Angenommen es sei nichts ...



in ganz normaler Schulalltag: fr�h aufstehen, noch mit halb geschlossenen Augen den Morgenkaba trinken, den Tr�umen nachsinnend zur Bushaltestelle laufen, im Gedr�ngel um die letzten Sitzpl�tze kurz wacher werden und wieder in Tr�umen versinken. So f�ngt f�r mich der Tag an. Jeder Tag.
Ich sehne mich nach den Sommerferien, die n�chste Woche beginnen. Drei Wochen England und danach zwei Wochen mit Freunden in unser Ferienhaus nach Spanien! Und wieder werde ich mich nicht nach Hause sehnen, sondern w�nschen, dass diese Freiheit nie mehr gegen den langweiligen Schulalltag eingetauscht werden muss.
Ich schrecke auf als mich jemand leise beim Namen nennt. Patrik aus dem Nachbarort ist zugestiegen. Und hat sich durch die stehende Masse bis zu mir durchgek�mpft. Ich wundere mich, denn rund um mich ist kein Platz frei f�r meinen einstmaligen Schwarm. Wie lang ist das jetzt schon her? Knapp �ber zwei Jahre. So lange ist es schon her, seit ein anderes M�dchen ihn mir vor der Nase weggeschnappt hat. Mein Trost war damals, dass die Beziehung nur f�nf Wochen gehalten hat. Doch unsere Freundschaft war darunter aus unerkl�rlichen Gr�nden zerbrochen.
"Maike, du musst mir helfen!"
"Was ist los? Warum fl�sterst du?"
Unwillk�rlich sehe ich mich um. Die kleinen Jungs vor uns sind in ihr Kartenspiel vertieft und das M�dchen neben mir schl�ft.
Patrik deutet mit dem Kopf zu seinen einige Meter und ein halbes Dutzend Menschen entfernten Kumpeln.
"Die haben mir da was eingebrockt! Sie meinen, dass du meine Freundin seist!"
Ich halte die Luft an.
"Was... wie bitte?"
"Ja," druckst er herum. "Und jetzt wollen sie mir nicht glauben, dass..."
"Au weia," rutscht es mir raus. Ich zwinge mich jedoch zur Ruhe. "Und jetzt?"
"Tja, das wei� ich selber nicht so genau." Die Sache ist ihm anscheinend wirklich peinlich. "Sie sind nur noch bis n�chste Woche hier, das hei�t..."
"...das hei�t wir k�nnten ihnen so lange was vorspielen." Ich �berlege einen Moment. Eine kleine Schauspieleinlage um die letzten Schultage etwas aufzulockern? Warum nicht? "Okay, Schatz," sage ich mit spitzb�bischem Grinsen. "Darf ich dann auf deinen Scho� sitzen?"

Wie angenehm f�hlt es sich an seine kr�ftigen Arme zu sp�ren, die er locker um mich gelegt hat... Halt! Nur nicht genie�en! Schlie�lich ist alles nur gespielt! Wir reden kein Wort, so k�nnen wir uns auch nicht verraten. Zum Gl�ck gehen seine Kumpel auf eine andere Schule und m�ssen schon wenige Stationen sp�ter aussteigen. Als sich die T�ren schlie�en, atmen wir erleichtert auf, die Anspannung weicht. Jedoch macht Patrik keinerlei Anstalten seine Arme wegzunehmen. Vielleicht hat er es vergessen, auch egal. Die gerade frei gewordenen Sitzpl�tze sind ohnehin bereits wieder besetzt und stehen will ich nicht. Daf�r bin ich noch zu m�de. Als das M�dchen neben uns aussteigt, will ich auf ihren Platz wechseln und schiebe sanft Patriks Arme beiseite.
Auf dem Weg zur Schule lassen wir uns Zeit, hier k�nnen wir ungest�rt und ungeh�rt reden. Ich lasse mir den Vorfall und das Missverst�ndnis mit seinen Kumpeln noch mal erkl�ren, dar�ber kommen wir auf die "gute alte Zeit", also vor Stephanie zu sprechen. Heute, �ber zwei Jahre danach kommen wir endlich dazu unsere damaligen und heutigen Standpunkte voreinander darzulegen. Wenigstens grob, denn so ganz sicher ist sich keiner von uns beiden. So verquatschen wir die Zeit bis die Schulglocke zum Unterrichtsanfang l�utet und wir uns f�r die gro�e Pause verabreden. Er geht in die elfte Klasse, also eine Stufe unter mir.
Ich muss mir allergr��te M�he geben mich auf den Unterricht zu konzentrieren, sicher geht es meinem mehr-oder-weniger-Freund genauso.
Warum habe ich mich all die ganze lange Zeit nicht getraut ihn nach seinen Gef�hlen f�r mich zu fragen? Meine Zur�ckhaltung w�hrend und nach seiner Beziehung mit Stephanie hatte ihn verunsichert und ihn seinerseits zu mehr Distanz veranlasst. Und er ist auch stets in der Ungewissheit geblieben ob und wie lange meine tiefe Zuneigung zu ihm angehalten hat. Zugegeben, ich schw�rme immer noch etwas f�r ihn, obwohl ich inzwischen fast nichts mehr �ber ihn wei�, aber er hat einen einwandfreien Charakter und einen noch besseren K�rper. Echt geil (im wahrsten Sinne des Wortes). Nur knapp entgehe ich nicht wenigen Anschnauzern, indem ich mich wenigstens halbwegs auf den Unterricht konzentriere. Am Donnerstag sind Notenkonferenzen, bis dahin sollte ich mich noch zusammenrei�en.
Was machen wir eigentlich, wenn sich unsere "Beziehung" innerhalb der n�chsten zehn Tage bis zu den Ferien herumspricht? Was soll ich dann antworten? Ja oder nein? Bin ich mit ihm zusammen oder nicht? Eigentlich ja nicht. Ausweichen wird wohl das Beste sein, das kann ich ja zum Gl�ck.

Ich habe Fotos aus dem Drogeriemarkt abgeholt. Patrik bewundert meine gelungenen Landschafts- und Tieraufnahmen. Wir haben beide Mittagspause und sitzen im Park, wo sich um diese Zeit allenfalls ein einsamer Spazierg�nger mit seinem Hund hin verirrt. "Tja, ich fahre �fters mal mit dem Rad durch die Gegend und knipse," erz�hle ich vertr�umt. "Da sitze ich zum Beispiel an der R�mersiedlung rum und denke nach oder schreibe etwas, pl�tzlich flitzt ein wundersch�ner Dalmatiner um die Ecke, den musste ich einfach aufs Bild kriegen."
"Wirklich sch�n, der kleine. Du schreibst sehr viel, stimmt's?"
Ich stecke die Fotos wieder zur�ck in die T�te.
"Hmm, ja. Drei Gedichte auch �ber dich." Ups. Das musste ich jetzt einfach loswerden. Und wenn ich mich blamiere oder er mich auslacht. Doch nichts dergleichen geschieht, er ist eher positiv �berrascht - und neugierig.
"Damals?"
Ich unterdr�cke die immer wieder aufkommende Unsicherheit, wage jedoch nicht ihm ins Gesicht zu sehen und nicke nur. Dann sch�ttle ich den Kopf. Ja, es stimmt, ich habe damals zwei Gedichte geschrieben. Aber eines ist noch gar nicht so lang her, erst vor wenigen Monaten habe ich eine f�r mich besondere Begegnung festgehalten. "Darf ich mal lesen was du so �ber mich schreibst?"
Ich muss unwillk�rlich lachen.
"Schau mal auf meine Homepage. Da kannst du fast alle meine Werke lesen."

So dass es seine Kumpels sehen k�nnen, dr�ckt mir Patrik einen leichten Kuss auf die Wange, der mir trotz aller Selbstbeherrschung einen leichten Schauer �ber die Arme rieseln l�sst. Ich habe erfolgreich einen Sitzplatz f�r ihn freigehalten. Es ist alles gut gegangen, heute ist der letzte Tag. Weder in der Schule noch sonst wo bin ich auf die inszenierte Beziehung angesprochen worden. Nur Alex, meinem langj�hrigen besten Freund, habe ich davon erz�hlt. Ihm kann ich grenzenlos vertrauen. Am Wochenende haben wir zu dritt eine kleine Radtour unternommen. Die Jungen haben sich auf Anhieb verstanden.
Wir reden �ber belanglose Dinge, dabei f�llt mir auf wie nerv�s Patrik die H�nde knetet. Vielleicht die bevorstehenden Zeugnisse. Ich lege beruhigend eine Hand auf die seinen. "Heute ist der letzte Tag," sage ich als wir nebeneinander zur Schule schlendern. Wir haben noch �ber eine Stunde Zeit, da wir beide nicht zum Abschlussgottesdienst gehen. Patrik r�uspert sich.
"Du..." Er stockt und blickt zu Boden.
"Hmm?" Neugierig sehe ich ihn an.
"Meintest du das eigentlich ernst in dem Gedicht "gespielt"? Ich habe es gestern Abend auf deiner Homepage gelesen."
Ich bemerke wie angespannt er auf meine Antwort wartet. Ich habe es mir fast gedacht, dass er mich darauf ansprechen wird. Habe ich das nicht sogar provoziert als ich meine Gef�hle nach der Radtour am Sonntag in Worte gefasst und ins Internet gestellt habe?
Was soll ich jetzt sagen? Nein? Doch: sind es nicht meine wahren Gedanken und Gef�hle die darin stehen? Warum also bestreiten?
Trotzdem kann ich nur stumm nicken.
Betretene Stille. Nur zwei Autos brausen ungeachtet der Zone 30 an uns vorbei. Ich sehe den mich um fast einen Kopf �berragenden Jungen an, suche seine Gedanken in den Augen zu lesen, die je nach Licht gr�n, blau oder grau schimmern. Seine Haare sind leicht gegelt und unterstreichen sein ausdrucksvolles Gesicht. Doch was dr�ckt es denn aus? Nachdenken, Unsicherheit, Sehnsucht, Z�gern, Abw�gen... Entschlossenheit. Er gibt sich einen Ruck, wendet sich langsam zu mir um. Ich bleibe stehen, erwartend. Mit zitternden Fingern tastet er nach meinen H�nden.
"Meintest du das wirklich ernst?"
Seine Lippen formen unh�rbar meine Antwort.
"Ja."
Wie rau meine Stimme pl�tzlich klingt, denke ich noch, da k�sst er mich sanft.
"Ich auch."


Gespielt

Angenommen
Es sei ernst
Und nicht nur
Ein inszeniertes Spiel,
Dann...

Angenommen
Er meint es ernst
Und nicht nur
Weil er nicht nein sagen konnte,
Dann...

Angenommen
Ich meine es ernst
Und nicht nur
Weil er mich gebeten hat,
Dann...

Angenommen
Die Liebe sei ernst
Und nicht nur
Ein gespieltes St�ck,
Dann... w�rde ich ihn lieben...


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