Kernkraft


Temelin: Die Kernkraftprobe

Christoph Kotanko über das AKW, das die Beziehungen zu Tschechien stört

Blockaden statt Besonnenheit? Kraftmeierei statt Kooperation? Bei der Kraftprobe um das südböhmische Atomkraftwerk Temelin scheinen beide Seiten entschlossen, ihren Standpunkt durchzusetzen. Seit der Aktivierung des AKW am 9. Oktober 2000 gab es zahlreiche Störfälle, die den Konflikt weiter verschärft haben: Pannen im Kühlsystem, undichte Turbinenklappen, Brand im nicht- nuklearen Teil mit Turbinenstopp, Vibrationen, die zur Abschaltung führen, Risse im Turbinenrohr, ein Leck im Ölsystem, undichte Leitungen . . . Eine Chronologie von Mängeln,

die das Misstrauen in den nachgerüsteten Sowjet-Meiler nährt. "Es besteht keinerlei Gefahr für die Bevölkerung", beruhigen die Betreiber. Sie pochen auf die Umweltverträglichkeitsprüfung, deren Ergebnis seit knapp zwei Wochen vorliegt.

Die Experten (vier Tschechen sowie zwei EU-Abgesandte, die vier Fachleute aus Österreich und Deutschland "beobachtet" hatten) befanden, dass der Einfluss des AKW auf die Umwelt "niedrig, vage und vertretbar" sei. Die "Havarie-Planung und -bereitschaft" sei "auf hohem Niveau und basiert auf internationalen Empfehlungen sowie auf der Praxis".

Stimmt nicht, entgegnen die Atomkraftgegner; das gute Zeugnis verniedliche die Gefahren, sei "allem Anschein nach unvollständig" und spare die Kernfrage aus, warum Temelin überhaupt sein müsse; Tschechien produziere weit mehr Strom als es für den Eigenbedarf benötigt.

Längst haben sich hüben und drüben Politiker des heißen Themas bemächtigt. Es ist eine kaum mehr kontrollierbare Kettenreaktion.

Im AKW-nahen Oberösterreich hatte man jahrelang nichts getan. Dann verbündete sich VP-Landeschef Pühringer mit allen möglichen Aktivisten. Als die gesetzlich nicht gedeckten Grenzblockaden das Verhältnis zu Prag ernsthaft störten, musste Kanzler Schüssel eingreifen; er pfiff Parteifreund Pühringer zurück und verordnete eine Abkühlphase.

Jetzt kommt der Landeshauptmann wieder unter Druck. Wenn in OÖ alle gegen Temelin mobilisieren, will er nicht zurückstehen.

Zu den jüngsten Spannungen haben Äußerungen von Seiten der tschechischen Regierung beigetragen. So nannte Industrieminister Gregr die Bedenken seiner Nachbarn schnippisch eine "österreichische Propaganda, vielleicht eine Reaktion auf Minderwertigkeitskomplexe, weil dieses Land in diesem Bereich etwas verschlafen hat."

Prag sollte doch zur Kenntnis nehmen, dass sich Österreich nach einer sehr munteren Diskussion mit anschließender Volksabstimmung entschieden hat, kein Atomkraftwerk zu betreiben. Daraus lässt sich natürlich nicht ableiten, dass Atomenergie prinzipiell Teufelswerk ist; der einschlägige Missionierungseifer österreichischer Politiker wirkt ziemlich lächerlich.

Aber fundierte Einwände eines Nachbarlandes darf man nicht dreist ignorieren. Die Regierungen in Prag und Wien sollten wieder ins Gespräch kommen, ehe es in den Beziehungen einen größeren Störfall gibt.

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