Legitimierung des Illegalen

von Prof. Dr. E. Leibfried, Universität. Gießen

Caroline Hanken: Vom König geküßt. Das Leben der großen Mätressen.Aus dem Niederländischen von Christiane Kuby. Berlin: Berlin-Verlag, 2. Aufl. 1998. 280 S.

Man darf nicht allzu viel etwa soziologisch-politologische Theorie erwarten; aber auch Bettgeschichten aus dem voyeuristischen Blickwinkel fehlen. So findet man eine Darstellung, die in Holland schnell zum Bestseller wurde, der in guter Weise unterhält. Spannend etwa ist, wie die Institution der Mätresse im christlichen Abendland aus derZone des Verbotenen - auch dem König Versagten - (weil die Monogamie theologisch allein abgesegnet war) zu einer öffentlichen Angelegenheit werden konnte. Ein Moment in diesem noch gar nicht genau genug beschriebenen Prozeß der Legitimierung des Illegalen war auch die Reaktion der jeweiligen Ehefrau/Gemahlin. Dort, wo sie tolerierte, konnte sich die Liaison leichter ausleben.

So war das auch im Weimar Goethes, wo die Herzogin Luisedie Mätressenwirtschaft ihres Mannes mit unveränderter Miene stoisch wahrnahm. Von heute aus gesehen wird manbeachten müssen (was feministisch zum Ärgernis wird), daß die Ehefrau oft froh war, wenn sie verschont wurde,ansonsten aber ihr gesellschaftliches Renommee behielt und ihr eigenes selbstbestimmtes Leben führen konnte. Sie durfte sich, nach Ablieferung ihrer Lebensarbeit in Form von Kindern, beruhigt zur Ruhe setzen. Liebe zu machenwar in früheren Zeiten nicht ganz unproblematisch und Schwangerschaft ein hohes Risiko. Problematisch konnte esauch werden, wenn die als Mätresse Begehrte schon als Ehefrau fungierte und der Ehemann in quasi altmodischerManier mit ihrem (modernen) Fremdgehen nicht einverstanden war.

Immer aber lag der Klerus auf der Lauer und machte den galanten Galanen ein schlechtes Gewissen. Imkatholischen Raum haben die Beichtväter gute Noten in Theologie; so wußten sie, daß dieses Leben demmoralischen Dogma der Kirche zuwiderlief. Sie sagten das auch ihren Beichtkindern, halfen aber oft mit, vertretbareLösungen zu finden (etwa indem sie eine längere Verbannung der Schönen aus der Gunst des Machos durchsetzen:ihre Rückkehr konnte leicht als Rückfall begriffen werden, der nach angemessener Zeit neuer Vergebung fähig war.Denn man wußte, daß im Himmel mehr Freude ist über einen Sünder, der Buße tut, denn über 99 Gerechte). Das alles hat Caroline Hanken materialreich entfaltet und zum genußvollen Lesen ausgebreitet. Die Übersetzung ist frei von Niederlandismen, so daß sie sich wie ein Original liest. Eines der Bücher, die man mit auf die Insel nimmt.

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