ELFRIEDE BAUMGARTNER - AUSSTELLUNG "Gargoyles & Flowers, Photoworks 1993-2001"

Vernissage: 2.2.2002 11.00 - 17.00 Uhr, Ausstellung: 3.2.2002 bis 30.3.2002 in der Galerie Faber, Brahmsplatz 7, 1040 Wien

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Gargoyles und Carnivorae
In der Serie �Gargoyles� hat Elfriede Baumgartner Schreckgestalten und Dämonen unter Glas gelegt. Die solcherart verwahrten Wesen sind Wasserspeier von gothischen Sakralbauten in Paris. Sie hat sie bei Nacht in Langzeitaufnahmen d.h.ohne Blitz, nur bei Straßenbeleuchtung fotografiert. Durch das Kondensorglas, das wie eine optische Linse wirkt, erreichen die eingeschlossenen Figuren hohe Plastizität und es entsteht so etwas wie die Illusion eines Raumes, eines nächtlichen, dunklen, phantasmatischen Raumes. Bewegt man die in Aluminium gefaßten Glasobjekte so wandern die ohnehin zum Kippen und Stürzen neigenden Figuren mit, spielen sich frei von ihrer archaischen Statuarik und gehen um, suchen heim, werden zu Trägern psychischer Energien.

Schaut man durch das Glas hinein bzw. hinüber so sieht man sie dort - uralt, abgewittert, verloren, vergessen, lange gedient, von der Tragik und Einsamkeit derer, die überdauern, wenn andere das Zeitliche segnen dürfen. Als Wasserspeier haben sie alle ihre Münder weit aufgerissen und scheinen für einen ganz expressiven Kommunikationswillen zu stehen. Die ganze Spannung der Figuren kulminiert in diesen ausgetrockneten Mundöffnungen, die stumm und stillgelegt sind.In Elfriede Baumgartners Arrangment scheinen sie gegen Glaswände anzuschreien bzw. scheint sich ihr Ausdruckswille an der Unüberwindlichkeit dieser Glasbarriere aufzubauen. Nichts aber dringt durch. Rufen sie, so tun sie das drüben. Sollten sie Sprachwesen sein, so an sich selbst leidende.

Die von Elfriede Baumgartner geschaffenen Glasreservate konstituieren Gegenwelten und sind bevölkert von Wesen der anderen Art. Als phantasmatische Gebilde hängen diese in hohem Maße von der Wahrnehmens- und Begehrensstruktur derer ab, die sich auf der Tag-Seite des Glases befinden. Durch Drehen und Kippen der Objekte kann man sie in ihren dunklen Räumen umtreiben. Dann offenbaren sie ihren Charakter als Chimären und Ausgeburten geängstigter Phantasie. Gleichzeitig kann man sie aber in dieser speziellen Anordnung auch ganz in den Blick nehmen, sich über sie beugen und sie dementsprechend fokusieren. Man kann Nahsicht pflegen, sich das vor Augen führen, was üblicherweise weit entfernt ist und einen nahezu wissenschaftlichen Umgang mit den Dämonen pflegen. Dann schrumpfen sie in ihren Glasgefäßen und bieten sich willig als Versatzstücke gothischer Architektur oder als Zwitterwesen aus dem Fundus der Kunstgeschichte an.

In den Pflanzenfotos Elfriede Baumgartners geht es wieder um diesen Blick durch die Linse. Was sich jedoch diesmal auf der anderen Seite zeigt, sind keine düsteren Welten, sondern Szenarien der Helle, der Dynamik, der Befreiung. Der Kameraaufbau erinnert an eine Bühne und auf dieser Bühne erscheinen die Protagonisten - carnivore Pflanzen - befreit von herkömmlichen Abbildungscodes. Die Regievorgabe lautet eigentlich nur, sich nicht an das zu halten, was ihr Erscheinungsbild normalerweise ausmacht. Eine zwischen Kamera und Objekt plazierte Linse, die einem Episkop entstammt, bewirkt Abbildungsfehler. Diese Aberrationen oder Abweichungen äußern sich in aufgelösten Konturen der Pflanzen, in Farbsäumen, in Unschärfen, Verzerrungen und kometenähnlichen Gebilden, die dort aufleuchten, wo achsenferne Gegenstandspunkte waren.

Waren die Modelle zuvor Gargoyles, so sind es jetzt fleischfressende Pflanzen. Zu diesen Pflanzen hat Elfriede Baumgartner einen stark persönlichen Bezug. Sie lebt mit diesen Pflanzen, die anheimelnd gefräßig ihre Fensterbank füllen und dort einen Streifen Wildnis entstehen lassen. Man kann diesen Pflanzen beim Insektenfang zuschauen, sehen, wie sich ihre Fangarme um die Beute schließen. Was carnivore Pflanzen und Gargoyles verbindet, ist ihre Wildheit, Fremdheit und Zwitterhaftigkeit.

Auf der von Elfriede Baumgartner temporär eingerichteten Bühne findet ein Feuerwerk des Visuellen statt. Pflanzen feiern ihr Entkommen aus Abbildungscodes und beginnen vor der Linse zu tanzen, zu swingen, zu leuchten. Hier wird etwas zu sehen gegeben, das an Malerei grenzt. Dynamik ersetzt Statik. In all den zu Farbsäumen zerlegten Umrißlinien scheint das Davor und Danach der Bewegung als Lichtspur bewahrt. Die Protagonisten hinter der Linse geben sich in hohem Maße wandelbar und haben ihre festen Konturen wie Korsette abgelegt. Es ist nahezu beängstigend, wie anfällig all diese Gebilde für Deformationen und Auflösungen sind. Sie scheinen nichts von sich abzuweisen und sich ihrer alten Gestalt in keiner Weise verpflichtet zu fühlen. Ihr Wille zur Transformation grenzt an Unloyalität menschlichen Abbildungsverhältnissen gegenüber. In diesen Bildern wird das Fehlerhafte in sein Recht eingesetzt. Die hier inszenierten Abbildungsfehler führen zu Resultaten jenseits des Falschen und Richtigen. Die Künstlerin hat mittlerweile eine solche Meisterschaft im Fehlerzulassen entwickelt, daß sie das von der Repräsentationsnorm Abweichende und das diese Norm Bestätigende in Bildern nebeneinander zu setzen vermag.

Mit diesen Bildern entwickelt man eine Ahnung davon, was an Wahrnehmungsmodi des Lebendigen möglich wäre. Kant kommt in den Sinn und sein Verdikt von der Bestimmtheit des menschlichen Perzeptionsapparates. Trotzdem wird in Elfriede Baumgartners Kunst nicht einer Ding-an-sich Romantik gefrönt. Dies sind Bilder von hoher Künstlichkeit und jede neue Linse würde neue Kreationen hervorbringen.

Angeleitet durch Gargoyles und Carnivores zeigt sich - jenseits unserer Wahrnehmungsfilter ist die Wirklichkeit erschreckend und befreiend gleichermaßen.

� Monika Schwärzler


Translation:

In her series "Gargoyles" Elfriede Baumgartner has put frightening creatures and demons under glass. These creatures stored under glass are taken from the gargoyles on sacred Gothic buildings in Paris. She photographed them at night with long exposures, without a flash, relying only on street lighting. Due to the condenser glass, which functions like an optical lens, the imprisoned figures look incredibly three-dimensional giving the illusion of imaginary space on a dark night. If the glass objects wrapped in aluminium are moved, then the figures move together with them as they are always on the verge of tipping and falling. They are able to free themselves from their archaic statuesque positions, thereby becoming carriers of psychic energy.

If you look through the glass, i.e. across the glass, you can see them standing there, ancient, weathered, lost and forgotten. They possess the tragedy and loneliness of those creatures who have outlived the others, who have been allowed to die. They are gargoyles with wide-open mouths seemingly ready and forever willing to communicate. The tension within these figures culminates in their dried-out mouth-openings which have been silenced. They seem to be screaming against their glass walls inside Elfriede Baumgartner's box-arrangements. The insuperableness of the glass barriers seem to increase their intense desire to express themselves. Nothing penetrates through to them. If they call, then it is on the other side, so if they are speaking beings they suffer unto themselves.

These glass reservations created by Elfriede Baumgartner constitute a parallel world inhabited by creatures belonging to another species. As they are imaginary forms they depend on the perception and structures of those on the day-side of the glass. By tipping and turning the objects one can also make them move about in their dark spaces. There, they reveal their character as chimeras and monsters originating from timid fantasies. At the same time though, they can be bent over and focused on and looked at as a whole in any particular ensemble. They can be looked at close-up and be seen the way things are usually look at when very far away, emulating a scientific method of looking at demons. Then they shrink back into their glass containers and appear as set pieces in Gothic architecture or as the hybrid creatures found in art history.

Elfriede Baumgartner is also concerned with the view through the lens in her plant photos but instead of revealing dark worlds, this time she shows scenarios of light, dynamics and release. The camera structure is reminiscent of a stage and the protagonists who appear on this stage are carnivorous plants freed from their usual mode of photography. The stage directions are simply to not portray their image they way they usually are. The lens from an episcope placed between the camera and object creates reproduction errors. These aberrations or errors reveal themselves as fuzzy plant contours, coloured and unfocused edges, distortions and comet-like forms which light up those parts of objects which before had been in the distance.

Whereas her models had previously been gargoyles, here Elfriede Baumgartner shows meat-eating plants to which she has a strong, personal relationship. She lives with these plants that greedily reside on her window sill where they create a strip of natural wilderness. These plants can be watched wrapping their long, catching arms around insects. The connection between carnivorous plants and gargoyles is their wildness, their strangeness and their hybrid nature.

On Elfriede Baumgartner's temporary stage there is a firework of visual phenomena. Plants celebrate their release from their usual mode of photography by starting to dance, to sway and to shine in front of the camera lens. It almost seems like painting. Everything static is replaced by dynamics. All movement, before and after, within the outlines which have become coloured edges, appears to be conserved as a trace of light. All the protagonists behind the lens are to a great extent alterable and have removed their strict contours similar to taking off a corset. It is almost frightening how susceptible these forms are to being deformed and dissolved. They do not seem to repel anything or feel responsible in any way towards their old forms. Their will towards transformation borders on disloyalty towards the conditions of human imagery. In these images aberrations have demanded their right to exist. The aberrations staged here have led to results beyond right or wrong. The artist has developed such skill in allowing aberrations to occur that she is able to place both those representations which deviate and confirm to the norm next to each other.

These images allow the viewer to develop an idea about what is possible in ways of perceiving living things. Kant comes to mind and his findings on the certainty of the human perception apparatus. Nevertheless Elfriede Baumgartner does not wallow in a "thing-unto- itself" Romanticism. These images are highly artificial and every new lens would spawn new creations.

Guided by gargoyles and carnivores we are shown that reality beyond the filters of our perception can be both frightening and liberating.

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