Hallo Euro
Was, um Himmels Willen, wird wohl fortan aus dem Gröscherlzähler? Wer wird sich in einigen Jahren noch an den Schlei erinnern? (siehe Helmut Qualtinger: "An Job bei da Atomkommission, mit monatlich 13.000 Schlei als Lohn.") Was wird man einem Armutschkerl geben, wenn nicht einen Schülling
(© Georg Danzer). Und was passiert mit banalen Sinnsprüchen wie Wer den Groschen nicht ehrt, . . . ?
Ja, der Euro wird auch unsere Sprache verändern. Obwohl der Österreicher, insbesondere der Wiener, laut Linguisten zu seinem Schilling nie ein besonders liebevolles Verhältnis aufbaute. Wenn er von ihm redete, dann meist voller Respekt, mit Hochachtung, geradezu ängstlich. Als würde der Schilling auf sprachliche Verhunzungen, auf sonst so beliebte wienerische Kosenamen mit sofortigem Entzug reagieren.
Wien - Seit Mitternacht haben 12 der 15 EU-Staaten mit dem Euro eine neue gemeinsame Währung. Der Euro wurde gesetzliches Zahlungsmittel. EU-Kommissionspräsident Romano Prodi, der auf Einladung von Österreichs Bundeskanzler Wolfgang Schüssel (V) die Silvesternacht und den Neujahrstag in Wien verbringt, zeigte sich vom Erfolg der Gemeinschaftswährung überzeugt. Sie sei ein wesentlicher Bestandteil, um ein gemeinsames großes Europa zu errichten. "Es ist etwas Großes, und es hat heute begonnen." Von Wien aus werde diese Botschaft in die ganze Welt hinausgetragen: "Europa besteht in dieser Nacht nicht aus einzelnen Nationen, in dieser Nacht sind wir alle Europäer."
Historischer Tag für Europa
Prodi und Schüssel sprachen von einem "historischen Tag" für Europa, als sie kurz vor Mitternacht im Wiener Traditionshotel Sacher offiziell die ersten Euro-Banknoten von Nationalbank-Direktor Wolfgang Duchatczek in Empfang nahmen. Prodi würdigte den Euro-Start als eine "ganz große Stunde für die europäische Solidarität". Ebenfalls in Wien über die ersten Banknoten freuen konnte sich EU-Agrarkommissar Franz Fischler: "Das ist ein ganz wichtiger Moment für die Zukunft Europas, und ich fühle mich sehr wohl dabei", meinte der Kommissar. Alle drei kauften mit den ersten offiziellen Euroscheinen um Mitternacht Blumen für die Gemahlinnen.
Dank an den Schilling
Kanzler Schüssel bedankte sich "herzlich beim Schilling". Jetzt sei es aber Zeit, sich an eine größere gesamteuropäische Währung zu gewöhnen. Der Euro werde sich als ebenso stabil erweisen wie der Schilling, meinte der Bundeskanzler, denn in dieser neuen Währung stecke "sehr viel europäisches Know-how".
Schritt nach vorne
Höchstes Lob auch aus dem Munde der Hochfinanz in Wien: "Mit der Einführung des Euro als Bargeld macht das Europa der Bürger einen großen Schritt nach vorne", meinte Bank Austria-Chef Gerhard Randa. "Nun gilt es, den Schwung für das nächste große Projekt, die EU-Erweiterung, mitzunehmen", so Randa in einem ersten Statement.
Reibungsloseste Umstellung
Nach OeNB-Angaben verzeichnete Österreich zusammen mit den Niederlanden die reibungsloseste Umstellung auf das Euro-Bargeld. Während Bankomaten im steirischen Joglland - ebenso wie in Wien - reibungslos Euros auswarfen, gab es dagegen etwa in der deutschen Bankenmetropole Frankfurt kleine, aber peinliche Pannen: Ausgerechnet zwei Geldautomaten vis a vis der Europäischen Zentralbank (EZB) versagten vor internationalen Kamerateams den Dienst.
Heimliches Zahlungsmittel in Wien
Wenngleich nicht ganz im Sinn der Erfinder und der gestrengen EZB hatte sich der Euro schon am frühen Silvesterabend - Stunden gevor er als Zahlungsmittel Gesetzesgeltung erlangte - zum vorerst noch heimlichen Zahlungsmittel in der Wiener City entpuppt. Kurz nach 19 Uhr spuckten die ersten Bankomaten die heiß begehrten Euroscheine aus, die Automaten waren sofort von Menschentrauben umstellt. Unter Jubel und Punsch-Prostwünschen wurde in den ersten Minuten jede noch so kleine Euro-Behebung nahe des Silvesterpfades "abgefeiert".
Größte Währungsumstellung perfekt
Die größte Währungsumstellung aller Zeiten ist also perfekt: Seit dem heutigen Neujahrstag ist in Österreich und 11 anderen EU-Staaten der Euro neues gesetzliches Zahlungsmittel.
Unbegrenzter Umtausch möglich
Mit dem Schilling kann parallel noch bis 28. Februar 2002 gezahlt werden. Dann verliert Österreichs alte Währung nach fast 80 Jahren ihre Gültigkeit, kann aber bei der OeNB unbegrenzt und auch kostenfrei in die neue Gemeinschaftswährung getauscht werden.
Neues Geld für Euroland
Um Punkt Mitternacht zog mit dem neuen Jahr 2002 in 12 der 15 EU-Länder der Euro auch als Bargeld ein. Mit dem Eintritt Irlands und Portugals um Mitternacht Ortszeit (1 Uhr "unserer Zeit") war Euroland komplett. Gefeiert wurde heute Nacht in ganz Europa - Silvester ohnedies, und nun auch die neue Währung für Euroland. Das "Jahrhundertprojekt" (OeNB-Gouverneur Klaus Liebscher) brauchte drei Jahre zu seiner Vorbereitung. Mehr als 300 Millionen Menschen teilen sich jetzt ein gemeinsames Geld..
apa/ist
Nach Ansicht der Politik erhält die Europäische Gemeinschaft durch die neue Einheitswährung einen wichtigen Impuls. Alt-Bundeskanzler und ehemaliger Finanzminister Franz Vranitzky (SPÖ) sieht darin einen "besonders wichtigen Zwischenschritt zu noch mehr politischer Gemeinsamkeit in Europa".
Europa müsse aber noch mehr Einigkeit entwickeln und dafür Sorge tragen, dass auch die neuen Staaten zu vollwertigen Mitgliedsländern werden, sagte Vranitzky am Montag.
Österreich habe über die vergangenen 30 Jahre eine stabile
Währung gehabt, die dem Land auch internationale Anerkennung
verschaffte.
Daher sei der Übergang zur neuen Währung nicht nur keine
wirkliche Schwierigkeit, sondern auch die logische Konsequenz
von mehr als 30 Jahren betriebener Währungspolitik.
Die neuen Euro-Banknoten waren auf EU-Ebene noch unter Vranitzkys
Zeit als Bundeskanzler präsentiert worden. Damals hatte Österreich
"wegen herausragender Qualität" den Zuschlag für
die Gestaltung der Banknoten erhalten. Als ehemaliger Notenbankmitarbeiter
blicke er daher den neuen Euro-Noten mit Stolz entgegen, so Vranitzky.
ÖVP-Finanzsprecher Günter Stummvoll sieht im Euro einen
"ganz großen Vorteil": Jeder europäische
Bürger würde dadurch täglich das gemeinsame Europa
erleben. "Das ist ein Quantensprung in der europäischen
Integration, der größte seit der Gründung",
so Stummvoll.
Teuerung
Finanzminister Karl-Heinz Grasser betonte nochmals, dass es durch
den Umstieg von Schilling und Groschen auf Euro und Cent keine
versteckten Preiserhöhungen geben werde und auch kein "Körbergeld"
für die öffentliche Verwaltung. "Ich garantiere
dafür." Auch Wirtschaftsminister Martin Bartenstein
schloss einen Teuerungsschub aus.
"Wir haben unser Ziel erreicht, nämlich zu verhindern,
dass bei der Umstellung aus leicht zu übersehenden Preiserhöhungen
ungerechtfertigt Kapital geschlagen wurde, erklärte der Minister.
Dafür verantwortlich seien das Währungsabgabengesetz,
die Euro-Preisabkommen und das Euro-Preisbarometer gewesen.
"Der Euro hat einen sehr hohen Sicherheitsstandard", sagt Wolfgang Färber, der Geschäftsführer der Oesterreichischen Banknoten- und Sicherheitsdruck GesmbH. Allerdings: "Die ausgeklügeltsten Sicherheitsmerkmale nutzen gar nichts, wenn man das neue Geld nicht genau kennt", so sein einleuchtendes Argument.
Den Österreichern rät Färber deshalb im Umgang
mit dem neuen Geld: "Wenn Sie am 1. Jänner 2002 die
ersten Euro in Händen halten, dann nehmen Sie sich die Zeit
und sehen Sie sich die Banknoten ganz genau an."
Dreifachtest
"Sehen, fühlen, kippen": So beschreibt der Gouverneur
der Oesterreichischen Nationalbank
Klaus Liebscher den Dreifachtest, mit dem echte Euroscheine
problemlos von "Blüten" unterschieden werden können.
Sehen: Im Gegenlicht sind auf den neuen Euro-Banknoten
Wasserzeichen zu sehen, die das jeweilige Architekturmotiv des
Geldscheines zeigen und außerdem seinen Wert angeben. Ebenfalls
im Gegenlicht ist eine dunkle Linie in der Mitte der Banknote
erkennbar. Das ist der so genannte Sicherheitsfaden.
Fühlen: Die Euro-Banknoten werden auf Papier aus reiner
Baumwolle gedruckt, das sich spürbar von normalem Papier
unterscheidet. Durch die Verwendung einer speziellen Drucktechnik
dem so genannten Stichtiefdruck sind einige Bildelemente
auf der Vorderseite der Banknoten ertastbar.
Kippen: Beim Kippen der Banknote erscheinen auf dem silbrigen
Streifen, je nach Betrachtungswinkel, das Euro-Symbol oder die
jeweilige Wertzahl der Banknote als Hologramm. Beim Kippen der
Banknote wird zudem auch ein gelb- bis goldfarbener Streifen sichtbar,
in dem das Euro-Symbol und die jeweilige Wertzahl zu erkennen
sind.
Die Sicherheitsmerkmale auf den 50-, 100-, 200- und 500-Euro-Banknoten
unterscheiden sich in zwei Eigenschaften von den anderen Geldscheinen.
Erstens erscheint beim Kippen in einem Spezialfoliensegment ein
Hologramm, das je nach Betrachtungswinkel das jeweilige Architekturmotiv
oder die Wertzahl zeigt. Außerdem wechselt beim Kippen der
Banknote die Farbe der großen Wertzahl rechts unten von
Rot zu Olivgrün oder Braun. Alle sieben Euro-Scheine, die
vom Österreicher Robert Kalina entworfen wurden, sind in
leuchtenden Farben gehalten und zeigen Bilder von Fenstern, Toren
und Brücken.
Wem ein Geldschein verdächtig vorkommt, der kann sich zur
Echtheitsüberprüfung ins Internet begeben: Die Oesterreichische
Nationalbank (OeNB) listet auf ihrer Homepage
die wichtigsten Sicherheitsmerkmale der Euro-Scheine und die aktuellsten
Falschgeld-Varianten auf.
"Die Gemeinschaftswährung ist genauso hart
wie die Mark. Auch der Euro wird uns Wachstum und Wohlstand bringen."
FINANZMINISTER HANS EICHEL zum Trennungsschmerz der Deutschen.
"Auch die Briten werden den Euro durch Besucher aus
der Euro-Zone als alltäglich erleben und nicht als seltsame
Erscheinung, die vom Himmel fällt."
EU-KOMMISSIONSPRÄSIDENT ROMANO PRODI sieht die Skepsis der
Briten bereits bröckeln.
"Eine junge Pflanze kann gesund sein und einen robusten
Stiel haben, dennoch bleibt sie jung; jung zu sein, kann auch
eine Qualität sein."
EZB-VORSTANDSMITGLIED TOMMASO PADOA-SCHIOPPA über die Schwäche
des jungen Euro zum "alten" Dollar.
"Ganz wie die Beatles es in ihrem Song Hello-Goodbye
gesungen haben: "Ich weiß nicht, warum du Goodbye sagst
ich sage Hallo".
DER DEUTSCHE KANZLER GERHARD SCHRÖDER begrüßt
den Euro mit einem Lied.
"Ich denke schon."
DER BELGISCHE NOTENBANKCHEF GUY QUADEN auf die Frage, ob die Euroeinführung
für einen Inflationsschub sorgen wird.
"Der Euro hat null Auswirkungen auf die Inflation."
LAURENT FABIUS, FRANZÖSISCHER FINANZMINISTER
"Es wurde mehr Geld gefälscht als gewöhnlich.
Es gab eine Art Sonderproduktion ziemlich schlecht gefälschter
Euro-Münzen oder -Banknoten."
PEDRO SOLBES, WÄHRUNGSKOMMISSAR, warnt vor Blüten.
"Die Arbeitsbedingungen sind zu schlecht, das zusätzliche
Personal ist unzureichend."
FRANZÖSISCHE GEWERKSCHAFTER drohen mit Banken-Streik am 2.
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