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Jahrelang wurde die Geschichte vom Pet-Recycling als Erfolgsstory erzählt.

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Jahrelang wurde die Geschichte vom Pet-Recycling als Erfolgsstory erzählt. Doch die gute Rücklaufquote war manipuliert. Nun droht der Bund mit einem Pfand.


Von Thomas Müller

Ganz oder zerquetscht, im Strassengraben, am Waldrand, in der Blumenrabatte oder am Seeufer: Überall liegen sie, die Pet-Flaschen. Achtlos auf den Boden geschmissen statt im blaugelben Recycling-Container entsorgt.

Von der Milliarde Pet-Flaschen, die jedes Jahr in der Schweiz verkauft werden, gelangen nach Gebrauch zu wenige in die Wiederverwertung. Jahrelang wurde die Sammelquote von der Getränkeindustrie trickreich geschönt. In Tat und Wahrheit liegt sie deutlich unter den vom Bundesrat geforderten 75 Prozent ­ jetzt droht die Regierung mit einem Pfand von 50 Rappen.

Die Getränkebranche versucht das Problem auszusitzen. Das wollten einst auch die deutschen Kollegen ­ mit Folgen: In Deutschland kam das Dosenpfand und zog den Volkszorn auf sich. Seither rollt eine Welle der Empörung durchs Land, die Konsumenten streiken. Die Verkaufszahlen von Getränken in Dosen, Pet-Flaschen und Wegwerf-Glasflaschen sind ins Bodenlose gestürzt. Stattdessen boomen seit Einführung des Depots bundesweit die pfandfreien Kartonverpackungen. Rekordumsätze gibts auch bei Wasserfiltern und Soda-Club-Geräten, mit denen man daheim unkompliziert selber Sprudelwasser fabriziert.

Doch nicht das Pfand allein ist schuld, verantwortlich für den Konsumenten-Boykott ist vor allem die unkoordinierte Einführung. Seit jeher pfandfeindlich, sträubt sich die deutsche Getränkeindustrie bis heute gegen eine bundesweite Pfand-Ausgleichskasse. Die Folge ist ein Hürdenlauf für die Kunden. Die Händler nehmen nur Dosen und Flaschen zurück, die sie selber verkauft haben. Im einen Geschäft muss die Kundin zwecks Kontrolle den Kassenzettel vorweisen, im andern einen Bon, den ein Ladeninhaber selbst fotokopiert hat. Die Deutschen machen sich europaweit zur Lachnummer. So weit muss es in der Schweiz nicht kommen ­ wenn das Pfand kundenfreundlich eingeführt wird.

Im Jahr 2002 brach die Schweizer Pet-Recycling-Quote von 82 auf 72 Prozent ein, weil das Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft (Buwal) den Kniff mit den Plastikdeckeln aufdeckte. Wie von Pet Recycling Schweiz (PRS) geheissen, schraubten die Konsumenten stets brav den Verschluss auf die flach gequetschte Pet-Flasche, bevor sie das Ding im Recycling-Container entsorgten. Damit erhöhten sie das Gewicht des gesammelten Pets um zehn Prozent. Denn für die Gesamtmenge der verkauften Pet-Flaschen meldete die Getränkebranche jeweils nur das Nettogewicht des Pets ans Buwal, für die Recycling-Quote hingegen das Gewicht der gesammelten Pet-Flaschen samt Plastikverschluss und Etikette. Jahrelang ergab das traumhafte Sammelquoten von weit über den 75 Prozent, welche die Verordnung über Getränkeverpackungen mindestens verlangt. Die Pfand-Gefahr war gebannt.

Fühlt sich das Buwal nicht betrogen? Hanspeter Fahrni, Chef der Abteilung Abfall: «Wir wussten nicht, dass auf zwei ganz verschiedene Arten gemessen wurde.»

PRS-Sprecher Jean-Claude Würmli bestreitet, die Sammelquote manipuliert zu haben. «Von Manipulation darf man nicht sprechen, wir haben immer offen kommuniziert, dass wir die Deckel mitwägen.» Er müsse den Puck ans Buwal zurückspielen: «Das Bundesamt ist für die Vergleichbarkeit der Zahlen selbst verantwortlich.»

Die Getränkeindustrie bleibt erfinderisch. Statt Verschlusskappen rechnet sie die Getränkereste in den Flaschen zum Pet-Gewicht hinzu. «Ich habe zu Hause ein paar Flaschen gewogen», sagt Buwal-Mann Hanspeter Fahrni, «die paar Tropfen, die in der Flasche bleiben, machen wahrscheinlich nicht viel aus.» Deutsche Experten kommen zu einem ganz anderen Schluss. «Die so genannte Restfeuchte beträgt im Durchschnitt zehn Prozent, im Sommer ein bisschen weniger, im Winter mehr», sagt Gunda Rachut, Geschäftsführerin der Cyclos in Osnabrück. Das Unternehmen kontrolliert 180 Recycling-Betriebe in ganz Europa.

Wird das Flüssigkeits-Gewicht abgezogen, beträgt die korrekte Schweizer Sammelquote für 2002 nicht wie angenommen 72 Prozent, sondern nur noch 62 Prozent. Im kommenden Frühling will das Buwal über das Pfand entscheiden. Es bleibt also ein halbes Jahr, um die Sammelquote um ein Fünftel zu steigern. Ein aussichtsloses Unterfangen. Deshalb: Das Pfand wird unweigerlich kommen.

Es fragt sich nur, ob es für die ganze Getränkeindustrie eingeführt wird ­ oder bloss für die schwarzen Schafe, die den Durchschnitt nach unten ziehen. Gemäss Buwal sind «einige wenige Selbstentsorger» auf schlechte Quoten gekommen. Denner und Otto's sind solche Selbstentsorger. Sie sammeln in ihren Läden zwar ebenfalls Pet, rezyklieren es aber nicht in der Schweiz, sondern über eigene Kanäle billiger im Ausland. Die beiden sind die einzigen bedeutenden Anbieter, die sich nicht am Verein Pet Recycling Schweiz beteiligen. Dieser umfasst 90 Prozent der Schweizer Getränke-Produzenten und -Händler und zählt 18'000 Sammelstellen.

Die beiden Trittbrettfahrer schlagen die Pfand-Drohung des Buwals kurzerhand in den Wind. «Es gibt keine Vorschriften, wie viel Pet jeder einzelne Marktteilnehmer der Wiederverwertung zuführen muss», sagt Denner-Generalsekretär Lukas Brühwiler kühl, «es heisst nur, 75 Prozent des Gesamtvolumens in der Schweiz müssten rezykliert werden.» Denner hat dieser Einschätzung zufolge also keine separate Abreibung zu befürchten. Wie hoch beim Discounter mit seinen gut 500 Sammelstellen die Pet-Rücklaufquote ist, verrät Brühwiler nicht.

Auch Otto Ineichen, der Gründer der Ladenkette Otto's, gibt sich gelassen: «Ich traue dieser Statistik nicht, das Buwal will doch bloss Druck machen, um die Monopollösung des Vereins Pet Recycling Schweiz durchzudrücken.» Die Anlagen des Vereins seien «extrem luxuriös» und das eigene Recycling deutlich billiger.

Vier Rappen vorgezogene Entsorgungsgebühr verlangt der Verein von seinen Mitgliedern pro Flasche, Otto's zahlt für die eigene Lösung einen Rappen weniger. «Bis Ende Jahr läppert sich das jeweils zu einer schönen Stange Geld zusammen», sagt Ineichen. Zusammen sparen Denner und Otto's jährlich schätzungsweise rund eine Million Franken.

Der Verein Pet Recycling Schweiz hat die Hoffnung auf eine Zusammenarbeit mittlerweile begraben. «Denner reagiert nicht einmal auf unsere Zuschriften», klagt PRS-Sprecher Würmli. Nun kniet sich PRS mit dem Mut des Verzweifelten allein in die Verbesserung des Sammelnetzes, um das Pfand wenigstens für seine Mitglieder abzuwenden. An Kiosken, Tankstellen-Shops, in Bahnhöfen sowie in kleineren Gemeinden ohne eigenen Dorfladen sollen 3000 neue Sammelstellen entstehen. Viel ist davon nicht zu erwarten, wie die Erfahrungen mit den 18'000 Sammelstellen zeigen. Die 6000 grössten bringen 80 Prozent der Menge ein, während die 12'000 Kleinsammelstellen nur noch 20 Prozent ausmachen. PRS erwartet, die Quote im eigenen System um drei Prozent zu steigern und ungeschoren davonzukommen. Das Pfand soll Trittbrettfahrer wie Denner und Otto's treffen. «Das wäre die fairste Variante», sagt Würmli.

Er vergisst dabei die Restfeuchte. Sind die Schweizer etwa geiziger als die Deutschen und trinken jede Flasche bis zum allerletzten Tropfen leer? Oder ergeben Unterschiede im Sammelsystem trockenere Flaschen? Die deutsche Entsorgungsexpertin Gunda Rachut winkt ab. «Die Schweizer Verbraucher müssten die Flaschen schon mit dem Föhn trocknen, um auf tiefere Werte zu kommen.»

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