Unvermeidlicher
Kaffee im Park

von Boris Körkel

Nun ist sie wieder da. Einmal noch neige ich meinen Blick nach unten, sie zu sehen durch die Scheiben der zwei Fenster, die zwischen uns liegen, durch die kühle Abendluft, in die sich wieder weißer Dampf aus den Kaminen, Abzügen und allen möglichen Ventilen ausbreitet. Das Licht gibt ihm seltsame Formen wie Füße und Köpfe und Seefische und Schlangen. Ich sehe, wie sie noch einmal das Zimmer verlässt. Dann ziehe ich den Vorhang zu und vergesse alles, was draußen ist. Ich vergesse auch, dass sie wieder da ist.

Ich stelle die Lautstärke an meiner Hifi-Anlage ein wenig zurück, gehe - wie wahrscheinlich auch sie gerade - noch einmal in die Küche, räume ein bisschen auf, wische über den Tisch, den Herd, die Ablage und trinke einen großen Schluck kühlen Wassers aus der Plastikflasche. Wieder im Zimmer angekommen, stelle ich die Musik schließlich ganz ab. Ich gehe zum Fernseher, der seit heute Nachmittag ununterbrochen und ohne Ton läuft. Die Baseballspiele. Eigentlich will ich den Ton aufdrehen, doch dann entschließe ich mich zu etwas anderem. Die Yankees gewinnen wieder einmal.

Ich stehe nun schon wieder am Fenster. Einen Spalt weit habe ich den Vorhang zurückgeschoben. Ich sehe sie. Sie sitzt im grünen Sessel in einer Art Schneidersitz und telefoniert. Mit der einen Hand hält sie den Hörer, mit der anderen streicht sie sich durchs Haar. Nun gut.

Natürlich ist besetzt bei ihr. Ich wollte es nur prüfen. Wieso eigentlich? Düüt - düüt - düüt dütdütdütdütdüt.. Mir ist, als höre ich sie selbst.

Auf dem Boden liegen verteilt die Seiten der Sonntagszeitung. Reiseberichte, Theater, Kino, business, all das. Ich lese mehrere Überschriften und packe die Zeitung dann in den Mülleimer.

Reality news auf NY1 fesselt mich mehr als das Baseballspiel. Zwei Kids haben heute Nacht einen Bus überfallen und ein schlimmes Blutbad angerichtet. Der Bus sieht aus wie ein Schlachtfeld. Auf einem anderen Sender ein Interview mit dem Bürgermeister. Und überall der Tele-Shop: the easy stich oder der stepwalker. Nächste Woche kommt der Papst in die Stadt.

Nun bin ich auf der Straße. Ich kaufe mir noch eine Zeitung, die evening post, und setze mich in einen Delikatessenladen, esse einen Truthahnsandwich, dazu eine coke. Am Nebentisch eine ungemein laute Frau mit ihrem Macker.

Auf meinem Rundgang durch die nächtlichen Straßen nichts besonderes. Auf den Straßen hier erlebe man immer etwas, heißt es. Doch heute nichts. Nur in der Ferne die unvermeidlichen Sirenen eines Polizeiwagens.

Wieder in der Wohnung, nachdem ich auf dem Flur zwei widerliche Schaben zertreten habe, fasse ich einen Gedanken. Der erste Gedanke heute? Der erste seit Wochen? Oder immer wieder der gleiche Gedanke? Ich weiß es nicht.

Alles beginnt zu kreisen nachdem ich das Licht gelöscht habe. Noch eine Weile liege ich wach. Zuletzt höre ich einen Hund heftig bellen. Am nächsten Morgen wache ich schon sehr früh auf. Ich bleibe im Bett liegen und sehe fern bis es mir zu dumm wird. Nach der Dusche beschließe ich endgültig, die Stadt zu verlassen. Beim Kaffe unten im Park begegne ich allerdings ihr. Wir trinken gemeinsam unseren Kaffee und plaudern. Ja, was für ein schöner Tag!







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