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Rußland - Sowjetunion - Die russische Aktionskunst

Die russische Aktionskunst seit futuristischen Zeiten eine ganz eigene Tradition. 1914 gingen Kasimir Malewitsch und Alexej Morgunow in der eleganten Moskauer Kuznetzky Most spazieren, einen bemalten Holzlöffel im Knopfloch. Die typisch russischen Elemente dieser Aktion: sie wird von Randfiguren der Gesellschaft aus geführt, und zwar meist von einer Gruppe, zumindest von zwei Künstlern. Performances wie die der Wiener Aktionisten, die sich auf den Künstler und seinen Körper konzentrieren, fanden in Rußland nie Anklang. Russische Performance galt immer als >sozialkritisch<, obwohl dieses Soziale in Wirklichkeit eher die Ausnahme war.

Die meisten Aktionen in den 70er und 80er Jahren fanden draußen statt, auf dem Lande, wo die Mechanismen der ideologischen Kontrolle nicht vorhanden waren. Gleichzeitig muteten die hochpolitischen und sozialradikalen Performances von Vitalii Komar und Alexander Melamid an wie etwas Witzig-humorvolles für einen kleinen Kreis von Freunden. Dazu kam, daß jeder Versuch, eine Ausstellung in privaten Räumen abzuhalten, zu einem spontanen Happening mit KGB, Polizei und Bulldozern werden konnte - wie Josef Bakhstein sagte: Body Art ist, wenn der Körper des Künstlers zu einem Kunstobjekt wird.

Während der Tauwetterperiode der 60er Jahre gab es die Gruppe >Dvizhenie< (Bewegung) unter der Letung von Lev Nusberg, die versuchte, die Traditionen der russischen Avantgarde in der Öffentlichkeit wiederzubeleben. Mehr als kleine Ausstellungen in Clublokalen und einige Open-Air-Happenings kamen nicht dabei heraus. Das Zentrum der künstlerischen Elite in Moskau bildete die Gruppe<Kkollektive Aktionen> Mitgliederwaren u.a. Andrej Monastyrsky, Nikita Alekseev, Nikolai Panitkov, Georgy Kizivalter, Igor Makarevitch, Elena Elagina, auch Theoretiker und Philosophen wie Mikhail Ryklin, Sergei Romashko, Bakhstein usw. Ihre Aktionen zeichneten sich aus durch feine und raffinierte Strukturen. Ihr Hauptziel war, nach Monastyrskys Worten, »Wahrnehmung als wichtigster Gegenstand der Darstellung«. Die erste Aktion, Erscheinungen (1976), fand in der Nähe von Moskau statt: Als die eingeladenen Zuschauer das leere Feld erreichten, kamen die Künstler aus dem Wald zum Vorschein und überreichten ihnen Zertifikate, die ihre Teilnahme an der Aktion bestätigten.

Das Gegenstück zu diesen intellektuellen Aktivitä ten von Monastyrsky und seiner Gruppe waren die ironischen Aktionen der Begründer der Soz-art Komar und Melamid. 1974 machten sie Bouletten aus der >Prawda<. Auch die Gruppe >DasNest< ist für rein politische Aktionen bekannt. Sie untersuchten auch das Verhältnis des Künstlers zur Umgebung, wie z. B. in Environment retten, eine Minute nicht atmen (1976).

Die Gruppe >Totart< (Anatoly Zhigalov und Natalia Abalakova) versuchte sich mit gesellschaftlichen Aktionen in einer nichtpolitischen Atmosphäre. Zhigalov war damals >Kommandant< eines Wohnblocks und nützte seine Position aus, die Bewohner zu >freiwilliger Sonntagsarbeit< einzuladen: Er bat sie, die Bänke im Hof mit Goldfarbe anzustreichen {Die goldene, freiwillige Sonntagsarbeit, 1982). Als Resultat dieser rein ästhetischen Aktion wurde Zhigalov ins Irrenhaus geschickt.

All diese Gruppen gehörten zu dem sogenannten Moskauer konzeptuellen Kreis, zu welchem weitere Künstler und Grüppchen gehörten, die gelegentlich Aktionen machten: die >SZ-Gruppe<; Viktor Skersis mit .serviert. Im Juni 1992 wiederholten Künstler der Irekhprudny-Galerie die Aktion von Malewitsch und Morgunow - sie gingen am Kuznetzky Most spaziere m'rt bemalten Löffeln im Knopfloch. Niemand achtet« auf sie.

 

Andey Kovalev - [email protected], [email protected]

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