Der Investiturstreit

Abriss seiner Grundlagen und seiner Entwicklung bis zum Wormser Konkordat 1122

Boris Körkel, 29. Februar 2000

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Einleitung

Ibique per triduum ante portam castri deposito omne regio cultu miserabiliter utpote discalciatus et laneis indutus persistens non prius cum multo fletu apostolice miserationis auxilium et consolationem implorare destitit ...

Das Bild des drei Tage lang in wollenem Gewand und barfuß im Schnee vor der Burg Canossa bei Papst Gregor für Wiederaufnahme in die Kirche und Vergebung Buße leistenden Salierkönigs Heinrich IV. ist, als überhaupt einer von wenigen mittelalterlichen Momenten, dem kollektiven historischen Gedächtnis bis in unsere Zeit eingeschrieben, vermittelt durch Bismarcks Rede vor dem Reichstag aus Anlass des Kulturkampfes, seiner Bildhaftigkeit, seiner Prägnanz und seinen elementaren Zügen nach aber noch jenem Bericht folgend, den im Anschluss an das Ereignis Papst Gregor, wie sein Gegner Heinrich IV. ein Könner auf dem Felde der Propaganda und "normierenden Information" (Harald Zimmermann), über das gesamte Reich verbreitet hatte. Der Canossagang von 1077 stellt einen Höhepunkt der Europa in Atem haltenden Auseinandersetzung zwischen Kaiser und Papst dar, ohne jene Frage einer Lösung näher zu bringen, die wohl seit der Mitte der Siebziger Jahre Gegenstand des Konflikts ist, und von welcher die Ereignisse – sei es auch in einseitiger und andere ebenfalls zentrale Aspekte unberücksichtigt lassender Weise – den Namen "Investiturstreit" tragen: ist es das Recht des Königs Bischöfe durch Vergabe von Ring und Stab in ihr Amt einzusetzen?

Bildhaftigkeit des Canossagangs

Der Begriff "Investiturstreit" als Bezeichnung für die Epoche zwischen 1075/76 und 1122 lässt sich vom Ende der Auseinandersetzung im Wormser Konkordat her rechtfertigen. Zweifelhaft ist nur, wie v. a. Rudolf Schieffer feststellte, ob das Investiturproblem beim Ausbruch des Konflikts zwischen Papst und deutschem König schon die entscheidende Rolle gespielt hat.

Der Begriff "Investiturstreit"

Königliche Kirchenhoheit

Weltliche und kirchliche Gewalten sind im 11. Jahrhundert eng miteinander verflochten. Eine klerikale Aristokratie, die in den Genuss weitgehender Autonomie von der Krone kommt und zugleich dem besonderen Schutz des Königs unterstellt ist, agiert oftmals im Bestreben auf Ausbau ihrer weltlichen Macht und ihres Einflusses. Das Amt des Reichsbischofs, dessen Träger sich in der Mehrzahl aus der Aristokratie rekrutierten, kam einem Herrschaftsinstrument mit sakraler Legitimation nahe, einer besonderen Form adligen Mitspracherechts im Reich.

Klerikale Aristokratie

Diese enge Verflochtenheit von kirchlichen Institutionen mit weltlichen Gewalten wussten besonders seit der ottonischen Zeit auch die deutschen Könige (und römischen Kaiser) als Instrument zur Sicherung und Festigung ihrer Machtbasis geschickt und erfolgreich zu nutzen. Durch Einbeziehung der kirchlichen Institutionen und Mandatsträger in die Regierung des Reiches und durch gezielte Besetzung vakanter Bischofsstühle mit königstreuen Kandidaten erlangte das Reichskirchensystem entscheidende Bedeutung für die Festigung der Reichseinheit und war zugleich wichtige Voraussetzung für die sakrale Legitimation des Königtums, die v. a. unter Otto III. einen Höhepunkt erreichte. Im Zuge dieser Entwicklung und im Zuge der erhöhten Zentralisierung königlicher Herrschaft seit Heinrich II. verfestigte sich allmählich die tatsächliche Verfügungsgewalt des Königs über die Reichskirche.

Das ottonisch-salische Reichskirchensystem

Falsch wäre es, davon auszugehen, dass die Herrscher zu jeder Zeit und überall die Besetzung von Bistümern und Abteien fest in der Hand gehabt hätten. Als weltlicher Kirchenherr hatte der König entscheidenden Einfluss auf die Wahl der Bischöfe und übte, wohl spätestens seit Heinrich III., die Investitur mit Ring und Stab aus. Oftmals standen den königlichen Interessen aber Interessen des Adels oder das Prinzip der kanonischen Wahl durch Klerus und Volk bzw. durch die Mönche des jeweiligen Klosters entgegen, so dass der Einfluss des Königs immer von den situationsbedingten Begebenheiten abhängig blieb und sich z. T. auch nur als bloßer Konsens zur Wahl, als verbindlicher Wahlvorschlag oder gegebenenfalls als Ablehnung des gewählten Kandidaten äußerte; nur in gefestigter politischer Situation kommt die alleinige Entscheidung des Königs zum Zuge.

Königlicher Einfluss auf die Bischofserhebung

Die königliche Mitwirkung bei der Bischofserhebung wird spätestens unter Heinrich III. zu einem faktischen Besetzungsrecht, das in der Investitur durch Ring und Stab seine symbolische Realisierung findet. Die Übergabe von Ring und Stab bei vorausgehender Leistung von Handgang (commendatio) und Treueid (fidelitas) bindet den Bischof in ein quasivasallistisches Verhältnis zum Herrscher und bedeutet nicht allein die Übertragung der Gewere, des privatrechtlich verfügbaren kirchlichen Guts, sondern beinhaltet ebenso die Übertragung der geistlichen Qualität des Amtes. Petrus Damiani bezeugt, dass der König bei solcher Handlung "accipe ecclesiam" sprach. Ring und Stab als Symbole für die geistliche Autorität des Bischofs bedeuten dessen geistliche Ehe mit der Kirche und das priesterliche Hirtentum. Mit dem Stab benutzt der Herrscher das selbe Rechtssymbol, das im geistlichen Akt der Bischofsweihe der Metropolit zu übergeben hat.

Praxis der Investitur

Schon die Verwendung dieser Symbole setzt eine besondere theokratische Legitimation des Königtums voraus. Die Verfügungsgewalt des deutschen Königs über die Kirche gründet sich nicht zuletzt auf der Stellung des Königs als rex et sacerdos. Seine ideelle Grundlagen hat dieses Priesterkönigtum in der seit der Aachener Krönung Ottos des Großen geübten Salbung des Herrschers, die ihren Ausgang im alttestamentarischen Priesterkönigtum Melchisedeks (Gen. 14, 18ff.) sieht. Unsere Darstellung hat sich nun nicht mit den Wurzeln des sakralen Königtums zu befassen, die eng mit der Frage nach der Entstehung des Königtums überhaupt zusammenhängen. Es sei lediglich darauf hingewiesen, dass schon von der älteren Forschung neben weltlichen Faktoren wie bedeutendem Grundbesitz, großer Gefolgschaft, Heeresführertum und richterlicher Funktion auch die priesterliche Funktion des Königs als Wurzeln des Königtums angesehen wurden. Hingewiesen wird stets auf den Zusammenhang von Erbkönigtum und der Idee des Erbcharismas. Das fränkische Königtum ist nun von germanischen wie romanischen Elementen geprägt. Durch die Salbung als kirchlichem Weihe- und Bestätigungsakt, der erstmals bei Pippin (751) begegnet, tritt zum Idoneitätsgedanken, mit dem der Wechsel der Herrschaft im Geschlecht begründet wurde, das Element des Heils, einer von Gott verliehenen Qualität, in realer Ausformung hinzu. Dem traditionellen Herrscherbild zufolge (so Tilman Struve) sind deutsche Könige oder Kaiser als unbestrittene Herren der Kirche anzusehen, als caput ecclesiae, das die Verantwortung für das Heil der Christenheit trägt.

Theokratische Legitimation des Herrschers

Höhepunkt der Kirchenhoheit unter Heinrich III.

Eine besonders kraftvolle Verkörperung erfährt die Verfügungsgewalt des Königs über die Kirche durch Heinrich III., der, selbst von tiefer Religiosität geprägt, mit größter Selbstverständlichkeit die Investitur mit geistlichen Symbolen vornimmt und seine Ansprüche bis auf den Papst ausweitet. In den Ereignissen des Jahres 1046 erfährt die sakrale Stellung des deutschen Königs ihren Höhepunkt, als in Vorbereitung der Kaiserkrönung Heinrichs III. auf den Synoden von Sutri und Rom unter Vorsitz des Königs die drei schismatischen Päpste Gregor VI, Silvester III. und Benedikt IX. abgesetzt werden. Auf der Synode von Sutri wurde sogleich zur Neuwahl eines Papstes geschritten, des Deutschen Suitger von Bamberg, der sich als Papst Clemens II. nennt. Für die Wahl, wie auch für die noch folgenden drei "deutschen Päpste" war sicher der Einfluss des Königs ausschlaggebend, denn der römische Klerus wäre wohl kaum auf die Idee gekommen, einen deutschen Bischof zum Papst zu erheben.

Verfügungsgewalt über die Kirche bei Heinrich III.

Heinrichs III. Vorgehen in Sutri und Rom findet bei den Zeitgenossen weitgehend Zustimmung; lediglich zwei kritische Stimmen sind vernehmbar: ein anonymer Traktat aus Frankreich 'De ordinando pontifice' sowie die in den 'Gesta episcoporum Leodiensium' überlieferten Ansichten des Bischofs Wazzo von Lüttich. Letzterer allerdings bestreitet grundsätzlich jegliche Kompetenz des Herrschers in geistlichen Dingen; die Bischöfe seien ihm gegenüber nur in weltlichen Dingen zu Treue verpflichtet. Die Anschauungen des Lütticher Kirchenmannes können als Zeugnis einer Bewusstseinsänderung gesehen werden. Kritik an der königlichen Verfügungsgewalt über geistliche Dinge entzündet sich in dem Augenblick, wo man die Herrscherwürde und das Bischofsamt wieder schärfer voneinander zu trennen beginnt.

Bewertung von Heinrichs III. Vorgehen in Sutri und Rom

Bis aber diese Auffassung sich weiter ausbreiten kann, ist für das christliche Abendland ein universalistisches Weltbild bestimmend. Die Vorstellung von einer gottgewollten Weltordnung mit zwei sich komplementär zu einem heilsgeschichtlichen Ganzen fügenden Gewalten erhält modellarische Greifbarkeit und augenscheinliche Bestätigung (Beißwenger) im Zusammenwirken Heinrichs III. und Leos IX.: Der Kaiser verwendet sich mit der ihm zu Gebote stehenden weltlichen Gewalt für die Reformbestrebungen des ambitionierten Papstes und dieser wiederum stützt die Macht des Kaisers mit dem Gewicht seiner spirituellen Autorität. Im Zuge des Investiturstreits findet eine Neubestimmung des Verhältnisses von regnum und sacerdotium statt.

Universalistisches Weltbild

Ohne dem zeitlichen Ablauf, den gesicherten Eckdaten jener Entwicklung, die erst im Wormser Konkordat von 1122 einen vorläufigen Abschluss findet, zu folgen, sollen hier zunächst die geistesgeschichtlichen Grundlagen benannt werden, die dem Konflikt um die Investiturpraxis des weltlichen Herrschers unabdingbar vorausgehen mussten. Der Streit zwischen weltlichem Herrscher und Papsttum wurde außer in der Tagespolitik verhafteten Briefen in zahllosen theologischen Traktaten ausgetragen, deren Argumentationsstruktur einer seit dem 10. Jahrhundert sich ausbreitenden neuen Auffassung vom Verhältnis zwischen weltlichen und spirituellen Dingen verpflichtet ist.

Monastische Reform und Kirchenreform

Ihren Ausgang nimmt die theologische Argumentation in jener als Kirchenreformbewegung bezeichneten Bewusstseinswandlung, die Vorspiel, Begleiterscheinung oder Wirkung der sog. gregorianischen Reform war (L. Schmugge). Erst wo an Stelle der universalistischen Denkweise des frühen Mittelalters, die kirchliche und weltliche Interessen im gleichen Ziel vereint sah und derzufolge König und Papst mit den Worten des Papstes Gelasius als die zwei Schwerter des Christentums galten, die sich gegenseitig zu ergänzen haben, das Bewusstsein von der Verschiedenheit der weltlichen und sakralen Sphären trat (Unterscheidung von spiritualia und temporalia), ist die grundsätzliche Infragestellung des königlichen Investiturrechts überhaupt möglich. Ausgehend von monastischen und eremitischen Reformidealen des 10. Jahrhunderts breitete sich in der Kirche im 11. Jahrhundert der Wille zur Reform aus, dessen hauptsächliche Forderung nach libertas ecclesiae, der Befreiung der kirchlichen Sphäre von Einflüssen laikaler Gewalten, war. Ihren Ausgang und Mittelpunkt hatte diese monastische Reformbewegung in Cluny. Dort und von dort aus versuchte man ein an der (vermeintlichen) Urkirche orientiertes Ideal mönchischen Lebens durchzusetzen mit Rückbesinnung auf den Wortlaut der Regula S. Benedicti und den hier im Einzelnen nicht darzustellenden Forderungen nach Verwirklichung des christlichen Ideals im Jetzt des täglichen Lebens. Die normative Ausstrahlung von Cluny wird deutlich, wenn Abt Hugo die mönchische Gemeinschaft als modellarisches Abbild davon, wie die Kirche idealiter auszusehen habe, kennzeichnet, von deren caput Cluny Veränderungen in die vielen membra, die anderen Klöster in Europa, getragen werden. Die cluniazensische Idee, die sich u. a. in dem Bestreben nach Exemtion, d. h. Lösung der Klöster aus dem Diözesanverband und somit aus den Fängen weltlicher Macht, manifestiert, gewinnt rasch an Popularität, so dass zahlreiche Kirchenherren ihre Klöster und Priorate Cluny übertragen und sie somit der Reform öffnen. Nun ist Gegenstand dieser Darstellung nicht die Klosterreform, sondern deren Rolle als Ausgang und gewissermaßen Ideengeber einer allgemeinen Kirchenreform, in deren Zusammenhang die Kritik an der königlichen Investiturpraxis letztendlich erst möglich wurde. Wie sich dieses Übergreifen der monastischen Reformbestrebung auf den gesamten Bereich des Klerus im Einzelnen darstellte ist dabei noch weitgehend unklar, lässt sich jedoch schemenhaft recht plausibel darstellen.

Das Beispiel der cluniazensischen Reform, wo eine klare Trennung zwischen sakraler und laikaler Sphäre bei gleichzeitiger Tendenz zur Sakralisierung laikaler Schichten verwirklicht wurde, musste den Zeitgenossen als stete Mahnung erscheinen. Es erscheint plausibel, dass die durch die cluniazensische Reform bedingte Bewusstseinsänderung und neue Sorge um das Seelenheil eine emanzipatorische Kraft entfalten konnte, deren Auswirkungen sich nun auch auf weitere kirchliche Bereiche erstreckte.

Die cluniazensische Reformbewegung

Als Ironie der Geschichte mag im Nachhinein gesehen werden, dass gerade mit den "deutschen Päpsten", die durch Einflussnahme des Salierkaisers Heinrich III. auf den apostolischen Stuhl gelangten, die Aktivitäten zugunsten einer Reform auch in Rom einsetzten. Die Ziele der Reformer deckten sich allerdings mit Heinrichs Vorstellungen, und so wurde dessen Handeln zur Beseitigung des päpstlichen Schismas als seine größte Reformtat bewertet, durch welche die Fundamente für eine Neubestimmung der Rolle des Papsttums erst gelegt worden wären.

Petrus Damiani bezeichnet den Kaiser, der im Oktober des Jahres 1046 auf der Synode in Pavia eine Rede gegen die Simonisten gehalten hatte, als Vorkämpfer gegen die Simonie im Zeichen der Kirchenreform. Auch der radikalere Reformtheologe Humbert von Silva Candida setzt Heinrich III. ausdrücklich von seinen Vorgängern ab, unter denen der Wahnsinn der Simonie grassiert habe.

Übergreifen der Reform auf Rom

Kirchenreform unter Papst Leo IX.

Wirkliche Aktivitäten zugunsten einer Reform können in Rom erst unter Papst Leo IX. (1049-1054) in Angriff genommen werden. Im Umkreis dieses Papstes kommen Reformer wie Hildebrand, Friedrich von Lothringen, Humbert von Moyenmoutier (später Bf. von Silva Candida) und Hugo Candidus nach Rom; der Grund für die Verwaltungsordnung und Zentralisation des kurialen Apparates wird gelegt, die Ausbildung des Kardinalkollegiums setzt ein und in zwölf Synoden wird die Reform weitergetragen, die v. a. Freiheit der kirchlichen Wahlen, moralische Erneuerung des Klerus und maßvoll vorgetragene Zöllibatsforderungen zum Gegenstand hat. Eine offene Infragestellung des Verhältnisses von Kirche und Welt findet hier noch nicht statt, doch mit der Thematisierung simonistischer Praktiken wird der Hebel bereits an den Punkten angesetzt, wo die weltliche Sphäre am offensichtlichsten in die Belange der Kirche eingriff: bei der Besetzung geistlicher Ämter.

Leo IX. als Träger des Reformgedankens

Simoniedebatte und Kritik an der Laieninvestitur

Der Begriff der Simonie, der aus der Apostelgeschichte hergeleitet ist, die vom Magier Simon berichtet, welcher den Aposteln materielle Werte für die Überlassung ihrer wundertätigen Fähigkeiten anbietet, was vom heiligen Petrus als Anmaßung verurteilt wird, findet im Zuge der Kirchenreform als zentraler Kampfbegriff Anwendung auf Tatbestände, bei denen bei der Vergabe geistlicher Ämter materielle Werte oder allgemein weltliche Gegenleistungen im Spiel sind. Dass Simonie zu bekämpfen sei, ist bei den Reformern unumstritten; Meinungsverschiedenheiten gibt es lediglich in der Frage, welche theologischen Konsequenzen der Nachweis von Simonie bei der Besetzung eines geistlichen Amtes nach sich ziehen soll. Während Petrus Damiani im Liber Gratissimus (1051) die Auffassung vertritt, dass selbst die von einem Simonisten gespendeten Sakramente gültig seien, da der Priester bei der Erteilung eines Sakraments lediglich eine Mittlerrolle einnehme und Gott der eigentliche Spender ist (Petrus Damiani argumentiert bzgl. des Wesens der Sakramente analog zur Taufe Christi durch Johannes), vertritt Humbert in seinen Libri tres adversus simoniacos (1054-58) den schärferen Standpunkt, dass ein Kleriker, der sich der Häresie schuldig gemacht hat, grundsätzlich nicht die Integrität habe, gültige Sakramente zu spenden. Eine derartige Auffassung von der Freiheit der Kirche zwingt natürlich zu einer raschen Eliminierung aller Störfaktoren, impulsiven Behandlung der Simoniefrage und einer Prüfung der Vorgänge bei der Wahl eines jeden Bischofs. Ausdruck der von derartigen Auffassungen genährten geradezu panischen Angst um das Seelenheil der Gläubigen sind etwa die Ausschreitungen der Mailänder pataria im Zusammenhang mit dem dortigen Bistumsstreit.

Petrus Damianis und Humbert von Silva Candidas Kritik an der Simonie

In den Libri tres adversus simoniacos stellt Humbert von Silva Candida außerdem die laikale Investiturpraxis radikal in Frage. Im 3. Buch kennzeichnet er diese als Sonderfall der Simonie. Die principes saeculi und ihr Geld trügen Schuld daran, dass die Priesterschaft anstatt freier nur verächtlicher lebe als die anderen Menschen. Auch die Investitur durch den König sinkt für Humbert auf die Ebene der Laieninvestitur.

Laikale Investitur als Sonderfall der Simonie

Grundsätzlicher theologischer Ansatzpunkt für die Kritik der Investiturpraxis weltlicher Herrscher ist die aus der in der Reformbewegung getroffenen klaren Trennung von spiritualia und temporalia gefolgerte Feststellung, dass der König, da ihm die priesterliche Weihe fehlt, ein Laie ist und demzufolge zu Investituren, die mit göttlicher Vollmacht (Dei gratia) geschehen, nicht berechtigt ist, da er als Laie über keine göttliche Vollmacht verfügt.

Trennung von spiritualia und temporalia

Schon Bischof Burchard von Worms (+1025) hatte in einem Dekret das lex imperatorum unterhalb des Gesetzes Gottes angesiedelt und Kaiser und Könige eindeutig zu den Laien gerechnet. Aus dieser Einschätzung folgert er, dass derjenige Bischof, der sein Amt mit Hilfe der weltlichen Gewalt erlangt hat, abgesetzt und exkommuniziert werden müsse.

Burchard von Worms

Zum ausgewiesenen Ziel der päpstlichen Reformpolitik wird das Verbot der Laieninvestitur jedoch erst unter Gregor VII. In seinem Pontifikat kommt es aufgrund kirchlicher Reformansprüche zum offenen Konflikt mit dem Kaiser. Über die Frage, wann das erste Mal ein allgemeines Investiturverbot für den deutschen König ausgesprochen wurde, herrscht in der Forschung keine einhellige Meinung. Nicht eindeutig zu klären ist die Frage, ob, wie Jakobs und Laudage vermuten, bereits auf der Fastensynode 1075 ein solches ausgesprochen worden war. Gesichert ist, dass 1078 und 1080 eindeutige Investiturverbote für weltliche Herrscher erlassen worden sind. Jüngere Untersuchungen von S. Beulertz über die Aufnahme der einzelnen Investiturverbote in Rechtssammlungen kamen zu dem Ergebnis, dass das Investiturproblem erst seit 1100/1105 im Reich aktuell war.

Etappen des allgemeinen Investiturverbots

Das Programm Gregors VII.

Der Reformatio-Begriff des Mittelalters wird durch die Überzeugung bestimmt, dass jede Veränderung nichts anderes als einen Abfall von einem Zustand, den Gott vollkommen eingerichtet hat, darstellt. In der Zeit des Investiturstreits setzte mit dem Reformpapsttum Gregors VII. insofern eine neue Entwicklung ein, als bei ihm der Impetus des Kampfes um die libertas ecclesiae aus einem neuen Willen erwuchs, der alle traditionalistischen Widerstände mit revolutionärem Elan aus dem Wege räumte (vgl. J. Miethke). Dominus dicit: "Ego sum veritas et vita", non ait "Ego sum consuetudo". Mit der ausdrücklichen Aufnahme dieses Kampfwortes Tertullians wurden die Grenzen des Anschlusses an die schon unübersichtlich gewordene Tradition abgesteckt. Unter Gregor VII., dies erweisen die uns sowohl in einem erhaltenen päpstlichen Ausgangsregister als auch in zahlreichen Empfängerexemplaren überlieferten Briefe dieses Papstes, werden die alten Texte nach dem Kriterium der "Wahrheit" neu gesichtet; auch gegenüber der patristischen Tradition wird aber durchaus Gregors eigene Anschauung geltend gemacht. Mit seiner pneumatisch ambivalenten Haltung der Tradition gegenüber, so Jürgen Miethke, hat dieser Papst keine Zweifel daran, dass in der authentischen Tradition das zu finden wäre, was er als seine Maximen wusste.

"Pneumatische" Aneignung der Tradition bei Gregor VII.

In der Tat haben sich, wie die Annotationen der Edition Caspars belegen, für jeden Satz des sog. Dictatus papae, jener Ansammlung von 27 kurzen und prägnanten Sätzen, in denen Gregor in bisher nicht gekannter Weise einen päpstlichen Weltherrschaftsanspruch geltend macht, Vorläufer aus der patristischen oder hochmittelalterlichen Rechtsüberlieferung der Kirche finden lassen. Zwar ist eine Rezeption dieses Textes nicht nachweisbar, doch können die 27 Sätze des Dictatus papae, das sich als loses Blatt im Briefregister Gregors zum Jahr 1075 findet, und bei dem es sich um den Index einer verlorenen oder eher noch geplanten Kanones-Sammlung handeln könnte, als maßgebliches Indiz für Gregors Handeln in der späteren Auseinandersetzung mit Heinrich IV. angesehen werden. Bevor die Verschärfung der papalen Ansprüche während des Pontifikats Gregors VII. dargestellt wird, soll aber zunächst ein knapper Abriss der politischen Situation aus der Sicht seines Gegenspielers, des Kaisers Heinrich IV., gegeben werden.

Das Dictatus papae

Unter dem Briefen des März 1075 sind im Register Gregors VII. 27 Sätze eingetragen, die sich durch die Überschrift als Eigendiktat Greogrs zu erkennen geben. (Abbildung der ersten fünf Sätze, Vatikanisches Archiv, Reg. Vat. 2).

Die ersten Regierungsjahre Heinrichs IV.

Nach Heinrichs III. Tod im Jahr 1056 folgen bis zur Volljährigkeit des bereits gewählten Königs Heinrich IV. im Jahr 1065 Jahre der Regentschaft der Kaisergemahlin Agnes, des Kölner Erzbischofs Anno (nach dem Staatsstreich von Kaiserswerth 1062) und des Erzbischofs Adalbert von Hamburg-Bremen. In diesen Jahren war, zwar nicht so sehr, wie die ältere Forschung dies gerne behauptete, aber dennoch spürbar, ein Machtvakuum entstanden, in dem weltliche und geistliche Fürsten ihre Machtpositionen im Reich ausbauen konnten und viel Königsgut sowie königliche Rechte entfremdet wurden. Für das Papsttum endete mit dem Tod Viktors II. die Reihe der "deutschen Päpste"; die folgenden Päpste seit Stephan IX. waren Kandidaten der radikalen Reformer (Ausnahmen sind die schismatischen Päpste Benedikt X., der vom römischen Adel unterstützt wird, und Honorius II. als Kandidat der Regentin Agnes) und lehnen sich an den stärksten politischen Nachbarn, Herzog Gottfried den Bärtigen, Markgraf von Tuszien an, einen Gegenspieler Heinrichs III., den dieser aus Lothringen verdrängt hatte. De facto brachte also schon der Tod Heinrichs III. und die Tatsache, dass sein noch jugendlicher Sohn die Regierungsgeschäfte nicht sogleich in dessen Manier fortsetzen konnte, ein Ende des von Stringenz und Einigkeit im Handeln von regnum und sacerdotium geprägten Zeitabschnittes mit sich.

Die Regentschaft der Agnes

Zum Bruch zwischen Kurie und deutschem Hof kommt es, als 1059 der Papst Nikolaus II. unter Hinweis auf Rechtstitel, die er in Nachfolge des Kaisers innehabe, die italienischen Normannenfürsten belehnt. Eine deutsche Synode von 1061 verurteilt den Papst und setzt Cadalus als Honorius II. zum neuen Papst ein. Das Schisma der zwei Päpste kann erst 1064 auf der Synode von Mantua mit der Deposition Honorius II. beseitigt werden.

Schisma des Cadalus

Als Heinrich IV. 1065 die Regierungsgeschäfte übernimmt, sieht er sich zunächst innenpolitischen Schwierigkeiten gegenüber. Seine primäre Aufgabe liegt nun darin, sich eine Machtbasis und Autorität im Reich zu verschaffen sowie entfremdete königliche Güter wiederzugewinnen. Der Versuch, in Sachsen ein Königsterritorium aufzubauen, führt zu Konflikten mit dem sächsischen Adel, die durch Burgenbau verschärft werden. Die Besatzungen der Burgen rekrutiert Heinrich bevorzugt aus schwäbischen Ministerialen und Dienstmannen, die ihres gesellschaftlichen Aufstiegs wegen dem König in bedingungsloser Treue ergeben sind und von Heinrich als Gegengewicht gegen Herzöge und Fürsten instrumentalisiert werden. Hier kann Heinrichs Reichskrieg gegen Sachsen nicht in gebotener Ausführlichkeit dargestellt werden. Jedenfalls gelingt es Heinrich erst im Juli 1075 in der Schlacht bei Homburg, die Aufständischen zu schlagen und im Oktober selben Jahres sie gänzlich zu unterwerfen.

Innenpolitische Probleme bei Regierungsantritt Heinrichs IV.

Als am 22. April 1073 Gregor VII. unter tumultarischen Umständen von Volk und Geistlichen Roms zum Papst ausgerufen wird, scheint das Verhältnis zwischen Kaiser und Papst durch den seit 1071 offenen Mailänder Bistumsstreit belastet; von einem unlösbaren Konflikt kann allerdings kaum die Rede sein, da Gregor bereits bald nach seiner Weihe in verschiedenen Schreiben (allerdings nicht an den Kaiser) seine Bereitschaft zur Klärung der strittigen Fragen und zum Ausgleich mit Heinrich bekannt hat.

Mailänder Bistumsstreit

Nach dem Tod des Mailänder Erzbischofs hatte der König Gottfried von Mailand investiert, dem allerdings die pataria, eine kirchenreformerische Adelsgruppierung, die sich selbst Gotteseinung nannte, die Obödienz untersagte. Noch unter Papst Alexander II. hatte sich die Kurie auf die Seite der pataria gestellt und jene fünf Berater des Saliers gebannt, die an der Erhebung Gottfrieds beteiligt gewesen waren. Da auch der Umgang mit Gebannten durch Exkommunikation geahndet wird, steht Heinrich zu Beginn des Episkopats Gregors VII. außerhalb der Kirche solange er sich nicht von seinen Räten distanziert.

Die pataria

Erst in einem Brief des Spätsommers 1073 an den Papst klagt Heinrich sich selbst an und verspricht Besserung. In diesem Schreiben bekennt sich Heinrich zum Wunsch nach Frieden und zum Bestreben nach Einheit von weltlicher und geistlicher Gewalt und fordert den Papst auf, die in Irrtümer befangene Mailänder Kirche durch seine apostolische Gewalt und nach kanonischem Recht auf den richtigen Weg zu bringen. Ob dieses Schreiben den aufrichtig gemeinten Wunsch nach Eintracht mit dem Papst widerspiegelt, darf angesichts der späteren Handlungen angezweifelt werden. Jedenfalls waren Heinrichs Hände durch den sächsischen Aufstand zu dieser Zeit noch so gebunden, dass es für ihn auf keinen Fall oportun erscheinen konnte, wegen der Frage der Mailänder Investitur einen schwerwiegenden Konflikt mit der Kurie herauszufordern. Gegner des Kaisers und insbesondere Gregor VII. haben dem Salier später seine Zusagen und die (geheuchelte?) Bußfertigkeit, die am April 1074 auf einem Hoftag in Nürnberg zur Wiederaufnahme des Königs in die Gemeinschaft der Kirche führt, als taktische Finesse, um den Papst vom Bündnis mit den sächsischen Gegnern abzuhalten, ausgelegt und zum Anlass für den Vorwurf des Treubruchs und Verrats gemacht.

Selbstanklage des deutschen Königs

Die päpstlichen Schreiben der folgenden Zeitspanne zeugen jedenfalls oberflächlich von Gregors Absicht, den Kaiser für die Durchsetzung der Kirchenreform im Reich zu gewinnen. Erst mit der römischen Fastensynode von 1075 verschärft sich der Konflikt, als Gregor neben etlichen Bischöfen auch Königsberater wegen simonistischer Praktiken bannt, die von Heinrich jedoch, obgleich der Umgang mit Exkommunizierten untersagt ist, nicht entlassen werden.

Fastensynode 1075

Gregors Anspruch auf Ausdehnung seines Einflussbereichs wird in seinem Verhalten gegenüber deutschen Bischöfen ersichtlich, die er wegen verschiedener Simonieprozesse unter Androhung der Exkommunikation bei Nichterscheinen zur Fastensynode nach Rom geladen hatte. Im Konflikt zwischen Bischöfen und den als Anmaßung empfundenen Ansprüchen des Papstes (der Simonievorwurf wird von Gregor VII. als Kampfmittel gegen die Eigenrechte der deutschen Bischöfe und zur Ausdehnung der päpstlichen Suprematie über den deutschen Klerus eingesetzt) war es auf der Straßburger Bischofsversammlung Weihnachten 1074 zum wütenden Protest der Bischöfe gegen das Vorgehen des Papstes gekommen.

Rivalität zwischen Papst und Bischöfen

Offener Konflikt zwischen Kaiser und Papst

Zum Ausbruch des offenen Konflikts zwischen Kaiser und Papst ist es allem Anschein nach in Folge der Investituren des Sommers 1075 gekommen. Entgegen der Zusagen von 1073/74 setzt Heinrich seinen Kaplan Tedald als Mailänder Erzbischof ein und nimmt ferner Besetzungen der Bischofsstühle in Spoleto und Fermo vor, zwei Städten, die im Kirchenstaat und damit im Metropolitanbereich des Papstes, liegen. Für den König hatte sich zu diesem Zeitpunkt die Situation in Deutschland und Italien zum Besseren gewandelt, da es im Verhältnis zu den Fürsten zu einem Ausgleich gekommen war und in Mailand nach der Niederlage der pataria Anlehnung an den König gesucht wurde. Die Einsetzung Tedalds und der Bischöfe in Spoleto und Fermo mag somit ein Indiz dafür sein, dass der König sich nun stark genug fühlte, seine Herrschaft auch in Italien zu stärken.

Investituren des Sommers 1075

An wenigen Dokumenten lässt sich die Eskalation des Konflikts festmachen: Gregors Brief an Heinrich vom Dezember 1075, die Absageerklärung der Bischöfe sowie der Brief Heinrichs an Gregor vom Wormser Reichstag im Januar 1076, die Absetzung Heinrichs durch Gregor im Februar 1076.

Dokumente der Eskalation des Konflikts

Nicht eindeutig zu klären ist, ob schon auf der Fastensynode von 1075 ein allgemeines Verbot der Laieninvestitur verhandelt worden war, jedenfalls findet sich im Synodalprotokoll kein Hinweis auf einen derartigen Vorgang. In Arnulfs Gesta der Mailänder Bischöfe ist allerdings von einem eindeutigen Investiturverbot die Rede. Die ältere Forschung hatte sich in Anlehnung an Rudolf Schieffer darauf verständigt, dass es sich hierbei nicht um ein umfassendes Investiturverbot gehandelt habe, sondern lediglich um die zeitlich befristeten Rechtsfolgen einer Missachtung der Strafmaßnahmen gegen die simonistischen Räte. Neuerdings konnte Johannes Laudage jedoch aufzeigen, dass die Möglichkeit eines bereits auf dieser Synode ausgesprochenen Investiturverbots durchaus nachvollziehbar wäre, insofern sich ein Verbot zu diesem Termin in eine sinnvolle Ereigniskette füge. Somit wäre bereits in der Fastensynode von 1075 seitens der Kurie "die Schwelle zur offenen Auseinandersetzung mit dem deutschen König überschritten" worden. Die überlieferten Schreiben des Papstes an Heinrich auch nach der Synode bezeugen jedoch, dass sich der König aus den deutschen Bistumsstreiten herausgehalten hatte und dass der Papst noch immer darauf hoffte, die Unterstützung des Königs für die Durchführung der Reformen zu gewinnen. Noch im Juli 1075 spricht der Papst dem König ein hohes Lob wegen seines Reformeifers aus. Das Streben nach gemeinsamer Durchsetzung der Ziele zeigt sich u. a. im Kreuzzugsplan des Papstes vom Dezember 1074. Trotz aller Beteuerungen des Papstes, die Gemeinsamkeit mit dem Kaiser zu suchen, ist in den Briefen nach der Fastensynode doch ein gewisser Wandel spürbar, wenn zunehmend gesteigerte Gehorsamsforderungen an den Kaiser den Geist der im Dictatus papae aufgestellten Leitsätze erkennen lassen. Letztendlich ist bis zum Winter der Jahre 1075/76 das Verhältnis des Papstes zur Reichskirche und zum deutschen König noch keinesfalls geklärt; ein offener Konflikt ist zu dieser Zeit aber noch nicht erkennbar.

Zur Frage eines Investiturverbots von 1075

Im Dezember 1075 ergeht ein Brief des Papstes an den Kaiser, in dem der Salier unter Androhung des Ausschlusses aus der Kirche in scharfer Form aufgefordert wird, das Investiturverbot zu achten und auf unrechtmäßigen Umgang mit Gebannten zu verzichten. Hier erhebt Gregor nun den Vorwurf, Heinrich habe ihn durch zahllose Briefe voll Ergebenheit und durch Gesandte Worte voller Demut zukommen lassen, ohne diesen Taten folgen zu lassen. Er wirft ihm ausdrücklich die Investituren des Sommers vor und begründet seinen Anspruch auf Unterwerfung des Königs unter Primat und Urteile des Papstes durch das Argument der von Matthäus 23 ausgehenden Binde- und Lösegewalt des Papstes als des Nachfolgers Petri. Als Indiz für ein Investiturverbot des Frühjahrs 1075 könnte die Erwähnung eines Dekrets gewertet werden, welches von vielen als unerträgliche Last empfunden werde. Der Brief des Papstes wurde, wie der Reichstag von Worms zeigen sollte, als klare Kampfansage empfunden.

Brief des Papstes im Dezember 1075

Am 24. Januar 1076 kommen in Worms der König, zahlreiche Vertreter des Reichsepiskopats sowie einzelne weltliche Fürsten zusammen. Von diesem Reichstag geht eine Absageerklärung der Bischöfe (24 Bischöfe und 2 Erzbischöfe kündigen dem Papst den Gehorsam auf, weil seine Erhebung illegal gewesen und sein Lebenswandel unmoralisch sei) und ein Schreiben des Königs an den Papst. Ob die Initiative dazu von Heinrich oder von den Bischöfen ausging, ist schwer zu entscheiden. Jedenfalls trafen sich beide Gruppen von unterschiedlichen Voraussetzungen her in ihrer gemeinsamen Abwehr der päpstlichen Herausforderung.

Reichstag in Worms 1076

Der Brief des Königs enthält die Vorwürfe, Gregor habe sich gegen Reichsrechte in Rom und Italien vergriffen, was als Anspielung auf sein Bündnis mit der Mailänder pataria sowie auf die päpstliche Belehnung der Normannen mit süditalienischen Reichsgebieten verstanden werden kann, sowie der Vorwurf, er habe wider göttliches und menschliches Recht gehandelt, indem er an die Bischöfe Hand angelegt habe und indem er dem König die erbliche Würde entrissen habe. Heinrich verweist auf seine Unantastbarkeit als erblicher König und befiehlt dem Papst kraft seiner Würde als Patrizius der Römer (diesen Titel hatte Heinrich III. 1046 nach seiner Kaiserkrönung auch für seinen Sohn erhalten), von seinem Stuhl herabzusteigen. Der Brief wird vervielfältigt und erfährt als wirkungsvolle Propaganda Verbreitung über das Reich.

Brief des Königs an Gregor VII. im Januar 1076

Heinrichs Brief konnte keine andere Reaktion als die Exkommunikation des Herrschers hervorrufen (diese wird mit dem Umgang mit Gebannten begründet). Auf der römischen Fastensynode des Jahres 1076 ging der Papst jedoch noch einen Schritt weiter, wenn er den Salier als König absetzte. Da die Exkommunikation die Entbindung der Untertanen vom Treueid nach sich zieht, scheint die Königsdeposition, obgleich ein bislang beispielloser Vorgang, eine unmittelbare Folge des Anathems zu sein. Dennoch ist die Absetzung des Königs, die Gregor in einer effektvollen Inszenierung als Gebet vor dem Apostelfürsten Petrus vorträgt, rechtlich fraglich. Wolfram von Steinen betont, dass der König sein Amt nicht vom Papst, sondern von den Fürsten habe und deswegen nur diese zu einer Absetzung berechtigt seien. Allerdings hätte eine Exkommunikation des Herrschers wegen des Verbots des Umgangs mit Exkommunizierten eine Absetzung der Fürsten nach sich ziehen müssen. Der Akt auf der Fastensynode kann als eine erste und konsequente Erprobung des Anspruchs auf Suprematie des Papstes gelten, der in den Sätzen des Dictatus papae deklariert wurde. In einem Brief an Hermann von Metz rechtfertigt Gregor seine Handlung durch Hinweise auf die Exkommunikation des Theodosius durch den heiligen Ambrosius und Pippins durch Papst Zacharias, die, wie schon die Zeitgenossen wussten, nicht den historischen Fakten entsprachen.

Die Fastensynode 1076

Die Bannung eines Herrschers durch den Papst erschütterte das christliche Weltbild der Zeit und musste von Heinrich als politische und existentiell hoffnungslose Bedrohung empfunden werden. Entscheidend für die folgenden Ereignisse scheint die Tatsache, dass die Bannung, obgleich dem Papst zuvor der Gehorsam gekündigt worden war, eine ungeheure Wirkung zeigte und man in der schnellstmöglichen Aufhebung des friedlosen Zustandes des Königs die dringendste Notwendigkeit sah. Das Einvernehmen zwischen dem König und den Bischöfen jedenfalls war zerstört und statt dessen bildete sich mit den sächsischen Fürsten, süddeutschen Fürsten und einem großen Teil des Episkopats eine feindliche Koalition gegen den König; die gebannten Bischöfe suchen mit dem Papst schnell Frieden. Für Heinrich stellte sich in dieser ausweglosen Lage die Verhandlung mit den Fürsten und Bischöfen als einzige Möglichkeit dar. Auf dem Fürstentag zu Tribur, während dessen Heinrich am anderen Rheinufer in Oppenheim lagert, wird der Entschluss gefasst, den Papst zu einer Versammlung in Augsburg im nächsten Jahr einzuladen. Der König müsse ein Jahr nach seiner Bannung vom Bann wieder loskommen, andernfalls würde ein neuer König gewählt.

Konsequenzen der Bannung

Letztlich gelingt es Heinrich, einen Zusammenschluss Gregors mit der fürstlichen Opposition im Reich doch noch zu verhindern. Obwohl die Alpenpässe von seinen Gegnern blockiert sind, kann der König unter abenteuerlichen Umständen die winterlichen Alpen überqueren und, indem er vor der Burg Canossa, wie die päpstliche Quelle berichtet, drei Tage lang barfuß und barhäuptig Buße tut, vom Papst die Loslösung vom Bann erreichen. Gregor war zu diesem Zeitpunkt schon auf den Weg nach Deutschland aufgebrochen und hatte sich, als er vom Nahen des Königs erfuhr, auf die Burg seiner Verbündeten Mathilde zurückgezogen. Da nun der König christliche Buße ablegte, kam der Papst, durch seine Berater, u. a. Hugo von Cluny, zur Nachsicht gedrängt, nicht umhin, ihn wieder in die kirchliche Gemeinschaft aufzunehmen. Zwar musste der Salier in einem Eid bekennen, sich fortan dem Urteilsspruch des Papstes zu fügen und dessen Reise nach Deutschland nicht zu behindern, doch obwohl er durch diese Geste den Primatsanspruch des Papstes faktisch bestätigte, ist der Canossagang zumindest als Teilerfolg für den König zu werten, wenngleich außer Frage steht, dass sich die Bewertung "Canossas" als Schande (v. a. die Rezeption seit dem 19. Jahrhundert) auf die zeitgenössische Quelle Lampert von Hersfelds stützen kann. Schon die Zeitgenossen empfanden die Zwiespältigkeit des Vorgangs: einerseits akzeptierten sie die in der Buße ausgedrückte religiöse Gesinnung des Königs, andererseits hielten sie es für unwürdig, dass der König um eines augenblicklichen Vorteils willen eine Kehrtwendung vollzogen hatte. Die Bewertung des Bußgang als eines taktischen Erfolgs Heinrichs IV. (A Brackmann) ist demzufolge ebenfalls als überholt anzusehen. Über die Beurteilung der tatsächlichen rechtlichen Konsequenzen der Rekonziliation des Saliers herrscht ebenfalls Unklarheit. Es ist davon auszugehen, dass Gregor erst in ganz neuer Situation (Fastensynode 1080) die Exkommunikation und die Wiederaufnahme des Büßers so interpretiert hat, als sei der Bann eine Amtsenthebung und die Rekonziliation noch keine Wiedereinsetzung gewesen. Der Anspruch auf päpstliche Idoneitätsprüfung oder gar auf Approbation weltlicher Herrschaft, wie er im 13. Jahrhundert von Bonifaz VIII. vorangetrieben wurde, steckte noch in ersten, juristisch völlig unsicheren Anläufen (vgl. Jakobs).

Heinrichs Gang nach Canossa

Im März 1077 wählte die fürstliche Opposition in Forchheim Rudolf von Rheinfelden zum neuen König. Im Konflikt zwischen den zwei konkurrierenden deutschen Königen verzichtete Papst Gregor jedoch auf ein Eingreifen und nahm eine zögerliche schiedsrichterliche Haltung zwischen beiden Kontrahenten ein. Dass sich Heinrichs Königtum nach dem Tiefpunkt von Tribur und Oppenheim und trotz des Gegenkönigtums so rasch wieder festigte, hat seinen Grund darin, dass wichtige Gruppen im Reich, hauptsächlich Städte und Ministerialen, eher in ihm, als in Rudolf von Rheinfelden einen Garanten für Frieden und sozialen Aufstieg sahen. Im Frühjahr 1080 fühlte sich Heinrich stark genug, dem Papst ein Ultimatum zu stellen, in dem er forderte, dass er Rudolf exkommuniziere. Andernfalls werde er einen Gegenpapst erheben lassen. Die politische Entscheidung über den rechtmäßigen König hatte auf den Schlachtfeldern stattzufinden und wurde endgültig gefunden, als Rudolf im Oktober 1080 bei der Schlacht an der Elster ums Leben kam. Dass er im Kampf seine Schwurhand verloren hatte, mit der er Heinrich die Treue geschworen hatte, wurde wie ein Gottesurteil für den Salier verstanden. Der neue Gegenkönig Hermann von Salm (1081-1088) kann nur wenig Einfluss ausüben; ein weiterer Nachfolger wird nicht mehr gefunden.

Gegenkönigtum Rudolfs von Rheinfelden

Fortsetzung des Streits um die Laieninvestitur

Das Problem der Laieninvestitur, das weder bei der Bannung des Königs, noch im Eid von Canossa erwähnt wurde, war durch den Bußgang des Königs keineswegs gelöst. Im November 1078 sprach Papst Gregor VII. unmissverständlich das Verbot der Laieninvestitur aus und bezeichnete auch Kaiser und Könige ausdrücklich als Laien. Als er auf der Fastensynode von 1080 das Investiturverbot verschärfte, indem er nun auch die Herrscher, die eine Investitur vornahmen, mit dem Bann bedrohte, erneuerte er den Bann gegen Heinrich und übergab das Reich an König Rudolf, den er Lehensmann der Apostel nannte. Dieser neuerliche Bann gegen den Salier bewirkte nun nicht mehr wie 1076 ein Auseinanderfallen der königlichen Partei, sondern gerade das Gegenteil.

Laieninvestiturverbote von 1078 und 1080

Die Gegner Gregors VII. aus dem deutschen und oberitalienischen Episkopat sammelten sich um Heinrich und beschlossen auf einer Synode in Brixen im Juni 1080, Gregor zu verurteilen und zur Selbstdeposition aufzufordern. Die Dekrete der Synode von Brixen enthalten neben skurrilen Anklagen auch die berechtigten Vorwürfe, der Papst habe die kirchliche Ordnung (v. a. durch Zweitbesetzungen von Bistümern) untergraben, säe Zwietracht, unterstütze einen eidbrecherischen König und trachte dem König mit der Prophezeiung, dass Heinrich bis zum 1. August des Jahres seinen Untergang finden werde, nach Leib und Seele. Ferner legten sich die Bischöfe auf Wibert von Ravenna als Kandidaten für die Papstwürde fest.

Synode von Brixen

Nach dem Tod Rudolfs von Rheinfelden, der in offensichtlicher Weise die Prophezeiung des Papstes verkehrt hatte, entschließt sich Heinrich, die Entscheidung in Italien zu suchen. Letztendlich gelingt es ihm, von seinen Anhängern in der Lombardei mit offenen Armen empfangen, 1083, die Leostadt und St. Peter in Rom zu erobern. Ein Ausgleich mit Gregor kommt nicht zustande; statt dessen wird dieser, nachdem dreizehn Kardinäle wegen seiner Unnachgiebigkeit von seiner Seite abgefallen waren, auf einer Synode als Majestätsverbrecher abgesetzt und exkommuniziert. Daraufhin wurde Wilbert von Ravenna als Clemens III. zum neuen Papst erhoben. Mit diesem Namen knüpfte er an das 1046 in Sutri begründete kaiserliche Papsttum an. Am Osterfest 1084 wurden Heinrich und seine Gemahlin mit der Kaiserkrone gekrönt.

Italienzug Heinrichs

Mit den Worten "Ich habe die Gerechtigkeit geliebt und das Unrecht gehaßt, deshalb sterbe ich in der Verbannung" endet das Leben des letztlich gescheiterten Gregors VII. am 25. Mai 1085 im Exil in Salerno, nachdem er Rom, das er mit Hilfe der Normannen noch verwüstet hatte, hatte verlassen müssen. Sein Episkopat hat die Richtungnahme der Kirche stark geprägt und gewährt nur oberflächlich den Eindruck eines Scheiterns. Mit dem Tod des Papstes war der unmittelbare Machtkampf zwischen Kaiser und Papst vorerst entschieden. Den "heiligen Revolutionär" hat die Kirche aus dem Geist der Gegenreform heiliggesprochen.

Tod Gregors VII.

Fortgang des Investiturstreits unter Urban II.

Nachdem das kurze Episkopat Viktors III., der erst 1086 als neuer Papst der Reformpartei inthronisiert worden war, ohne nachhaltige Wirkung blieb, gelang es erst Urban II. (1088-1099), das Papsttum aus dem Engpass wieder herauszuführen. Sein Pontifikat war ein anhaltendes Ringen um allgemeine Anerkennung und war deswegen von weitgehender Kompromissbereitschaft gekennzeichnet.

1089 konnte er Rom von Süditalien aus erobern und den Rückzug Clemens III. erwirken, im gleichen Jahr durch die Veranlassung einer Ehe zwischen Mathilde von Tuszien und Welf V. dem Kaiser fortan den Weg nach Rom versperren. Heinrichs wechselhafte Italienpolitik und die Erhebung seines Sohnes Konrad gegen den Vater können hier nicht behandelt werden. Für unsere Fragestellung wichtig ist allerdings die Feststellung, dass es Urban II. zwar gelang, in Italien seine Obödienz auszuweiten, er es aber nicht vermochte, sich im Reich auf Dauer gegen den Papst Clemens III. durchzusetzen. Obgleich Heinrich IV. nicht aufgehört hatte, die Bischofssitze in seinem Machtbereich zu besetzen, brachte Urban ihm gegenüber das Problem des Investiturverbots nicht zur Sprache. Auch den wenigen deutschen Bischöfen, die zu Urban übertraten, wurden wegen ihrer Investitur durch den Salier keinerlei Schwierigkeiten gemacht.

Wiederausbau der päpstlichen Obödienz durch Urban II.

Zu einem Triumph Urbans II. wurde die Synode von Piacenza, auf der Heinrichs zweite Gemahlin Praxedis vor den Papst trat und ihren Gatten perverser Handlungen beschuldigte. Zudem werden auf dieser Synode Beschlüsse gegen Simonie gefasst, die vielfältige Unterscheidungen einführten, die die Behandlung nicht-simonistisch von Simonisten geweihter Kleriker bzw. in ähnlicher Weise auch von Klerikern, deren Konsekrator ein Schismatiker war, betreffen. Für viele Bischöfe und Kleriker war es fortan leichter, sich dem römischen Papst anzuschließen; manche deutsche Bischöfe verbinden nun auch die Treue zu Heinrich IV. mit der Obödienz Urbans oder bleiben neutral zwischen den Päpsten.

Synode von Piacenza

Erst als Urban seine Obödienz hatte ausdehnen können, war er, so eine These Augustin Fliches, hinsichtlich der Investiturfrage vom Opportunismus zum gregorianischen Rigorismus zurückgekehrt. Durch die Aussprache eines Hominiumsverbots ging er schließlich sogar noch über Gregors VII. Forderungen hinaus.

Urban vom Opportunisten zum rigorosen Gregorianer

Auf der durch den Kreuzzugsaufruf berühmten Synode von Clermont im Jahr 1095 verschärft der Papst die Zöllibatsgebote, das Verbot, Waffen zu tragen, spricht neuerlich das Verbot der Simonie aus und verbindet das Verbot der Investitur erstmals mit dem Verbot des Lehneids gegen den König und andere Laien für alle Geistlichen. Ferner wird Laien der Besitz von Zehnten oder von Kirchen verboten. Das Investitur- und Lehneidverbot wird 1096 auf der Provinzialsynode von Rouen wiederholt. Der Kampf um das Recht des Königs, von den Bischöfen das hominium und den Treueid zu verlangen, nachdem die Investitur in die Regalien erfolgt war, ist ein Teilproblem des Investiturstreits, das besonders in der Zeit Heinrichs V. hervortrat.

Synode von Clermont

Ausblick: Das Königtum Heinrichs V.

Auch unter Heinrich V. (seit 1106) blieb das Verhältnis zum Papsttum schwierig. Der König bestand auf der Investitur mit Ring und Stab, wurde aber nicht exkommuniziert, obgleich Papst Paschalis II. im Oktober 1106 auf der Synode von Guastalla das Investiturverbot verlängerte und die Bitte des Saliers ablehnte, dem deutschen König das ius imperii zu gewähren, worunter Heinrich die königliche Mitwirkung bei der Wahl des Bischofs, die Investitur mit Ring und Stab sowie Treueid und homagium verstand. Im Reich wurde die Investitur jetzt als Belehnungsakt verstanden, und das hominium wurde zum unentbehrlichen Rechtsgrund für die vasallistischen Pflichten der Bischöfe gegenüber dem König.

Bis zum schließlich 1122 im Wormser Konkordat mit Calixtus II. geschlossenen Kompromiss müssen zwar einige Verhandlungen noch scheitern, doch zeigt sich nun allmählich immer mehr, dass beide Seiten des Konflikts müde sind und Interesse an einer Lösung des Problems besteht. Der königliche Verfasser des Tractaus de investituris von 1109 hält am Investiturrecht des Königs fest, erklärt aber in enger Anlehnung an einen Brief Ivos von Chartres an Hugo von Lyon, dass die Symbole, mit denen die Investitur vollzogen wird, von nebensächlicher Bedeutung sind, solange sie vor der Weihe stattfände. Die Investitur diene lediglich dazu, den Besitz der Kirche zu schützen. Am Tag der Weihe solle der Bischof dann Ring und Stab vom Altar nehmen, der Lehnseid solle am besten vor der Weihe geleistet werden. In dieser lehnrechtlichen Interpretation des Verhältnisses zwischen Bischof und König deutet sich ein Weg aus der Sackgasse an, indem zwischen der dinglichen Komponente in der Regalie und dem persönlichen Element des hominiums unterschieden wird.

Tractatus de investituris

Verhandlungen mit dem Papst auf dem Laterankonzil von 1110/ 1111 scheitern. Hier werden noch einmal Übertragung kirchlicher Besatzungen und Investitur verboten, Empfänger, Konsekrator und Laie wird die Exkommunikation angedroht, das hominium wird nicht erwähnt. Im Februar 1111 kommt es zu einer Abmachung zwischen König und Papst, die das utopische Versprechen des Papstes beinhaltet, er wolle vor der Kaiserkrönung die Bischöfe anweisen, Regalien, die seit Karl dem Großen an Kirchen übertragen worden waren, dem König zurückzugeben (Eigenbesitz der Kirchen soll hingegen unangetastet bleiben). Als Gegenleistung verspricht dieser, den Verzicht auf Investitur mit Ring und Stab zu schwören. Am Tag der geplanten Kaiserkrönung kommt es in der Peterskirche allerdings zu Tumulten, da durch die getroffenen Abmachungen nicht nur die Bischöfe, die ihre Stellung als Reichsfürsten eingebüßt hätten, sondern auch die weltlichen Großen getroffen gewesen wären, deren Macht zu einem guten Teil auf Kirchenlehen beruhte. Zur Gefangennahme des Papstes kam es, als dieser Heinrichs Forderung nach nun doch nachhaltigerer Bestätigung des königlichen Investiturrechts verweigerte.

Romzug Heinrichs V.

Das Privileg von Ponte Mammolo, das Heinrich vom gefangenen Papst erpressen kann, gewährt schließlich die Zusicherung der Kaiserkrone und der Investitur vor der Weihe, de facto also eine Art Vetorecht in allen Bischofserhebungen. Als Reaktion auf diese weitgehenden Zugeständnisse erhob sich eine geistliche Opposition gegen den Papst; einige römische Geistliche kündigten dem Papst die kirchliche Gemeinschaft, da sie die Laieninvestitur als Häresie ansahen. Nur der Einspruch des angesehenen Rechtskenners Ivo von Chartres kann eine Absetzung des Papstes noch verhindern. Dem zunehmenden Druck der Gregorianer muss der Papst nachgeben, indem er sich auf der Lateransynode von 1112 zu seinen Vorgängern bekennt: "was sie verdammt haben, verdamme ich auch". Heinrich V. kümmerte sich allerdings nicht um die Rücknahme des Privilegs und ernannte und investierte weiterhin Bischöfe.

Das Privileg von Ponte Mammolo

Des Konfliktes müde richtet Papst Calixt II. (1119-1124), unter dem Pontifikat seines Vorgängers noch der radikalste Gregorianer, im Februar 1119 ein versöhnlich gestimmtes Schreiben an Heinrich V., indem er feststellt, der Kirche gehöre, was Christi sei, dem Kaiser, was ihm gehöre. Nachdem ein deutscher Reichstag bei Mainz beschließt, sich bald mit dem Papst zu versöhnen, kommt es im Herbst 1119 in Straßburg zu Gesprächen zwischen Heinrich V. und der päpstlichen Partei, in denen der päpstliche Legat Wilhelm von Champeaux darauf hinweist, dass er, obgleich er vom französischen König weder vor noch nach der Weihe "irgend etwas" empfangen habe, alle Verpflichtungen dem Staat gegenüber erfülle. Daraufhin erklärt sich Heinrich bereit, auf jede Art der Investitur zu verzichten. Ein für Mouzon vereinbartes Konzil, auf dem die endgültige Lösung des Problems gefunden werden soll, wird noch im letzten Moment verhindert, da die päpstliche Partei fürchten muss, Heinrich könne wie 1111 im Sinne haben, sich Kirchenbesitz anzueignen. Zu einer ausdrücklichen Verzichterklärung auf weltliche Investitur fand sich der Salier jedoch nicht ohne Konsultierung der mittlerweile wieder feindlichen Fürsten bereit. Obgleich Heinrich auf einer Synode von Reims gebannt wird, da er die Schandtat von 1111 habe wiederholen wollen, zeigen sich die Mehrzahl der Teilnehmer der Synode zu einem baldigen Kompromiss bereit; auch unter dem deutschen Adel herrschte nun das Verlangen nach Frieden mit der Kirche vor. Auf dem Würzburger Reichstag vom Oktober 1121 wird mit einem förmlichen Friedensvertrag zwischen dem Kaiser und der fürstlichen Opposition der Weg zur endgültigen Lösung bereitet. Als Bedingung wurde, wie es scheint vom Mainzer Erzbischof Adalbert diktiert, verlangt, dass sich der Kaiser dem Papst fügen soll.

Verhandlungen mit Papst Calixt II.

Zur Versöhnung zwischen Kaiser und Kirche kommt es am 23. 9. 1122 auf den Lobwiesen bei Worms. Päpstliche Legaten setzen die Minimalforderungen, die in zwei Urkunden, einer kaiserlichen (Heinricianum) und einer päpstlichen (Calixtinum), verbrieft werden. Die kaiserliche Urkunde, die außerdem von einer beträchtlichen Anzahl von geistlichen und weltlichen Großen unterzeichnet ist (darin kommt zum Ausdruck, dass jetzt auch die Fürsten, nicht mehr allein der König, das Reich repräsentieren), enthält den Verzicht auf die Investitur mit Ring und Stab und die Garantie auf Gewährleistung der freien kanonischen Wahl und unbehinderten Weihe des Ausgewählten. Die päpstliche Urkunde gestattet die Wahl in Gegenwart des Königs. Bei zwiespältigen Wahlen sollte sich der König der pars sanior anschließen; wer diese sei, sollte der Metropolit mit seinen Suffraganen entscheiden. Dem Kaiser wird gestattet, die nicht näher bestimmten Regalien dem Kandidaten vor der Weihe durch das Szepter zu übertragen (in Burgund und Italien erst nach der Weihe). Bei Empfang der Regalien sollen die Geistlichen die nicht näher bezeichneten Rechtspflichten gegen den Herrscher erfüllen. In Deutschland war mit dieser Regelung der Einfluss des Herrschers auf die Person des zu wählenden Bischofs also weiterhin gewahrt, während in Burgund und Italien dem König nur geringe Möglichkeiten blieben.

Beide Seiten versprachen sich fortan Frieden. Auf dem Laterankonzil von 1123 legt Calixt diese Abmachungen mit der Begründung vor, dass die Zeitumstände einen Dispens von der sofortigen Durchführung der theoretischen Maximalforderungen verlangen. Im Reich wurden die Abmachungen von einem Hoftag in Bamberg gebilligt. Letztlich siegte also die politische Vernunft.

Maßgeblich bedingt waren die Beschlüsse von Worms durch die Theorie Ivos von Chartres und seine Unterscheidung zwischen temporalia und spiritualia. Über die spiritualia und die damit verbundenen Investitursymbole (Ring und Stab) hat der König keinerlei Verfügungsgewalt. Die temporalia, die der König aufgrund seiner Gnade verleihen kann, werden mit dem Szepter als einem neuen Investitursymbol bezeichnet. Als Vorbild des Konkordats kann das Konkordat von Westminster von 1107 gelten.

Zwei Urkunden beendeten den jahrzehntelangen Streit zwischen Kaiser und Papst um die Investitur: Das sog. Heinricianum und das Calixtinum. Im Gegensatz zu letzterem ist das auf den 23. September 1122 datierte Heinricianum im Archiv des Vatikans im Original erhalten geblieben.

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Literaturauswahl:

Michael Beißwenger: Vorgeschichte des Investiturstreits bis zu dessen Ausbruch und Höhepunkt, WWW-Ressource = http://www.rzuser.uni-heidelberg.de/~mbeisswe/invest/
[diesem Aufsatz verdanke ich zahlreiche Anregungen; in manchen Passagen meines Textes werden weitgehende Übereinstimmungen mit Beißwenger festgestellt werden können]

Egon Boshoff: Die Salier, Stuttgart, Berlin, Köln etc. 1987

Wilfried Hartmann: Der Investiturstreit, 2. Auflage, München 1996

Hermann Jakobs: Kirchenreform und Hochmittelalter 1046-1215, 4. Auflage, München 1999 (= Oldenbourg Grundriß der Geschichte, hrsg. von Jochen Bleicken u. a., Band 7) [mit ausführlichen Literatur- und Quellenangaben]

Johannes Laudage: Gregorianische Reform und Investiturstreit, Darmstadt 1993

Jürgen Miethke: Geschichtsprozeß und zeitgenössisches Bewußtsein – Die Theorie des monarchischen Papats im hohen und späteren Mittelalter. In: HZ 226 (1978) S. 564-599

Gerhard Schmitz: Bildquellen zur Vorlesung: Epochen der mittelalterlichen Geschichte (Wintersemester 1998/99), WWW-Ressource = http://www.uni-tuebingen.de/mittelalter/personen/schmitz/vl9899/bilder.htm

Tilman Struve: Die Stellung des Königtums in der politischen Theorie der Salierzeit. In: Die Salier und das Reich. Bd. 3: Gesellschaftlicher und ideengeschichtlicher Wandel im Reich der Salier, hrsg. von Stefan Weinfurter unter Mitarbeit von Hubertus Seibert, Sigmaringen 1992, S. 217-244

Harald Zimmermann: Papstabsetzungen des Mittelalters, Graz, Wien, Köln 1968

Harald Zimmermann: Der Canossagang von 1077. Wirkungen und Wirklichkeit, Wiesbaden 1975 (= Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz, Abhandlungen der Geistes- und Sozialwissenschaftlichen Klasse Jahrgang 1975, Nr. 5)

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