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KRIEGSTAGEBUCH DES SOLDATEN FIEDLER

INFANTERIE-REGIMENT NR. 96

8.5.16. Höhe 304. Es wird dunkel, wir gehen mit unserem Btl. vor nach der Höhe. Es geht einigermaßen gut, aber im Tal vor der Höhe geraten wir ins Sperrfeuer. Alles ist zersprengt. Einer weiß vom anderen nichts. Jeder, der noch kann, trachtet nach vorn zu kommen. Ich springe von einem Granatloch ins andere. Überall liegen Tote und Verwundete.

Ich finde schon Kameraden drin und springe, froh, wohl nun endlich aufatmen zu können, ebenfalls hinein. Aber was dann kam, war die Hölle. Wir lagen eng aneinandergepreßt im Graben, den Tornister über den Kopf gehalten. Denn, ununterbrochen fauchen franz. Granaten auf uns hernieder. Viele Kameraden fielen, wurden verwundet, verschüttet. Jeden Augenblick schrie einer, der getroffen, auf, Krachen, schreien, stöhnen, unheimlich; und bei jeder der herabsausenden Granaten dachte jeder, jetzt bin ich dran. So liegen wir die ganze lange Nacht und den noch längeren ganzen Tag. An Essen dachte in diesen 20 Stunden niemand, der sie erlebte. Endlich wird es wieder dunkel. Ich benutze die Gelegenheit, stürze nach vorn und grabe mich dort in ein Granat loch ein. Hier schießen die Franzosen nicht so her. Ich kann die Nacht trotz des Donners der Kanonen etwas schlafen. 

So sehe ich am Morgen des 20. Mai die Höhe am Tage. Ein Granatloch an dem anderen. Der grüne Rasen ist verschwunden, verschwunden ist der kleine Wald, der hier stand, nur Erde und Steine, Loch an Loch ist zu sehen. Und ununterbrochen sausen Granaten hernieder und wühlen das Erdreich auf. Fürchterlich hat hier unsere Artillerie gewütet. Der Boden ist wie umgepflügt. Das Tal vor der Höhe liegt unter ständigem Sperrfeuer der Franzosen. Tag und Nacht donnern die Kanonen. Keiner traut sich hinunter, um Lebensmittel zu holen. Dann kommt, daß wir am 20. Mai von unserer eigenen Artillerie Feuer erhalten, besonders von 21 cm Geschossen. Am Abend tobt ein Handgranatenkampf der 27er und der neben uns liegenden 96er gegen die Franzosen. 

So kommt der 21. Mai. Heute sollen wir, das 3. Btl., stürmen. Wir kommen ein Stück vor und graben uns dort ein, 80 m den Franzosen nahe. Wir haben bei dem Sturm nur mäßige Verluste, aber an den folgenden Tagen mehr. Nun wird die neue Stellung von uns ausgebaut. 

So werden wir am 28. Mai von unserem 2. Btl. abgelöst. Wir verlassen die Stellung gruppenweise, um nicht so sehr vom Sperrfeuer getroffen zu werden. Unsere Gruppe geht zurück über Malancourt und trifft über Septsarges im Waldlager ein. Septsarges ist geräumt wegen des Schießens. 

Für den 29. Mai abends ist für unser Regiment wieder Sturm angesagt. Wir bleiben jedoch im Waldlager und gehen von dort am 30. Mai nach Nantillois zum Baden. 

Am 1. Juni gehen wir wieder in Stellung. Diesmal geht es gut, das Sperrfeuer hat etwas nachgelassen. 

Am 4. Juni greifen 84er und 94er an; ein franz Angriff wird abgeschlagen. Jetzt ist es etwas besser auf der Höhe 304. Das Artilleriefeuer liegt besonders auf Malancourt, Béthincourt und Montfaucon.

Am 12. Juni werden wir abgelöst und kommen wieder ins Waldlager. 

Am 13. Juni wurde ich Bursche bei unserem Zugführer. Im Waldlager wurden Baracken erbaut, wir müssen aber noch biwakieren, d.h. in Zelten wohnen. 

Am 16. Juni gehen wir in Stellung. 

Am 18. Juni erhalten wir schweres Artilleriefeuer und haben große Verluste. Mein Freund Gustav Leun fällt. 

Am 20. Juni erhalten wir Feuer vom schwersten Kaliber. Jedenfalls beschießen uns Forts. 

Am 22. Juni komme ich zur Stafette. Da habe ich ein ruhiges Leben. 

Am 26. Juni werden wir abgelöst und kommen ins Waldlager. 

Am 27. Juni werde ich abkommandiert zu den Granaten-Werfern zur Ausbildung nach Nantillois. Hier sind wir zu einem Trupp zusammengestellt, von jeder Kompanie 4 Mann. Wir haben ein schönes Leben, können uns recht sauber halten und haben wenig Dienst. 

Am 4. Juli wird Nantillois beschossen, gerade als wir beim Kaffeetrinken sitzen. Im Nu liegen wir am Erdboden. 

Der Juli vergeht ohne Besonderheiten. Nur, daß Nantillois jetzt täglich beschossen wird, beunruhigt uns. Wir müssen endlich gar Nantillois räumen und quartieren in Lazaretten bei Nantillois. 

Am 4. August haben wir Besichtigung durch unseren Rgts.-Kdr. 

Am Abend des 6. August gehen wir mit den Apparaten in Stellung. Wir sind nun unserem Pionierzug zugeteilt. Wir gehen sofort daran, Stände für die Apparate zu bauen und uns einzuschießen. 

Am 10. August geht es in Ruhestellung ins Waldlager, wo wir Wege bauen. Auch das Waldlager wird jetzt oft beschossen und hauptsächlich durch Bombenwurf feindlicher Flieger nachts beunruhigt. Oft müssen wir im .. flüchten. 

Am 12. August rücken wir in Reservestellung nach der alten deutschen Stellung bei Cuisy. Hier tragen wir nachts Munition nach vorn. 

Am 15. August gehen wir in Stellung. Wir beschießen mit Erfolg franz. Sappen und legen abends Sperrfeuer vor die feindlichen Gräben. Es ist in der Stellung jetzt erträglicher wie früher. Wir erhalten auf unsere Gräben wenig Artilleriefeuer. 

Am 16. August beschießen wir wieder Sappen. 

Am 17. August  beschießen uns die Franzosen mit schweren Minen. Wir geben Schnellfeuer auf die franz. Sappen und Gräben. 

Am 19. August früh 04.00 werden wir abgelöst und kommen nach unserem Waldlager, wo auch wieder Beschäftigung für uns ist. 

Am 21. August rücken wir in Reservestellung. Ich komme nach Myslowitz, einem Grabenstück im freiem Felde, wo ich an Stollen arbeite. 

Am 25. August früh 03.00 gehen wir in Stellung. Wir bauen an unserem Munitionsstollen.  

Darin beschäftigt, erhalten wir am 26. August Feuer von schwerster franz. Artillerie. Der Graben sieht schrecklich aus; verschiedene Verschüttungen sind geschehen. U.a. ist ein mind. 4 m tiefer Stollen eingeschossen, verschüttet und hat 4 Mann unter sich begraben. Aber i.a. sind die Verluste nicht so schwer wie man angesichts der schweren Beschießung meinen sollte. 

Am 28. August werden wir abgelöst und kommen wieder ins Waldlager. 

Am 29. wird dieses beschossen, wir haben aber keine Verluste. Am 31. August sind wir in Reserve am Rgts.gef.st. und arbeiten in Myslowitz. Ich beobachte am Rgts.gef.st. das Schießen eines 15 cm Langrohrgeschützes. 

Am 3. Sept. gehen wir wieder auf Höhe 304 in Stellung. Die Franzosen bearbeiten uns wieder mit Gewehrgranaten und Minen. Ich muß heute noch vom 17. August nachtragen, wo mich solch eine Gewehrgranate verwundete. Ein Kamerad und ich hausen in unserem angefangenen Stollen, der erst 3 Stufen hatte. Wir hockten auf der untersten. Gerade war ich ein wenig eingeschlafen. Da schreckt mich ein heller ... auf: „Es ist was auf die Granatwerfer-Eisenplatte gefallen“, denke ich gerade, da kollert die Gewehrgranate schon auf die oberste Stufe unseres Stollens.  Mir fährt es durch den Kopf: schnell das Ding hinauswerfen, aber dann ... es in der Hand. Das Ding liegt auf der obersten Stufe, wir sitzen auf der untersten, der dritten. Ich schrie meinem Kameraden zu: „Vorsicht!“ und ducke mich, so tief ich nur kann. Das alles nur Momentssache. Da kracht die Gewehrgranate und ich taumle aus dem Stollen, kann nicht hören, was die Kameraden mir draußen zurufen. Ich denke, ich habe mein Gehör verloren. Erst viel später fange ich wieder an zu hören. Wie sich nun herausstellte, war ich an der Hüfte leicht verwundet, mein Kamerad jedoch schwer an der Hand und am Kopf. Der hatte schon fester geschlafen und sich nicht so tief geduckt wie ich. Heute schießen sie wieder mit den Dingern in unsere Nähe. 

Am 5. Sept. abends bekommen wir auf unseren Abschnitt Trommelfeuer mit den kleinen Priester-Minen und auch einzelne große Minen. Verschiedene Kameraden werden verwundet. 

Am 6. Sept. 06.00 morgens marschieren wir in unser Waldlager. Sachen reinigen, arbeiten lassen die Zeit schnell vergehen. 

8. Sept.: I.R.84 ist abgelöst, R.I.R. 90 wird es heute abend. 

Am 9. Sept. müssen wir die Baracken räumen und Zelte aufschlagen. Es heißt, wir kommen fort von hier. 

So liegen wr am 10. + 11.Sept. noch im Walde, habe Appelle, exerzieren usw. 

Am 11. Sept. abends 11.00 Abmarsch nach Brieulles. Daselbst werden wir verladen ... Mittags Abmarsch nach Longuyon. Daselbst werden wir verladen. In der Nähe eines Waldes ausgeladen, marschieren wir durch Wiesen und beziehen nach ungefähr dreistündigem Marsch Quartier in Baracken. Sind wir in der Gegend von Fleury? Die nächsten Tage: exerzieren, arbeiten und Appelle. 

Am 17. Sept. gehe ich auf einen Berg bei unserem Lager. Ich kann von hier aus das Fort Douaumont sehen. Schweres Sperrfeuer liegt auf der ganzen Gegend. Alles in Rauch und Staub und hinter mir weit, unerreichbar weit das deutsche Diedenhofen. Man kann es mit bloßem Auge ganz gut sehen. 

Am 22. Sept. gehen die ersten 6 Komp. von uns in Stellung. 

Am 23. Sept. gehen wir mit den Granatwerfern in Stellung. Es ist ein äußerst beschwerlicher Weg mit der großen Last. Auch erhalten wir sehr viel Feuer. Man muß dauernd kriechen, von einem Granatloch in das andere springen, muß bei jeder Leuchtkugel verschwinden. Nachdem wir uns noch verlaufen haben, gelangen wir endlich in unsere Stellung. Als es bald hell wird, betrachte ich die Stellung. Wir liegen 200 m vor dem Dorfe Fleury, unser Regiment im Abschnitt Fleury-Thiaumont. Schützengräben gibt es nicht, alles liegt in etwas ausgebauten Granatlöchern, die halbwegs miteinander verbunden sind. Nun betrachte ich mir, so gut es geht, die Gegend. Quer durch unseren Schützengraben geht eine Bahnlinie. Bahnschwellen, Schienen, Steinblöcke bieten, bunt durcheinandergewürfelt, ein vollständiges Bild der Zerstörung. Überhaupt der ganze Erdboden - wie sieht er aus?! Nicht nur ein Granatloch neben dem anderen, sondern zwei, drei ineinander. Tote liegen wie auf Höhe 304 überall umher. Man kann einen großen Teil der franz. Befestigungslinie übersehen. Direkt hinter uns das starke Douaumont. Auf letzterem liegt, hauptsächlich am Tage, schweres franz. Feuer. Da wir den Franzosen auf 10-60 m gegenüberliegen und die Stellung sehr unregelmäßig geht, erhalten wir in vorderster Linie kein Artilleriefeuer, nur Mg-Feuer und Gewehrgranaten. Hatten wir schon in Rußland aus Pfützen und auf Höhe 304 aus Granattrichtern Wasser getrunken, in denen Tote lagen, so müssen wir das hier wieder. Tote liegen in den Trichtern, wir schieben sie beiseite und trinken das Wasser. Das hätte ich mir früher nicht zugetraut. Dazu kommt der dauernde Regen. Wenn man mal dienstfrei ist, liegt man in seinem Loch, man regnet durch, das Zeug trocknet am Leib, man regnet wieder durch. Hinzu kommt nachts die Kälte. Das alles macht uns das Leben da vorn recht schwer. 

So sind wir froh, als wir endlich in der Nacht vom 28. zum 29. Sept. abgelöst  werden. Gefahrvoll ist der Weg, aber wir erreichen alle Fort Douaumont. Hier muß ich staunen über den großen Betrieb, der in dem Fort herrscht, trotzdem ja das Fort nur zum 5. Teil noch stehen soll. Alles elektrisch erleuchtet, sieht es aus, als sei man in dem Tunnel eines großen Bahnhofes. Wir gehen durch das Fort, das jetzt viel Verwundete beherbergt und können oben noch Löcher unserer 42 cm Geschosse bewundern. Feuer erhalten wir nicht mehr. Nach fünfstündigem Marsch langen wir halb 11 vormittags in unserem Ruhelager bei dem Dorfe Azannes an. Hier beginnt sofort der Dienst. 

Montag den 2. Oktober muß ich mich krank melden, Darmkatarrh und Fieber. Abends komme ich per Auto nach dem Feldlazarett 1 der 54. ID.

Hier bin ich am 3. + 4. Okt., komme aber am Vormittags des 5. Okt. per Kleinbahn (im offenen Wagen) bis Romagne. Hier werden wir umgeladen in verschlossene Wagen und nun geht's weiter. Nachmittags sind wir in Montmédy ...

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