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DER TOD DES GENERALMAJORS WILHELM VON LOTTERER

Lotterer, Wilhelm von, * 15.02.1857 in Achalm bei Reutlingen, + 04.03.1916 im Lazarett Montmédy.

Der am 15. Februar 1857 in Achalm bei Reutlingen geborene Generalmajor Wilhelm von Lotterer war Kommandeur der 5. Feldartillerie-Brigade und gehörte der Brandenburgischen 5. Infanterie-Division (III. Armeekorps) an. Er wurde am 3. März 1916 im Fort Douaumont schwer verwundet und starb einen Tag später in Montmédy.

Der Artilleriefachmann hatte sich bereits sehr früh etwas zur Aufgabe gesetzt. Er forderte und praktizierte die enge Zusammenarbeit zwischen Artillerie und Infanterie. Nur eine intensive Zusammenarbeit beider Waffen konnte eine erfolgversprechende Aufgabenlösung bewirken. Ziel war, dass die Artillerie, gerade zu Beginn der Materialschlachten, nicht mehr nach starren Planquatraten schoß, sondern mehr auf die Bedürfnisse der Infanterie und den damit gegebenen momentanen Situationen reagierte. Eine markante Besonderheit in dieser stillschweigenden Union zwischen Artillerie und Infanterie war die gemeinsame Unterbringung der entsprechenden höheren Stäbe an den einzelnen Einsatzorten. Dieses Miteinander ergab bereits im Vorfeld von Kampfhandlungen eine ausgewogene Strategie der beiden Waffenarten. Und bei der Umsetzung dieser Taktik spielte von Lotterer eine besondere Rolle.

Hauptmann Mende, Generalstabsoffizier der 5. Infanterie-Division, beschrieb seine Person folgendermaßen: Eine schlanke, große, militärische Erscheinung, ein energisches, kluges Gesicht, ein paar Augen voller Herzensgüte.

General von Lotterer war ein gern gesehener Mann unter seinen Leuten. Nicht nur die eigenen Artilleristen schätzten ihn, sondern auch insbesondere die Infanteristen. Er hatte immer ein paar aufmunternde Worte oder Aufmerksam- keiten in Form von Zigaretten oder Zigarren zur Hand. Fast ständig war er vor Ort, um die Lage zu erkunden und persönliche Weisungen an seine Batterie- führer weiterzugeben. Seine häufige Anwesenheit im vorderen Frontbereich stärkte die Moral der Infanteristen. Lotterer beobachtete selbst, erkundigte sich nach der Wirkung seiner Abteilungen und nach den Belangen der Infanterie, um diese weiter effektiv zu unterstützen. Auf diese Weise wurden manche schwierige Situationen frühzeitig erkannt und sofort entsprechende Maßnahmen eingeleitet. Der Ausspruch: Der General von Lotterer mit seiner Artillerie wird schon helfen, war ein vielzitierter Satz der Infanteristen.  

Sein damaliger Ordonnanzoffizier, Leutnant Holzhausen, berichtete zur Tätigkeit des Generals: [...] Viel Ruhe gab es bei dem General, der mit Recht als einer der tätigsten und vorbildlichsten Generale genannt wird, nicht. Seine Hauptaufgabe sah er in der dauernden Verbindung mit der Infanterie. Dauernd befand er sich in der vordersten Linie, nicht nur bei seinen Batterien, sondern auch in den vordersten Gräben, bei der Infanterie, um hier zu erfahren, wo die Artillerie-Unterstützung am notwendigsten war. Jedes eigene Grabenstückchen wie auch jedes beim Feinde einigermaßen einzusehende Gelände war dem General genau bekannt. Mehrere Male habe ich mit dem General nächtliche Patrouillen der Infanterie begleitet. Bei solchen Unternehmungen wollte der General sich im Morgengrauen über Einzelheiten beim Gegner unterrichten. Gleichgültig gegen jede Gefahr, war er auch beim heftigsten Feuer vorn. Deshalb genoß er bei seiner Artillerie wie auch bei der Infanterie so großes Vertrauen und Ansehen.

Mitte Januar 1916 verließ der Stab der 5. Feldartillerie-Brigade die bisherigen Quartiere in der Champagne mit unbestimmtem Ziel. Die Weisung lautete: ‚Zur Besonderungen Verwendung’. Das Ziel war der Raum nördlich Verdun.

Anfang Februar trafen auch die zur Brigade gehörenden Feldartillerie-Regimenter 18 und 54, ebenfalls aus der Champagne kommend, im Aufmarschgebiet ein. Die einzelnen Batterien gingen nördlich und nordwestlich der Ortschaft Azannes in Stellung.

Am 21. Februar 1916 begann der deutsche Angriff auf Verdun mit einem massiven Feuerschlag der Artillerie. Ab der Mittagszeit beteiligten sich auch die Feldkanonen der Brigade an dem Trommelfeuer.

Bereits nach dem ersten Vorgehen der Infanterie, am späten Nachmittag, zogen Teile der Feldartillerie ihre Geschütze nach vorne und gingen nahe der Ausgangspositionen erneut in Stellung, um wirksames Unterstützungsfeuer leisten zu können.

Auch General von Lotterer war vor Ort, um weitere Weisungen direkt an die Abteilungen weitergeben zu können. Sein Motto: Der hinterste Standort meines Stabes wird in der Linie meiner Batterien liegen, bewahrheitete sich ein weiteres mal. Leutnant Holzhausen berichtet weiter: Als am 21.2. nach dem Vorbereitungsfeuer der gesamten Artillerie die Infanterie den vordersten Graben genommen hatte und die bereitgehaltene II./F.A.54 eingesetzt werden sollte, ritt der General mit mir unbekümmert um das feindliche Feuer bis an den vordersten Graben heran[...] Während der weiteren Kämpfe [ab dem 22. Februar 1916] hat der General die vorderste Linie nicht mehr verlassen, um die Infanterie immer sofort wirksam helfen zu können.

Nach dem Fall des Forts Douaumont, am 25. Februar 1916, zog es General von Lotterer sofort hinauf zu diesem mächtigen Festungswerk. Bekannterweise bot der Douaumont doch einen hervorragenden Aussichtspunkt über das gesamte kommende Kampffeld und der General wollte sich ein Bild über das Gelände verschaffen.

Die Warnungen seines Ordonnanzoffiziers und den Rat des Generals von Lochow (Kommandeur des III. Armeekorps), sich nicht zu sehr zu exponieren, wehrte von Lotterer mit zwei prägenden Sätzen ab: Sterben müssen wir doch alle einmal und Den Geschossen weicht man aus..

Am frühen Morgen des 3. März erschien von Lotterer im Gefechts- stand der II. Abteilung des Feldartillerie-Regiments 54. Der Kommandeur, Major Noldt, riet von einem Gang zum Fort dringend ab, da der Weg unter starkem französischem Artilleriefeuer lag. Doch der General ließ sich nicht umstimmen.

Nach mühevollen und beschwerlichem Weg erreichten von Lotterer und Leutnant Holzhausen das Fort. Umgehend begaben sie sich zum westlichen Maschinengewehr-Turm und trafen dort auf weitere Offiziere, die ebenfalls beobachten wollten. Einer von ihnen, Hauptmann Mende, ließ dem General und seinen Begleitern den Vortritt. Zusammen mit Leutnant Holzhausen und einem Fähnrich der 3. Pioniere bestiegen sie den engen Turm.

Westlicher MG-Turm Fort Douaumont, 1992

Leutnant Holzhausen berichtet über die nächsten Minuten: Da die Franzosen auf diesen Punkt gut eingeschossen waren, dauerte es nicht lange, bis ein Volltreffer uns alle drei außer Gefecht setzte. Gegen 10 Uhr vorm. wurden wir alle drei schwer verwundet in die unteren Kasematten gebracht und mussten hier, nur notdürftig verbunden, bis um Mitternacht warten, ehe wir abtransportiert werden konnten [...] Auf dem Transport zum Hauptverbandplatz Azannes wurden wir schließlich getrennt. Erst im Lazarett in Mainz erfuhr ich, dass der General auf dem Transport an seinen schweren Wunden gestorben sei.

General von Lotterer hatte eine folgenschwere Verwundung erhalten: Ein Grantsplitter drang durch die Sehschlitze des Panzerturms und zerriß Teile seines linken Arms und die Lungenspitze.

Die Bahren mit den Verwundeten wurden durch die Hassoule-Schlucht zurückgetragen. Hier standen Teile von Lotterer’s 5. Feldartillerie-Brigade. Mit Bestürzung registrierten die Mannschaften und Offiziere, dass ihr General schwer verwundet worden war.  

Am folgenden Tag, dem 4. März 1916, verstarb General von Lotterer im Alter von 59 Jahren in einem Lazarett in Montmédy. Seine letzte Ruhestätte konnte nicht ermittelt werden.

Nachruf der 5. Artillerie-Brigade, 1916

Der vorstehende Artikel soll nicht den Eindruck der Darstellung eines besonders heroischen oder tapferen Offiziers vermitteln bzw. wiedergeben, sondern mehr einen Soldaten porträtieren, der nicht nur in den Kämpfen um Verdun einen besonders ausgeprägten Idealismus entwickelte und eine, in seiner Art und Weise, herausragende Rolle spielte. Ohne Rücksicht und Schonung seiner Person und seines Dienstrangs, versuchte er das Miteinander zwischen Artillerie und Infanterie zu harmonisieren, um das bestmögliche Ergebnis zu erzielen. Eine Tugend, die, besonders vom taktischen Gesichtspunkt her, während vieler Schlachten zu vermissen war.

Literaturnachweis:
  • Goote, Thor: Sie werden auferstehen!, Berlin 1931.  

  • Hensel, Otto: Das Neumärkische Feld-Artillerie-Regiment Nr. 54  1914-1918, Crossen 1934.  

  • Montbé von, Alban: Die Märker im Weltkrieg, Berlin o.J. 

  • Rosenberg-Lipinsky von, Alfred: Das Feldartillerie-Regiment General-Feldzeugmeister (2. Brandenburgisches) Nr. 18. 1914-1918, Oldenburg 1922.  

  • Schoenermark von, A.: Helden-Gedenkmappe des deutschen Adels, Stuttgart 1921.

Bildquellennachweis: Archiv Klink.

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