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(oder der
Klabautermann)
Zurück an Bord -
nach meinem Landausflug in Graciosa - machte ich mich daran, die Notizen der
Reise ins Bordbuch zu übertragen. Fing bei Dämmerung an und konnte diese Arbeit
schließlich bei Kerzenschein im Cockpit beenden, während die Nacht hereinbrach.
Zwischenzeitlich
vernahm ich ein Geräusch, das einem Rinnsal ähnelte, der ein Gefälle von ca. 1
m herunterplätscherte. Ein Geräusch, das ich bisher auf meinem Schiff nicht kannte
und das mich zutiefst beunruhigte. Dieses Geräusch war offensichtlich Wasser -
und das in meinem Schiff!!! Es war also Wasser in meinem Schiff, das sogar
herunterplätscherte. Ich suchte außenbords nach plätscherndem Wasser,
vielleicht ein offener Kanister, vielleicht sogar ein offener Benzinkanister,
nein das konnte nicht sein. Benzin oder Diesel verursachen aufgrund anderer
Konsistenz ein anderes Geräusch als Wasser, außerdem haben Benzin und Diesel
einen markanten Geruch. Ich fand NICHTS! Ich machte das Beiboot klar und machte
eine Runde um das Schiff (etwa gegen Mitternacht) und suchte in Höhe der
Wasserlinie alles ab. Aber ich fand NICHTS!, was annähernd dieses Geräusch
verursachen könnte. Es gab also nur noch diese eine Möglichkeit und die ist Angst-einflößend,
es musste innen sein. Wann wird das Schiff absaufen, dachte ich. Was passiert
dann, musst du alle Pumpen einsetzten, musst du gar das Schiff auf den Strand
fahren oder nach Arrecife segeln und das möglichst schnell, bevor es abgesoffen
ist. Mir gingen die wildesten Gedanken durch den Kopf. Ich sah in die Bilge,
hier musste das plätschernde Wasser sich schließlich irgendwann sammeln.
NICHTS!!! Die Bilge war sauber und fast trocken. Ich suchte trotzdem weiter, es
sammelt sich bestimmt irgendwo. Sah in die anderen Bilgensektionen, die etwas
höher lagen, sah in die Motorbilge, suchte an den Innenbordwänden NICHTS!!! Wo
sind dann noch Hohlräume, überlegte ich.
Da waren noch das Ruderblatt und das Skeg, der Mittelkiel, der vor dem
Ruderblatt liegt. Da konnte ich aber nicht hineinsehen. Diese Hohlräume waren
zudem klein und würden bald gefüllt sein. Konnte mir aber auch nicht erklären,
wie hier ein Loch entstehen könnte, hatte ja nicht einmal Grundberührung und
wenn, dann war die Materialstärke ausreichend, um kein Loch entstehen zu
lassen. Ich hatte keine Wahl, ich musste
das Geräusch so hinnehmen und erdulden und abwarten was passiert. Entsprechend
unruhig verlief die Nacht. Immer war dieses Geräusch da, und es beschäftigte
mich die ganze Nacht. Oder war es vielleicht bei den entfernteren
Nachbarschiffen und das Wasser der Ankerbucht überträgt dieses Geräusch. Ich
schlief sicher zwischendurch einige male ein, aber immer nur für einen kurzen
Zeitraum. War einfach zu müde nach dem Törn hierher zu den Kanaren in die
Ankerbucht von Graciosa.
Als ich morgens
aufwachte, blickte ich zuerst in die Bilge - NICHTS!!!. Dann sah ich mir
außenbords einmal mehr die Wasserlinie an - NICHTS!!! was auf eindringendes
Wasser hindeuten könnte. Dann sah ich zum Anker. Es war glasklares Wasser und
bei den geringen Auf- und Abbewegungen des Schiffes, bei sonst ruhigen
Bedingungen, wie ich sie bisher auch nicht kannte, konnte ich sehen, wie die
Ankerkette sich immer wieder auf eine Steinplatte legte, wieder abgehoben wurde
und sich wieder hinlegte. Das Aneinanderstoßen der einzelnen Kettenglieder und
das Fallen auf die Steine auf dem Ankergrund verursachen wohl dieses Geräusch.
Wie täuschend ähnlich war es diesem kleinen „Wasserfall“. Wie viele Bemühungen
und Gedanken und Überlegungen hat es gekostet. Aber schließlich war ich doch
glücklich und zufrieden, endlich diese banale Ursache gefunden zu haben und die
„Belle Ile“ ist nach wie vor ein gutes und sicheres Schiff.
Dann war ich in
Arrecife und in der ersten Nacht dort ... hörte ich... dieses Geräusch!!! Ich
sah am nächsten Morgen zur Ankerkette. Die lag bei sehr ruhigem Wasser im Sand
und rührte sich nicht - aber das Geräusch war wieder da. Ich war enttäuscht,
denn meine Ursachentheorie schien nicht zu stimmen. Was nun, erneute Suche nach
der Ursache, ich hatte ja schon alles abgesucht - aber das Wasser schien
unaufhörlich ins Schiff zu plätschern. Ich war am Ende mit meinen Ideen und
rettete mich in die Lethargie. Einen Tag später sprach ich dann mit Oliver und
Ümet über dieses Phänomen. Er ließ mich wissen, daß er genau dieses Problem
auch hatte und zwar an den selben Ankerplätzen wie ich. Nach gemeinsamem
Brainstorming sind wir dann darauf gekommen, dass es eigentlich nur noch an den
speziell an diesen Orten beschaffenen Ankergründen liegen könne. Und richtig, es ist uns aufgefallen, dass es
auf diesen beiden Ankergründen besonders viele kleinere Steinfelder gab, in
denen sich die kleinen Steinchen durch den Schwell oder die kleinen
Wasserbewegungen aneinander reiben und dieses Geräusch verursachen. Etwas
anderes ist uns nicht eingefallen aber dieses Theorie schien korrekt zu sein,
zumal in den Kunststoffschiffen (Yoghurt-Bechern) dieses Geräusch zwar auch zu
hören ist, aber erst dann, wenn man ganz gezielt danach hinhört. Also scheint
der Stahlrumpf - durch seine besseren Resonanzeigenschaft - dieses Geräusch
deutlich besser zu übertragen. Das war eine Erklärung, mit der wir alle leben
konnten und wir machten uns ab diesem Zeitpunkt keine Sorgen mehr über
eventuelle Löcher im Rumpf und dem daraus resultierendem Wassereinbruch.
Einige Monate
später traf ich Norbert und Brigitte, die mit ihrem Schiff von Osten (Ort an
der Oste in Norddeutschland, Niedersachsen) hierher kamen. Sein Schiff heißt bezeichnenderweise
"Ostewind". Sie liegen auch in Las Palmas und haben hier ebenfalls
eine Wohnung. Brigitte erzählte nach einer Nacht an Bord ihres Schiffes,
"heute waren die Würmer aber wieder besonders laut". Ich fragte nach,
"die Würmer?". "Ja", erklärte sie, "diese knisternden Geräusche
im Wasser, das sind die Würmer, die sich an den Unterwasserflächen des Rumpfes
- immer auch mit Antifoulingfarbe gestrichen - zu schaffen machen. Ihnen
scheint die giftige Farbe besonders gut zu schmecken oder/und/aber nichts
auszumachen.
Nun bin ich im
Zweifel, ob ich diese Theorie auch für mich akzeptieren soll, oder ob ich mir
weiterhin darüber Gedanken machen sollte.
Natürlich kannte ich diese (Wasserfall-) Geräusche, aber aufgrund meiner
Zeitknappheit in diesem Moment verzichtete ich darauf, meine Geschichte vom
Wasserfall zu erzählen. Ich wollte mich auch nicht der Bewunderung meiner
Seglerkollegen ob meiner (Klabautermann-) Phantasie aussetzen. Jedenfalls
scheinen diese Würmer endlich mein Rätsel mit dem Wassereinbruch gelöst zu
haben (bis zur nächsten Theorie). Oliver und Ümit haben mittlerweile den
Pazifik - ohne Wassereinbruch - erreicht. Ein beruhigendes Gefühl, denn mit
ihnen zusammen hatte ich ja die Theorie mit den Steinfeldern auf dem
Meeresgrund entwickelt. Aber Oliver glaubt auch, dass in 20 Jahren der
Ärmelkanal für die Schifffahrt nicht mehr passierbar ist, weil er zugefroren
ist. Das wird ihn einen Karton guten Rotweines kosten, die Wette wird er
verlieren - allerdings erst in 20 Jahren und ich weiß jetzt schon, dass es
selbst in 20 Jahren immer noch Gründe für Feiern gibt.
Ab jetzt stören
mich Wasserfälle - selbst im/am Schiff - nicht mehr!!! oder vielleicht doch???
Jedenfalls ist Einfallsreichtum bei der Ursachensuche gefragt, wofür wiederum
viel Phantasie besonders hilfreich ist.
Fazit: Ich glaube
zu wissen, dass aus einer solchen oder ähnlichen Geschichte die (wahre?)
Existenz des Klabautermanns entstanden sein könnte und was hat der denn schon
für Möglichkeiten, seine ureigensten Bedürfnisse zu erledigen. Männer und Hunde suchen sich Bäume zum
pinkeln, der Klabautermann sucht sich Schiffe und das vorwiegend auf den unter
Seglern bevorzugten Ankerplätzen.
(oder der einsame
Mann)
Headline:
Tagestrip wurde zur Drei-Monats-Reise
Ein 62-jähriger
amerikanischer Segler ist nach mehr als dreimonatiger Odyssee vor der
Pazifik-Küste Costa Ricas von der US Marine gerettet worden. Wie die Los
Angeles Times berichtete, war der gebürtige Vietnamese Van Pham von Long Beach
im Bundesstaat Kalifornien aus zu einem Tagestrip zur Catalina-Insel vor der
kalifornischen Küste aufgebrochen, als ihn ein Sturm überraschte. Segel,
Hilfsmotor und Funkgerät wurden zerstört. Er hatte seine Abfahrt nicht
gemeldet, niemand vermissten den alleinstehenden Mann.
Während seiner
über 4000 Kilometer langen Odyssee ernährte sich Van Pham von Meerestieren und
Seevögeln, die er gefangen hatte und
trank gesammeltes Regenwasser. Am Tag blieb er unter Deck. Mit Hilfe eines von
Sonnenenergie angetriebenen Generators konnte er gelegentlich ein Video
ansehen.
Als er 489
Kilometer vor der Küste Costa Ricas von
einer Fregatte auf dem Wrack entdeckt wurde, war Van Pham gerade dabei. einen
Vogel auf seinem selbst gebastelten Grill zu rösten. Er wollte erst gar nicht
gerettet werden, sondern bat nur darum, sein Boot zu reparieren. Er glaubte, er wäre in der Nähe Hawaiis und
wollte weitersegeln. Da sich das Boot aber in in schlechtem Zustand befand, gab
er schließlich seine Einwilligung dazu, es zu versenken. Die Seeleute
spendierten ihm ein Flugticket für die Heimreise, die er von Guatemala aus
antrat.
Ich habe noch nie
so eine Geschichte gehört. Er ist ein harter alter Vogel. Ich weiß nicht. ob
ich das so gut überstanden hätte, sagte der Kapitän des Schiffes. Van Pham
verlor etwa 20 Kilogramm Gewicht und hatte eine von der Sonne stark gegerbte
Haut. Sonst war er bei guter Gesundheit.
Miguel war pünktlich
und kam mit seinem Bruder gegen 11.30Uhr. Sofort fuhren wir zu dem Ort der
Veranstaltung. Hierfür gibt es eine spezielle Halle, die auch für den
Kanarischen Ringkampf genutzt wird. Dieser und auch die Hahnenkämpfe werden in
speziellen Ligen ausgetragen und finden wöchentlich einmal statt. Eintritt
kostete 6 Euro pro Person, ich wurde von Miguel eingeladen. Für mich tat sich
mit dem Eintritt in die Halle eine neue, unbekannte, sportähnliche Szenerie
auf. Die meisten Besucher waren Männer (überwiegend mit ausgeprägten Bäuchen)
mittleren Alters, die später die kämpfenden Hähne mit Rufen anfeuerten. Wir
nahmen einen Platz in der 2. Reihe an dem Ring ein. Dieser war ein rundes
Podest mit einem Gitter, durch das die Hähne gerade den Kopf hindurchstecken können,
ausgelegt mit einem teppichähnlichen Belag - grün, damit die Hähne sich wohl
fühlen!
Die Hähne wurden
hereingetragen unter dem Arm des Trainers mit einem kleinen Handtuch über dem
Körper. Im Ring wurden sie für den Kampf präpariert. Sie wurden gewogen, weil
nur gleichschwere Hähne miteinander kämpfen sollen. Sie wurden mit einem nassen
Wattebausch unter den Flügeln betupft und abgewischt. Zum Abschluss der
Vorbereitungen wurden die Sporen in eine Zitronenhälfte hineingedrückt, das
dient der Desinfektion wurde mir erklärt. Dann wurden die Hähne in den Armen
der Trainer hin und her geschwenkt und mit den Händen klopften sie gegen die
Flügel, das macht sie aggressiver. Dann wurden sie auf den Boden gesetzt und
sofort gingen die Hähne unter den Anfeuerungsrufen der Zuschauer aufeinander
los, indem sie die Sporen in Richtung des gegnerischen Hahnes schwangen oder
mit dem Schnabel auf den Kopf oder gegen den Hals pickten. Ganz begeistert
waren die Zuschauer, wenn einer der Hähne die Sporen besonders wirkungsvoll
einsetzte. Bald war einer der Hähne blind, weil ihm die Augen ausgepickt oder
ausgekratzt waren und er konnte sich nur noch danach orientieren, von wo der
angreifende Hahn auf ihn einpickte oder durch die unterstützenden Rufe des
Trainers, der dicht am Ring saß. Der Kampf dauert ca. 10 Minuten und endet
damit, dass der Trainer den Ring öffnet und seinen Hahn aus dem Ring nimmt,
oder der Hahn nicht mehr kampffähig ist. Das ergibt sich dann aus der
Situation, entweder der Hahn steckt immer wieder den Kopf aus dem Ring, oder er
liegt am Boden und vermag nicht mehr aufzustehen, weil er entweder derartig
verletzt oder sogar tot ist. Letzteres wird dann mit besonders viel Beifall
bedacht.
Geklatscht wird
nach jedem Kampf, ich klatschte mit. Damit hatte ich allerdings fast für einen
Eklat gesorgt, schließlich saß ich in den Reihen von Telde, einem Vorort von
Las Palmas und der gegnerische Hahn hatte gewonnen. Dieses bedachten jedoch nur
die Zuschauer und Anhänger der gegnerischen Hähne mit Beifall und das hatte ich
zu diesem Zeitpunkt noch nicht gewusst. Später entschuldigte ich mich hierfür.
In einer Ligabegegnung treffen 7 Hahnenpaare aufeinander. Während, oder auch
schon vor der Begegnung werden Geldbeträge zur gegnerischen Seite gerufen, das
sind Wetteinsätze, die bei einem Sieg auf den gesetzten Hahn mit dem doppelten
Betrag zurückgegeben werden. Ein Hahn ist etwa 1 1/2 Jahre alt und aus einer
speziellen Züchtung. Die Gewichtsklassen werden in englischen
Gewichtsdimensionen angegeben.
Dieses Erlebnis und
auch die hier mitgehenden, engagierten Zuschauer erinnern mich an
Fernsehberichte des "ultmate fighting" der Menschen untereinander.
Auch hier sind die Menschen dann am meisten begeistert, wenn die Quälerei am
größten ist. Meine spanischen Gastgeber waren stolz darauf, mir dieses
Spektakel zeigen und erklären zu können und hatten nicht die geringsten
Bedenken dabei, dass hier etwas Schreckliches oder sogar Unrechtes passiert und
ich war froh, den Ort der Veranstaltung endlich verlassen zu dürfen. Dann hatte
ich aber auch noch das "Vergnügen", mich mit dem Trainer über
entgangene Chancen seiner von ihm trainierten Hähne unterhalten zu dürfen.
Meinen spanischen Gastgebern schenkte er je den Sporn einer Kralle seiner
beiden siegreichen Hähne, die dann auch getötet werden und in den Abfall
wandern, wie die Verlierer auch. Dieser Sporn wurde wie ein wertvoller Schatz
begutäugt und sofort sicher in einem Beutel verstaut.
In wenigen
Ausnahmefällen treffen Hähne aufeinander, die zur Enttäuschung der Zuschauer gar
nicht kämpfen wollen. Alles in allem ein interessantes - wenn auch abstoßendes
- Ereignis für mich, das ich nicht wieder haben muss. Aber wieder einmal musste
ich feststellen, dass die Spanier ein ganz besonderes Verhalten Tieren
gegenüber pflegen, das uns Mitteleuropäern doch sehr fremd ist.
Zuletzt
bearbeitet: Dienstag,
24. Februar 2015