Dersim und seine Religion

Die Region Dersim ist eine fast auschließlich alevitische (auch Kýzýlbaþ genannt) Region.

Die Aleviten stellen gegenüber den orthodoxen Sunniten mit ca. 20% der ca. 65 Millionen Moslems in der Türkei eine Minderheit dar. Sie berufen sich auf die direkte Nachfolge von Ali, dem Schwiegersohn Mohammeds, sind aber in ihrem gelebten Glauben nicht mit den orthodoxen Schiiten in Iran und den Sunniten in der Türkei vergleichbar. Sie lehnen sowohl die Sunna als auch die Scheria, das islamische Rechtssystem, ab und zelebrieren ihre religiöse Rituale und Zusammenkünfte in Cems, nicht in Moscheen.

Das Alevitentum in Dersim ist eine Sonderentwicklung der moslemischen Welt. Dersim hat sich in seiner recht unzugänglichen Bergregion eine Religion erhalten und ausgeprägt, die eine Mischung aus altiranischen, altanatolischen, alttestamentarischen, christlichen und islamischen Elementen darstellt. Der alevitische Glaube in Dersim zentriert sich nicht um das islamische heilige Buch Koran und die Einhaltung ritualisierter Verehrungsformen, sondern um in dem Gebiet existierende heilige Orte und dort lebende heilige Männer und Frauen. Die religiösen Feste und Rituale werden mit Tanz, Liedern und Predigten in Privathäusern von Seyits (Priester) und heiligen Orte abgehalten. Die Dersimer sind in ihrem Alevitentum mystisch aber haben gegen die islamischen Orthodoxie häretische Tendenzen.

Aleviten verehren zwar Gott, aber nicht im Sinne einer bestimmten Person. Nach alevitischem Glauben ist Gott nicht vom Universum zu trennen. Menschen, Tiere und Pflanzen sind Produkte des Universums, der Natur, des Gottes. Die Aleviten glauben an den Menschen, an seine Entwicklung zur Vollkommenheit, an die Gesellschaft der Menschen und verehren alles Lebendige des Universums. Ein Baum oder Stein können beispielsweise als Produkte der Natur heilige Plätze des Gebets und der Besinnung sein. Z. B. ist der Berg und große Felsen ”Kemerê Býmbareki” (Heiliger Stein), auch ”Duzgýn Bava” (Vater Duzgýn) genannt, ein heiliger Pilgerort für Dersims Aleviten. Die grundlegende Glaubensvorstellung der Aleviten besagt, daß jedes Mitglied der alevitischen Gemeinschaft ”Herr seiner Hände, seiner Zunge und Lenden” sein soll.

Seiner Hände Herr zu sein, bedeutet alevitischem Glauben nach, nicht zu stehlen und zu töten, sondern für sich und das Wohl der Gemeinschaft zu arbeiten.

Herr der Zunge zu sein, bedeutet vor allem, niemanden zu beleidigen und die eigenen Worte so zu wählen, daß das Wohlbefinden aller Anwesenden gefördert wird.

Herr der Lende zu sein, heißt, daß jeder Mann -im Unterschied zum Islam- nur mit einer Frau verheiratet sein dürfe. Der Islam erlaubt z.B. jedem Mann das Heiraten von 4 Frauen.

Im Cem (Religiöse Zusammenkunft) spiegelt sich alevitischer Glauben, Kultur und Philosophie. Cem wird in Privat-Häusern gehalten. Seitdem es in der letzten Zeit Cem-Häuser gibt, werden sie in Cem-Häusern gehalten. Das religiöse Oberhaupt, Pir, predigt und informiert die versammelten Menschen über die soziale, politische und die religiöse Lage der Gesellschaft. Die Probleme der Kommune, der Menschen untereinander werden öffentlich diskutiert. Jeder Mensch, der zur Cem kommt, bringt etwas zum Essen mit. Das Essen wird in einer Ecke gesammelt. Bei dem Cem-Ritual wird getanzt und gesungen. Nach dem Ritual, wird das Essen -ohne Ansehen auf gesellschaftlichen Rang und Stellung- zwischen den Versammelten gleichmäßig verteilt. Jedes Mitglied, jedes Kind, jede Frau und jeder Mann, alle, werden gefragt, ob sie mit dem, was sie bekommen haben, zufrieden sind. Erst, wenn alle zufrieden sind, wird gegessen. Hierin drückt sich die grundlegende Basis des alevitischen Glaubens aus. Die Philosophie dieses Glaubens ist die Gerechtigkeit und Gleichberechtigung. Im Unterschied zum Islam versammeln sich Männer wie Frauen zu Cems. Das Trinken von Wein ist beim Cem-Ritual erlaubt, während im Islam der Genuß von Alkohl verboten ist.

L. Molyneux-Seel, der Ende des 19. Jahrhunderts in Dersim recherchierte und Reiseberichte schrieb, schrieb in seinem Geographical Journal in Dersim folgendes: ”Die Kýzýlbas` lehnen den Begriff Islam ab. Sie bezeichnen mit diesem Begriff den verhassten Türken. Dersimer nennen sich ”Children of the True Path” (Gerçek Yolun Çocuklarý. Die religiöse Hierarchie der Kýzýlbas in Dersim ist folgende: Seyid (Pir) (Priest), Mürþid (Bishop).” Die Aleviten in Dersim glauben an 12 Imame (etwa vergleichbar mit den 12 Aposteln) : Hasan und Hüseyin, Abbas, Zeynel Abidin, Bakir, Cafer, Kassem, Rýza, Ali Askar, Ali Kebar, Kazým, Meit-i.

Die Aleviten haben kein heiliges Buch. Das heilige Buch Koran finden sie zu dogmatisch und ideologisch und von sunnitischen und schiitischen Moslems verfälscht. Die Weisungen Gottes werden von Seyit und Pir verbal weitergegeben.

Die religiösen Feste, wie Hýzýr Fest, Gagand (das armenische Neujahrsfest, bzw. Weihnachten) und Heftemal, sind wichtige Feste in Dersim.

Dersimer verehren neben Xýzýr (Gott) Adem, Noah, Abraham, Jesus, Muhammed und Ali als Propheten. Dabei nimmt Ali eine besondere Stellung ein. Die armenischen Kirchen gelten ebenfalls als heilige Orte, die auch besucht


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