du bist schön, o meine Geliebte, wie Tirzah, herrlich wie Jeruschalajim, mächtig wie Heeresscharen. Wende deine Augen, wende sie ab, sie wühlen mich auf! Deine Haare sind eine Herde junger Ziegen, die am Berge Gilad lagern. Deine Elfenbeinzähne sind eine Herde geschorener Schafe, die aus dem Wasser heraufsteigen, schön gepaart, und keines fehlt. Deine Schläfen unter deinem Schleier sind Scheiben vom Granatapfel. Sechzig Königinnen, achtzig Konkubinen, Jungfraun ohne Zahl - aber Eine ist mein Täubchen, meine Vollkommene, der Mutter reine Tochter, Erwählte ihrer Gebärerin. Töchter sahen sie und lobten sie als Gesegnete, und Königinnen und Konkubinen rühmten sie. Wer ist sie, die niederschaut wie die Morgenröte, milde wie der Mond und rein wie die Sonne und herrlich wie der Sternenscharen?
Schulammyth:
In den Park hinab, in den Nußgarten ging ich, dort zu schauen das frische Grün an den Bächen und ob die Granatapfelbäume blühen und die Weinstöcke treiben. Ich weiß nicht, wie mich meine Seele setzte aufs Triumphgefährt meines willigen Volkes.
Die Töchter Jeruschalajims:
Komm wieder, komm wieder, Schulammyth! Komm wieder, komm wieder, daß wir dich schauen!
Schulammyth:
Was wollt ihr sehen tanzen Schulammyth den Tanz im Lager von Mahanajim?
Die Töchter Jeruschalajims:
Schön sind deine Füße in den Sandalen, Prinzessin! Deine Schenkel biegen sich wie zwei Juwelenspangen, Werke der Hände eines Künstlers. Dein Schoß ist ein runder Kelch, dem nie der Mischwein mangelt. Dein Leib ist ein Weizenbündel, umkränzt von Lilien. Deine beiden Brüste sind zwei Zwillinge von Rehen oder Gazellenkitzen. Dein Hals ist ein Elfenbeinturm. Deine Augen gleichen den Teichen von Heschbon am Tor von Bath Rabbym. Deine Nase gleicht dem Türmchen auf dem Libanon, der sein Antlitz wendet gen Dammaseq. Dein Haupt gleicht dem Karmelberge. Die Haare deines Hauptes sind Purpur, ein König liegt in deinen Locken gefangen.
Schelomoh:
O wie schön und süß bist du, o freudenreiche Liebe! Deine hohe Gestalt gleicht der Dattelpalme. Deine Brüste gleichen den Trauben des Weines. Sprach ich: Die Dattelpalme will ich ersteigen, ihre Rispen fassen. Deine Brüste seien mir Trauben des Weinstocks, der Duft deines Hauches sei mir Duft von Äpfeln und dein Gaumen mir wohlschmeckender Wein, der weich dem Geliebten eingeht, die Lippen des Schlafenden lieblich bewegt.
Schulammyth:
Ich bin meines Geliebten, sein Verlangen ist nach mir. - Komm, Geliebter, wandeln wir aufs Feld und schlafen unter Henna! Früh auf zu den Weinbergen, da zu schauen, ob der Weinstock gedeiht und die Granatapfelbäume blühen. Dort will ich dir Liebe geben. - Die Liebesäpfel geben ihr Aroma. Vor unserm Tor sind viele köstliche Früchte, mein Geliebter, aufbewahrt hab ich dir frische, vorjährige hab ich dir aufbewahrt. - Ach wärest du mein Milchbruder, der am Busen meiner Mutter gesogen! Fänd ich dich draußen, ich wollt dich küssen, und niemand dürfte mich verachten. Ich wollt dich führen und bringen ins Haus meiner Mutter, die mich unterwiesen. Ich wollt dich tränken mit würzigem Wein und dem Süßmost meiner Granatäpfel. - O, sein linker Arm liegt unter meinem Haupt, sein rechter Arm umfängt mich.
Schelomoh:
Ich beschwör euch, ihr Töchter Jeruschalajims, daß ihr meine Liebe nicht aufstört noch aufwühlt, bis  sie selber es mag.
Die Brüder der Schulammyth:
Wer ist sie, die heraufkommt aus der Wüste und sich an den Geliebten anlehnt?
Schelomoh:
Unterm Apfelbaume hab ich dich aufgeweckt: deine Mutter hat dich dort empfangen, deine Mutter hat dich dort empfangen und geboren. Drück mich wie ein Siegel an dein Herz, mich wie ein Siegel an deinen Arm. Liebe ist mächtig wie der Tod, und Eifersucht ist grausam wie die Hölle. Der Liebe Flamme flammt wie eine lichte Flamme Gottes!... Auch viele Wasser können die Liebe nicht auslöschen, noch Ströme sie ertränken. Gäbe ein Mensch auch allen Reichtum seines Hauses für die Liebe, so wär das doch verachtenswert.
Die Brüder der Schulammyth:
Unsere Schwester ist klein und hat noch keinen Busen. Wie sollen wir tun der Schwester, wenn der Tag der Werbung kommt? Ist sie eine Mauer, bauen wir einen silbernen Mauerkranz auf ihr; ist sie eine Pforte, riegeln wir sie zu mit Zedernbalken.
Schulammyth:
Ich bin eine Mauer, meine Brüste sind Rundtürme. Ich ward in seinen Augen eine, die Frieden fand. Schelomoh besitzt einen Weinberg in Baal-Hamon, und er gab den Weinberg an die Gärtner. Jeder Mann bekommt für die Früchte tausend Silbermünzen. Mein Weinberg ist vor mir. Dir, Schelomoh, tausend Silbermünzen; zweihundert den Gärtnern der Früchte.
Schelomoh:
Im Garten Wohnende, lauschen laß mich deiner Stimme, auch die Gefährten hören auf sie.
Schulammyth:
Eile, mein Geliebter, und sei wie ein Gazellenbock oder ein junger Hirsch auf den Balsambergen!

LAMENTATIONEN
 
I
 
1) Wie sitzt die Stadt in Einsamkeit! Sie hatte einst viel Volk, jetzt gleicht sie einer Witwe. Groß war sie inmitten der Völker, eine Prinzessin vieler Provinzen, doch nun ist sie versklavt.
2) Sie weint in den Nächten, Tränen strömen über ihre Wangen. Keiner ihrer Geliebten tröstet sie. Ihre Freunde sind verräterische Feinde geworden.
3) Jehuda ging in die Gefangenschaft der Misere und schwerer Arbeit. Sie wohnt inmitten der Völker und findet keine Ruhe. Die ihr nachjagen, holen sie ein und fügen ihr elende Schmerzen zu.
4) Es weinen die Wege von Zion. Niemand kommt mehr zur Versammlung. Trostlos traurig sind ihre Tore. Ihre Priester seufzen. Ihre Jungfraun jammern. Ah, sie ist sehr bitter!
5) Ihre Unterdrücker sind auf dem Gipfel ihrer Macht, ihre Feinde haben Erfolg. Wegen der Menge ihrer Rebellionen hat Jahwe sie traurig gemacht. Ihre Kinder mußten in die feindliche Gefangenschaft gehen.
6) Der Tochter Zion ist genommen alle Glorie. Ihre Prinzen sind wie Hirsche, die nicht mehr die Weide finden. Sie müssen vor dem Verfolger hergehn ohne Kraft.
7) Jeruschalajim denkt in diesen Tagen an ihre Heimsuchung und Ruhelosigkeit, sie erinnert sich daran, wieviel begehrenswerte Kostbarkeiten aus des Altertums Tagen sie hatte, aber nun ist niedergeschlagen ihr Volk und in der Hand der Hasser, und niemand hilft ihr mehr. Ihre Feinde schauen auf sie herab und spotten über ihr Vernichtetsein.
8) Jeruschalajim sündigte Sünden, sie ist eine Unreine. Die sie verehrten, verachten sie jetzt, sie sehen jetzt ihre beschämende Nacktheit. Sie seufzt und wendet sich ab.
9) Ihre Unreinheit klebt an ihrem Rock. Sie bedachte nicht ihr Ende, es ist ja auch zu wunderbar. Sie ist niedergesunken und hat keinen Tröster. Ah weh, Jahwe, sieh auf meine Misere! Der Feind ist zu mächtig.
10) Der Unterdrücker hat ausgebreitet seine Hände über alle ihre begehrenswerten Kostbarkeiten. Sie mußte zusehen, wie die Heiden in ihr Heiligtum eintraten, obwohl du geboten, daß diese nicht treten dürften in die Versammlung.
11) Ihr Volk seufzt sehr und verlangt nach Speise. Es gibt seine Kostbarkeiten für Fleisch her, die Seele damit zu stärken. Ah weh, Jahwe, sieh und gewahre, wie wertlos ich wurde!
12) Ist es denn garnichts für euch, die ihr die Wege vorüberzieht? Seht und betrachtet, ob da ein Schmerz ist wie mein Schmerz, der auf mich geworfen wurde! Ich machte Jahwe traurig am Tage seines brennenden Zornes.
13) Ein Feuer der Höhe sandte er in meine Gebeine und ließ es darin herrschen. Er breitete meinen Füßen ein Fangnetz aus, er hat mir den Rücken zugewandt. Trostlose Traurigkeit gab er mir. Täglich werde ich matter.
14) Meine Rebellion ist gebunden worden von seiner Hand und als Schlinge an meinen Hals gekommen. Es taumelte meine Kraft. Der Herr hat seine Hand an mich gelegt, ich kann nicht mehr aufstehn.
15) Der Herr hat niedergetreten alle Mächtigen in meiner Mitte. Eine Vereinigung hat er gegen mich einberufen, meine Jugend zu vernichten. Der Herr hat die Jungfrau, die Tochter Jehuda, zertreten wie in einer Kelter.
16) Das beweine ich, und aus Auge und Auge strömen mir Wasser nieder, denn der Tröster, der meiner Seele Linderung verschaffen könnte, ist fern. Meine Söhne sind trostlos traurig. Es herrscht der Feind.
17) Zion breitet ihre Hände aus, doch ist kein Tröster da. Jahwe hat rings um Jaaqob den Unterdrückern geboten: Jeruschalajim soll sein wie eine Unreine mitten unter ihnen.
18) Jahwe ist gerecht. Ich aber rebellierte gegen seinen Mund. Hört, ihr Völker, und seht an meinen Schmerz! Jungfraun und Jünglinge gingen in die Gefangenschaft.
19) Meine Geliebten rief ich, sie aber betrogen mich. Meine Priester und Ältesten in der Stadt sind dem Tode nah; sie suchen Speise, die Seele zu stärken.
20) Ah weh, Jahwe! Sieh, ich leide Qual! Meine Eingeweide brennen, mein Herz windet sich bitter in meiner Mitte. Ich war so rebellisch, daß draußen das Schwert und drinnen im Haus das Sterben mich meiner Kinder beraubt.
21) Sie hören, wie ich seufze, und trösten mich nicht. Meine Feinde hören von meiner Misere und jubeln. Das hast du getan. Laß kommen den Tag, den du ausgerufen, so wird es ihnen werden wie mir.
22) Laß ihr Böses vor dein Angesicht kommen und handle an ihnen so, wie du an mir gehandelt wegen meiner Rebellion. Meiner Seufzer sind viele, und matt ist mein Herz.
 
II
 
1) O wie hat der Herr die Tochter Zion mit Zorn bewölkt! Er hat niedergeschmettert die Schönheit Jisraels vom Himmel auf die Erde, er hat nicht mehr gedacht der Fußbank seiner Füße in der Zeit seines Zornes!
2) Der Herr hat jeden Wohnsitz Jaaqobs ohne Mitleid zerstört, er hat der Tochter Jehuda alle Hochburgen ruiniert und sie in Rage zerschmissen! Er entweihte den König und die Prinzen des Landes.
3) Alle Krafthörner Jisraels hat er in seinem brennenden Zorn zerschlagen. Er hat seine rechte Hand auf den Rücken gewandt vor dem Feind und in Jaaqob Flammenspitzen des Feuers angezündet, die fressen im Umkreis umher.
4) Er hat den Bogen gespannt wie ein Feind, seinen rechten Arm erhoben wie ein Gegner und alles geschlagen, was den Augen begehrenswert war, und seine heiße Rage wie Feuerflammen ausgeschüttet im Zelt der Tochter Zion.
5) Der Herr ist wie ein Feind geworden, und Jisrael ist vernichtet. Er hat vernichtet ihre Zitadellen und zerstört die Festungen. Er hat der Tochter Jehuda Klagen und Kummer in Menge bereitet.
6) Er hat sein Tabernakel zerwühlt wie einen Garten und sein Versammlungszelt zerstört. Jahwe hat in Zion Festversammlung und Shabbat in Vergessenheit geraten lassen. In seinem Zorn und Ärger verachtete er den König und die Priester.
7) Der Herr hat seinen Altar beiseite getan, sein Heiligtum verabscheut er. Die Mauern ihrer Burgen hat er den Händen der Feinde ausgeliefert. Im Tempel Jahwe’s erklangen ihre Stimmen wie an Tagen der Festversammlung.
8) Jahwe plante, die Mauern der Tochter Zion zu runinieren. Er hat die Meßschnur gespannt. Er hat seine Hand nicht abgewandt, bis er sie verschlungen hatte. Die Festungswälle lamentieren zusammen, und die Burgmauern sind zu schwach.
9) Ihre Tore sanken in den Grund, ihre Riegel hat er zerbrochen und zerstört. Ihr König und ihre Prinzen sind unter den Völkern, wo sie die Torah nicht finden. Ihre Propheten empfangen keine Visionen mehr von Jahwe.
10) Die Alten der Tochter Zion sitzen verstummt auf dem Grund, sie werfen sich Staub auf die Häupter und haben gegürtet ihr Sackleinen. Die Jungfraun von Jeruschalajim lassen die Köpfe hängen zur Erde.
11) Tränen erfüllen meine Augen. Meine inneren Organe sind sehr aufgewühlt, meine Leber ist ausgeschüttet auf die Erde wegen des Zerbruchs der Tochter meines Volkes, da die Säuglinge und die Kinder auf den Plätzen von Schwäche überwältigt sind.
12) Ihren Müttern sagen sie: Wo ist Speise, wo ist Trank? Auf den Plätzen der Stadt sind sie von Schwäche überwältigt wie tödlich Verwundete, an den Brüsten ihrer Mütter schütten sie ihre Seelen aus.
13) O Tochter Jeruschalajim, womit soll ich dich vergleichen? Was soll ich dir bezeugen? O Jungfrau, Tochter Zion, wem bist du gleich? Womit soll ich dich trösten? Dein Zerbruch ist riesig wie ein brüllendes Meer. Und wer wird dich heilen?
14) Deine Propheten schauten dir Hohles und Geschmackloses, sie haben dir deine Verkehrtheit nicht entdeckt. Doch damit hätten sie abgewendet deine Gefangenschaft. Aber sie schauten dir nichtige Sprüche über deine Lasten und deine Verbannung.
15) Die Vorübergehenden schlagen die Hände zusammen über dich, pfeifen dir nach, die Köpfe schüttelnd über die Tochter Jeruschalajim: Ist dies die Stadt, die man nennt: die vollkommene Schönheit, die Freude der ganzen Erde?
16) Alle deine Feinde zerreißen sich das Maul über dich und pfeifen dir nach und knirschen mit den Zähnen und sprechen: Ha, wir fraßen sie! In der Tat ist dies der Tag, auf den wir gewartet, wir haben ihn gefunden und erblickt!
17) Jahwe vollbrachte seinen Plan. Er hat sein Wort, daß er in alten Zeiten angeordnet, vollbracht. Ohne Mitleid riß er nieder. Er ließ den Feind sich freuen über dich und hat das gewaltige Horn deiner Heimsuchung hoch erhoben.
18) Ihr Herz schreit laut zum Herrn. O Mauer der Tochter Zion, laß am Tag und in der Nacht die Schauer von Trauertränen niederströmen wie eines Stromes Fluten, gib nicht Ruh und laß nicht einhalten deine Augäpfel!
19) Erhebe dich in der Nacht und weheklage und schütte dein Herz wie Wasser aus vor dem Herrn zu Beginn der Nachtwache. Hebe deine Hände zu ihm auf für die Seelen deiner Kinder, die von Hunger überwältigt sind an den oberen Straßen.
20) O Jahwe, schau und gewahre, wen du mit so strenger Härte behandeltest! Sollen denn die Frauen ihre Leibesfrüchte fressen, die Kinder ihrer zarten Fürsorge? Sollen Propheten und Priester denn im Heiligtum des Herrn ermordet werden?
21) In den Straßen, auf dem Boden liegen Jünglinge und Alte darnieder. Meine Jungfraun und jungen Männer sind durchs Schwert gefallen. Du, du mordetest in der Zeit deines Zornes und hast niedergemetzelt ohne Mitleid!
22) Du hast den Terror im Umkreis aufgerufen wie zu Festzeiten, und niemand ist in den Zeiten des Zornes Jahwe’s entkommen oder überlebte. Die ich auf den Händen getragen und erzogen habe, die hat der Feind verschlungen.
 
III
 
1) Ich bin der elende Mann, der die Rute Seiner überwallenden Rage sah.
2) Er führte mich und ließ mich gehen in die Dunkelheit und nicht ins Licht.
3) Er wandte seine Hand gegen mich Tag für Tag.
4) Mein Fleisch und meine Haut ließ er altern, und meine Knochen brach er mir.
5) Bitternis schuf er, und Härte schlug mich von allen Seiten.
6) Im Dunkeln ließ er mich wohnen wie schon lang Gestorbene.
7) Mauern zog er auf gegen mich, daß ich nicht heraus kann, er hat mich mit Eisenketten beschwert.
8) Wenn ich auch schreie und brülle, verschließt er sich doch meinem Gebet.
9) Meine Wege verbaute er mit geschlagenen Quadern und hat den Pfad meiner Füße verwirrt.
10) Er lag im Hinterhalt wie ein Bär und wie ein Löwe im Verborgenen.
11) Er hat mich abseitige Wege wandeln lassen, er hat mich zerrissen und trostlos traurig gemacht.
12) Er hat seinen Bogen gespannt und mich zum Ziel seiner Pfeile gemacht.
13) Die Köcherkinder ließ er in meine Nieren dringen.
14) Ein Gelächter bin ich den Leuten und jeden Tag ihr Spottlied.
15) Mit Bitternis hat er mich gesättigt und mit Wermut getränkt.
16) Meine Zähne hat er zu Schotter zermalmt. Er trat mich in die Asche.
17) Der Friede verwarf meine Seele. Ich hab alles Schöne vergessen.
18) Da rief ich: Vergangen ist mein Leben und zunichte meine Hoffnung auf Jahwe.
19) Mach dir doch bewußt, wie elend und ruhelos ich bin, gedenke des Schierlingsbechers und des Schlangengifts!
20) Niedergesunken ist meine Seele.
21) Aber mein Herz wandte sich zur Hoffnung.
22) Das ist doch die Freundlichkeit Jahwe’s, daß wir noch nicht ganz am Ende sind.
23) Sein Schoß ist erfüllt von Barmherzigkeit, die ist jede Morgenröte frisch, und seine Treue ist gewiß.
24) Jahwe ist mein Anteil, spricht meine Seele, und ihn will ich erwarten.
25) Jahwe ist gut dem, der auf ihn wartet, und der Seele, die ihn sucht.
26) Es ist schön, Hoffnung zu haben, mit sehnsüchtiger Erwartung in aller Stille, auf Jahwe’s Erlösung.
27) Es ist gut für einen Mann, in seiner Jugend sein Joch zu tragen,
28) dem isoliert Wohnenden, stille zu sein, wenn er etwas zu tragen hat.
29) Er lege seinen Mund in den Staub. Mag sein, da ist Hoffnung.
30) Er lasse sich Ohrfeigen geben und sich mit Vorwürfen sättigen.
31) Der Herr verbirgt sich nicht für immer.
32) Er mutet wohl Trübsal zu, aber er liebt auch innig mit dem Reichtum seiner Güte.
33) Nicht von Herzen knickt er die Menschen und betrübt sie.
34) Daß man die Gefangenen des Landes mit Füßen tritt
35) und das Recht eines Mannes beugt im Angesicht des Allerhöchsten
36) und eines Mannes Disput verwirft: sollte das der Herr nicht sehen?
37) Wer sprach und es geschah, ohne die Worte des Herrn?
38) Das Unheil und das Gute, kommt es denn nicht hervor aus dem Munde des Allerhöchsten?
39) Was beschweren sich die Menschen über ihr Leben? Klage über seine Sünde der Mann!
40) Laßt uns untersuchen und erforschen unsre Wege, daß wir umkehren zu Jahwe.
41) Herz und Hände laßt uns erheben zu Gott im Himmel!
42) Wir revoltierten und rebellierten, und du hast uns nicht entschuldigt,
43) sondern überschattet mit Zorn und verfolgt und ohne Mitleid geschlagen.
44) Mit Wolken hast du uns überschattet, und kein Gebet drang hindurch.
45) Du hast uns zu Ausscheidung und Auswurf gemacht inmitten der Völker.
46) Unsre Feinde zerreißen sich das Maul über uns.
47) Ruin! Zerbruch! Terror! Gräber!
48) Meinen Augen entstürzen Wasserbäche über den Zerbruch der Tochter meines Volkes.
49) Meine Augen quellen über ohne Aufhören, und es ist kein Halten mehr,
50) bis Jahwe vom Himmel niederschaut und sieht uns wieder an.
51) Meine Augen quälen meine Seele wegen der Töchter meiner Stadt.
52) Die Feinde haben mich wegen nichts gejagt wie einen Sperling.
53) Mein Leben haben sie fast in der Grube zuendegebracht und Steine auf mich geworfen.
54) Sie haben mein Haupt mit Wassern überflutet, daß ich rief: Ah, ich bin entzwei!
55) Da rief ich deinen Namen an, Jahwe, aus der Tiefe der Grube.
56) Und du hörtest meine Stimme. Verschließe deine Ohren nicht meinem hilferufenden Atmen!
57) Du kamst mir nah in der Zeit, da ich dich rief, und sprachest: Hab keine Angst!
58) Du bemühtest dich, Herr, um den Streit meiner Seele und erlöstest mein Leben.
59) Sieh, Jahwe, den Sturz meines Rechts, und schaffe mir Gerechtigkeit.
60) Sieh an ihre Pläne und Rachetaten gegen mich,
61) Jahwe, und höre ihre Schandreden und Gedanken über mich,
62) die Lippen derer, die sich gegen mich erheben, und merke auf ihre Künste gegen mich alle Tage.
63) Schau, wenn sie sitzen oder aufstehn, singen sie Spottlieder über mich.
64) Wende dich, Jahwe, und vergelte ihnen nach den Taten ihrer Hände.
65) Gib ihnen Blindheit des Herzens und deinen Fluch!
66) Verfolge sie mit Zorn und zernichte sie unter dem Himmel, Jahwe!
 
IV
 
1) Das Gold ist schwarz geworden, das Reingold hat sich gewandelt. Die Steine des Heiligtums wurden in die Gosse geworfen.
2) Die wertgeschätzten Kinder Zion, aufgewogen sonst mit geläutertem Golde, sind nun den Tontöpfen gleichgeachtet, den Werken der Arbeiterhände.
3) Auch Schakale säugen ihre Brut an ihren Brüsten, und die Tochter meines Volkes soll grausam sein wie ein Strauß der Wüste?
4) Dem Säugling hängt die Zunge aus dem Munde vor Durst, und die Kinder betteln um Brot, doch niemand teilt es ihnen aus.
5) Die einst Leckerbissen speisten, liegen nun trostlos in der Gosse. Die einst Scharlachstoffe trugen, liegen jetzt im Mist.
6) Die Perversion der Tochter meines Volkes ist schlimmer als die Sünde Sodoms, das in Einem Augenblick überwältigt ward, und es rührte sich keine Hand.
7) Ihre Geweihten waren reiner als Schnee und weißer als Milch, ihre Glieder waren röter als Rubine, ihr auserlesener Schmuck Saphire.
8) Nun aber ist ihre Gestalt ganz schwarz vor Finsternis, und keiner erkennt sie mehr in der Gosse. Ihre Haut schrumpelt an ihren Knochen, vertrocknet wie ein Galgenbalken.
9) Den vom Schwert Geschlagenen gings besser als den vom Hunger Geschlagenen und jenen, die verschmachteten und durchbohrt wurden vom Mangel an Feldfrucht.
10) Die Hände einst barmherziger Frauen kochten ihre Kinder, um sie zu fressen mitten im Ruin der Tochter meines Volkes.
11) Jahwe hat seine Rage vollendet, er hat seinen glühenden Zorn ausgeschüttet und in Zion ein Feuer gelegt, das auch die Fundamente fraß.
12) Die Könige der Erde hätten es nicht geglaubt und nicht die Weltbewohner, daß der Feind und Gegner durchs Tor Jeruschalajims kommen würde.
13) Wegen der Sünden der Propheten und der Priester Verkehrtheiten geschah es, die inmitten der Stadt das Blut der Gerechten vergossen.
14) Sie irrten zitternd durch die Gassen wie Blinde, mit Blut besudelt, daß man ihre Kleidung nicht berühren mochte.
15) Man rief: Weg mit euch, Unreine, weg mit euch, und fasst nichts an! Sie flohen und irrten umher, da sprach man bei den Völkern: Sie sollen nicht länger bleiben!
16) Jahwe’s Angesicht hat sie vertrieben, er wollte sie nicht mehr sehen. Die Priester mochte man nicht mehr ertragen, und mit den Alten hatte man keine Barmherzigkeit mehr.
17) Unsre Augen schmachteten, aber nach nichtiger Hilfe. Wir hielten Ausschau wie Wachtürme, aber nach einem Volk, das uns nicht retten wird.
18) Man jagte unsern Schritten nach, und wir durften nicht auf unsern Marktplätzen wandeln. Da nahte unser Ende, die Zeit war erfüllt, unser Ende war nah herbeigekommen.
19) Die uns verfolgten, waren schneller als Geier am Himmel. Im Gebirge jagten sie uns und lauerten uns auf in der Wüste.
20) Unser Atem, der Messias Jahwe’s, ward gefangen genommen von der Grube.- Wir sprachen: In seinem Schatten wollen wir leben inmitten der Völker.-
21) Jauchze und sei fröhlich, du Tochter Edom, Bewohnerin des waldigen Landes Uz: Der Becher wird zu dir kommen, und du wirst werden trunken und entkleidet!
22) Aber deine Verkehrtheit wird ein Ende haben, o Tochter Zion, und er wird dich nicht länger führen ins Exil. Aber du Tochter Edom, deine Perversität wird er heimsuchen und wird deine Sünden bloßstellen.
 
V
 
1) Denke daran, Jahwe, wie es uns geht. Schau und sieh unsre Schande an.
2) Unser Erbbesitz ward den Fremden zugewendet und unsre Häuser den Unbekannten.
3) Wir sind Waisen und ohne Väter, unsre Mütter sind Witwen.
4) Wasser trinken dürfen wir nur gegen Schekel, Holz kommt nur gegen Geld.
5) Unsre Verfolger sind uns im Nacken. Haben wir uns müd gearbeitet, gibt es doch keine Ruhe.
6) Wir mussten Mizraim und Aschur die Hand geben, damit wir bekämen Brot zum Sattwerden.
7) Unsre Väter sind fehlgegangen und wurden zu Nichts. Wir müssen nun ihre Verkehrtheiten tragen.
8) Sklaven beherrschen uns, und niemand zerschlägt ihnen die Hände.
9) Wir holen unser Brot unter Lebensgefahr, im Angesicht der Schwerter in der Wüste.
10) Unsre Haut glüht wie im Feuerofen vor brennendem Hunger.
11) Sie haben die Frauen in Zion unterdrückt und die Jungfraun in den Städten Jehudas.
12) Die Prinzen wurden von ihrer Hand gehängt, die alten Menschen wurden nicht geachtet.
13) Junge Männer mußten Mühlsteine schleppen, und die Knaben sollten stolpern beim Holztragen.
14) Es sitzen die Alten nicht mehr in Ruhe im Tor, die Jünglinge nicht mehr bei den Musikinstrumenten.
15) Die Freude in unsern Herzen ist verschwunden, unsre Tänze sind zu Trauerritualen geworden.
16) Die Krone unsres Hauptes ist gefallen. Ah weh, wir sündigten so!
17) Unser Herz ist krank, unsre Augen dunkel geworden
18) wegen des Berges Zion, der desolat ist, und über den die Schakale laufen.
19) Aber du, Jahwe, du thronst ewig auf deinem Thron, von Epoche zu Epoche,
20) willst du uns für immer vergessen und uns unser Leben lang verlassen sein lassen?
21) Bring uns, Jahwe, wieder zu dir und laß uns heimkehren. Ja, erneuere unsre Zeit wie einst.
22) Oder verachtest du uns und zürnest du über uns zu sehr?
 
[Inhalt]


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