Klonen

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Klonen muss tabu bleiben

Neue Klone

 


Klonen muss tabu bleiben
Kommentar.

Von Reto Kohler

Wenn Wissenschaftlern ein bedeutender Wurf gelungen ist, kommentiert man jeweils die Relevanz der Entdeckung, ihr wirtschaftliches Potenzial und die Gefahren, die aus ihr erwachsen. Doch im Fall des Klonbabys greifen all diese Werkzeuge der Einordnung ins Leere. Die Menschenkloner sind Scharlatane, denen es vornehmlich darum geht, das öffentliche Interesse auf sich zu lenken. Das haben sie durch ihre verwirrende Informationspolitik in der Vergangenheit oft genug bewiesen.

Es ist deshalb völlig unklar, ob der Menschenklon echt ist oder nur ein Bluff der Raëlisten. Trotzdem ist die öffentliche Debatte, welche die Ankündigung lostreten wird, ernst zu nehmen. Der Aufschrei des Entsetzens war zu erwarten. Doch dieser Widerstand könnte schnell bröckeln. Die trendigen, selbst ernannten Tabubrecher werden wohl bald fragen, ob das Klonen von Menschen wirklich so schlimm sei oder ob die Technik nicht auch Chancen eröffne. Doch das Klonen unserer Spezies muss tabu bleiben.

Klone haben nämlich als einzige Lebewesen einen real existierenden Schöpfer - den Klontechniker. Bei der natürlichen Zeugung regieren die Gesetze des Zufalls. Beim Klonen bestimmt der Forscher das genetische Kostüm des Nachwuchses. Wenn dabei etwas schief geht, trägt nicht das Schicksal die Schuld, sondern ein Mensch. Eine solche Verantwortung kann niemand tragen.

Wenn das Klontabu nun trotzdem ins Wanken gerät, trifft die Wissenschaftler eine Mitschuld. Auch sie haben zu gierig auf den menschlichen Embryo geschielt. Während der Debatten um die Stammzellenforschung haben viele mit diffusen Heilsversprechen operiert und behauptet, der medizinische Fortschritt hänge von der Embryonenforschung ab. Dass sie damit auch schleichend den Weg zum Menschenklon ebnen, haben sie ignoriert. Nun müssen sie in dieser Frage eine klarere Haltung einnehmen und die Chancen und Risiken der Arbeit mit Embryonen deutlicher offen legen. Nur so können sie sich von den Menschenklonern abgrenzen und eine fruchtbare Diskussion darüber ermöglichen, was die Forschung dürfen soll und was nicht.


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Neue Klone


Der Gynäkologe Severino Antinori verriet FACTS: Er sei am Ziel, aber müsse die Babys verstecken.
Von Doris Ladstaetter - FACTS 12/2003, 20.3.03

Seit zwei Jahren schreckt Severino Antinori die Öffentlichkeit mit beunruhigenden Nachrichten auf: Im Januar 2001 verkündete der römische Mediziner zum ersten Mal, er wolle Menschen klonen. Ein gutes Jahr später gab er bekannt, eine Frau sei in der achten Woche mit einem Klon schwanger. Letzten Dezember versprach er zwei weitere Klon-Geburten auf Anfang Jahr.

Drei geklonten Kindern müsste der Arzt also schon auf die Welt verholfen haben. Doch wo sind sie? Die angekündigten Geburtstermine verstrichen, ohne dass Antinori Babys vorzeigte oder wenigstens DNA-Beweise fürs Klonen präsentierte. Darin unterscheidet er sich nicht von der Rael-Sekte, die letzten Dezember unter grossem Medienwirbel die Geburt eines Klon-Babys, «Eve», verkündete. Erst jetzt ­ zum ersten Mal nach den Geburtsterminen ­ spricht Antinori von «Resultaten», also Klon-Babys.

Am Eingang seiner Klinik in Rom ist nicht einmal ein Schild angebracht. Nur auf dem vergilbten Aufkleber des kleinen Briefkastens ist zu lesen, wem er gehört: R. A. P. R. U. I. Day Hospital. Eine Etage höher entpuppt sich die bekannte private Praxis Antinoris als grosse Wohnung mit knarrenden Holzböden. Von Reichtum und Hightech keine Spur.

Für Glamour sorgt nur der Chef: Severino Antinori, 57, der umstrittenste Fortpflanzungsmediziner, seit sein Name mit dem Klonen von Menschen assoziiert wird. «Haben Sie gesehen, dass das Klon-Schaf ÐDollyð gesund gestorben ist, ich habs ja immer gesagt!», sagt er statt einer Begrüssung.

Wo sind denn Ihre Babys, Professore? Severino Antinori strafft die Schultern und sagt: «Ich kann Ihnen sagen: Die Resultate gibt es. Aber ich kann Ihnen das Wo, das Wie und das Wann nicht verraten.» Bedeutet das, die angekündigten Klone sind geboren, aber Sie halten sie versteckt? «Es braucht Zeit, diese Kinder zu analysieren», sagt er. «Wir werden frühestens in zwei Jahren unsere Zahlen vorlegen. Bis dahin müssen wir die Klone vor Leuten wie Ihnen schützen, die so viel unbegründete Angst vor dem Fortschritt haben.» Und ob Ihre Klon-Babys gesund sind, können Sie das sagen, Professore? «Dazu ist es zu früh. Wir brauchen erst Langzeitergebnisse.»

Das R. A. P. R. U. I. Day Hospital ist ein Familienbetrieb. Antinoris Frau, eine Biologin, seine Tochter und deren Ehemann forschen hier. Und dann ist da Antinoris Assistentin, nach der er alle paar Minuten mit einem strengen «Mongardi!» ruft.

Ist Antinori der ruhmsüchtige Provinzdoktor, für den ihn seine Gegner halten, sind seine Klon-Babys nur Bluff? Oder ist er der geniale Gynäkologe, der das Zeug hat, den ersten menschlichen Klon auf die Welt zu bringen, wie beispielsweise Robert Edwards, der Erzeuger des ersten Retortenbabys, glaubt? Tatsache ist, dass Antinori vor zehn Jahren einer 63-jährigen Italienerin zur ersten «postmenopausalen Schwangerschaft» der Geschichte verholfen hat. Hunderte Kinder weltweit wurden seither nach seiner Methode gezeugt.

Es gehe dem Professore vor allem darum, dass die Menschheit verstehe, warum er klont, verteidigt Marica Mongardi im Vorzimmer ihren Chef. Nicht aus religiöser Verblendung, nicht aus Geltungssucht, nein, nur um unfruchtbaren Menschen zu helfen. «Klonen ist nur eine von mehreren Möglichkeiten der Fortpflanzung», sagt Antinori. Es sei der nächste logische Schritt auf dem Weg zum endgültigen Sieg über die Unfruchtbarkeit des Menschen.

So einfach erscheint das Klonen eines Menschen in Severino Antinoris Büro. «Was tue ich denn Schlimmes?», redet sich der Professore in Rage, «Kinderkriegen ist ein Menschenrecht.»

Das sehen die meisten Wissenschaftler anders. Davor Solter vom Freiburger Max-Planck-Institut hält es für ethisch unhaltbar, an Menschen zu probieren, was in Tierversuchen nur mit hohen Fehlerraten geklappt hat. «Man sollte Antinori ignorieren, bis er Beweise vorlegt», rät er.

«Sie», fährt Antinori den FACTS-Fotografen mitten im Interview an, «Sie hören jetzt auf mit der Knipserei!» Und an die FACTS-Reporterin gewandt: «Sie kommen mit mir. Ich habe einen Termin, wir können im Auto weiterreden.» Antinori ist für seinen unberechenbaren Umgang mit Journalisten bekannt, gerne droht er ihnen mit Klagen. Im Laufschritt geht es die Treppe hinunter. Er habe ein Auto mit verdunkelten Scheiben und drei Bodyguards, soll Antinori dem britischen «Observer» erzählt haben. Heute blieben das schöne Auto und die Bodyguards zu Hause: Dafür steuert eine genervte Mongardi den Wagen älteren Modells durch den Verkehr. «Nein, da lang!», brüllt Antinori ihr vom Rücksitz aus ins Ohr und doziert im selben Atemzug weiter: «Wir haben eine Erfolgsquote von zehn bis zwölf Prozent. Es stimmt also nicht, was Wilmut behauptet hat.»

Ian Wilmut, der Erzeuger des im Februar eingeschläferten Klon-Schafs «Dolly», hatte eine Erfolgsquote von 0,36 Prozent. Er musste insgesamt 277 Zellfusionen mit 277 Eizellen durchführen, ehe ihm die Schwangerschaft und Geburt von «Dolly» gelang.

Klon-Experte Davor Solter kann Antinoris Erfolgsrate trotzdem wenig abgewinnen: «Angenommen, es stimmt, dann gibt es immer noch keinen Grund, sich darüber zu freuen, dass neunzig Prozent der Patientinnen die Gesundheitsrisiken einer abgebrochenen Schwangerschaft mitmachen müssen», sagt er. «Ich glaube, Antinori sucht nur öffentliche Aufmerksamkeit.»

Mehrmals im Jahr schafft es Antinori im grossen Stil in die internationalen Medien. Mit Ankündigungen von Klon-Babys aus seiner Fortpflanzungsklinik. Oder solchen, die er anderen Wissenschaftlern in die Hände legt: So behauptete Antinori im Februar, die chinesische Wissenschaftlerin Guang Zhou hätte zwischen dem 20. und 22. Januar dieses Jahres ein geklontes Baby auf die Welt geholt. «Dottoressa Guang Zhou hat über 400 geklonte Embryonen erzeugt», behauptet Antinori. Chinesische Forscher wollen davon nichts wissen und verweisen süffisant darauf, dass Guang Zhou kein Frauenname, sondern der Name der südchinesischen Stadt Kanton sei.

Doch der Professore lässt sich nicht beirren. «Ich verrate Ihnen exklusiv, dass in einem Krankenhaus in Belgien ein bekannter Gynäkologe heimlich klont. Namen kann ich nicht nennen. Aber ist das ein Scoop, nur für Sie!», ruft er euphorisch.

Doch auch in Belgien winkt man ab. «Es gibt meines Wissens keine einzige Gruppe in Belgien, die Ähnliches wagen würde», sagt Belgiens bekanntester Fruchtbarkeitsmediziner Andre Van Steirteghem von der Freien Universität Brüssel, «und ich weiss ziemlich genau, was in diesen Gruppen passiert.» «Schreiben Sie lieber», fügt er hinzu, «dass das Parlament in Belgien wie auch der Volkskongress in China noch in diesem Jahr das reproduktive Klonen des Menschen verbieten werden.»

In Italien hat sich das Gesundheitsministerium bisher damit begnügt, «Antinoris Arbeit einer genauen Beurteilung zu unterziehen». Wenn es so weit ist, reagiert Severino Antinori drastisch: Am 21. Januar trat er in den Hungerstreik, als italienische Agenten seinen Aufenthaltsort auskundschaften wollten. Doch weil Antinori schnelle Resultate liebt und weil Italien ein Land ist, in dem manche Politiker ständig im Hungerstreik sind und damit alle langweilen, begann Antinori nach zwei Wochen wieder mit dem Essen. Nun schimpft er lieber wieder auf die «katholischen Taliban», die gleich um die Ecke bei seiner Klinik im Vatikan hocken und ihm angeblich nach der Lizenz trachten.

Mongardi hat jetzt endlich das Auto geparkt, der Professore drängt zum Aufbruch. «Schicken Sie mir Ihren Artikel», sagt er zum Abschied, «und Sie wissen ja: Wenn Sie etwas Falsches schreiben, wissen wir, wo Sie zu finden sind.»


 Oben   

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