Die Darstellung und Selbstdarstellung des römischen Kaisers:

Münzen, Porträts und Statuen als Spiegel der Regierungszeit des Marc Aurel

Boris Körkel, August 1995

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Die Regierungszeit des Kaisers Marc Aurel, die Jahre 161 bis 180 n. Chr., und vor allem das kaiserliche Selbstverständnis dieser Zeit, spiegeln sich für uns heute besonders greifbar und sinnlich faßbar in den Statuen, Porträts und Münzen des Kaisers wider. Einen besonders differenzierten Einblick gewähren uns die Reverslegenden und -bilder der zentral von Rom ausgegebenen kaiserlichen Münzen, die uns erhalten sind. In der Antike wurden Münzen als Mittel einer zentralen Propaganda eingesetzt, die Wahl der Münzen, insbesondere die Darstellungen auf ihren Rückseiten, stellten Grundzüge eines politischen, sozialen und ideologischen kaiserlichen Programms dar.

Um diese Abbildungen und Legenden auf den Münzrückseiten richtig verstehen zu können, müssen wir uns einiger grundsätzlicher Voraussetzungen bewußt werden. Münzen waren in der Antike zwar ein Darstellungsmedium, welches durch seine relativ einfache und rasche Herstellungstechnik eine schnell wandelbare und differenzierte Münzpropaganda erlaubte, jedoch waren sie in erster Linie als Zahlungsmittel Gebrauchsgegenstand, und ihre Aussagekraft sollte deshalb nicht überschätzt werden. Die Münzen bezeugen auch immer nur die Sicht des Münzherrn, entsprechen deshalb in erster Linie nur dessen Wunschdenken, Versprechungen oder Vorstellungen und geben auch nicht immer tatsächlich geschehenes wider. Die spezielle Bedeutung ihrer Bildinhalte wird wohl in ihrer Zeit verstanden worden sein. Heute können wir vieles nur sehr schwer nachvollziehen und müssen daher stets die Tradition der Münzprägung der gesamten Kaiserzeit vor Augen haben, um bei der immerwährenden Wiederholung gleicher oder ähnlicher Münztypen überhaupt Schlüsse auf das Spezielle und Besondere bei Marc Aurel ziehen zu können.

Grundsätzlich boten die Averse der Münzen jedem Bürger des römischen Reiches die Möglichkeit, sich eine Vorstellung vom Aussehen Marc Aurels zu machen, und sorgten für eine symbolische Präsenz des Kaisers in allen Provinzen. Die Reverse boten weiteren Platz, der für eine differenziertere Propaganda genutzt wurde. Auch hier stand stets der Kaiser oder die domus principis im Mittelpunkt der Darstellung. Während des Prinzipats des Marc Aurel gab es eine außergewöhnlich große Anzahl von Personen, für die geprägt wurde (geprägt wurde für Marcus, Lucius Verus, Commodus, Faustina II., die Tochter Lucilla und für den vergöttlichten Antoninus und später für den vergöttlichten Lucius Verus) - der Prinzipat war neu konzipiert als Samtherrschaft, wobei der princeps nur princeps inter pares war. Marc Aurel kam darin grundsätzlich mit den Vorstellungen des Vorgängers Antoninus Pius überein, weshalb es zwischen den beiden Herrschern auch keinen abrupten Wechsel des Stils gegeben hat. Der nahtlose Übergang beweist, daß der von langer Hand vorbereitete Machtwechsel reibungslos geschah, und Marc Aurel Programm und Ideologie seines Vorgängers, den er selbst als Vorbild bezeichnete (Ta eis heauton VI 30), weitestgehend übernommen halle.

Die Reversbilder der Münzen (untersucht wird hier die Sammlung Roman Imperial Coins in the Hunter Coin Cabinet), die bei Marc Aurel in erster Linie Tugenden oder Personifikationen darstellten, werden häufig erst in Verbindung mit den Reverslegenden verständlich. Wir können nun einige kaiserliche Grundeigenschaften, chronologische Entwicklungen und auch Hinweise auf aktuelle Ereignisse aus den Reversen ablesen. Der Stil der Abbildungen reichte von wirklichkeitsnaher Darstellung bis hin zu stilisierenden Allegorien. In besonderer Weise spiegelte sich in der Münztätigkeit Marc Aurels insgesamt mehr die grundsätzliche Situation der Zeit als etwa die philosophischen Anschauungen des Kaisers. Das römische Reich war an vielen Grenzen erschüttert durch kriegerische Auseinandersetzungen und lang anhaltende Krisen (insbes. der Partherkrieg und beide Markomannenkriege; vgl. CHRIST, 332ff.). Dem entsprechend nahm eine ungewöhnlich große Zahl der Rückseitentypen direkt oder indirekt Bezug auf militärische Ereignisse. Im Vergleich zu Antoninus Pius, wo nur 12, 3 % der Darstellungen militärischen Charakter hatten, waren es bei Marc Aurel 47 %. Diese militärischen Münztypen umfaßten besonders zahlreiche Darstellungen der Victoria oder anderer kriegerischer Gottheiten wie Mars, Minerva, eine Personifikation der militärischen virtus ,oder die wehrhafte Roma. Konkrete Siege fanden ihren Niederschlag außerdem durch Siegertitel auf den Obversen: ,,ARMENIACUS" vom Jahr 164 bis 166, ,,ARM PARTH MAX" von 166 bis 168. Nach dem Tode des Lucius Verus verschwanden die Siegertitel. Von 175 bis 177 erschienen dann die Titel ,,GERM SARM" (die Angaben beziehen sich auf die Gold- und Silbermünzen). In den Reverslegenden (Silber-, Gold- und Bronceprägungen) erschienen im Jahr 164 und 165 der Titel ,,ARMEN", im Jahr 173 ,,GERMANICO AUG", in den Jahren 176 bis 177 ,»E GERM" und ,,DE SARM". Darstellungen unterworfener Stämme, befreiter Provinzen oder durch Darstellung von Triumphszenen und Trophäen, so z. B. die Darstellung eines Germanen unter einer Trophäe, Darstellungen eroberter Waffen, der unterworfenen Germania (,,GERMANIA SUBACTA") und weitere Darstellungen von unterworfenen Germaninnen und Germanen. Ferner unterworfene Sarmater und eine Darstellung der befreiten Armenia. Weitere militärische Typen beziehen sich auf das Verhältnis des Kaisers zur Armee, beschwören die Eintracht und Treue des Heeres (,,CONCORDIA EXERC(ituum)" bzw. die Fides Exercituum), zeigen Marcus selbst in Militärkleidung und vor Soldaten, und stellen adlocutio- und profectio-Szenen dar. Es fällt auf, daß Motive mit Marcus vor Soldaten beinahe ausschließlich auf Bronceprägungen zu finden sind. Soldaten waren wohl nicht die Zielgruppe für Gold- und Silbermünzen.

Die militärischen Münztypen standen fast immer in engem zeitlichem Bezug zu den tatsächlichen Ereignissen, reflektierten freilich stets nur die Siege. Auch konkrete Ereignisse, wie das sogenannte Blitzwunder an der Donau fanden ihren Niederschlag auf den Reversen; Mercur tritt als Auslöser dieses Wunders in Erscheinung (vgl. Dio 71 [72] 10). Merkur war bis Marc Aurel nur selten auf römischen Kaisermünzen. Auf einer Münze aus dem Jahr 173, ist Merkur erklärt durch ,,RELIG(IO) AUGUSTI. Dadurch ist der direkte Bezug zum Blitzwunder hergestellt (vgl. JONES, 178f.).

Natürlich finden sich auf den Münzen keine Reflexe so schwerwiegender Ereignisse wie etwa der Pest von 165. Man kann deshalb sagen, daß die Münzbilder vielmals die Wirklichkeit beschönigten, Ereignisse auswählten und ausließen, oft auch bloße Wunschvorstellungen aufzeigten. Die häufige Darstellung der Victoria entsprach oftmals keinen realen Siegen und kann deshalb nur als Beschwörung des Sieges oder als Darstellung der grundsätzlichen Sieghaftigkeit des Kaisers verstanden werden. Von selbst verstand es sich für den Römer, daß stets der Kaiser als siegreicher Kriegsherr auftrat, auch wenn andere die Arbeit geleistet hatten. Wir sollten die Tatsache aber keineswegs aus den Augen verlieren, daß auch dies Teil des Programms kaiserlicher Selbstdarstellung war.

Wir sehen also, daß die militärische Sieghaftigkeit ('VIC AUG') als Grundeigenschaft des Kaisers Marc Aurel im Vordergrund stand. Dies steht zwar offensichtlich im Gegensatz zu seiner betont friedlichen philosophischen Einstellung in den Selbstbetrachtungen, widerspricht jedoch nicht unbedingt dem stoischen Willen zur Steigerung der persönlichen Leistungsfähigkeit, der Erziehung seiner selbst (vgl. auch Dio 71 [72] 34: "... he had developed his body from a very weak one to one capable of the greatest endurance"). Außer militärischer Tugend beschworen die Münzen noch weitere Grundeigenschaften des Kaisers, auch diese Teil des Programms seiner Selbstdarstellung: Seine providentia, seit Hadrian und Antoninus Pius göttliche Vorhersehung des Kaisers, für Marc Aurel sicher auch philosophische, allerdings von den Göttern gegebene Weitsicht (vgl. JONES, 25Sf.; ,,PROV DEOR(um)" erscheint in verschiedenen Darstellungen). Seine pietas, Pflichten, die gegen Götter, aber auch gegen Staat und Familie zu leisten waren: Es gibt einen Silbermünztyp aus dem Jahre 166, auf dem explizit die ,,PIETAS AUG" dargestellt ist. Ansonsten äußert sich die Pietas des Kaisers z. B. in Darstellungen von Opferhandlungen (vgl. Dio 71 [72j 34: ,,Marcus was so godfearing that even on the dies nefasti he sacrified at home."). Seine felicitas, die dem Kaiser anhaltende Fähigkeit zu Erfolgen. Seine clementia, die bereits Eigenschaft Caesars war und seit Hadrian und den Antoninen zu der großen Vielzahl kaiserlicher Attribute gerechnet wurde, auch wenn kein spezielles Ereignis den Anlaß dazu gab (vgl. Dio 71 [72] 34: ,,Most of his life he devoted to beneficence."). Außerdem die virtus des Kaisers, sicher militärische Tugend, aber vor allem die alte Tugend echten Römertums, die auf bürgerliche und republikanische Traditionen verwies (vgl. Dio 72 [73] 35: ,He had a strong impulse toward virtue."). Die liberalitas, die von Marc Aurel in reichem Maße verwirklichte Freigebigkeit, und die aequitas, Mäßigkeit, Geduld und Stetigkeit des Kaisers, also Verheißung von Kontinuität und einem ruhigen Zustand. Neben der aequitas verheißen auch pax und securitas diese Ruhe. Pax ist allerdings in Bezug zu den Kriegen zu setzen (vgl. auch Dio 71 [72] 34: ,,From first to last he remained the same and did not change in the least.").

Weiterhin muß erwähnt werden, daß insbesondere in den ersten Regierungsjahren zahlreiche Münztypen geprägt wurden, auf welchen die concordia der beiden Kaiser, Marc Aurel und Lucius Verus, zum Ausdruck kommt (vgl. CHRIST, 334). Schließlich noch so gebräuchliche Münzmotive wie zur ,,SALUTI AUG(usti)", Darstellungen der Fortuna, die eine glückliche Rückkehr verheißen sollten (insbes. ,,FORTUNA RED(ux)" sollte den Kaiser sicher von Reisen zurückbringen, während ,,ADVENTUS AUG" eine konkrete Rückkehr meinte; vgl. JONES, 120), und Darstellungen des mächtigen Iuppiter, dem der Kaiser beinahe gleich kam (betont wird die Stärke und Sieghaftigkeit Jupiters, der ein Siegeszeichen und ein Szepter hält, also einem Kaiser ähnlich dargestellt ist). Dies, so scheint es, läßt sich mit Marc Aurels bescheidener Regierungsauffassung überhaupt nicht in Einklang bringen. Von seinem zurückhaltenden Gebaren berichtet. Cassius Dio, wenn er etwa seine Kleidung beschreibt: ,,... actually dressed as a private citizen... he would wear a dark cloak whenever he went out unaccomparied by his father, and he never employed a torch-bearer for himself alone." (Dio 71 [72], 35). Eine Untersuchung weiterer bildhafter Quellen wird zeigen, wie es sich mit der ,,zivilen" und stoischen Gesinnung des Kaisers in der Darstellung vor seinen Untertanen verhielt.

Als weitere Quelle können die uns bekannten Porträts und Statuen des Kaisers Marc Aurel hinzugezogen werden. Dem Monarchen galt in der Antike ein Kaiserkult. Auch wenn sich Marc Aurels stoische Grundsätze geradezu gegen eine derartige Verehrung sträuben mußten, so konnte er sich wohl der Bildersprache der Zeit und der Forderung seiner Zeitgenossen nicht entziehen und hinterließ demzufolge selbst eine Zahl von Statuen. Natürlich bedeuten Statuen noch nicht selbstverständlich Kult; lange nicht alle Kaiserstatuen wurden kultisch verehrt.

Kaiserporträts waren keine Originalschöpfungen, sondern fanden ihre Verbreitung im gesamten römischen Reich durch Kopien, die von zugrundegelegten Urtypen gemacht wurden. Von Marc Aurel kennen wir vier solcher Porträttypen, die eine zeitliche Entwicklung sowohl im Aussehen, als auch im Selbstverständnis des Kaiser nachvollziehbar machen. Die Urtypen selbst, die alle verloren gegangen sind, mußten wohl direkt am kaiserlichen Hof entstanden sein, waren also originäres Mittel der Selbstdarstellung. Bei den einzelnen Fassungen, die durch Kopierverfahren entstanden sind, lassen sich dagegen auch oft lokale Stileigenarten und besondere Erwartungen erkennen.

Der erste Porträttypus stellt Marc Aurel ausgesprochen knabenhaft dar. Er ist 138 entstanden, als Antoninus Pius an die Regierung kam und überall seine Porträts und die seiner Thronfolger verbreitete. Marc Aurel war damals siebzehn Jahre alt (BERGMANN, 22ff., Abb. 26). Dieser Typus war schon wegen der raschen Entwicklung eines Jugendlichen bald überholt und wurde vom zweiten Typus verdrängt. Dieser entstand 144, ein Jahr vor der Hochzeit mit Faustina II., und halle ausgesprochen lange Zeit Geltung. Marc Aurel war hier als junger Mann dargestellt, dessen Haar üppiger war als vorher und dessen Bartwuchs begann. Bis ins letzte Regierungsjahr des Antoninus Pius blieb dieser Typus bestehen und erfuhr lediglich Neuauflagen, bei denen der Bart allmählich voller erschien. Dieses Festhalten am Typus war bereits Programm. Dadurch wurde der Status des Marc Aurel als Thronfolger bezeugt, die concordia mit dem in seinem Porträt ebenfalls beständig auftretenden Antoninus Pius betont und dessen auctoritas bei gleichzeitiger pietas des jüngeren Marc Aurel, die Kontinuität dieses Verhältnisses demonstriert, und die Jugendlichkeit, des Marc Aurel, die Hoffnung für die Zukunft bedeutete, beschworen (BERGMANN, 22ff., Abb. 28 und 30). Als Marc Aurel 161 nach dem Tode des Antoninus Pius selbst an die Macht gelangte, entstand der dritte Porträttypus. Dieses Porträt war nicht mehr Pendant zu Antoninus Pius, sondern nun zum Mitregenten Lucius Verus. Dieser Typus, der Geltung bis 169 hatte, als Lucius Verus starb, entsprach nun wieder eher dem wahren Alter des vierzigjährigen Marc Aurel. Es zeigte den Kaiser mit etwas längerem Bart, insgesamt würdiger und ruhiger Haltung, und könnte so durchaus den Vorstellungen vom stoischen Philosophen entsprochen haben. Diese Würde bezeugte aber vor allem den neuen politischen Status des neuen Kaisers. Die traditionelle Form des Porträts, das dem des Antoninus Pius oder des Hadrian durchaus ähnlich war, demonstrierte die Kontinuität der Regierung, die Übereinstimmung mit dem Porträt des Lucius Verus die concordia beider Regenten (BERGMANN, 23-26, Abb. 32; vgl. auch die Abb. hier). Der letzte und vierte Porträttypus entstand wahrscheinlich bald nach dem Tode des Lucius Verus, spätestens aber 176. Hier erscheint der Kaiser nun durchaus in aller herrscherlichen Pracht und Ausstrahlung:

Die großen, weit geöffneten Augen erinnerten an pathetische hellenistische Darstellungen, die in einem Kranz flammenden Haare, die wie ein Lichtschein den Kopf umstrahlten, erinnerten an die Bildersprache bei der Darstellung von Göttern und schienen dem Kaiser gottähnliche Eigenschaften zusprechen zu wollen. Aber auch den Stoiker erkennen wir an seinem Bart wieder, an seinem ernsten, aber voller Gelassenheit konzentrierten Blick, an seinen gealterten Zügen, die Spuren von onus und labor aufweisen (BERGMANN, 26-33, Abb. 1, 34-39). Diese zwei Grundzüge, Charisma gegenüber Stoa, scheinen in tiefem Widerspruch zu stehen, kennzeichnen allerdings auch einen Widerspruch, den Marc Aurel wohl so empfunden haben muß. Ihm blieb keine Zeit, seine stoischen Ideale auf dem Kaiserthron umzusetzen. Dies ist vielleicht auch der Ton der Selbstbetrachtungen, die schließlich stets nur Ermahnungen sind, die auf eine erstrebenswerte Lebensweise verweisen. Verschiedene Ausführungen des vierten Typus hoben diese Ambivalenz noch weiter hervor: Während bei manchen das Charisma des Kaisers betont wurde, wenn er alterslos dargestellt wurde, betonten Versionen, die einen gealterten Kaiser zeigten ganz andere Qualitäten des Marc Aurel. Insgesamt mußte Marc Aurel wohl mehr Kaiser sein, als er wollte; er war wieder mehr princeps als princeps inter pares. Daß sich Marc Aurel durchaus nicht dieser kaiserlichen Verehrung entziehen konnte, sondern selbst den Traditionen der statuarischen Darstellung eines Princeps entsprach, sich der herkömmlichen Bildersprache bediente, beweisen auch die verschiedenen Statuengattungen, in denen er geehrt wurde.

Es sind nur fünf Statuen von Marc Aurel mit Kopf erhalten: 2 Panzerstatuen, eine Togastatue, die bekannte Reiterstatue, und eine, die ihn als sitzende Gottheit darstellt. Alles sind durchaus traditionelle Formen. Die Gattung der Togastatue betonte republikanische Aspekte und senatorische Bestandteile der Herrschaft, seit Augustus wichtige Grundlage offizieller Propaganda. Derartige Berufung auf Traditionen und Nähe zum Senat können uns bei Marc Aurel nicht überraschen. Panzerstatuen betonten dagegen die militärische Grundlage des Prinzipats und die virtus des Feldherrn, Herrschaftsaspekte, welche wir bereits auf den Münzen besonders hervorgehoben sahen. In einem Reiterstandbild war diese Aussage noch wesentlich verstärkt: der Gestus des Reiterstandbilds zeigt Marc Aurel als würdigen Regenten, der die adlocutio an seine Truppen richtet. Eine, wie man vermutet, ehemals in der linken Hand gehaltene Weltkugel könnte diesen Gestus noch zum Zeichen der Herrschaft über den gesamten Weltkreis erweitert haben (KNAUER, 334). Die Darstellung als sitzender Gott verwies nun gar nicht auf die reale Welt, sondern betonte übermenschliche Eigenschaften des Kaisers. Es mag erstaunen, daß wir diesem Typ bei Marc Aurel begegnen, doch war die kultische Verehrung des Kaisers wohl schon so fest in den Grundlagen des Prinzipats verankert, daß sie auch ihren Platz in der Selbstdarstellung des Marc Aurel bzw. in der Aufnahme und Weiterführung dieser Darstellung durch die Bevölkerung fand.

Kaiserstatuen wurden von sehr unterschiedlichen Stiftern und in verschiedenen Kontexten errichtet. Von den öffentlichen fora bis hin zum privaten häuslichen Bereich begegneten dem Römer überall Bildnisse des Kaisers. So schreibt Fronto an Marc Aurel (Ad M. Caes. 4, 12): ,,Scis ut in omnibus argentariis mensulis pergulis tabernis protectis vestibulis fenestris usquequaque ubique imagines vestrae sint volgo propositae..." Porträts wurden also in fast jedem Bereich des Lebens von allen Gruppen der Bevölkerung aufgestellt. Und auch im privaten Bereich erführen die Kaiserporträts durchaus kultische Verehrung, wie den Scriptores Historiae Augustae zu entnehmen ist, die bezeugen, daß das Bild Marc Aurels bis in die Spätantike unter den Hausgöttern stand: ,,Denique hodieque in multis domibus Marci Antonini statuae consistunt inter deos penates." (Hist. Aug. v. Aur. 18, 6). Neben Privaten waren es auch Gruppen und Städte, die Porträts des Kaisers stifteten. Die Aufstellung auf den öffentlichen Plätzen bedurfte der Zustimmung der zuständigen Behörde - in Rom war das formal der Senat: "d(ecreto) d(ecurionum). Bezeugt sind sehr unterschiedliche Stifter von Statuen des Marc Aurel, u. a. die altehrwürdige Priesterschaft der fratres Avales in Rom, zu der die vornehmsten Senatoren gehörten. Sie stiftete gleich zwei Statuen des Kaisers (CIL VI 1012, 1021; vgl. Pekáry, 9). Weitere Stiftungen in Rom gehen auf die Prätorianer (CIL VI 1009) zurück, finden in den castra peregrina statt (CIL VI 1110); ferner ließen Senat (CIL VI 1008, 1014) oder auch Provinziale in Rom, ihrer Hauptstadt, Statuen errichten (CIL VI 1010: "Hisponses ex Africa"). In den Provinzen waren es häufig Beamte, wie in Cuicul ein L. Gorgilius Augustalis, der anläßlich der Übernahme der Ädilität neben 4000 Sesterzen eine Statue versprochen hatte (CIL VII 8300 + p. 1896 = ILS 368). Dies war durchaus üblich, ebenso wie Stiftungen aufgrund testamentarischer Verfügungen. Statuenaufstellungen waren oft Bestandteil eines größeren Kontextes. Als dem Testament des L. Pompeius Novellus entsprechend in Cuicul eine Statue Marc Aurels errichtet wurde, veranstaltete dessen Bruder Spiele (CIL VIII 20152). In Thamugadi haben wir ein Beispiel dafür, daß ein Statthalter eine Kaiserstatue errichtete (ZIMMER T21), aber auch Beispiele, wo die Kosten von öffentlicher Hand getragen wurden (CIL VIII 17863). Eine durchgehende starre Regelung existierte wohl nicht. Im Militär gehörte eine kaiserliche Statue zur Ausstattung eines jeden Lagers, denn nur an ihr konnte der Eid abgelegt werden. Außerdem sind auch zahlreiche zusätzliche Statuenstiftungen bezeugt. Unter Marc Aurel wurde es zur Sitte, daß alle Tribunen oder alle Centurionen der Legion als Stifter der Statue genannt wurden. (vgl. DOMASZEWSKI, 149). Folgende Statuen in Legionslagern können genannt werden: CIL III 6578 (Alexandrea, Aegyptus), 1372 (Veczel, Dacia), 3318 (Lussonium, Pannonia inferior), 6658 (Admeder, Syria), CIL VIII 17587 (Bir Umm Ali, Numidia),18065 (Castra Lambaesitania, Numidia), DOMASZEWSKI, 149, Nr.148 Mainz). Statuen bei Auxilia: CW III 6581 (Alexandrea, Aegyptus), CIL 1116760 (Ancyra, Galatia). Die Statuen wurden aus der Truppe eigenen Mitteln errichtet: "ex quaestura sua".

Über den Anlaß der Aufstellung des Reiterstandbilds wissen wir nicht sicheres; evtl. wurde es aus Anlaß des am 12. Oktober 166 gefeierten Triumphes über die Parther errichtet (KUHOFF, 312-315, bes. Anm. 524; KNAUER, 336). Die Marcussäule wurde anläßlich des Triumphes vom 23. Dezember 176 errichtet. Sie diente zweifellos zur langfristigen Wahrung des Gedenkens an die Taten des Kaisers; das Reliefband schildert die Geschichte der Germanenkriege (BERGMANN, 6; KUHOFF, 296).

Insgesamt können wir erkennen, daß die bildhafte Darstellung des Kaisers auch unter Marc Aurel eine große Rolle für die Darstellung und Selbstdarstellung seiner Herrscherpersönlichkeit und damit auch zur Durchsetzung seines Herrscherwillens gespielt hat. Weitestgehend war Marc Aurels Propaganda getragen von den militärischen Aufgaben, die ihn über seine gesamte Regierungszeit hin forderten. Er bediente sich durchaus traditioneller Formen der bildhaften Darstellung und war dem seit Augustus geprägten Prinzipatsstil verpflichtet. Es ist jedoch nicht zu verkennen, daß auch persönliche Züge Marc Aurels eine Rolle gespielt haben und er z. B. auf eine extreme Übersteigerung seiner Herrscherrolle verzichtete. Insgesamt gesehen war es wohl die ,,Gewalt der Umstände" (Ta eis heauton VI 11), die auch Marc Aurels Prinzipatsstil prägte: ,,Der Natur des Ganzen gemäß geschieht alles und jedes..." (Ta eis heauton VI,9).

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Münzen, Statuen, Porträts als Träger des kaiserlichen Programms














Münzen als Darstellungmedium und Verkehrsmittel


















Symbolische Präsenz des Kaisers










Herrschaftsvorstellungen und Stilisierung










Reversbilder und Reverslegenden












Situation des Reichs










Siegertitel


















Verhältnis des Kaisers zur Armee










Das Blitzwunder an der Donau












Münzbilder als Verklärung













Kaiserliche Sieghaftigkeit stand im Vordergrund










Kaiserliche Haupttugenden


































Gebräuchliche Münzmotive















Marc Aurels stoische Gesinnung vs. gottähnliche Darstellungen







Porträts, Statuen und Kaiserkult







Herstellung und Distribution der Kaiserportäts



Porträttypen









Die vier Porträttypen Marc Aurels











































Kaiserliche Pracht und Aura des letzten Porträttypus






Charisma und Stoa als Grundzüge des Marc Aurel






















Statuengattungen










Das Reiterstandbild vor dem Kapitol

















Statuen im Kontext ihrer Entstehung und ihrer Stifter














































Statuen in Legionslagern





















Zusammenfassung

Literaturangaben:

a) Quellen:

Numismatische Quellen:
RIC, Roman Imperial Coins in the Hunter Coin Cabinet, Bd. II, Trajan to Commodus, Hg. von Anne S. Robertson, London, Glasgow, New York 1971

Abbildungen im Internet:
Homepage von Maxim Loick

Epigraphische Quellen:
CIL 1111372, 3318,6578, 6581, 6658, 6760
CJL VI 1008, 1009, 1010, 1012, 1014, 1110
CIL VIII 17587, 18065
ZIMMER (s.u.) C9=ILS368=CILVII 8300 + p. 1896
ZIMMER CI4 = CIL VIII 20152 =AE 1938,38
ZIMMER T21 = AE 1909,6
ZIMMER T42 = CIL VIII 17863
ZIMMER T43 = CIL VIII 2363 + p. 1693
DOMASZEWSKI (s. u.), 149, Nr.148

Archäologische Quellen:
Abbildungen der Kaiserstatuen v. a. in BERGMANN (s. u.)

Abbildungen im Internet:
Homepage von Maxim Loick

Literarische Quellen:
Briefwechsel von Marc Aurels Lehrer M. Cornelius Fronto, Ad M. Caes. 4, 12, Hg. von C. R. Haines, Bd. 1, Cambridge/Mass. 1955.
Cassius Dio, Roman History, Hg. und ins Englische übersetzt von Earnest Casy, Bd. IX, London, Cambridge/Mass. 1955.

Des Kaisers Marcus Aurelius Antoninus Selbstbetrachtungen, Übersetzung, Einleitung und Anmerkungen von Albert Wittstock, Stuttgart 1949
Scriptores Historia Augustae, Vita Marci Antonini Philosophi Iuli Capitolini, Hg. von E. Hohl, Leipzig 1955.

b) Darstellungen:

Alföldy, Géza, Römische Statuen in Venetia et Histria, Heidelberg 1984
Bergmann, Marianne, Marc Aurel, Frankfurt am Main 21988
Birley, Anthony, Marcus Aurelius, A Biograpby, London ²1987; deutsche Übersetzung: Birley, A., Mark AureI, Kaiser und Philosoph, München ²1977
Carson, Robert A. G., Coins of the Roman Empire, London, New York, 1990, 48-53
Casey, P. J., Understanding Ancient Coins, London 1986, 33-34
Christ, Karl, Geschichte der römischen Kaiserzeit, Von Augustus bis Konstantin, München 1992, 332-345
Domaszewski, Alfred von, Aufsätze zur römischen Heeresgeschichte, Darmstadt 1972,81-201
Keppie, Lewrence, Understanding Roman Inscriptions, Manchester 1991
Kienast, Dietmar, Römische Kaisertabelle, Grundzüge einer römischen Kaiserchronologie, Darmstadt 1990, 19-57 und 137-141
Knauer, Elfriede Regina, Das Reiterstandbild des Kaisers Marc Aurel, (1968), In: Klein, Richard (Hg.), Marc Aurel, (Wege der Forschung, Bd. 550), Darmstadt 1979
Kuhoff, Wolfgang, Felicior Augusto Melior Traiano, Aspekte der Selbstdarstellung der römischen Kaiser während der Prinzipatszeit, Frankfurt am Main, Berlin, Bern, New York, Paris, Wien 1993
Pekáry, Thomas, Das römische Kaiserbildnis in Staat, Kult und Gesellschaft, Dargestellt anhand der Schriftquellen, Berlin 1985
R.-Alföldi, Maria, Antike Numismatik, Teil 1, Theorie und Praxis, Mainz 1978
RE, Paulys Real-Encyclopädie der classischen Altertumswissenschaft, hrsg. von G. Wissowa [u. a]. Stuttgart,1894ff, 1, 2, 2279-2306.
Schumacher, Leonhard (Hg.), Römische Inschriften, Stuttgart 1990.
Witschel, Christian, Das römische Kaiserporträt, Hg. von Dr. Klaus Stemmer in Zusammenarbeit mit dem Museumsdidaktischen Dienst Berlin, Abguss-Sammlung antiker Plastik, Berlin 1992
Wittstock, Albert, Des Kaisers Marcus Aurelius Antoninus Selbstbetrachtungen (s. o.), Einleitung, Stuttgart 1949, 3-9
Zanker, Paul, Augustus und die Macht der Bilder, München 1987
Zimmer, Gerhard, Locus datus decreto decurionum, Zur Statuenaufstellung zweier Forumsanlagen im römischen Afrika, Mit epigraphischen Beiträgen von Gabriele Wesch-Klein, München 1989

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